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  „Freundschaft” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Hinsichtlich der Rettung Zo'ors sind Da'an und T'than unterschiedlicher Meinung, und Sandoval muss die unangenehme Erfahrung machen, dass er ein Gefangener der Jaridian ist.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, zwischen „Liebe deinen Feind” und „Die Agentin”
Charaktere:  Da'an, T'than, Liam Kincaid, Ronald Sandoval, Jemen Tyler, Go'rik, Ra'nun, Ha'dan
 

 

FREUNDSCHAFT

Kapitel 13

 

Teil 2


T'than betrat die Brücke. Nur wenige Freiwillige versahen hier derzeit ihren Dienst. Still und ruhig arbeiteten sie an ihren Konsolen, und diejenigen, die an ihm vorbeikamen, schienen ihn gar nicht zu bemerken, so als sei er unsichtbar für sie. Eine unnatürliche Stille lag über den Kontrollraum. Es fühlte sich irgendwie fremd an. E r fühlte sich fremd, obwohl er nach wie vor die kommissarische Führung innehatte. Aufmerksam ließ er seinen Blick schweifen auf der Suche nach dem Grund für diese Diskrepanz. Ihm drängte sich der Verdacht auf, dass man ihn absichtlich ignorierte. Zo'ors Aura war trotz seiner fehlenden Präsenz spürbar; es beeinflusste das Verhalten der Anwesenden.

Vor seiner Abreise hatte er sich ein wenig mit der menschlichen Spezies befasst, insbesondere was die „Freiwilligen” auf dem Mutterschiff und die Beschützer der Companions anbelangte. Man hatte ihm versichert, dass die Freiwilligen für ihre Arbeit entsprechend „präpariert” waren. Doch offensichtlich war dies kein Garant für Neutralität. Bei den Beschützern sorgte ein spezielles Cybervirus für unbedingten Gehorsam und Pflichterfüllung. Seltsamerweise besaß Da'ans Beschützer kein CVI. Da'an hatte es ihm gegenüber damit erklärt, dass ein Implantat nicht zwingend erforderlich war, weil sich die Menschen gegenüber ihren Dienstherren durchaus loyal zeigten. T'than war überzeugt, dass es keine tatsächliche Loyalität bei einem Volk geben konnte, wenn es - wie in diesem Fall - von ihnen ausgenutzt wurde. Da'an schien es jedoch vollauf zu genügen. Vermutlich war er es sogar, der hinter diesem Komplott steckte. Er war schon immer sehr geschickt darin gewesen, andere zu manipulieren und für seine Zwecke einzuspannen.

T'than war es nicht gewöhnt, dass man seinen Status derart boykottierte. Es erfüllte ihn mit Unmut. Nicht nur dass die Synode sich ihm gegenüber so zurückhaltend zeigte, nein, auch die Menschen waren gegen ihn.

Weil es für ihn keinen zwingenden Grund gab, weiterhin auf der Brücke zu verweilen, verließ der Kriegsminister sie wieder und zog sich in einen Nebenraum zurück. Er trat vor das virtuelle Glas und starrte hinaus in den Weltraum. Für die blauweißschimmernde Erdkugel hatte er keinen Blick übrig. Sie war nur eine von unzähligen Welten, derer sie sich im Kampf gegen die Jaridians bedienten. Warum maß man ihr eine so große Bedeutung bei? T'than war überzeugt, dass der Hauptgrund für den unbefriedigenden Fortschritt ihrer Mission in der Überbewertung dieses Planeten lag. Aufgrund des Berichtes eines einzelnen Taelons, der von ihm selbst sogar im Nachhinein revidiert worden war, hatten sie ihre bisherige Strategie fallen lassen und wertvolle Zeit und Ressourcen geopfert... in seinen Augen eine eindeutige Fehlentscheidung der Synode, die nur noch darin übertroffen wurde, dass sie einem jungen, unerfahrenen Artgenossen die Führung des Volkes anvertrauten. Zo'or waren Freiheiten zugebilligt worden, die er keineswegs dazu nutzte, sie ihrem Ziel näherzubringen. Statt dessen trieb er seine Spielchen mit diesen Menschen und ergötzte sich an ihrem Widerstand. Selbst Da'an, einst ein sehr geachteter und fähiger Stratege, hatte sich von dieser Welt und ihren Bewohnern blenden lassen. Und noch immer konnte oder wollte die Synode nicht die Wahrheit erkennen und versteckte sich hinter irgendwelchen Ausflüchten.

Zornig starrte T'than in die schwarze Unendlichkeit. War er denn der Einzige, der die Zeichen richtig zu deuten wusste? Ein Geräusch riss ihn aus seiner Gedankenwelt. Ohne sich umzudrehen, sagte er: „Da'an ... Wie ich sehe, lässt du es dir nicht nehmen, mir persönlich deinen Sieg zu präsentieren.”

„Du irrst dich, T'than”, erwiderte sein Artgenosse und trat an seine Seite. Sein Blick war ebenfalls auf das Weltall gerichtet. „Die Beratung ist noch nicht abgeschlossen.”

Der Kriegsminister gab einen Laut der Verachtung von sich. „Dann ist also das eingetroffen, was ich befürchtet habe. Wir drehen uns im Kreise.”

„Was erwartest du? Es ist für die Synode nicht leicht, unter den gegebenen Umständen eine Entscheidung zu treffen. Es würde die Situation wesentlich vereinfachen, wenn wir beide einen Kompromiss finden könnten.”

„Einen Kompromiss?” wiederholte T'than ärgerlich. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie dieser Kompromiss aussehen soll. Doch ich denke nicht daran, so einfach nachzugeben.”

„Dann”, Da'an wandte ihm das Gesicht zu und sah ihn bedeutungsvoll an, „bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten.”

Der Kriegsminister bedachte ihn mit einem ungläubigen Blick. „Es ist dir wirklich ernst damit. Um Zo'or zu retten, bist du bereit, die Interessen des Gemeinwesens zu ignorieren.” Sein Mund verzog sich voller Abscheu.

Doch Da'an ließ sich nicht provozieren. Sie beide hatten vor der Synode ihren Standpunkt dargelegt. Jedes Argument, das ihnen wichtig oder vorteilhaft erschien, war von ihnen vorgebracht worden. Doch außerhalb der Beratung war jeder Vorwurf wertlos, weil er die Entscheidung der Synode nicht mehr beeinflussen konnte; es diente einzig und allein dazu, den Gegner in die Enge zu treiben, ihn zu verunsichern. Da'an stand schon zu lange im diplomatischen Dienst, um nicht zu wissen, wann Vorsicht geboten war. Und deshalb schwieg er und nahm so T'than jede Möglichkeit, ihn in Bedrängnis zu bringen.

Der Kriegsminister wandte sich zornig ab. Da'ans Selbstsicherheit irritierte ihn. Ihm drängte sich der Verdacht auf, dass es um mehr als nur um Zo'ors Leben gehen musste. Zwar war in jedem Taelon eine gewisse Veranlagung vorhanden, die eigenen Nachkommen zu schützen, doch diese Bereitschaft ging niemals soweit, dass sie über die Interessen des Gemeinwesens gestellt wurde. Doch welchen Vorteil konnte sich Da'an von der Rettung des Synodenführers erhoffen?

T'than schaute zurück, und ihre Blicke trafen sich. Der Ausdruck in Da'ans Augen war von unerschütterlicher Ruhe. T'than hatte nie an ihrer Freundschaft gezweifelt, trotz der räumlichen und zeitlichen Distanz, die diese Mission mit sich gebracht hatte. Zum ersten Mal hegte er jedoch Zweifel, ob sie wirklich noch Freunde waren. Es herrschte zwischen ihnen nicht mehr die gleiche Vertrautheit wie einst. Ihre gegensätzliche Einstellung der gegenwärtigen Situation aber konnte allein nicht der Auslöser sein. Was verheimlichte ihm Da'an ... und vor allem, warum?

„Sag mir, Da'an ... wann haben wir angefangen, uns wie Fremde gegenüberzustehen?” fragte er.

Da'an sah ihn überrascht an. Er schien mit allem gerechnet zu haben, aber nicht mit dieser Reaktion, und deshalb wusste er auch nicht zu antworten.

„Wo ist die Nähe, die wir miteinander teilten? Die Vertrautheit? Ich erreiche dich nicht mehr, Da'an. Es ist, als hätte jemand unsere Verbindung unterbrochen.”

Da'an senkte den Blick. „Es tut mir leid, T'than”, sagt er. „Es ist einfach zuviel geschehen. Wir... ich habe mich verändert.”

„So verändert, dass dir meine Freundschaft nichts mehr bedeutet? Wir waren einander doch so nahe ...” Die Stimme des Generals klang leise und verbittert.

Da'an sah wieder auf. „Ich wollte nicht, dass es geschieht.”

„Aber es ist geschehen”, sagte T'than eindringlich, „obwohl ich es nie für möglich gehalten hätte.” Forschend betrachtete er sein Gegenüber, doch die menschliche Fassade konnte nur unzureichend die Empfindungen des anderen Taelons wiedergeben. Langsam hob er die Hand, streckte sie ihm entgegen, obwohl er insgeheim mit einer Zurückweisung rechnete. Sein Blick ruhte auf Da'an, bevor sich sein menschliches Äußere wandelte und den Blick auf sein wahres Erscheinungsbild freigab.

Da'an zögerte, von eher zwiespältigen Gefühlen erfüllt. Wie konnte er verlangen, dass der andere verstand, was ihm selbst rätselhaft erschien?

„Bitte”, flüsterte T'than drängend. Und schließlich gab auch Da'an seine Fassade auf und erlaubte den Kontakt. Der emotionelle Teil in ihm beschwor eine Vergangenheit herauf, die sich in dieser Form nie mehr wiederholen konnte, während sein rationelles Denken ihn drängte, Distanz zu halten

Um ihrer aller Zukunft willen...

*Da'an, mein Freund ... Unsere Trennung hätte nicht solange andauern dürfen ...*

Da'an lauschte der mentalen Stimme T'thans. Einen Augenblick lang gab er sich der wohltuenden Nähe hin. Es war genau die Linderung, nach der er sich sehnte, ein Pol der Ruhe inmitten des Chaos. Gleichwohl war ihm bewusst, dass es nur eine Selbsttäuschung war. Sie hatten sich bereits voneinander entfernt. Er konnte diesen Prozess weder stoppen noch rückgängig machen, und im Grunde wollte er es auch nicht. Vielleicht würde T'than irgendwann verstehen ... verstehen, dass er seiner Vision folgen musste.

*Sag mir, wie konnte es dazu nur kommen? Was haben wir falsch gemacht?*

*Diese Mission verlangt viele Opfer von uns, T'than.*

*Wir haben andere Krisen durchgemacht, und doch hat es uns niemals entzweit. Unsere Freundschaft war es, die uns die Stärke gab. Nein, Da'an, deine Veränderung liegt nicht in der Last der Verantwortung oder in der vom Gemeinwesen verlangten Opferbereitschaft.*

Da'an fühlte, wie T'than versuchte, ihn zu erreichen und wie er sich selbst immer mehr verschloss. Schließlich brach der andere Taelon resigniert die mentale Verbindung ab. Er nahm wieder sein menschliches Aussehen an und trat dann einen Schritt zurück, so als müsse er auch räumliche Distanz schaffen. „Nun... vielleicht ist dies auch nicht der geeignete Augenblick, um unsere Freundschaft einer Prüfung zu unterziehen”, sagte er mit deutlich reservierter Stimme. Er legte die Hände auf den Rücken und wandte sich dann ab. „Die Synode wird über kurz oder lang zu der Einsicht gelangen, dass jeder Versuch, Zo'or zu retten, ein unkalkulierbares Risiko mit sich bringt. Ich habe die neuesten Berichte von der Front studiert ...”

„Das habe ich ebenfalls”, unterbrach ihn Da'an. Er klang nicht ganz so selbstbewusst wie sonst ... die mentale Verbindung hatte in ihm alte Erinnerungen erweckt, die er nicht so ohne weiteres beiseiteschieben konnte. Aber er war nach wie vor bereit, seine Position zu verteidigen. „Die Frontlinie hat sich von Muruwi fortbewegt. Danach wird deine Theorie, dass die Jaridians hinter Zo'ors Entführung stecken, immer unwahrscheinlicher. Um uns in eine Falle zu locken, benötigen sie ein gewisses Kontingent an Kriegsschiffen, und sie müssten früh genug in der neutralen Zone sein, um rasch und effektiv zuschlagen zu können. Dadurch würden sie aber ihre Verbände an der Front schwächen, was wir dann zu unserem Gunsten ausnutzen könnten. Dieser Gefahr werden sie sich wohl kaum aussetzen.”

„Unterschätze nicht die Kriegslist der Jaridians”, sagte T'than. „Sie haben uns mehr als einmal mit unvorhersehbaren Aktionen überrascht. Und vielleicht ist das genau ihr Plan - uns in Sicherheit zu wiegen.” Er wartete eine weitere Entgegnung nicht mehr ab, sondern verließ augenblicklich den Raum.

 
* * *
 

Jemen hatte das Wasser getrunken, trotz ihrer Angst vor neuen Krämpfen. Der instinktive Wunsch, weiterzuleben, war zu mächtig gewesen. Und nun saß sie da, verwundert, zweifelnd und lauschte ihrem Körper und empfand allen Befürchtungen zum Trotz ein eher angenehmes Gefühl. Der Druck in ihrem Kopf ließ nach, und langsam normalisierte sich auch ihr Pulsschlag wieder. Ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich waren die Krämpfe nur eine Folge des starken Flüssigkeitsverlustes gewesen.

Zo'or hatte sich erhoben und war aus dem Schatten des Felsenbogens herausgetreten. Aufmerksam sah er sich um und studierte die Umgebung. Hin und wieder blickte er zum Firmament auf und hielt gewissenhaft Ausschau nach dem Jaridian-Scout.

Jemen warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. Wieder fragte sie sich, warum er zurückgekommen war. Fühlte er sich vielleicht allein, so dass er trotz ihrer Verschiedenheit ihre Gesellschaft der Einsamkeit vorzog? Aber er war doch noch immer mit dem Gemeinwesen verbunden. Oder lag es an der Entfernung? War die Verbindung vielleicht schwächer geworden? Ein Mensch war durchaus in der Lage, mit der Einsamkeit zurechtzukommen. Doch wie war das bei einem Taelon? Was empfand ein Wesen wie er, wenn es die vertraute Nähe zu seinen Artgenossen verlor? Angst? Hilflosigkeit? Kummer?

Zo'or drehte sich nach ihr um. „Wir werden aufbrechen, sobald Sie wieder zu Kräften gekommen sind”, sagte er.

Jemen wandte sich wieder den Früchten zu. In gewisser Weise stand sie jetzt in seiner Schuld, und dieser Gedanke erzeugte in ihr ein seltsames Gefühl. Was, wenn sie diese Schuld begleichen musste? Wenn Di'mags Mörder das Gleiche verlangte, was er für sie getan hatte ... Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und ließ sie trotz der Wärme frösteln.

Sie trank soviel Wasser, bis ihr Durst gelöscht war. Dann erhob sie sich vorsichtig. Ihre Beine zitterten noch ein wenig, aber sie spürte, wie die alte Kraft zurückkehrte und ihren Körper durchflutete. Sie fühlte sich erstaunlich gut. Wenn man es recht betrachtete, eigentlich zu gut für diese besonderen Umstände. Als hätte sie eine Aufputschdroge genommen, die nicht nur ihre körperliche Verfassung verbesserte, sondern auch ihren Gemütszustand. Die Erinnerung an Di'mag und seinen Tod verdrängte sie gewaltsam. Sie sah sich derzeit außerstande, darüber nachzudenken. Die einzige Möglichkeit, mit der Situation umzugehen, bestand darin, sie zu ignorieren. Jetzt zählte nur, dass sie lebte und dass sie ihren Weg fortsetzen konnte.

Zo'or blickte sie abwartend ab, und schließlich nickte sie ihm zu. Sofort setzte sich der Taelon in Bewegung und kletterte behände über einen Felsen. Jemen trat aus dem Schatten des steinernen Bogens und sah hinauf zum Firmament. Spiralförmige Wolkengebilde überzogen den graublauen Himmel, die sie an Kondensstreifen von Flugzeugen erinnerten... ein fremdartiger und zugleich faszinierender Anblick. Der Trabant war fast ganz hinter einem dunstigen Schleier verschwunden, doch seine enorme Größe war noch immer zu erahnen. Er wirkte längst nicht mehr so bedrohlich wie bei ihrer Ankunft auf diesem Planeten. Wie schnell man sich an etwas gewöhnen konnte, selbst wenn es so ungewöhnlich war wie dieser Mond. Jemen nahm den Blick wieder herunter. Sie stellte fest, dass sich Zo'or bereits ein gutes Stück von ihr entfernt hatte. Sein blauer Anzug war ein seltsamer Farbtupfer in der von roten, braunen und beigen Farbtönen beherrschten Welt. Ein Außerirdischer in einer außerirdischen Welt.

Der Bergrücken, den sie zu erreichten suchten, war höher als Jemen angenommen hatte, und das bedeutete für sie eine nicht unerhebliche Anstrengung. Zunächst konnten sie einem natürlichen Pfad zwischen Felsvorsprüngen und Gesteinsbrocken folgen, aber schon bald mussten sie klettern, um den immer steiler werdenden Hang hinaufzukommen. Jemen fühlte sich zwar kräftig genug, und sie legte auch immer wieder kleine Pausen ein, um sich nicht vorzeitig zu verausgaben. Aber sie wusste sehr wohl, dass ihrer Leistungsfähigkeit Grenzen gesetzt waren. Irgendwann würde ihr Körper nicht mehr mitmachen. Wasser war nun kein Problem mehr. Doch wie lange würde sie ohne Nahrung auskommen? Seltsamerweise verspürte sie kein Hungergefühl, und darüber war sie ganz froh. Nichts war schlimmer als ein knurrender Magen ... außer dem Durst vielleicht.

„Wie kommt es eigentlich, dass Sie so gut klettern können?” fragte sie, als Zo'or innehielt. Er stand vor einem großen Felsblock, der ihnen den Weg versperrte. Es war nicht möglich, ihn zu umgehen, da er die einzige auf dieser Hangseite begehbare Passage blockierte.

„Wir werden uns gegenseitig helfen müssen”, sagte er, ohne auf ihre Frage einzugehen.

„Okay.” Jemen lehnte sich mit dem Rücken gegen den Felsen und verschränkte die Hände ineinander. „Stellen Sie Ihren Fuß hier hinein”, forderte sie ihn auf, als er sie verständnislos anstarrte. „Dann kann ich Sie hochheben. - Es hat wenig Sinn, wenn ich zuerst auf den Felsen klettere. Meine Kraft reicht nicht aus, Sie hochzuziehen.”

Zo'or musterte sie. Dann nickte er. „Ihre Überlegung macht Sinn.”

Die ersten Male stellte sich der Taelon ein wenig ungeschickt an, weil er zu weit von ihr entfernt stand und sofort das Gleichgewicht verlor. Schon zeigte sich auf seinem Gesicht eine Spur von Ungeduld.

„Sie müssen sich mit einer Hand auf meiner Schulter abstützen”, sagte sie, „und die andere am Felsen lassen.”

Schließlich schien er zu begreifen, was sie vorhatte. Seine Hand legte sich auf ihre Schulter. Dann stellte er den Fuß erneut in ihre verschränkten Hände. Er passte sich genau ihrem Schwung an, als sie ihn hochhievte. Für einen Augenblick kamen sie sich sehr nahe, und Jemens Gesicht berührte seinen Anzug. Er hat Di'mag getötet, durchblitzte es sie. Dann war er schon oben auf dem Felsen und streckte ihr die Hand entgegen. Mit einer beinahe spielerischen Anstrengung zog er sie zu sich hinauf. Jemen schwankte ein wenig und griff automatisch nach seinem Arm, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ihre Blicke trafen sich, und für einen langen Moment starrten sie sich nur an. Dann ließ sie ihn los, und er wandte sich ab, um den nächsten Felsen zu erklettern. Nachdenklich blickte sie ihm hinterher. Wie sollte sie ein Wesen hassen, das ihr das Leben gerettet hatte ...

 
* * *
 

Kurz nachdem ihn T'than verlassen hatte, kehrte Da'an auf die Brücke zurück. „Können Sie mir sagen, ob sich Major Kincaid an Bord befindet?” fragte er eine Freiwillige.

Die junge Frau wandte sich sofort ihrer Konsole zu. „Sein Shuttle befindet sich im Hangar. Soll ich ihn rufen?”

„Nein”, Da'an hob die Hand, „das ist nicht nötig.” Von einer bestimmten Ahnung erfüllt, verließ er die Kommandozentrale und steuerte die nächste freie Überwachungskonsole an. „Major Kincaid. Derzeitiger Aufenthaltsort. Bildmodus”, befahl er dem Computer. Es dauerte weniger als eine Sekunde, dann zeigte ihm das Überwachungssystem einen Ausschnitt eines der Nebengänge. Der Taelon nahm sich nicht einmal die Zeit, um zu prüfen, was sein Beschützer dort machte. Ihm genügte allein die Tatsache seiner Anwesenheit in diesem Korridor, um unverzüglich zu reagieren.

„Liam, was tun Sie hier? Hatte ich Sie nicht aufgefordert, sich auszuruhen?”

Der junge Mann drehte sich langsam um. Sein Gesicht zeigte keinerlei Schuldgefühl, obwohl beiden klar war, dass ihn nicht der Zufall in diesen Korridor geführt hatte. „Mir war nicht bewusst, dass dies ein offizieller Befehl war”, sagte er mit deutlichem Sarkasmus. Er erwiderte Da'ans scharfen Blick in aller Gelassenheit. „Ich war ein wenig neugierig, was diesen Raum hier anbelangt”, fügte er hinzu und deutete mit einem Kopfnicken auf die verschlossene Öffnung in der Wand.

„Sie werden nichts von dem vorfinden, was Sie sich vielleicht erhoffen.”

„Und was erhoffe ich mir?” fragte Liam und machte einen Schritt auf den Taelon zu, der sich bereits wieder zum Gehen wandte.

„Eine Antwort auf Ihre Fragen?” Da'an warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu.

„Wie immer drücken Sie sich sehr diplomatisch aus. Nur ja nicht zu viel verraten.” Liam trat an seine Seite. „Damit das große Geheimnis auch eines bleibt.”

„Vielleicht sehen Sie Geheimnisse, wo keine sind”, erwiderte der Taelon und taxierte seinen jungen Beschützer mit einem prüfenden Blick.

„Das wird es wohl sein.” Liam beschloss, das Thema zu wechseln. Wenn Da'an keine Informationen preisgeben wollte, hatte es wenig Zweck, weiterzubohren. Am Ende lief es nur wieder auf einen Streit hinaus, und darauf hatte er wenig Lust. „Die Verhöre der Gefangenen haben nichts erbracht. Sie wissen nichts von weiteren Portalen.”

„Oder wollen sie nur nicht preisgeben.”

„Was ich aber für unwahrscheinlich halte. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Organisation wie die Dark Blue sehr strenge Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, um einer Entdeckung zuvorzukommen. Vermutlich wusste nur der Anführer davon, und der ist jetzt tot. Und dieser junge Mann ... Tylers Bruder ... Nun ... er scheint ziemlich wirr zu sein. Er konnte uns zwar sagen, dass Zo'or durch das Portal geschickt worden ist, aber ...”

„Als ihr Bruder könnte er wie sie von dieser Bewusstseinsveränderung betroffen sein. Er muss umgehend isoliert werden.”

„Das ist bereits geschehen. - Da'an, ich hoffe, Sie werden nicht zulassen, dass man diese Leute foltert.”

„Sie sollten wissen, dass ich derartige Methoden nicht unterstütze. Aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Existenz weiterer Portale eine große Gefahr darstellt, sowohl für uns Taelons als auch für die Menschheit. Zum jetzigen Zeitpunkt ist Ihre Sorge jedoch unbegründet. T'thans Interesse gilt anderen Dingen.”

Liam wurde hellhörig. „Dann wurden inzwischen also die Koordinaten des Portals bestätigt?” fragte er interessiert.

„Ja. Allerdings nicht in der von mir erhofften Weise. Zo'or wurde zwar nicht nach Jaridia geschickt, aber sein jetziger Aufenthaltsort ist ebenfalls besorgniserregend.”

„Inwiefern?”

„Zo'or wurde zu einem Planeten transferiert, der sich in einer sogenannten neutralen Zone befindet.”

„Neutrale Zone”, wiederholte Liam verwundert. „Was bedeutet das?”

„Ein mehrere Lichtjahre umfassender Bereich, der früher die natürliche Grenze zwischen jaridianischem und taelonischem Gebiet bildete”, erklärte Da'an. „Die Grenze hat sich im Verlauf des Krieges zu Gunsten der Jaridians verschoben. Den Taelons liegt jedoch derzeit nicht viel daran, diesen Bereich zurückzuerobern. Wir müssten dafür einen großen Teil unserer Streitkräfte bereitstellen ...”

„... was Sie wiederum anderorts verwundbar machen würde”, beendete Liam den Satz. „Die Jaridians machen sich nicht die Mühe, einen Taelon in ihre Gewalt zu bekommen, um ihn anschließend zu töten. Offensichtlich benutzen sie Zo'or als Köder.”

Da'an schüttelte den Kopf. „Eine derartige Vorgehensweise widerspricht ihrer bisherigen Taktik, zumal es für sie ein nicht unerhebliches Risiko bedeutet. Und im Augenblick darf sich keine von beiden Seiten einen Fehler erlauben.”

Liam spitzte die Ohren. Da'ans mehr beiläufige Bemerkung ließ darauf schließen, dass sich die beiden verfeindeten Spezies derzeit einer Patt-Situation gegenübersahen. Er hätte gern mehr darüber erfahren. Derartige Informationen waren für den Widerstand sehr wichtig. Wenn die Taelons in ihrem offensiven Kampf gegen die Jaridians derzeit kein Weiterkommen sahen, konnten sie sich wieder auf ihre eigentliche Mission hier auf der Erde besinnen und ihre Bemühungen, die Menschheit für ihren Krieg zu benutzen, verstärken. Liam seufzte innerlich. Sein angespanntes Verhältnis zu Da'an machte es ihm nicht leicht, ungezwungen darüber zu reden. Er wünschte sich die alte Vertrautheit zurück, wusste aber sehr wohl, dass er sich dabei selbst am meisten im Weg stand.

„Was gedenkt die Synode zur Rettung Zo'ors zu unternehmen?”

„Sie prüft derzeit noch die Fakten. Es wird schwer sein, Zo'or zur Hilfe zu kommen, ohne das Interesse der Jaridians zu erwecken.”

„Ihr Hauptproblem dürfte darin bestehen, unbemerkt in die neutrale Zone zu gelangen”, überlegte Liam. „Vermutlich wimmelt es da nur so von Patrouillen.”

„Das sollte man annehmen. Tatsächlich sind es aber nicht mehr als sonst auch”, erwiderte Da'an. „Ich habe der Synode den Vorschlag unterbreitet, ein Rettungsteam von unser Seite aus in das Zielgebiet zu schicken. T'than hielt diesen Plan jedoch für zu gefährlich, und ich befürchte, die anderen Taelons könnten sich seiner Meinung anschließen.”

„Sie meinen, die Synode verzichtet eher auf Zo'or, als dass sie ein derartiges Risiko eingeht.” Liam betrachtete seinen Companion abschätzend. Da'an wirkte äußerlich zwar ruhig, aber so ganz wollte er ihm diese Gleichgültigkeit nicht abnehmen. „Was werden Sie jetzt unternehmen?”

„Meine Möglichkeiten sind begrenzt”, erwiderte Da'an. Er setzte sich unvermittelt in Bewegung. „Ich kann mich innerhalb der Synode für Zo'or einsetzen, aber das ist auch schon alles.”

Liam folgte ihm nicht. „Wollen Sie etwa kapitulieren?”

Da'an blieb stehen, sah ihn aber nicht an. „Das hat nichts mit Kapitulation zu tun, Liam.”

„Ich denke doch”, sagte sein Beschützer. „Wenn es tatsächlich so gefährlich ist, Zo'or zu retten, dann kann die Synode gar nicht anders, als sich gegen ihn zu entscheiden.”

„Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?”

„Sich schnellstens etwas einfallen lassen, bevor es für eine Rettung vielleicht zu spät ist ...” Liam rieb sich nachdenklich das Kinn. „Etwas an der ganzen Sache ist sehr irritierend”, fügte er hinzu. „Die Jaridians haben Kontakt zu den Dark Blue aufgenommen und ihnen die Daten zum Bau eines Portals übermittelt, vermutlich, um eine Invasion vorzubereiten oder um an die Interdimensionstechnologie heranzukommen. Aus welchem Grund sollten sie ihr Projekt gefährden, indem sie zulassen, dass man ihnen einen Taelon schickt? Möglicherweise geschah dies ohne ihr Wissen. Und das brachte ihre Pläne durcheinander.”

„In diesem Fall hätten sie Zo'or sofort getötet”, wandte Da'an ein.

„Nein”, fiel ihm Liam ins Wort. „Ich würde eher annehmen, dass sie abwarten, um zu sehen, wie die Taelons darauf reagieren. Das gäbe zumindest einen Sinn. Sie sagten selbst, dass es der bisherigen Strategie der Jaridians widerspricht, mit einer Entführung einen Kampf innerhalb der neutralen Zone zu provozieren.”

Da'an neigte nachdenklich seinen Kopf zur Seite. Liams Argumente waren einleuchtend. Aber waren sie auch ausreichend, um die Meinung der Synode zu beeinflussen?

„Im Grunde rechnen die Jaridians nicht damit, dass die Taelons ein Rettungsteam losschicken”, fuhr der junge Beschützer fort. „Vielleicht sollten Sie das gerade machen... zum Schein natürlich. Während die Jaridians abgelenkt sind, könnte sich ein einzelnes Schiff unbemerkt diesem Planeten nähern.”

„Ein Kriegsschiff der Taelons bliebe nicht lange unbemerkt, Liam.”

„Dann nehmen Sie ein Shuttle.”

Da'an machte einen Schritt auf ihn zu, während er nachdachte. „Ein Shuttle könnte möglicherweise tatsächlich durch das Sensorengitter der Jaridians schlüpfen”, sagte er. „Allerdings müsste es von einem Grenzposten aus starten.”

Liam sah ihn abwartend an.

„Ich befürchte nur, dass die Synode dazu nicht ihre Zustimmung geben wird.”

„Dann lassen Sie mich fliegen”, schlug Liam kühn vor.

Der Taelon betrachtete ihn eine Zeitlang stumm. So etwas wie Verwunderung zeigte sich in seinen Zügen. Doch Liam wunderte sich selbst am meisten. Ich muss verrückt sein, dass ich ihm einen derartigen Vorschlag unterbreite, dachte er.

„Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber ich muss es ablehnen”, sagte Da'an schließlich. „Ich kann Sie einer derartigen Gefahr nicht aussetzen.”

„Vielleicht ist es gefährlich”, räumte sein Beschützer ein, „aber es könnte auch ein taktischer Zug sein, mit dem die Jaridians nicht rechnen. Und das bedeutet eine reelle Chance für Zo'or. Die Synode muss es nicht einmal erfahren.” Abwartend stand er vor seinem Companion, der jetzt sehr unschlüssig wirkte.

„Ich werde darüber nachdenken, Liam”, sagte Da'an nach einer Weile. „Und Sie sollten sich in der Zwischenzeit etwas ausruhen.” Der angespannte Ausdruck in seinem Gesicht milderte sich etwas, als er dem jungen Mann direkt in die Augen sah. „Das ist kein Befehl... Es ist nur ein freundschaftlicher Rat.”

Liam lächelte. „Und ich werde ihn diesmal befolgen”, versprach er.

 

Ende von Kapitel 13

 

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