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  „Zurück in die Vergangenheit” von Sha'ree   [Emails bitte an die Bibliothek schicken]
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Drei Taelons und ein Companionbeschützer auf unfreiwilliger Zeitreise
Zeitpunkt:  Mitte der dritten Staffel
Charaktere:  Liam, Zo'or, Da'an, T'than (Sandoval)
 

 

ZURÜCK IN DIE VERGANGENHEIT

 

Teil 2
 

Zo'or konnte nicht mehr. Er war vollkommen erschöpft. Vor 3 Stunden hatte er seine Arme und seine Hände zum letzten Mal gespürt, dann waren sie endgültig taub geworden. Auch seine Kopfschmerzen hatten sich verschlimmert. Seit mindestens 24 Stunden hatte er nun schon nicht mehr geschlafen.
Zo'or war am Ende seiner Kräfte angelangt. Auch T'than schien es schlecht zu gehen. Der Kriegsminister hatte die ganze Zeit über kein einziges Wort mit Zo'or gewechselt.
Nur T'thans leises Stöhnen überzeugte Zo'or noch davon, daß der andere Taelon noch bei Bewußtsein war.
Zo'or sah sich kurz nach T'than um. Sein Kopf war auf die Brust gefallen, und er hatte die Augen geschlossen. Er mußte gestern doch mehr abbekommen haben, als er zugegeben hatte. Zo'or konnte beobachten, wie er in unregelmäßigen Abständen anfing, tiefblau zu glühen.
Zo'or wußte, was das bedeutete. T'than hatte Energie verloren. Er brauchte einen Arzt, und das schnell, wenn nicht schlimmeres passieren sollte.
Doch Zo'or empfand kein Mitleid für den Kriegsminister. Und er war bei dieser Erkenntnis auch keineswegs überrascht. So etwas seinerseits hatte er erwartet. Doch Zo'or war verzweifelt. Er wußte nicht mehr weiter. Er wußte nicht, was diese Menschen mit ihnen beiden vorhatten, er hatte keine Ahnung, wo Da'an und Major Kincaid abgeblieben waren, geschweige denn, daß er eine Vorstellung davon hatte, wie sie beide von hier entkommen sollten.
Seine Versuche, die Ketten durchzureißen, oder sie aus der Wand zu ziehen, hatte er schon lange aufgegeben. Er war einfach zu erschöpft.
Und dann war da noch etwas, das sich der Führer der Synode eigentlich nicht eingestehen wollte, was sich tief in ihm versteckte und nur langsam an die Oberfläche drang.
Furcht.
Die Furcht vor den Menschen. Zo'or hatte niemals geglaubt, daß er einmal vor „Menschen” Angst haben könnte. Niemals.
Aber er hatte Angst.
Plötzlich ging die Türe auf. Grelles Licht fiel auf die beiden Taelons, und Zo'or kniff die Augen zusammen.
2 Männer traten ein. Einer von ihnen hielt einen Schlüssel in der Hand. Zo'or öffnete den Mund, doch dann erinnerte er sich, was das letzte Mal geschehen war, als er eine Frage gestellt hatte, und biß sich auf die Lippe. Er beschloß, abzuwarten, was die Menschen vorhatten. Der, der den Schlüssel hielt, trat auf ihn zu, und Zo'or hörte, wie seine Ketten klapperten, und kurz darauf fielen seine steifen Arme herunter. Dann wendete sich der Mann T'than zu, doch der reagierte überhaupt nicht. Der Mann befreite auch T'than von seinen Ketten, und zog den apathischen Taelon einfach hoch.
Fast wäre T'than wieder zusammengebrochen, hätte der Mensch ihn nicht festgehalten.
Ihn an den Schultern haltend, beförderte der Mann den halb bewußtlosen Taelon nach draußen.
„Aufstehen!” blaffte der andere Mann Zo'or an, der immer noch auf dem Boden saß, und sich seine verletzten Handgelenke rieb.
Der Taelon reagierte nicht sofort, und er wurde unsanft auf die Füße gebracht.
„Na los!” herrschte der Mann ihn an: „Vorwärts!”
Er versetzte Zo'or einen harten Stoß zwischen die Schulterblätter, der ihn haltlos nach draußen taumeln ließ, direkt in die Arme einiger anderer Männer, die offensichtlich auf ihn gewartet hatten.
T'than hing zwischen zwei Männern, die ihn zwar festhalten wollten, ihn aber so mehr auf den Beinen hielten. Zo'or vermutete, daß der Kriegsminister aus eigener Kraft wohl kaum noch zu stehen, geschweige denn vorwärtszugehen vermocht hätte.
Zo'or wurde hart an den Oberarmen gefaßt, und vorwärts geschoben. *Wohin bringen die uns nur?*

 
* * *
 

Zo'or versuchte erst gar nicht, Widerstand zu leisten. In seinem Zustand gegen 12 Männer, das war unmöglich. Also ließ er sich gemeinsam mit T'than eine Treppe hoch, durch ein Tor hindurch ins Freie führen. Zo'or fröstelte. Trotz der Sonnenstrahlen und des blauen Himmel über ihnen war es doch sehr kalt. Zum ersten Mal sah Zo'or, wo sie sich wirklich befanden. Erstaunt blickte der Taelon sich um, und Zo'or verwarf nun endgültig den Verdach, sich in den Händen des Widerstandes zu befinden. Das war eine Burg. Eine in der Art, wie sie von den Menschen in alter Zeit gebaut worden war. Einmal hatte Zo'or ein Bild einer Burg in der Datenbank des Mutterschiffes gesehen. Sie befanden ich in einer Art Innenhof. Doch Zo'or hatte nicht viel Zeit, um sich das für ihn fremdartig und seltsam anmutende Gebäude anzusehen. Mehr gestoßen und gezerrt als aus eigener Kraft wurden sie beide aus dem Innenhof hinaus, durch ein großes Steintor gebracht, das aus der Burg heraufführte. Als sie die Burg über eine heruntergelassene Zugbrücke verließen, sah Zo'or sich um. Sie befanden sich in einem riesigen Tal, in dessen Mitte ein großer See lag.
Vor ihnen, an dem Ufer des Sees wartete eine Gruppe Menschen. Unter ihnen erkannte Zo'or auch den Mann wieder, der sie beide gestern verletzt hatte. Er stand auf einem kleinen Podest, und deutete hektisch auf die beiden Companions. Neben dem Mann sah Zo'or den leuchtenden Energiekern des Shuttles stehen.
„Dort sind sie!” rief er:” Dort sind die beiden Dämonen!”
Zo'or starrte den Mann verwirrt an. Die Männer, die ihn festgehalten hatten, ließen ihn plötzlich los, und stießen ihm brutal zwischen die Schulterblätter. Zo'or keuchte vor Schmerz und strauchelte nach vorne. Fast wäre er der Länge nach hingefallen, doch im letzten Moment fing er sich noch, und kam mühsam wieder auf die Beine. Gerade noch rechtzeitig, um den nachfolgenden T'than wenigstens halbwegs auffangen zu können. T'thans Atem ging rasselnd und er fiel auf die Knie. Zo'or wußte, daß der ältere Taelon mühsam um sein Bewußtsein und seine Fassade rang.
Zo'ors Kopf schien explodieren zu wollen. T'than und die rasenden Schmerzen lenkten ihn so ab, daß er gar nicht registrierte, daß der Mann von seinem Podest herunter auf sie zugetreten war. Als Zo'or ihn erkannte, starrte er den Mensch wütend an. Trotz allem, was ihm widerfahren war, stieg doch wieder der alte Stolz in ihm hoch. Er ließ T'than zu Boden gleiten, und stand herausfordernd auf.
Der Mann maß ihn und T'than mit einem Blick, mit dem man lästiges Ungeziefer mißt, bevor man es zerquetscht.
„Seht her, meine Freunde.” sagte der Mann laut, und deutete auf die beiden Taelons: „Das sind die beiden Höllendämonen, welche Luzifer zu uns sandte, um Unheil über uns zu bringen.”

*Wovon redet der da? Doch nicht von uns?*

Ein Raunen ging durch die Menschenmenge.
„Ich weiß es!” fuhr der Mann fort: „Sie sind gekommen, um uns zu vernichten!”
Er wandte sich an Zo'or: „Los, rede! Ich habe recht, nicht wahr?”
Zo'or blickte den Mann verständnislos an.
„Seht ihr's?” triumphierte der: „Er schweigt. Es hat ihm die Sprache verschlagen. Ich habe recht!”
Der Mann trat hart an Zo'or heran: „Oh ja, ich bin im Recht. Seht ihr, wie er sich umblickt? Er denkt, wir wären dumm, und wüßten nicht, was er und sein Freund vorhaben.”
Zo'or starrte den Mann verwirrt an. Er war viel zu perplex, um sich zu verteidigen. Hektisch fuhren seine Hände hin und her. Wovon redete dieser Mensch? Luzifer? Hölle? Der junge Taelon war ein wenig überfordert. „Aber, Dämon, ich sage dir, wir sind gegen dich gefeit. Wir wissen, wie man mit deinesgleichen umzugehen hat. Gegen solche Ausgeburten von Dreck und Feuer wie dich hilft nur die reinigende Austreibung. Und nichts anderes hast du verdient, du Diener Satans.”
Blitzschnell holte der Mann aus, und schlug Zo'or mit der flachen Hand in das Gesicht.
Der Schlag an sich tat nicht einmal wirklich weh. Was viel mehr schmerzte, war Zo'ors verletzter Stolz.
Ihm riß, wortwörtlich, der Geduldsfaden. Er hatte ja schon viel über sich ergehen lassen, doch jetzt reichte es, ein für allemal.
„Mensch!” knirschte er hervor, und er mußte sich sehr zusammenreißen, um den Mann nicht anzubrüllen: „Was willst du von uns? Was soll das alles hier?”
Der Mann trat noch näher an den Taelon heran, und Zo'or konnte den Atem des Menschen auf seinem Gesicht spüren.
Leise, und mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme, antwortete der: „Wir werden euch und eure Waffe - er deutete auf den Energiekern - dorthin zurückschicken, wo ihr hergekommen seid. Wir werden euch austreiben.” Seine Augen schickten tödliche Pfeile ab, und trafen auf Zo'ors eiskalten Marmorblick: „Glaub mir, Dämon, das werden wir. Das reinigende, heilige Wasser wird schon dafür sorgen!”
Der Mann trat rasch zurück und gab einigen Männern einen Wink. Mit einem mörderischem Ausdruck auf dem Gesicht kamen die näher. Zo'or erkannte, daß einer von ihnen harte Lederriemen bei sich trug.
„Halt! Wartet!” sagte Zo'or, und trat schnell auf den Mann zu, der mit ihm gesprochen hatte: „Wir sind keine...” - Er brachte das Wort kaum über die Lippen - „Dämonen. Wir sind Taelons. Wir kommen - ”
Die Augen des Mannes blitzten auf, und er stieß Zo'or hart zurück. Der Taelon stolperte rückwärts, den anderen Männern genau in die Arme. Sie hielten ihn fest, und einer von ihnen ergriff brutal Zo'ors panisch zuckende Hände und band seine Handgelenke fest mit einem Riemen zusammen. Zo'or fühlte, wie das harte Leder ihm die Haut aufschnitt.
„Halt! Stop! Wartet! So laßt mich doch erklären!” versuchte es Zo'or und seine Stimme war nur noch eine halbe Oktave davon entfernt, zu schreien. Wie ein gefangenes Tier wand sich der wehrlose Taelon unter dem eisernen Griff der Männer, doch es war ihm unmöglich, sich zu befreien.
Man band ihm auch noch die Fußgelenke zusammen, hob ihn hoch und trug ihn zum Wasser.
„Bitte...” begann Zo'or, als er realisierte, was die Männer mit ihm vorhatten: „Bitte, das könnt ihr nicht tun!”
Die Männer schienen da ganz anderer Meinung zu sein. Am Ufer angekommen warfen sie den gefesselten Taelon kurzerhand in das eiskalte, trübe Wasser. Das letzte, was Zo'or hörte, bevor die Wellen über ihm zusammenschlugen, und er wie ein Stein zu sinken begann, war eine ihm vertraute Stimme, die seinen Namen rief.
Die hektische Stimme Major Kincaids.

 
* * *
 

Er hatte gar nicht erst nachgedacht. Nicht eine Sekunde lang. Er war einfach losgelaufen und hinter dem Taelon hergesprungen.
Warum?
Es gab kein „Warum”, wenigstens jetzt noch nicht. Als Liam angekommen war und beobachtet hatte, was die Männer mit Zo'or gemacht hatten, war es einfach passiert.
Hätte man ihn gefragt, er hätte es nicht erklären können, wieso ausgerechnet er, der in Zo'or seinen größten Feind sah, ihm nachgesprungen war, um ihn zu retten.
Er hatte nicht den blassesten Schimmer.
Die Kälte des Wassers traf Liam wie ein elektrischer Schlag, der eine glühende Nadel durch sein Herz trieb. Er konnte spüren, wie es für einige Sekunden lang aufhörte, Blut durch seinen Körper zu pumpen.
Automatisch versuchte er, Schwimmbewegungen zu machen, doch er war wie gelähmt. Rasch sogen sich seine Kleider voller Wasser und Liam wurde in die Tiefe gezogen.
*Zo'or. Wo ist er?*
Liam öffnete die Augen. Der Gedanke an den Taelon gab ihm neue, zusätzliche Kraft, und endlich konnte er seine Glieder zu schnellen, kraftvollen Schwimmbewegungen zwingen.
Der See war viel tiefer, als Liam gedacht hatte. Das Ufer fiel so steil ab, daß es selbst hier, gerade mal 2 Meter vom Land entfernt, fast schon 5 Meter tief war.
*Wo, zum Teufel ist er?*
Liam sah sich um, sofern das in dem trüben Wasser überhaupt möglich war. Er konnte ja nicht mal die Hand vor Augen erkennen, wie sollte er da Zo'or finden?
Liam schätzte, daß der Taelon noch tiefer gesunken sein mußte, und schwamm so schnell es ging hinab.
Er wußte, daß er nicht viel Zeit hatte. Seine Schulter war zwar durch die Kälte des Wassers betäubt - genauso, wie der Rest seines Körpers - und er konnte sie bewegen, doch Liam schätzte, daß dieser Zustand nicht lange anhalten würde.
Er hatte nicht mehr viel Luft. Schon jetzt fingen seine Lungen an, nach Sauerstoff zu schreien.
Liam stieß auf den Grund des Sees.
Er mußte sich beeilen. Wenn er Zo'or jetzt nicht fand, und auftauchen mußte, um Luft zu holen, würde es aller Wahrscheinlichkeit nach für den Taelon zu spät sein.
Liam tastete hastig den schlammigen Grund vor sich ab, und wirbelte so noch mehr Dreck auf. Seine Sichtverhältnisse verschlechterten sich rapide von - Ich seh' nichts mehr, das Wasser ist so trüb - in - Kann mir mal jemand zeigen, wo oben und unten ist?-.
Er konnte nicht mehr.
Die Atemnot war unerträglich. Wenn er noch länger blieb, würde er selber draufgehen.
*Halt! War da nicht was?* Liam betete darum, daß er sich nicht geirrt hatte, während ihm vor Luftmangel fast schwarz wurde vor Augen. Er zog sich vor und betastete das Ding vor sich.
Und wirklich, das, was er in der Hand hielt, war die blau-lilane Uniform des Synodenführers.
Liam jubelte innerlich auf, und unterdrückte mühsam seinen eigenen Atemreflex, mit dem er sich Wasser in die Lunge zu ziehen drohte.
Er fasste den Taelon unter den Armen und sah nach oben. 5 Meter über sich konnte er schemenhaft die Wasseroberfläche erkennen und die Sonne, die sich durch die Wellen brach.
Er raffte sein letztes bißchen Energie zusammen und kämpfte sich hoch, Zo'or mit sich ziehend.
Liam durchstieß die Wasseroberfläche und schnappte verzweifelt nach Luft. Seine Lungen füllten sich mit köstlichem, süßem Sauerstoff, und der stählerne Ring, der seine Brust zu zerquetschen begonnen hatte, zerbrach.
Zo'or im Rettungsgriff hinter sich herziehend, schwamm er zurück an das Ufer und hob den Körper des Taelons, der schlaff in seinen Armen hing, aus dem eisigen Wasser. Dann zog er sich selbst hoch und ging erschöpft in die Knie. Vorsichtig ließ er Zo'or zu Boden gleiten.
Der Taelon war bewußtlos. Zo'or war immer schon sehr blaß gewesen, aschfahl, um genau zu sein, doch jetzt hatte sein Gesicht eine Farbe zwischen grau und gar nichts angenommen.
Liam zitterte vor Kälte, als er dem Taelon die Fesseln abnahm.
„Zo'or!” sagte er laut und durchdringend: „Zo'or, können Sie mich verstehen? Wachen Sie auf!”
*Wie rettet man einen ertrunkenen Taelon? Atmen Taelons überhaupt? Brauchen sie Luft?*
Liam hatte keine Ahnung.
„Verdammt, Zo'or!” fluchte Liam: „Ich hab mich nicht da reingestürzt und Sie rausgeholt, damit Sie mir hier unter den Fingern wegsterben! Wachen Sie auf, verdammt noch mal!”
Er schüttelte den Companion leicht an den Schultern, doch Zo'or reagierte nicht.
Liam war verzweifelt. Nicht nur, daß er keine Ahnung hatte, was er tun sollte, er war sich nicht mal darüber im Klaren, ob er überhaupt etwas tun sollte.
Er dachte daran, was ihm selbst, und so vielen anderen Menschen von Seiten der Taelons her angetan worden war. Er dachte an all das Leid, das sie verursacht hatten, und daß das Meiste davon von Zo'or ausgegangen war. Seinem Feind. Seinem Feind, der hier vor ihm im Sterben lag. Wäre es nicht besser, für die ganze Menschheit, wenn er ihn hier und jetzt sterben ließ?
Er sah in das totenbleiche Gesicht des Taelons, sah seine geschlossenen Augen, und die halbgeöffneten, blassen Lippen.
Und im gleichen Moment wußte Liam, daß er es nicht konnte. Er konnte Zo'or nicht sterben lassen.
Er wäre dann nicht einen Deut besser als Zo'or. Er wollte ihn schlagen, ihn besiegen, aber offen und ehrlich, und nicht so gemein und hinterhältig, wie er jetzt dazu die Chance hatte.
Liam wußte ganz genau, daß so eine Möglichkeit nie wieder kommen würde, doch es war ihm egal. Wenn er den Taelon jetzt sterben ließ, noch nicht einmal versuchen würde, ihn zu retten, würde er alles verraten, wofür er jemals gekämpft, woran er jemals geglaubt hatte.
Nämlich, daß jedes Lebewesen ein angeborenes Anrecht auf ein Leben in Freiheit, ja, auf das LEBEN selbst hatte. Er würde sich selbst verraten. Jetzt würde ihm auch klar, wieso er hinter Zo'or hergesprungen war. Instinktiv hatte er sich für seine eigenen Ziele entschieden, und damit war es egal geworden, ob er einen Menschen, einen Taelon, oder seinen größten Feind zu retten gehabt hatte.
Doch, was sollte er nun tun?
*Mund-zu-Mund-Beatmung bei einem Taelon?*
Liam zweifelte stark an dem Erfolg dieser Methode. Und dann wußte er es auf einmal genau. Ihm wurde klar, was er zu tun hatte. Doch es bedeutete eine große Gefahr für ihn und für den Widerstand. Wenn Zo'or irgend etwas herausfand, wären sie geliefert.
Aber es war die einzige Option, die ihm noch blieb, um dem Taelon das Leben zu retten.
Liam atmete tief durch.
War er überhaupt noch in der Lage, so angeschlagen wie er war, es durchzuziehen?
Konnte er es überhaupt?
Liam schluckte, und sammelte seine letzten Kraftreserven für das zusammen, was er jetzt vorhatte.
Vorsichtig ergriff er Zo'ors rechte Hand, und legte seine eigene rechte Handfläche darauf.
Noch einmal atmete er tief durch, verdrängte alle Gedanken an irgendwelche Konsequenzen, und schloß die Augen. Dann öffnete er seinen Geist für den des Taelons.
Hätte er die Augen geöffnet gehabt, hätte er gesehen, wie seine und Zo'ors Handflächen, bzw. Sha'kara'vas anfingen, in einem sanften, blauen Licht zu glühen, als der Kimera das Sharing einleitete.

Liam spürte, wie er in eine mentale Dunkelheit glitt, die sich tief in seinem eigenem Bewußtsein befand. Immer tiefer sank er, in Regionen seines Geistes, von denen er nicht einmal gewußt hatte, daß sie existieren. Und plötzlich fühlte er, daß jemand da war. Bei ihm, ganz nahe. Zo'or war da, oder zumindest sein Geist. Liam war erleichtert. Er hatte ihn wirklich gefunden. Doch er spürte ganz deutlich, daß mit seinem Gegenüber etwas nicht stimmte.Liam versuchte, sich ihm zu nähern, ihm zu helfen, doch eine mentale Welle des Schmerzes traf ihn, und er wurde von Zo'or fortgeschleudert. Verzweifelt versuchte Liam, die Präsenz des anderen in der Dunkelheit, die ihn umgab, wiederzufinden, doch er stieß auf eine, ihm unüberwindliche, mentale Barriere.
Aber so leicht würde er nicht aufgeben. Er formulierte eine Botschaft an Zo'or: Einen Ruf, gekoppelt mit seiner eigenen letzten Kraft, die dem Taelon helfen, ihn retten sollte.
Er schickte die Botschaft los, und hoffte, sie würde ihr Ziel erreichen.
*Zo'or! Ich will Ihnen nur helfen! Bitte, wachen Sie wieder auf!*
Nichts geschah. Zo'or senkte seine mentalen Schilde nicht. Entweder hatte er Liams Botschaft nicht bekommen, oder er hatte sie nicht annehmen wollen.

Der Kimera spürte, wie die Verbindung riß. Zo'or entglitt ihm, sowohl vom Geist als auch vom Körper her.

Zo'or starb.

Liam schrie. In Gedanken, wie auch in der Wirklichkeit schrie er den Taelon an:

„* Zo'or! Komm zurück! *”

Doch Zo'ors Präsenz in Liams Geist war fort.

Die geistige Verbindung zerbrach. Liam stieg schneller aus seiner mentalen Dunkelheit auf, als er es verarbeiten konnte.
Er wurde zurückgeschleudert, und landete ein paar Meter neben Zo'or auf dem Boden.
Er schlug die Augen auf, und rappelte sich mühsam hoch. Mit seiner Schulter hatte er Recht gehabt. Sie schmerzte wieder irrsinnig, und wollte den Kimera an schnellen Bewegungen hindern. Doch Liam achtete nicht darauf, unterdrückte den Schmerz, und beeilte sich, um wieder zu dem Taelon zurückzukommen.
*Es hat nichts genutzt* dachte Liam betrübt. Der Taelon war immer noch bewußtlos und Liam konnte sehen, daß Zo'or ganz schwach blau glimmte. Er starb, genau jetzt, in diesem Moment, und Liam konnte nichts mehr für ihn tun.
Liam wendete seinen Blick von dem leuchtenden Taelon ab. Er wollte es nicht sehen.
Erst jetzt bemerkte er, daß ihn die Menschen umringt hatten, und ihn und Zo'or angstvoll anstarrten. Liam konnte auch T'than entdecken, der bewußtlos in den Armen zweier Männer hing. Der Kimera wußte nicht genug, fast gar nichts, über die Anatomie der Taelons, um irgendwelche eindeutigen Diagnosen stellen zu können, doch er sah mit dem ersten Blick, daß T'than einen Arzt brauchte, und das schnell. Der Kriegsminister hatte eine offene Wunde knapp oberhalb des Beckens, die stetig an Energie verlor. Sie war zwar nicht groß, doch Liam wußte nicht, wie lange er schon diese Wunde, und, je nachdem, wieviel Energie er schon verloren hatte.
*Wenigstens hat er nicht das Sharing beobachten können...*
Liam schluckte, und schloß die Augen. Hätte ihm noch vor einer Woche irgendwer erzählt, daß er einmal „traurig” darüber sein würde, daß Zo'or starb, er hätte ihn ausgelacht.
Doch jetzt....
Er hatte ihm Hilfe angeboten, hatte er ihm seine eigene Kraft geschenkt, damit er weiterleben konnte, doch es war alles zu spät gewesen.
Ein leises, zaghaftes Husten ließ Liam verwirrt aus seinen Gedanken schrecken. Vollkommen perplex blickte er sich um.
*Kann das sein? Ist das möglich? Hat es doch-*
Liam starrte den Taelon, der vor ihm auf dem Boden lag, fasziniert und baff an.
Er konnte beobachten, wie das blaue Leuchten immer schwächer wurde, und schließlich mit einem, fast menschlichem Seufzer in Zo'ors Körper verschwand. Noch einmal hustete der Taelon leise, und spuckte einen Schwall Wasser aus. Irritiert fuhren seine Hände in die Luft, und ergriffen Liam am Arm.
„Zo'or!” sagte Liam, und konnte die Freude in seiner Stimme kaum unterdrücken: „Zo'or, kommen Sie zu sich!”
Er ergriff den Taelon vorsichtig an den Schultern, und schüttelte ihn ein bißchen.
Zo'ors Augenlider flackerten. Mühsam, als ob Bleigewichte auf ihnen lägen, öffnete er seine Augen, und sah den Kimera verwirrt und erschöpft an.
„Liam...” hauchte Zo'or leise: „Wie haben Sie....?” Seine Stimme erstarb, er hatte nicht genug Kraft, um weiterzusprechen, doch er blieb bei Bewußtsein. Liam lachte: „Das ist doch vollkommen egal, Zo'or. Das einzige, was zählt, ist, daß Sie wieder unter den Lebenden weilen.”

Der Kimera fühlte sich grob an den Schultern gepackt und er wurde von dem Taelon fortgerissen. Ein Mann trat zwischen sie, und Liam erkannte ihn sofort.
Es war derselbe, der Zo'or und T'than zum Tode verurteilt hatte.
Er starrte Liam mit haßerfüllten Augen an.
„Es fragt sich nur, wie lange, verfluchter Ketzer!” giftete er dem Kimera ins Gesicht.

 
* * *
 

Da'an schreckte hoch.
*Was war das gewesen?*
Eine winzige mentale Erschütterung hatte seinen Geist gestreift, so schwach, daß er es nur wahrgenommen hatte, weil er so ruhig auf dem Waldboden saß, und sich nicht rührte.
Da'an versuchte angestrengt, die Quelle zurückzuverfolgen, doch es gelang ihm nicht, die Präsenz war so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war. Trotzdem wußte er genau, WER das gewesen war.
„Liam.”
*Aber, wie ist das möglich? Wieso habe ich für einige Sekunden Liams Geist über das Gemeinwesen gefühlt? Irgend etwas muß da passiert sein, sonst würde Major Kincaid niemals...*
Wie von der Tarantel gestochen sprang der Taelon hoch, und das braune Pferd, das vor ihm stand und die paar braunen Blätter vom Waldboden klaubte, riß den Kopf nach oben und starrte Da'an erschrocken an.
Da'ans Bewegungen froren ein, er zog unwillkürlich den Kopf ein, und hoffte inständig, daß ihn das Tier nicht weiter beachten würde. Seine Furcht vor diesem Wesen war unerträglich geworden, nachdem sein Beschützer gegangen war. Das Pferd sah ihn verwundert an, und spielte unruhig mit den Ohren. Und zu seinem Entsetzten trat das Tier näher, und schnüffelte an seinem Arm. Am liebsten wäre Da'an mit einem Satz zurückgesprungen, als er die großen Lippen des Tieres an seiner Hand und über seine Uniform streichen fühlte, aber er fürchtete, daß es dann zuschnappen könnte. So hielt er tapfer still, und rührte sich nicht vom Fleck. Nachdem das Pferd auch noch in Da'ans Gesicht nach etwas Fressbarem gesucht, nicht gefunden, und offensichtliche Spuren hinterlassen hatte, schien es das Interesse an dem Taelon zu verlieren, und wandte sich wieder dem Boden zu. Da'an fiel - sprichwörtlich gesagt - ein Stein vom Herzen, und unendlich langsam drehte er sich um und schlich leise außer Reichweite des Tieres, nur um ja nicht noch einmal dessen Interesse zu erwecken.
Mit einem gebührenden Sicherheitsabstand zu dem Braunen ging Da'an an ein paar Bäumen vorbei zum Waldrand und sah in das Tal hinab in Richtung der Burg, die von seinem Standort nur als kleiner, grauer Klecks zu erkennen war. Inständig hoffte er, dort irgendwo Liam zusammen mit Zo'or und T'than zu entdecken, doch er wurde enttäuscht.
*Er hätte schon längst wieder hier sein müssen...MIT den beiden.*
Zum mindestens hundertsten Mal versuchte er T'than oder sein Kind über das Gemeinwesen zu erreichen. Und zum hundertsten Mal wurde sein Versuch abgeblockt. Weder Zo'or noch T'than antworteten ihm. Entweder wollten sie es nicht oder sie waren bewußtlos.
An die dritte Alternative, WARUM sie nicht antworteten, wollte er gar nicht denken...
Seine Angst um die beiden wurde noch größer, und die Tatsache, daß er Liams Präsenz gespürt hatte, trug nicht gerade dazu bei, daß er sich beruhigte. Im Gegenteil, es gab ihr nur neue Nahrung, und das Gefühl quälender Hilflosigkeit nagte noch stärker an seinen, ohnehin schon strapazierten Nerven.
Noch einmal schweifte sein Blick angestrengt über das große Tal, doch keine Menschenseele näherte sich ihm.
Nervös spielte der Taelon mit seinen Händen.
„Ich halte das NICHT mehr aus!” murmelte er leise.
Liam hatte ihm zwar ausdrücklich gesagt, daß er hierbleiben sollte, aber was zuviel war, war einfach zuviel. Die innere Stimme, die ihm schon die ganze Zeit über leise zugeflüstert hatte, daß sein Kind in großer Gefahr war, wurde unüberhörbar laut und ließ nicht mehr zu, daß er sie ignorierte.
Da'an beschloß, menschlich ausgedrückt, auf Liams Befehle zu pfeifen. Er wußte genau, daß es gefährlich für ihn war. Diese Umgebung und die Menschen hier waren ihm völlig fremd, mal ganz abgesehen von der ZEIT. Und wenn, wovon er vollkommen überzeugt war, Zo'or, T'than und Liam sich in Schwierigkeiten befanden, würde er auch sich selbst in Gefahr bringen.
„Sha'bra!” fluchte Da'an, und wischte sämtliche Gedanken an Konsequenzen fort. Sein Kind war in Gefahr, und er machte sich Sorgen um SICH SELBST, das war doch nicht zu glauben. Und außerdem, wenn Liam wirklich keinen Erfolg gehabt hatte, war ER die einzige Chance, die die drei noch hatten. Und wenn sie wirklich... - Da'an wollte den Gedanken daran gar nicht zulassen - tot waren...nun, dann würde er wenigstens wissen, woran er war.
Im Stillen entschuldigte er sich bei Liam, nicht auf ihn gehört zu haben, und festigte nun seinen Entschluß, seinem Beschützer zur Burg folgen. Demonstrativ drehte er sich um, und..... sah einem fröhlich Blätter mampfenden Pferd in die dunklen, unschuldig dreinblickenden Augen. Der Stich in seinem Ego hätte gar nicht schlimmer kommen können. Vorsichtig blickte er noch mal zu der Burg zurück, und ihm wurde klar, daß es unmöglich für ihn war, die paar, winzigkleinen, unbedeutenden Kilometer ZUFUß zurückzulegen.
Da'an rollte mit den Augen, sah zum Himmel hoch - Wieso ICH? WIESO??? - und trat ganz langsam auf das Tier zu.
Vorsichtig streckte er eine Hand nach den Nüstern des Pferdes aus - und zuckte erschrocken zurück, als es leise in Da'ans Richtung schnaubte. Es kostete ihn unendlich viel Überwindung, noch einmal seine Hand zum Kopf des Tieres zu führen, und die Zügel zu ergreifen.
„Gutes Tier...Braves Tier...” flüsterte er leise, und hoffte inständig, daß ihm das Pferd nicht die Hand abbeißen würde. Natürlich geschah das nicht, und der Taelon stellte sich etwas hilflos neben das Pferd, das ihm plötzlich unendlich groß zu sein schien. Vorhin hatte Liam ihm noch auf den Rücken des Tieres geholfen.
Frage: Sollte er das jetzt ALLEINE schaffen?
Antwort: Ja klar.
Vor seinem inneren Auge glaubte er sogar Liams gemeines Grinsen zu sehen. Ein sehr niederschlagender Gedanke, daß ER, der sich ja sogar unter Einsatz seines Lebens mit dem Führer der Synode herumschlug, vor einem terranischen Tier kapitulierte, das noch nicht einmal mit besonderer Intelligenz gesegnet zu sein schien....Und Zo'or war wahrlich nicht furchterregender als dieses Tier, das noch nicht einmal etwas dafür konnte, daß er sich vor ihm fürchtete. Andererseits, Zo'or konnte manchmal wirklich...
Da'ans Mundwinkel zuckten leicht nach oben, und er faßte sich ein Herz.
Mühsam zog er sich an der Mähne des Tieres hoch, kraxelte regelrecht in den Sattel, und ließ sich unbeholfen hineinfallen. Das Pferd ließ ein leises Schnaufen vernehmen. Verwirrt starrte Da'an auf die Lederzügel vor ihm, ergriff sie zögerlich, und zog heftig am rechten, um das Pferd in Richtung der Burg zu lenken.
Das Tier schnaubte wütend, es war so eine grobe Behandlung nicht gewohnt, und zog den Kopf störrisch in die entgegengesetzte Richtung.
Da'an versuchte es noch einmal, diesmal vorsichtiger, und er schaffte es durch leichtes Treiben, das Tier durch die Bäume hindurch aus dem Wald heraus zu reiten.
Kaum hatten sie die Enge der Bäume verlassen - und Da'an war schon froh, daß er noch nicht heruntergefallen war - da schnaubte das Tier fröhlich, sah sich in dem offenen Gelände um, und schlug ganz unbekümmert einen leichten Trab in Richtung seines Zuhauses an.
Da'an riß die Augen auf, krallte sich am Sattel fest, und hüpfe unbeholfen hin und her. Insgeheim schwor er sich, daß er, falls sie hier mit heiler Haut davonkommen sollten, sich NIE WIEDER, auch nur in die Nähe von einem dieser „Pferde” wagen würde.
Und er hoffte, daß er noch rechtzeitig ankommen würde...

 
* * *
 

*Ich hab mir immer schon mal gewünscht, als Companionbeschützer-Grillhähnchen zu enden, bestimmt, das war immer mein Traum*
Liam blickte sich müde um. Rechts neben ihm hing Zo'or, und links T'than, gefesselt an denselben Pfahl, an dem er selbst hing. Die beiden Taelons waren mehr tot als lebendig, und auch er selbst fühlte sich, um es vorsichtig auszudrücken, nicht gerade berauschend gut. Er war nicht etwa mit blauen Flecken und Blutergüssen übersät - sein ganzer Körper war ein einziger blauer Fleck.
Jedenfalls fühlte er sich so.
Nach der „Behandlung”, die er von Seiten dieser Gottesfanatiker hier erfahren hatte, die ihn dafür bestraft hatten, in ein Gottesurteil eingegriffen zu haben, hatte er wohl ein Recht darauf, sich ein kleines bißchen „verletzt” zu fühlen...
Noch dazu kam er sich vor wie in einem schlechten Westernfilm. Nur, daß sie nicht am Marterpfahl hingen und da zu Schaschlik verarbeitet werden würden, nein, man hatte ein wesentlich erfreulicheres Ende für sie vorgesehen.
Schnell und unproblematisch, und Liam hatte sich Feuerbestattungen immer anders vorgestellt, nämlich daß der zu Bestattende schon längst TOT war, bevor die Sache mit dem Feuer drankam.
Aber in seinem Fall, und in dem der beiden Taelons neben ihm, sollte das wohl anders ablaufen. Er wußte zwar, daß es vergeblich war, und er es nicht schaffen konnte, aber trotzdem zerrte er an den Lederriemen, die ihn an den Pfahl banden, und versuchte sie zu lockern, um seine Handgelenke rauszuziehen. In aller Eile hatte man diesen Scheiterhaufen hinter der Burg für sie errichtet, doch an Fesseln für sie hatte man nicht gespart.
„Major.” hörte der Kimera eine schwache Stimme neben sich, die kaum noch etwas von ihrer alten Selbstsicherheit hatte. „Major, was soll das alles hier?”
Liam drehte den Kopf so weit es ging zu dem Taelon, der mühsam versuchte, bei Bewußtsein zu bleiben: „Die Menschen nennen so etwas einen Scheiterhaufen, T'than. Im Mittelalter sind so angebliche Hexen und Zauberer verbrannt worden.”
„Mittelalter?” ließ sich Zo'or verblüfft vernehmen: „Aber wir sind doch nicht-”
„Oh doch, das sind wir.” unterbrach ihn Liam: „Als wir mit dem Kometen kollidierten, hat sich angeblich eine Zeitspalte geöffnet, das vermutete zumindest Da'an.”
„Da'an”, seufzte Zo'or leise, und es war etwas in seiner Stimme, das Liam nicht so ganz deuten konnte: „Ist er tot?”
Trauer? Hörte er da wirklich so etwas wie Trauer von Zo'or? Nein, das konnte nicht sein. Zo'or würde niemals um Da'an trauern, da war Liam sich sicher.
„Nein...nein, er ist nicht tot...”, sagte der Kimera verwirrt. *Wenigstens noch nicht*
„Wo ist er?” fragte nun auch T'than.
„Ich habe ihm gesagt, daß er auf mich warten soll, in dem Wald hinter der Burg. Ich hoffe mal, daß er diesen Befehl nicht beachtet hat, sonst wird es nämlich gleich ziemlich heiß für uns”, meinte Liam, und versuchte weiter, seine Hände zu befreien.
„Sie meinen, daß diese Menschen - T'than nickte leicht in die entsprechende Richtung.
„Sie werden uns verbrennen, Sie beide als Boten Satans und mich als Ketzer, weil ich Ihnen geholfen habe.”
„Aber, das können sie doch nicht tun!” sagte Zo'or etwas entrüstet.
Liam mußte über die Naivität des Taelons grinsen: „Zo'or, was glauben Sie denn? Das sind etwas andere Zeiten und Gebräuche als das zwanzigste Jahrhundert, glauben Sie mir. Wir können froh sein, daß sie uns direkt verbrennen wollen, und uns nicht noch vorher foltern, so, wie es normalerweise damals üblich war. Und glauben Sie mal nicht, daß es die interessiert, WER Sie sind, Zo'or, für die sind Sie einfach nur die Personifizierung des Bösen.”
Liam konnte schon Zo'ors wütende Erwiderung auf diese Feststellung seinerseits hören, aber zu Liams Überraschung kam diese nicht. Statt dessen konnte Liam aus seinen Augenwinkeln sehen, wie der Taelon zu Boden sah. „Danke, Liam, daß Sie mir das Leben gerettet haben.”
Der Kimera war sprachlos. Er hatte jetzt alles erwartet, aber das nicht. Er ahnte, daß diese paar Worte Zo'or sehr schwer gefallen waren, und er war einfühlsam genug, um ihn jetzt nicht zu beleidigen. Er nickte langsam: „Gern geschehen, Zo'or.”
Über Zo'ors Gesicht huschte ein kleines Lächeln, das Liam jedoch nicht sehen konnte.
„Das Leben gerettet?” fragte eine etwas verblüffte Stimme von der anderen Seite: „Gibt es da etwas, was ich verpaßt habe?” Liam konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Nein, T'than, Sie haben nichts verpaßt. Das Beste haben sie sich für den Schluß aufgehoben ...”
Er nickte mit seinem Kopf in die Richtung einiger schwargekleideter Männer, die brennende Fackeln bei sich trugen und auf den Scheiterhaufen, auf dem sie standen, zukamen. In ihrer Mitte ging der Mann, der sie zum Tode verurteilt hatte, doch er war nun in ein Gewand der päpstlichen Inquisition gekleidet, und hielt ein kleines, schwarzes Buch in der Hand, auf dem Liam ein golden schimmerndes Kreuz erkennen konnte.
Vor dem aufgehäuften Reisighaufen blieb die makabrere Prozession stehen, und die schwarzgekleideten Gestalten umringten sie langsam, und schlossen sich wie ein unheilvoller Ring um die Taelons und den Kimera.
Der Inquisitor hob mit einer übertrieben Geste das kleine Buch in die Luft, und schenkte den Dreien auf dem Scheiterhaufen einen verschmähenden Blick.
„Teufel, die ihr seid!” begann er feierlich: „Ihr seht in meiner Hand das Zeichen Christus unseres Herrn. Erzittert, ihr Boten des Satans, vor der Macht des einzigen und wahren Gottes.
Ihr werdet eure gerechte Strafe erhalten. WIR werden euch im Namen des Herrn richten, und wir werden GERECHT richten!”
Liam rollte mit den Augen. „Oh, bitte...” stöhnte er genervt, und sah hoch zum Himmel: „Das darf doch nicht wahr sein...”
„Schweige, Ketzer!” herrschte der Mann ihn an, und schenkte dem Kimera den giftigsten Blick, den er aufzubringen vermochte.
„Ja, is' ja OK!” herrschte Liam ironisch zurück: „Immer ruhig bleiben, mein Freund -”
„Major.” zischte Zo'or von der Seite, doch der aufmüpfige Kimera ließ sich nicht beirren: „Ich wollte deine großartige Rede wirklich nicht unterbrechen, aber wenn ich so eine verdammte Flunkerei höre, dann kommt's mir -” „MAJOR!” schnappten die beiden Taelons, und T'than stieß den Kimera leicht mit dem Fuß an, um ihn zur Vernunft zu rufen.
„Machen Sie es nicht noch schlimmer, als es sowieso schon ist!” zischte T'than nun von der anderen Seite.
Liams Mund klappte hörbar zu, und er sah entschuldigend in die, tadelnd dreinblickenden, irisierend blauen Augen, die ihn von rechts und von links zu durchbohren schienen.
„Sorry...”, murmelte er kleinlaut.
„SCHWEIGT! IHR ALLE!” donnerte eine aufgebrachte Stimme dazwischen, und aller Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Inquisitor, der mit einem vor Zorn gerötetem Gesicht vor dem Scheiterhaufen stand, und wütend gestikulierte. Liam erinnerte der Anblick irgendwie an einen aufgeblasenen, giftigen Frosch, und er konnte sich das gemeine Grinsen, das ich in seine Mundwinkel schlich, nicht verkneifen.
Sich auf die Lippe beißend, senkte er den Kopf und sah zu Boden, um den Inquisitor nicht noch einmal zu verärgern, der nun, sichtlich STOCKSAUER über die Drei von ihm verurteilten, mit seiner Rede fortfuhr:” Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes ergeht das Urteil der heiligen Inquisition über euch Satansdiener, das euch zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Das heilige, gesegnete Wasser hat euch nicht vernichtet - er deutete mit einer übertriebenen Geste auf Zo'or, der, stolz aufgerichtet, ihn nur verächtlich mit einem Seitenblick streifte - dann wird eben das Feuer für eure Austreibung sorgen!”
Er gab den schwarzgekleideten Gestalten einen Wink, und die traten unerbittlich näher, wobei sie ihre Fackeln zu dem trockenen Reisig senkten, auf dem Liam, Zo'or und T'than standen, um ihn zu entflammen. T'than starrte die flackernden Flammen entsetzt an: „Major?” Er drehte den Kopf soweit er konnte in Richtung seiner Mitgefangenen: „Major? Zo'or? Hat irgendwer vielleicht irgendeinen produktiven Vorschlag, der uns retten könnte?” Liam sah hilflos zu dem Kriegsminister, und deutete so etwas wie ein Schulterzucken an: „Pusten?”
„Wenn Sie noch etwas anderes vorschlagen könnten, außer dumme und unangebrachte Witze zu reißen, dann BITTE, tun Sie das! Und zwar schnell, Major!” sagte Zo'or, und Liam konnte einen kleinen Anflug von Panik aus seiner Stimme raushören.
*Klar, ich mal wieder... „Liam, mach mal.” Guter Witz, Leute...*

 

 

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