Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Beförderung mit Hindernissen” von Rob   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2002
Disclaimer: Die Hauptpersonen Harmon Rabb, Sarah MacKenzie, Admiral A.J. Chegwidden, die Roberts und die restlichen Charaktere von JAG gehören Donald P. Bellisario, Belisarius und Paramount. Liam Kincaid, Renee Palmer, Augur und die restlichen ME Charaktere gehören Gene Roddenberry und Tribune Entertainment. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis des Autors.
 
Thema:  Major Liam Kincaid soll zum Lt. Col. befördert werden. Bis dahin kann eine Woche ziemlich lange dauern
Zeitpunkt:  Sequel zu „Schuldig oder Unschuldig?”
Charaktere:  Liam Kincaid, Da'an, Zo'or, Augur, Renee, Harmon Rabb, Sarah MacKenzie, Admiral A.J. Chegwidden, die Roberts, Cooper und andere
 
Anmerkung des Autors:  Ich danke allen, die mir geholfen haben diese Story zu schreiben. In erster Linie aber meinem Betareader, dem ‚großen bösen Marine’.
 

 

BEFÖRDERUNG MIT HINDERNISSEN

 

Teil 5

0143 Zulu (20:43 EST)
Gewerbegebiet
Key West, Florida

Die Halle war dunkel, der Boden kalt und die Luft stickig. Hier waren viele, zu viele Menschen auf kleinsten Raum zusammen gepfercht. Jeder hier war mal dran.
Renee war gerade auf dem Weg zur Arbeit gewesen, als sie plötzlich von hinten überfallen und verschleppt wurde. Nun saß sie hier in diesem Irgendwo, zusammen mit hundert anderen, die schon vor Angst kaum noch klar denken konnten. Jede Stunde wurde jemand herausgerissen und kam nicht mehr zurück. Einige versuchten sich zu verstecken und hofften, dass sie nicht die Nächsten waren. Doch sie wurden trotzdem entdeckt. Renee versuchte in dieser Szene einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie wusste nicht, wann sie von Augur oder Liam vermisst wurde. Doch sie hoffte, dass dies bald sein würde. Diese Umgebung konnte schon die besten Nerven fertig machen. Angstschweiß lag dazu noch in der Luft. Dazu kam noch die Hitze, die von den anderen Gefangenen ausgestrahlt wurde. Die Luft war kaum noch zu atmen, weil sie fast nur noch aus Kohlendioxyd bestand. Wenn nicht bald etwas frische Luft hereinkam, würden sie alle ersticken. Als dieser Gedanke ihr Gehirn vollständig erreicht hatte, wollte sie noch viel schneller hier heraus.

 
* * *
 

0223 Zulu (21:23 EST)
Portal Key West
Vor Florida

Es war schon dunkel, als Liam im Portal stand und die Umgebung wieder erkennbar wurde. Er wusste nicht genau, wo er hingehen sollte, aber es wäre wohl besser, wenn er sich erst einmal aus dem Portal bewegte, bevor man ihn noch bemerkte. Also versteckte er sich hinter einer der unbenutzten Lagerhallen.

 
* * *
 

0220 Zulu (21:20 EST)
North of Union Station
Washington D.C.

Harm griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer, die er längst auswendig kannte.
<MacKenzie>, meldete sich eine ihm wohlbekannte Stimme am anderen Ende.
„Hi Mac,” begrüßte er seine Partnerin.
<Hallo Harm?”, fragte sie ein wenig verunsichert, schließlich rief ihr Partner sie nicht jeden Abend um diese Zeit an.
„Ich weiß, die Frage mag jetzt seltsam klingen, aber hat Liam sich bei Ihnen gemeldet?”
<Nein, wieso?>
„Naja, er musste zu einem wichtigen Termin und ist bis jetzt nicht aufgetaucht,” erklärte Harm.
<Sie wissen also nicht, wo er ist?>, stellte Mac trocken fest.
„Genau. Ich meine, es ist schon 21:24 Uhr,”erklärte Harm, nachdem er noch einen Blick auf die Uhr riskiert hatte. Eigentlich hatte er gehofft, dass die Zeit stehen blieb, oder wenigstens sich rückwärts bewegte, damit er vor Mac nicht so dumm aussah.
<Wo kann er sein?>
„Keine Ahnung. Können Sie nicht unseren 'guten Freund' fragen?”
<Ich versuch' es. Dann ruf' ich Sie wieder an, okay?>, schlug Mac vor.
„Okay. Bis dann.”
Danach legten sie auf.

 
* * *
 

0231 Zulu (21:31 EST)
Apartment „The Washington 2812”
Georgetown

Mac hatte vor einer Minute und 34 Sekunden eine Mail an Augur geschickt und wartete nun wie gespannt auf die Antwort. Doch die ließ wieder einmal auf sich warten. <Wie konnte er bloß verschwinden, ohne uns etwas vorher zu sagen?>, fragte sich Mac wütend. Wenn er so weitermachte, würde sie sich beim SecNav dafür einsetzen, dass er diese Beförderung nicht bekam. Das wollte sie natürlich nicht machen. Aber sie war so wütend darüber, dass Liam einfach verschwunden war.
Nach langen acht Minuten und 46 Sekunden kam endlich die ersehnte e-mail.

TO: Col. Sarah MacKenzie
FROM: good Friend
Liam musste dringend nach Florida. Auf eine Insel. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Er hat es mir verboten.
Ein guter Freund

Ohne nachzudenken, griff sie nach dem Telefonhörer vom Telefon neben sich auf dem Schreibtisch.
<Mac?>, fragte Harm am anderen Ende.
„Stellen Sie sich immer so vor?”, fragte Mac trotz der Umstände leicht amüsiert.
<Was ist nun mit Liam?>
„Er ist in Florida. Auf einer Insel. Ich glaube, dass es sich bei dieser Insel um Key West handelt,” erklärte sie schnell.
<Die ist doch aber sogar für uns gesperrt.>
„Deswegen mein' ich das ja. Und auch weil sie am weitesten von der Küste Floridas entfernt ist.”
<Okay, wir treffen uns in Miami in einer halben Stunde. Von dort aus geht's dann weiter nach Key West,> schlug Harm vor.
„Aber seien Sie bitte einmal in Ihrem Leben pünktlich, ja?”
<Ich werde pünktlich sein, versprochen.>
„Wir sehen uns dort, Harm,” danach legte sie auf und an Harms Ohr drang das Freizeichen.

 
* * *
 

0316 Zulu (22:16 EST)
Portalstation außerhalb von Miami
Florida

Mac kam nun in dem Portal an, an dem Harm schon ein paar Minuten lang wartete.
„Oh, das kann nicht wahr sein,” meinte Mac dann entrüstet.
„Was denn? Hab' etwa wieder Kaffee auf der Hose?”, irritiert sah Harm an sich hinab.
„Nein, soweit ich hier in diesem fahlen Licht sehen kann, ist da nichts auf Ihrer Hose. Aber Sie sind pünktlich, kann man da auf etwas hoffen?”
„Sie wieder. Lassen Sie die Scherze, ja?”, Harm war etwas gereizt.
„Okay, aber ich glaube, langsam ziehen meine Methoden,” erklärte Mac mit einem Lächeln, bei dem man besser nicht fragen sollte, was es bedeutete.

 
* * *
 

0343 Zulu (22:43 EST)
Key Largo
Vor Florida

Harm und Mac hatten überlegt, sich auf der Insel Key Largo, vor der Küste, ein Boot zu besorgen, mit dem sie unbemerkt auf Key West landen konnten. Das hatte auch geklappt, bis auf das unbemerkt. Die Coast Guard hatte sie an den Middle Keys aufgegriffen und ausgefragt, was sie hier taten. Schnell war das aufgeklärt, Harm und Mac waren nur auf dem Weg zu ihrer Insel, die sie für ihre 'Hochzeitsreise' gemietet hatten. Es wurde nicht nachgeprüft, also wurden sie ohne weiteres durchgelassen.
„Ob das das Richtige war?”, fragte Harm dann besorgt, weil ihm nun klar wurde, dass er nicht einmal wusste, gegen wen sie kämpfen mussten.
Damals in den Appalachen, mussten sie sich gegen Wilderer behaupten.
„Ja, wir haben es immer geschafft,” meinte Mac dann aufmunternd.
„Hier war mal ein Navy-Luftstützpunkt. Vielleicht können wir da noch etwas gebrauchen,” meinte Harm dann nachdenklich.
„Wie oft waren Sie hier?”
„Einmal, als ich noch geflogen bin. Ich hab auch mal von einem alten Kumpel gehört, der hier stationiert war, dass sie die Basis räumen mussten und alles da bleiben musste. Vielleicht sind da noch ein paar Flugzeuge.”

 
* * *
 

0354 Zulu (22:54 EST)
Key West
Vor Florida

Liam hatte endlich herausgefunden, wo sich die Gefangenen befanden. Sie waren in einer Lagerhalle in der Nähe der Westküste der Insel untergebracht. Für ihn lag es gut, weil sie dann vielleicht übers Meer flüchten könnten. Ein paar Meter von der Lagerhalle entfernt lag eine Apartmenthaussiedlung, die schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb zu sein schien. Im Schutz der Häuser schlich er sich immer näher an die Lagerhalle heran und entdeckte auf einmal eine schwerbewaffnete Wache vor der Eingangstür. Wie sollte er die bloß ablenken? Schließlich war er nicht MacGyver. Vielleicht kam eine Ablösung.

 
* * *
 

0356 Zulu (22:56 EST)
Nordwestliche Küste
Key West, Florida

Harm sprang vom Boot und zog es an den Strand. Nachdem Mac es fest gemacht hatte, sprang sie elegant vom Boot und stand dann neben ihm.
Ein schneller Blickwechsel erfolgte. Sie hatten sich verständigt und zogen ihre Dienstwaffen. Geduckt liefen sie bis zu den Bäumen, die bis drei Meter zum Strand hin standen. Zwischen diesen Bäumen konnten sie sich versteckt halten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, sie mussten die ganze Insel absuchen. Auf ein Wunder zu warten, war in dieser Situation einfach nur töricht. Wenn man sich mal überlegte, was da alles passieren könnte.

 
* * *
 

0413 Zulu (23:13 EST)
Altes Aquarium
Key West, Florida

Liam wartete und fand einfach keinen richtigen Moment. Was sollte er machen? Einfach das Gebäude stürmen? Allein? Aber auf welche Hilfe sollte er warten?
Als er so nachdachte, sah er auf einmal einen, nein zwei Schatten auf sich zukommen. Diese Personen konnten ihn unmöglich gesehen haben. Also hielt er seine Waffe im Anschlag und drückte sich fester an die Wand der Lagerhalle. Die beiden Gestalten kamen direkt auf ihn zu. <Sie müssen wohl auch den Wachposten vor der Tür gesehen haben,> überlegte er. Schnell kamen sie auf ihn zu. Es war wohl der einzige Platz, der nicht von der Wache eingesehen werden konnte.
Die Personen betraten nun den Schatten und sahen sich um. <Zwei gegen einen,> überlegte Liam sauer. Warum musste er auch wieder allein unterwegs sein? Gegen zwei hatte er doch keine Chance.

Harm und Mac liefen geduckt durch die Dunkelheit. Vor dem Eingang einer Lagerhalle hatten sie einen Wachposten gesehen. Dann hatten sie Ausschau nach einem Versteck gehalten. Mit einem kurzen Blickwechsel bestätigten sie ihre Überlegungen und liefen dann weiter. Im ersten Moment sahen sie die Person, die sich schon an der Wand aufhielt, gar nicht. Erst hielten sie in ihrem Schritt eine Hundertstelsekunde inne, besannen sich aber dann sofort wieder auf ihre Mission. Mit entsicherten Waffen gingen sie weiter. Mit einem kurzen Blick auf seine Partnerin versuchte sich Harm auf den anderen im Schatten zu stürzen. Sie sollte ihm dann zur Sicherheit Feuerschutz geben. Unmerklich nickte sie. Harm sprang los und schlug seinem Gegner die Waffe aus der Hand. Sie fiel scheppernd zu Boden. Mac sah sich schnell nach der Wache um, aber die schien nichts gehört zu haben. Ihr Partner drückte gerade den Anderen so gegen die Wand, dass nur noch leises Röcheln von ihm zu vernehmen war.
„Wer sind Sie?”, herrschte Harm seinen Gegner leise an.
„Ich... bin... es... Liam,” kam es gedämpft von dem Anderen, der schwer nach Luft rang.
Sofort ließ Harm ihn los.
„Tut mir leid, aber wir wussten ja nicht, dass du es bist,” meinte Harm dann entschuldigend.
Liam schluckte ein paar Mal, sodass er wieder richtig atmen konnte.
„Ist ja nicht so schlimm,” entgegnete er, als er wieder zu Luft gekommen war. „Aber wie habt ihr mich hier gefunden?”
„Naja, wir haben geraten,” erklärte Mac leise und behielt dabei die Wache im Auge.
„Ist ja auch egal. Habt ihr einen Plan, wie wir da reinkommen?”, fragte Liam mit gedämpfter Stimme.
„Wieso willst du da eigentlich hinein?”, wollte Harm wissen.
„Da drin sind Menschen, die gekidnappt wurden und mit denen nun Versuche gemacht werden sollen. Renee ist da drin,” erklärte Liam.
„Achso. Okay, ich werde die Wache ablenken und ihr geht dann rein,” machte Mac ihren Plan klar.
Die beiden Männer nickten. Mac steckte ihre Waffe ein und ging auf die Wache zu.
Harm und Liam schlichen ihr hinterher und hofften, dass der Wachposten sie nicht zu früh sah.
„Hallo, Sie,”rief Mac der Wache zu.
„Was tun Sie hier? Die Insel ist für nicht autorisierte Personen gesperrt,” erklärte die Wache schroff.
„Unser Boot hatte ein Leck und dann konnten wir nur noch hier auf der Insel anlegen. Können Sie uns da nicht helfen, dass ein paar Freunde uns von dieser Insel abholen?”, fragte Mac. Ihr Tonfall war nett und leicht anzüglich, sodass es Harm in der Magengegend mulmig wurde.
„Wer ist denn UNS?”, fragte die Wache interessiert und sah sie anzüglich an.
„Mein Mann und ich,” erklärte Mac liebenswürdig.
„Wo ist denn ihr Mann? Auf dem Boot?”, wollte er wissen und fragte sich, wie Mac wohl im Sonnenlicht aussehen würde und...
„Nein, hier!”, bei diesen Worten traf ihn ein Schlag am Hinterkopf. „Und ich mag es gar nicht, wenn man meine Frau angräbt,” meinte er dann ärgerlich über den leblosen Körper gebeugt.
„Gut zu wissen,” flüsterte Mac eher zu sich selbst und im nächsten Moment hoffte sie, dass es niemand weiter gehört hatte. Aber Liam hörte es doch.
Harm nahm die Handschellen von der Hose der Wache und machte ihn mit ihnen am Eingang an einer Metallstange fest. Dann durchsuchte er ihn nach den Schlüsseln. Schneller, als er gedacht hatte, wurde er auch fündig.
Liam wunderte sich, dass die Wache kein Freiwilliger mit einem Implantat war. Das sah Zo'or gar nicht ähnlich. Er würde sich doch nie auf primitive Menschen verlassen. Trotzdem durchsuchte er den Gefangen nach Waffen ab. Schließlich kannte er sich mit Freiwilligen bestens aus, nachdem Da'an ihn einmal auf so ein Ausbildungstreffen mitgenommen hatte. Die hatten überall kleine Verstecke für Waffen. Nach einer Weile hatte er über zehn Messer und kleine Schusswaffen gefunden.
Harm und Mac sahen der Szene nur mit großen Augen zu, wo Liam zielsicher diese ganzen Waffen herausholte. Dann holte er noch ein Taschentuch aus der Tasche des Gefangenen und benutzte es als Knebel für ihn. <Hätte er das vorher gewusst, hätte er sich sicher keines eingepackt,> versuchte Liam ironisch zu denken.
Dann betraten sie den Gang. Vereinzelt waren Lampen an den Wänden, die aber auch keine große Helligkeit erzeugten. Liam ging, gefolgt von den beiden JAG-Offizieren, vor. Sie wussten absolut nicht, wo es lang ging, von außen sah die Halle oder der Komplex viel kleiner aus. Für einen Moment blieb Liam stehen, ob er vielleicht etwas hören konnte. Aber da war nichts. Nur Stille und das leise Klappen ihrer Schuhsohlen auf dem Betonfußboden. Dann waren sie ein paar Meter weiter, als da doch noch ein weiteres Geräusch war. Es war unverkennbar leises Wimmern und Schluchzen. Fragend blickte er sich um. Wo sollte er jetzt langgehen. Der Gang teilte sich einfach und sein Gehör war nicht gut genug geschult, um zu wissen, ob das leise Geräusch von links oder rechts kam. Seine Sinne waren bis zum Äußersten gespannt.
Mac deutete leicht links, sofort schlich er in diese Richtung. Doch vor einem Stützpfeiler blieb er stehen. Hinter diesem Pfeiler war eine Wache vor einer Tür postiert. Wie sollten sie die Wache nur ablenken? Wenn sie auch nur einen Schritt nach rechts machen würden, wären sie aufgefallen.
Eigentlich widerstrebte es Liam seine Waffe benutzen zu müssen, doch nun blieb ihm nichts anderes übrig. Leise legte er seine Waffe an und zielte.
Im nächsten Augenblick sank die Wache vor der Tür in sich zusammen. Er stieß einen leisen Schmerzensschrei aus und versuchte etwas mit seinem nicht getroffenen Arm aus seiner Jacke zu holen. Doch Liam war schneller und hielt ihn davon ab. Es schien, als ob er jeden seiner Schritte auf die Sekunde genau berechnet hatte. Dann nahm er dem Verletzten die Schlüsselkarte ab und öffnete die Tür, hinter der er die Gefangenen vermutete. Währenddessen fesselte Harm die Wache wieder.
Liam öffnete nun die Tür und trat vorsichtig ein, weil es so dunkel in dem kleinen Raum war und er niemanden verletzen wollte.
„Renee?”, fragte er, während er langsam weiter in den Raum trat.
„Liam? Sind Sie das?”, kam ihre Stimme gedämpft vom anderen Ende. Sie konnte bloß den Lichtstrahl sehen, durch den drei Personen eintraten. Einer davon ging langsam vor. Irgendwie erinnerte sie dieser Fremde an einen ihrer Freunde. Erst als sie ihren Namen und die Stimme des Retters gehört hatte, war sie sich sicher.
Langsam stand Renee auf und bahnte sich einen Weg durch die überall rumsitzenden und -liegenden Körper.
Vor der Tür war einer der drei Personen stehen geblieben, der Liam jetzt einen schnellen Blick zuwarf.
„Können alle aufstehen?”, fragte Liam dann.
Zustimmendes Gemurmel war die Antwort.
„Okay, dann brechen wir jetzt hier aus,” schlug er vor.
Die Menschen stellten sich langsam und leise auf.
„Also, Sie gehen jetzt alle meinen beiden Freunden hinterher, die werden Sie hier raus bringen. Ich werde das Ende bilden,” erklärte Liam und trat einen Schritt beiseite.
Die Geiseln waren nicht schnell, weil sie seit einiger Zeit schon nichts mehr gegessen und getrunken hatten.
„Renee, gehen Sie,” forderte Liam sie dann auf.
„Nein, ich bilde mit Ihnen das Ende,” bestand sie.
„Wissen Sie, dass Sie stur sind?”
Sie antwortete nicht, weil es ohnehin nur eine rhetorische Frage war.
Als alle Geiseln aus dem Gebäude geschafft waren, kamen auf einmal aus diesem Gebäude um die 20 Freiwillige.
„Mist, jetzt hab' ich keine Sprengstoffladungen angebracht,” fluchte Liam, als er sie sah und sich an sein Vorhaben erinnerte.
Er drehte sich um und feuerte eine Salve aus seiner Ionenwaffe auf die Angreifer ab.
Harm und Mac hatten inzwischen mit den ersten Geiseln ihr Boot erreicht.
„Wo bleibt Liam?”, fragte Mac.
„Ich weiß nicht. Fahren Sie mit der Gruppe schon los. Ich werde ihm helfen.”
„Nein, wir bleiben zusammen, was immer auch passiert. Sie wissen doch noch die Appalachen.”
„Sie fahren mit den Geiseln. Weil ich nämlich vorhabe eine Tomcat zu nehmen und Ihnen das nicht bekommt.”
„Nein, wir sind Partner,” nach diesen Worten lief sie zu den letzten Geiseln, die nun langsam den Strand erreichten, und schickte sie aufs Boot. Nachdem auch diese letzten eingestiegen waren, half Harm, dass das Boot ablegen konnte.

Renee hatte sich eine der Waffen genommen, die Liam der Wache vor der Tür abgenommen hatte, und feuerte nun auch auf die Freiwilligen. Die schossen ohne Schutz zu suchen Salven auf sie und Liam ab. Langsam hatte Liam sich zu einer Hauswand vorgearbeitet, wo er vielleicht für einen Moment seine Ruhe hatte. Ihm beschlich nämlich das Gefühl, dass er keine Munition mehr hatte. Renee war direkt hinter ihm.
„Hier,” sie reichte ihm eine anderen Waffe, die sie dem zweiten Freiwilligen abgenommen hatte.
Liam warf ihr einen dankenden Blick zu, als er die Waffe abnahm. Die leere Waffe steckte er weg, denn wegschmeißen konnte er sie nicht, weil sie ja seine Dienstwaffe war. So hatte Sandoval nichts gegen ihn in der Hand.

Harm sah, als er der Straße näher kam, dass dort ein Schusswechsel stattfand, auf der einen Seite diese Wachleute, mit seltsamen gelben Tieren am Hals, die die erste Wache nicht hatte, und auf der anderen Liam mit Renee. Einen Moment herrschte auf Liams Seite Ruhe. Mac hatte nun zu ihm aufgeschlossen, weil sie doch nicht so schnell wie ihr Partner war. Ohne weiter zu überlegen, feuerte Harm nun auch eine Salve aus seiner Waffe, die er der ersten Wache abgenommen hatte, ab. So waren die, die auf Liam und Renee schossen, für einen Moment abgelenkt und Liam und Renee konnten zu den beiden JAG-Offizieren aufschließen. Liam fiel gegen die Hauswand. Irgendwie war er wohl doch nicht mehr so fit, wie er gedacht hatte.
„Geht's?”, fragte Renee besorgt.
Tapfer nickte Liam.
„Also... ich schlage vor,” fing Harm an und feuerte wieder eine Salve ab. „Wir schlagen uns bis zum Navy-Luftstützpunkt in Boca Chica Key vor.”
Seine drei 'Verbündeten' nickten.
„Wir müssen zum anderen Ende der Insel,” erklärte Harm, als sie sich ein kleines Stück fortbewegt hatten.
Harm und Mac wunderten sich, dass sich die Personen, die sie niedergeschossen hatten, einfach nach zwei Sekunden wieder aufrichteten. Da Harm und Mac voran gingen, sahen sie nicht, was hinter ihnen passierte.
Auf einmal sah Liam, dass einer der Angreifer auf Renee zielte. Mutig sprang er auf sie los und brachte sie somit aus der Schusslinie. Dann schrie Liam auf einmal auf. Er war getroffen.
„Mac, gehen Sie mit Ms Palmer vor, ich werde mit Liam nachkommen,” befahl Harm in einem Tonfall, den Mac eher vom Admiral erwartet hätte als von ihrem Partner.
„Passen Sie auf sich auf,” meinte Mac dann nur und sammelte die am Boden liegende Renee auf und rannte mit ihr davon.
Harm kam bei Liam an, der sich sein linkes Bein hielt.
„Kannst du aufstehen?”, fragte Harm besorgt, während er seine Waffe im Anschlag hielt.
„Nein, geht ohne mich weiter,” erklärte er entschieden.
„Ganz sicher nicht. Wieso denkst du denn, habe ich jeden Morgen und Abend mit dir trainiert, he?”, fragte Harm und zog ihn an einem Arm zu sich hoch.
„Aber wenn du dich mit mir abquälst, gehst du auch drauf. So würde nur ich drauf gehen. Und ich bin ersetzbar. Du bist doch der Staranwalt deines Admirals. Außerdem braucht Mac dich,” erklärte Liam und wollte sich nicht helfen lassen.
„Ein Mensch ist nie ersetzbar. Wie kommst du nur auf diesen Unsinn,” er schien den Rest über Mac gar nicht gehört zu haben.
„Okay, du gibst ja sowieso nicht eher auf. Hast du das etwa in deiner Grundausbildung gelernt?”, gab sich Liam geschlagen und kooperierte.
Harm legte Liam einen Arm um die Schulter, sodass er mit der anderen noch schießen konnte. Liam versuchte mit der rechten Hand auch seine Waffe zu bedienen, damit Harm nicht noch mehr zu tun hatte.
„Schaffst du es?”, fragte Harm noch einmal, um ganz sicher zu gehen.
Aber eigentlich kannte er die Antwort schon. Da er sie schon so oft von Mac gehört hatte und schon genau wusste, wenn sie eine Lüge war.
„Ja, ich bin doch ein Marine,” und prompt kam diese Antwort auch schon.
„Dir scheint es wirklich nicht so schlecht gehen, wenn du den Standardspruch schon wieder über die Lippen bekommst.”
„Schlechter Zeitpunkt für einen Scherz,” meinte Liam dann mit zusammengebissenen Zähnen, als er seinen Fuß auf den Boden stellte.
„Stimmt. Komm, wir beeilen uns lieber, bevor die Frauen ohne uns abhauen.”
„Also, ich bin mir sicher, dass Mac dich nicht zurücklassen würde,” meinte Liam.
In Wirklichkeit verfolgte er diesen Plan nur weiter, weil er so seine Schmerzen etwas vergessen konnte.
Harm ging mit Liam extra langsam, weil er es ihm nachfühlen konnte. Die Freiwilligen feuerten immer noch ohne Pause auf Harm und Liam. Doch auf einmal wurde das Feuer von vorn erwidert.
„Warum hört sie nie auf mich?”, fragte Harm ärgerlich und feuerte eine Salve auf die Angreifer ab, während er einen geeigneten Platz suchte, an dem sich Liam und sein Bein für einen Moment ausruhen konnten.
Liam tat es ihm gleich und erwischte sogar zwei. Die aber nach einer Minute wieder aufstanden. Da sie schon ein paar mal niedergeschossen wurden, schien es, als bräuchten sie länger, um wieder aufzustehen, als ob sie Androiden wären. Aber eine Minute war genügend Zeit, um sich ein gutes Versteck zu suchen.
Harm schob Liam in einen leerstehenden Hauseingang und setzte ihn auf der untersten Treppenstufe ab.
„Hier, halt mal,” Harm gab Liam seine Waffe und sah sich dann das Bein an. „Du hast Glück gehabt, das war ein glatter Durchschuss,” erklärte Harm dann.
„Wenn du meinst.”
„Ja, ich weiß, dass es sehr weh tut,” meinte er dann mitfühlend.
„Sehr ist die Untertreibung des Jahrhunderts,” erklärte Liam mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Hey, ein Indianer kennt keinen Schmerz,” versuchte Harm seinen Freund aufzumuntern.
„Wollen wir hoffen.”
„Ich werde versuchen, dir das Bein abzubinden. Damit du nicht so viel Blut verlierst,” erklärte Harm dann.
„Okay,” Liams Antwort war kaum mehr als ein Flüstern.
Harm holte seinen Gürtel aus der Hose und befestigte ihn oberhalb von Liams Knie.
Dann hob Harm Liam wieder auf und sie machten sich wieder auf den Weg zum Luftstützpunkt. Hinter dem nächsten Haus trafen sie wieder auf Mac und Renee.
„Warum sind Sie nicht vor gegangen, wie es abgesprochen war?”, fragte Liam dann.
„Wir wussten, dass ihr allein nicht weit kommt und noch bis Morgen früh braucht, um zum Stützpunkt zu kommen,” erklärte Mac.
Langsam zogen sich die Freiwilligen zurück oder ihnen ging die Munition aus, wenn man bedenkt, dass sie viel mehr verschossen hatten als Liam, Harm, Mac und Renee zusammen. Aber darum machten sich die Vier jetzt keine großen Gedanken und konzentrierten sich angestrengt auf ihren Weg. Zum Glück hatten sie einen echten Marine dabei, der sie sicher leiten konnte.

 
* * *
 

0823 Zulu (03:23 MET)
Navy-Luftstützpunkt; in Boca Chica Key
Key West

Endlich erreichten die vier Kämpfer den Navystützpunkt. Durch Liam waren sie wesentlich langsamer voran gekommen, als eigentlich geplant war. Er hoffte, dass es ihm nicht übel genommen wurde. Das mit dem Bein war doch wirklich zu dumm gelaufen.
„Hey, kannst du noch,” wurde er von einer Stimme von ganz weit weg gefragt.
Langsam schlossen sich seine Augen und er nahm nichts mehr richtig war.
„Mac, er klappt zusammen. Meinen Sie, Sie schaffen einen Crashkurs in Sachen Flugzeugfliegen?”, fragte Harm verunsichert, weil es nicht so aussah, als würde Liam noch fliegen können.
„Aber Sie wissen schon noch, was beim letzten Mal passiert ist, oder?”, fragte Mac unsicher.
„Ja, aber Liam schafft das nicht mehr, sehen Sie ihn sich doch an. Er hat schon zu viel Blut verloren,” Harm hatte den jungen Mann an eine Wand gesetzt, sodass er sich etwas ausruhen konnte, und war dann mit Mac ein paar Meter weg gegangen.
„Ich weiß. Okay, erklären Sie's mir,” gab Mac dann nach.

Renee konnte es nicht glauben, Liam hatte für sie eine Kugel abgefangen und konnte nun kaum noch laufen. Er war so mit seinen Kräften am Ende, dass er hier bewusstlos neben ihr saß.

Nach einer halben Stunde hatte Harm die zwei besten Tomcats, die hier gewartet wurden, herausgesucht und vor den Hangar geschoben. Mac hatte er Stück für Stück erklärt, was sie dann machen sollte. Aber zur Not hatten sie ja dann noch den Funkverkehr, über den sie ihn dann fragen könnte. Dann holte er vier Helme herbei und überreichte zwei davon Mac und Renee.
Es gab zwar mittlerweile schon neuere und bessere, aber Harm kam mit diesem schon etwas älterem Modell besser zurecht, weil er mit ihm die meiste Zeit geflogen war.
„Ms Palmer, Sie fliegen mit dem Colonel. Ich werde Liam so schnell ich kann in ein Krankenhaus bringen,” erklärte Harm dann.
„Okay,” meinte diese nur.
„Mac, seinen Sie vorsichtig, ja?”, bat Harm seine Partnerin inständig und hievte Liam auf den Platz des RIOs.
„Harm!”, rief sie ihm noch hinterher.
„Ja?”, er drehte sich um.
„Ich... werde mein bestes geben,” meinte sie dann schnell. Fast hätte sie das gesagt, was sie von ihm höre wollte, seit Jahren.
„Das weiß ich, Mac,” meinte er und Mac hatte das Gefühl, ein wenig Stolz aus seiner Stimme herauszuhören.
Das stimmte. Harm war stolz auf 'seinen' Marine.
Danach stieg jeder in sein Flugzeug und Harm erklärte Mac über Funk noch einmal die Startprozedur.
Durch das Cockpitfenster sah sie seinen erhobenen Daumen. Sie erwiderte sein Zeichen und ließ die Tomcat anfahren.
Die zwei Nachbrenner Turbofan - Triebwerke TF-30 und die Schwenkflügel erlaubten es der F14 Tomcat, von kurzen Flugzeugträgerdecks aus mit Hilfe eines Dampfkatapults zu starten. Das hier war zwar kein Flugzeugträger und Dampfkatapulte gab es auch keine. Aber Harm hatte vertrauen in Mac. Sie würde das Baby sicher in die Luft bekommen und nach Hause fliegen.
„Mac, das machen Sie sehr gut, gehen Sie jetzt etwas vom Gas,” stand Harm ihr über Funk bei. Seine Stimme war so klar, dass sie das Gefühl hatte, dass er neben ihr sitzen würde. Ihre erste Flugstunde in einem Kampfjet hatte sie sich aber anders vorgestellt.
„Sehen Sie, jetzt hat sich die kleine Flugstunde in meiner Sarah ausgezahlt,” meinte Harm, er hatte Mac einmal überredet, mit ihm zu fliegen.

Harm hörte über die interne Verbindung ein leises Stöhnen. Liam hatte sein Bewusstsein für einen Moment wiedererlangt.
„Wo bin ich?”, fragte er verwirrt.
„Du bist in einer Tomcat, wir haben direkten Kurs auf zu Hause genommen, damit du sofort ärztlich versorgt wirst,” erklärte Harm.
„Warum hast du mich nicht einfach zurückgelassen?”
„Weil du mein Freund bist und weil du überlebst,” erklärte Harm entschieden und behielt das Flugzeug seiner Partnerin wachsam im Auge.
„Ich wäre da schon irgendwie allein herausgekommen,” meinte Liam.
„Wirklich? Wie denn? Im Sarg?”, fragte Harm ein wenig sarkastisch.
Dann war er wieder weg.
„Mac?”, fragte er ins Funkgerät am Helm.
<Ja>
„Liam war eben wach, er wollte, dass wir ihn zurücklassen,” erzählte Harm. Er wollte einfach, dass sie es wusste. Sie konnten über die meisten Sachen reden.
<Das ist ja so typisch für ihn,> schaltete sich nun Renee in das Gespräch ein.
<Ich glaube, wir sollten uns noch einmal allein unterhalten, bevor ich mit Liam nach Parris Island fliege,> meinte Mac dann und starrte geradeaus.
Wenn man bedachte, dass sie so etwas wie Flugangst hatte, wenn ein Flugzeug die Schallmauer durchbrach, hielt sie sich gut. Sie wollte gar nicht daran denken, was das Flugzeug eigentlich konnte. Vor Harm musste sie zugeben, dass ihr, einem Marine, in der Luft schlecht wurde. Aber er hatte keine große Sache daraus gemacht und zog sie damit nur auf, wenn sie allein waren.
„Harm!”, rief sie aufgeregt in ihr Funkgerät.
<Ich habe sie gesehen, Mac. Ziehen Sie die Flügel an, schalten Sie um auf Mach 2+. Ich weiß, es tut mir wirklich leid,> gab Harm ihr dann ein paar Angaben durch.
Sie wusste, was jetzt passieren würde. Sie sollte sich in Sicherheit bringen, während er gegen die acht anderen kämpfen würde.

Für Harm war es schon schwierig genug, ohne einen RIO, der ihm half. Da konnte er Mac zwischendrin nun wirklich nicht gebrauchen.
Vor einer Weile waren acht F-117 Nighthawks auf seinem Radar aufgetaucht. Das zeigte ihm, dass die Flugzeuge eine noch ziemlich neue Ausstattung hatten.
F-117 Nighthawks waren moderne einsitzige 'Tarnkappen'-Jäger der Superlative. Sie waren 10,08 m lang und 3,78 m hoch. Die Tragflügelfläche lag bei 106 m². Gegen eine Nighthawk sah seine Tomcat eher klobig und unpassend aus. Aber sie war lange Zeit die Nummer Eins der Abfangjäger der Flotte, der Aufklärer und Jagdbomber, gewesen. Es machte Harm damals stolz, dass er eine so wundervolle Maschine fliegen durfte.
Aber daran durfte er keinen Gedanken mehr verschwenden. Er musste sich gegen diese viel besser ausgerüsteten 'Tarnkappen'-Jäger behaupten. Wenn er daran dachte, wie lange er kein richtiges Manöver geflogen hatte, wurde ihm fast übel zu mute.
<Ergeben Sie sich, oder wir müssen drastische Maßnahmen einleiten,> forderte ihn der Anführer der F-117 Nighthawkstaffel auf.
Das klang zwar verlockend, aber Harm wollte sich nicht einfach kampflos ergeben. Also reagierte er erst gar darauf.
<Ich wiederhole, ergeben Sie sich, oder wir leiten drastische Maßnahmen ein,> klang die drängende Stimme wieder an sein Ohr.
Harm schaltete auf eine sichere Leitung um.
„Mac?”
<Ja, Harm. Wir sind in Sicherheit,> beantwortete sie die Frage, die er ohnehin gleich gestellt hätte.
„Okay, dann nehmen Kontakt mit dem Tower in Pensacola auf und erklären Sie denen Ihre Lage und dann werden Sie schon heil wieder herunterkommen,” wies Harm sie an.
<Mache ich,> die Verbindung wurde unterbrochen und auf der Frequenz war nur noch ein Rauschen.
„Okay, Baby. Gib' mir alles,” betete Harm still vor sich hin.

Zeitgleich
Über dem Navy-Luftstützpunkt Pensacola

Mac hatte, wie abgesprochen, mit dem Tower von Pensacola Kontakt aufgenommen. Hatte aber nicht gesagt, dass sie ihnen Landehilfe geben sollten.
„Ms Palmer, was halten Sie davon, dass wir zur Abwechslung mal die beiden Flyboys retten?”, fragte Mac, so scherzhaft, wie sie in dieser Lage sein konnte.
„Ich bin dabei.”
Mac drehte ab, aber so richtig gelang es ihr nicht, weil sie darin nicht geübt war. Die Tomcat ruckelte ein bisschen hin und her, aber nach einem Moment bekam sie das Flugzeug wieder in den Griff.
„Was für Flugzeuge sind Sie denn vor der hier geflogen?”, fragte Renee.
„Eine Stearman.”
„Aha.”
Mac hoffte, dass ihr Partner, der schon einige Zeit lang nicht mehr in einer seiner geliebten Tomcats gesessen hatte, nicht schon abgeschossen war. Aber sie wollte sich nicht dieser grausamen Vorstellung hingeben.


Gerade wich Harm einer lasergelenkten Bombe vom BLU-109 Typ aus.
Da Bomben gute Radarreflektoren waren, führte die F-117 sie intern mit. Die Schachtklappen wurden nur kurzzeitig für den Bombenabwurf geöffnet.
Harm brachte sich immer noch mit der neuesten Flugzeitschrift auf den neuesten Stand. Daher wusste er auch ganz genau, dass er kaum einen Angriffspunkt an einem Jagdbomber wie der F-117 hat.


<Unbekannte Tomcat, identifizieren Sie sich!>, wurden Mac und Renee von einer feindlichen Nighthawk aufgefordert.
Bevor sie auch nur antworteten konnten, tauchte hinter ihnen eine Flugzeugstaffel auf.


„Komm schon, Baby. Mach jetzt nicht schlapp,” redete Harm seiner Tomcat gut zu.
Der Bordcomputer verkündete ihm, dass Triebwerk 2 ausgefallen war und eine Flüssigkeit entweichte. Harm versuchte so gut wie es ging mit seiner Vulcan 20-mm-Kanone auf einen der Angreifer zu feuern, aber weil die Nighthawks leicht zu wenden waren, traf er keinen. Leider war auch ihr Einsatzradius um 33 km größer als seiner. Das erschwerte es noch dazu, einen Treffen zu erzielen. Dann hatte er einen Plan. Harm flog auf eine der Nighthawks zu und feuerte zwei seiner AIM-54 PHOENIX Lenkraketen in zwei verschiedene Richtungen auf die Nighthawks ab. Im nächsten Moment drehte er ab, sodass die F-117 nicht auf ihn schießen konnte. Doch bevor die beiden Lenkraketen ihr Ziel erreichen konnten, drehten sie auf einmal ab. Verwundert darüber sah er sich um. Dann erkannte er auch schon hinter ihm eine Flugzeugstaffel in ihrer bekannten Formation. Sie waren in der Überzahl.
<Kein Wunder, dass sie sich verziehen,> überlegte er und kontrollierte noch einmal seine Anzeigen.
<Commander Rabb, ich sehe, dass Ihre Tomcat Kerosin verliert. Brauchen Sie unsere Hilfe?>, wurde er vom Anführer der Tomcatstaffel gefragt, der neben seiner Maschine in der Luft zu stehen schien.
„Ich glaube, ich schaffe es noch bis zum nächsten Flughafen. Aber ich habe einen Schwerverletzten an Bord,” antwortete Harm.
<Ich werde zwei meiner Leute an Ihrer Seite bleiben lassen. Sie werden Sie nach Pensacola eskortieren,> erklärte der Andere.
„Danke.”
<Ich werde alle informieren,> versprach er und zeigte Harm einen erhoben Daumen, bevor er abdrehte.
Harm erwiderte die Geste. Er konnte das, weil die Sonne schon vor einer Weile aufgegangen war. Mac hätte ihm jetzt bestimmt die genaue Uhrzeit sagen können und wieviel Zeit seit dem vergangen war.

 
* * *
 

1046 Zulu (5:46 EST)
PENSACOLA Navy-Luftstützpunkt
Pensacola, Florida

Die 'Eskortierung' verlief ohne weitere Zwischenfälle. Also landete Harm seine Tomcat sicher in einem Abfangnetz auf der Rollbahn. Sofort rannten Sanitäter und Ärzte auf die eben gelandete, ziemlich demolierte, Maschine zu. Einen Moment, nachdem Harm das Cockpitfenster geöffnet hatte, stürmten sie heran und kümmerten sich um den Verletzten. Harm wartete, dass sie ihn bargen, bis er dann auch endlich ausstieg.
Er sah dann die andere Tomcat, die auch gerade gelandet war. Es war die Maschine von Mac und Ms Palmer. Er setzte seinen Helm ab und lief zu der Maschine hinüber. Nach einem weiteren Moment wurde das Cockpitfenster geöffnet. Als erstes stieg eine blonde Frau aus. Von Mac war nichts zu sehen.
<Sie war doch mit dieser Maschine geflogen, oder?>
Als Renee sich schon ein Stück vom Flugzeug entfernt hatte, stieg Mac auch endlich aus. Sein Marine sah aber nicht besonders gut aus. <Rabb, Mac ist nicht dein Marine!>, schallte er sich selbst.
Von der letzten Stufe hob er sie vorsichtig runter.
„Sie haben sich gut gehalten, Marine,” lobte Harm sie stolz.
Erst jetzt sah er, dass Mac mehr als nur 'nicht besonders gut' aussah. Sie sah miserabel aus.
„Danke, Harm ,” sie lächelte tapfer.
„Oh, oh,” Harm schlang, wie damals, seinen rechten Arm um ihre Schultern, um ihr Halt zu geben. „Mac, versuchen Sie es dieses Mal bitte aufzuhalten, bis wir im Gebäude sind, ja?”, versuchte nur die Stimmung zu heben.
„Ich werde es mal versuchen,” versprach Mac gequälter als vorher.
„Warum sind Sie wieder zurückgekommen, nachdem ich Sie weggeschickt habe?”, fragte Harm eine Spur sauer, weil ihr sonst was hätte passieren können.
„Sie dachten doch nicht, dass ich einen grünen Junganwalt einarbeitete, wenn ich einen fast eigenständigen Ex-Piloten haben kann?”, scherzte sie.
Sie erreichten nun das Hauptgebäude.

Harm hatte sich, während Mac sich der Toilette aufgehalten hatte, etwas umgehört.
„Wie meinten Sie das eigentlich mit dem 'fast eigenständigen Ex-Piloten' ?”, wollte er amüsiert wissen, als sie auf ihn zukam.
„Na, dass sich Ihre Essensgewohnheiten noch verbessern müssten,” erklärte Mac mit einem Lächeln.
„Meine? Eher wohl Ihre!”, erwiderte er selbstbewusst.
„Haben Sie schon was von Liam gehört?”, fragte sie dann, als sie den Blutfleck auf Harms Hose sah und sich dadurch an den Major erinnerte.
„Ja, das Krankenhaus hat gesagt, er solle sein Bein noch ein paar Tage ruhig halten.”
„Harm, das geht nicht. Heute müssten wir nach Parris Island, wissen Sie noch?”, meinte sie bestürzt.
„Ich weiß und vorausschauend habe ich da unseren CO angerufen. Ihm gesagt, was mit dem Major passiert ist, und habe ihm später noch den Krankenbericht durchgefaxt. Er hat gesagt, er würde mit dem SecNav über Ihre Situation sprechen und uns dann seine Entscheidung mitteilen,” berichtete Harm ihr alles, was er in der Zwischenzeit so gemacht hatte.
„Harm, ich kann kaum glauben, dass Sie von der Navy sind. Meistens sind die Navy-Offiziere doch sehr träge und langsam,” erklärte Mac.
„Wir sind nicht langsam und träge. Wir sind gutaussehend, intelligent und ernähren uns vorbildlich,” erwiderte Harm entschieden.
„Dass ich nicht lache. Sie sind arrogant und eingebildet,” wies Mac ihn wieder zurecht.
„Ach, meinen Sie?”, fragend erhob sich eine dunkle Augenbraue.
„Ja,” sie nickte heftig.
„Wer Sie als Partner hat, braucht keine Feinde mehr,” erklärte Harm scherzend.
„Legen Sie es ja nicht darauf an,” drohte Mac scherzhaft.
„Werde ich sicher nicht, ich will nämlich noch steinalt werden,” erklärte er schnell.
„Wirklich?”
„Ja, und mit dem, was ich in den letzten Jahren gelernt habe, kann ich das sogar noch schaffen.”
„Ach ja? Und was haben Sie gelernt?”
„Man soll sich nie zwischen einen Marine und sein Essen stellen, ....”, der Rest seines Satzes ging in den lauten Geräuschen in der Flugzeughalle unter.
„Ach wirklich? Ist nicht Treibstoffneid eher unter den Piloten zu finden?”, fragte sie unschuldig.
„Wir Piloten beneiden niemanden,” belehrend hob Harm den Zeigefinger.
„Wollen wir's mal hoffen.”
Harm und Mac kamen nur langsam voran, weil das Büro des Leiters des Stützpunktes irgendwo am anderen Ende der Halle war, in die sie hineingehen mussten, weil außerhalb Tests mit verschiedenen Flugzeugen gemacht wurden und sie dazwischen besser nicht rumliefen. Obwohl Harm das sicher interessant gefunden hätte. Aber ein schönes Streitgespräch zwischen Mac und ihm gefiel ihm fast noch besser.

 
* * *
 

1242 Zulu (7:42 EST)
Büro des Commanding Officers
PENSACOLA Navy-Luftstützpunkt
Pensacola, Florida

<Colonel, ich habe eben mit dem Marinemister gesprochen. Er gibt Major Kincaid noch eine letzte Chance. Das ist dann aber die allerletzte, die er ihm gibt,> berichtete Chegwidden seinen beiden Top-Anwälten, aber wer ihn besser kannte, wusste, dass er sich lediglich freute, dass seinen Leuten nichts passiert war.
„Ich bedanke mich im Namen des Majors, Sir,” entgegnete Mac knapp.
Sie hatte mit einem Donnerwetter gerechnet, weil Harm und sie sich auf den Weg gemacht hatten, ohne ihn etwas zu sagen.
<Sagen Sie mir mal bitte, wie Kincaid das immer schafft, in solche Schwierigkeiten zu kommen?”, forderte der Ex-Seal streng.
„Ich weiß es nicht, Sir.”
<Okay, dann kommen Sie und der Commander bitte morgen pünktlich zum Dienst,> bat er etwas sanfter, weswegen seine Stimme ein kleines bisschen netter klang, fand Mac.
„Wir werden pünktlich sein, Sir,” bestätigte sie. „Ich jedenfalls,” setzte sie leiser an den anderen Satz.
<Kümmern Sie sich darum, dass der Commander es auch ist,> er hatte den Rest also doch gehört.
„Aye, Sir.”
<Gut, dann sehen wir uns morgen,> danach legte ihr CO auf.
„Ja, Sir,” erwiderte sie abwesend, als sie den Hörer auflegte.
„Was hat er gesagt?”, fragte Harm sie mit einer kleinen Spur Neugierde in der Stimme.
„Liam hat eine letzte Chance vom SecNav bekommen,” antwortete sie knapp.
„Und?”
„Was und?”
„Na, Sie sagten 'Aye, Sir'. Worauf bezog sich das?”
„Werden Sie noch sehen. Wo ist Liam?”, lenkte sie vom Thema ab.
„In der Krankenstation des Stützpunktes.”
Mac lief los.
„Hey, Mac. Wo wollen Sie hin?”
„Zu Liam. Kommen Sie nicht mit?”
„Sicher,” er war von dem Stuhl, auf den er sich einen Moment fallen lassen hatte, aufgesprungen.

 
* * *
 

1428 Zulu (9:28 EST)
Krankenstation
PENSACOLA Navy-Luftstützpunkt
Pensacola, Florida

„Sir, ich habe diese Anweisung von Ihrem CO bekommen,” meinte ein junger Arzt ruhig, weil Harm sich weigerte, sich untersuchen zu lassen.
„Haben Sie's schriftlich?”
„Nein, er hat mich angerufen, Sir,” erklärte der Arzt.
„Wenn Sie keinen schriftlichen Befehl haben, werde ich Ihren Anweisungen nicht Folge leisten,” beharrte Harm stur.
„Harm, nun seien Sie doch nicht so ängstlich. Je eher Sie den Arzt ranlassen, desto schneller kommen Sie hier wieder raus,” meinte Mac lächelnd.
Sie wollte gerade an der Tür vorbeigehen, nachdem sie als gesund befunden wurde, als sie aus dem Raum die Stimme ihres Partners hörte, wie er einen Offizier zurechtwies.
„Ich habe keine Angst,” erklärte Harm entschieden.
„Und warum lassen Sie dann den Mann nicht seine Arbeit machen?”
„Ich lass ihn ja, wenn ich mir sicher bin, dass er auch wirklich die Erlaubnis hat, an den Vorzeige-Offizier der Navy heranzulassen.”
„Vorzeige-Offizier?!”, echote sie ungläubig.
„Ja sicher, haben Sie noch nie gesehen, was ich für Blicke zugeworfen bekomme?”
„Sagen Sie, sind Sie vielleicht verheiratet?”, fragte der Arzt vorsichtig, der dem Gespräch still gefolgt war.
„Wie kommen Sie denn darauf!?”, fragte Mac ihn empört.
„Wäre es denn so schlimm mit mir verheiratet zu sein?”, fragte Harm gespielt ernst.
„Das besprechen wir ein anderes mal, ja? Jetzt will ich diesem Offizier meine Meinung sagen,” meinte Mac genervt.
„Okay, okay,” er hob beschwichtigend die Hände.
„Lt. hat man Ihnen bei der Grundausbildung nicht eingebleut, dass man nie respektlos gegenüber seinem Vorgesetzten sein soll?”
„Doch Ma'am, das war nur eine vorschnelle Vermutung,” entschuldigte sich der junge Mann.
„Gut, und nun kümmern Sie sich um diesen überheblichen Sailor,” wies Mac ihn an und verschwand.
„Mac, Sie können mich doch hier nicht allein lassen.”
„Sailor, das stehen Sie auch allein durch,” meinte sie lächelnd und war aus seiner Hörweite.

 
* * *
 

1534 Zulu (10:34 EST)
Krankenstation
PENSACOLA Navy-Luftstützpunkt
Pensacola, Florida

„Harm, Sie waren ja noch schlimmer als Liam,” scherzte Mac und sah ihren Partner amüsiert an. Sie war schon seit ein paar Minuten nicht mehr sauer auf den voreiligen Lt.
„Ich war nicht schlimmer als Liam? Ich habe mich nur nach seinem Befehl erkundigt. Was ist denn da so schlimm dran?”
„Ja, Sie waren viel, viel schlimmer als Liam,” erklärte sie.
Die beiden Offiziere kamen nun an dem Zimmer an, von dem sie wussten, dass Liam darin lag. Mac klopfte an und trat ein.
Das Gespräch zwischen Renee und ihm stoppte von einem Moment auf den anderen.
„Wie geht's dem Bein?”, erkundigte sich Mac.
„Schon besser.”
„Du hast noch eine letzte Chance vom SecNav bekommen,” erzählte Harm.
„Der muss dich mehr leiden als uns,” scherzte Mac.
„Wie kommt ihr darauf?”
„Weil er dich noch nie persönlich sprechen wollte. Wenn er das will, musst du ein Paket Taschentücher dabei haben,” erklärte Harm ihm und grinste.
„Warum das Paket Taschentücher, will er mich zum Heulen bringen?”
„Nein, sagen wir es mal so, wenn er vor dir steht, bleibt kein Auge trocken,” erklärte Mac ihm mit einem Lächeln, weil Harm und sie ja schon einmal das Vergnügen hatten.
„Gut zu wissen. Achso, wann geht denn der neue Fitnesstest los?”
„Wenn dein Bein wieder in Ordnung ist.”
„Das kann noch ein paar Tage dauern,” meinte Liam, der an seinem dick bandagierten Bein herunter sah.

 

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang