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  „Freundschaft” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Hinsichtlich der Rettung Zo'ors sind Da'an und T'than unterschiedlicher Meinung, und Sandoval muss die unangenehme Erfahrung machen, dass er ein Gefangener der Jaridian ist.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, zwischen „Liebe deinen Feind” und „Die Agentin”
Charaktere:  Da'an, T'than, Liam Kincaid, Ronald Sandoval, Jemen Tyler, Go'rik, Ra'nun, Ha'dan
 

 

FREUNDSCHAFT

Kapitel 13

 

Teil 1


Da'an betrat das für Menschen gesperrte Areal der wissenschaftlichen Abteilung und sah sich prüfend um. Sein Interesse galt dem Portal, das kurz zuvor auf das Mutterschiff gebracht worden war. Eine Handvoll Taelons war emsig damit beschäftigt, ihm die benötigten Daten zu entlocken. Einer von ihnen entdeckte Da'an und kam auf ihn zu. „Ich nehme an, du willst dich nach unseren Fortschritten erkundigen”, sagte er leise.

Da'an erkannte in ihm ein Kind Kee'shas. Ha'dan besaß die gleiche ruhige, unauffällige Art. Ein Wissenschaftler, der sich wenig um die politischen Angelegenheiten seiner Spezies scherte. Das war aber auch schon alles, was der nordamerikanische Companion über ihn wusste. Doch solange der tatsächliche Aufenthaltsort von Zo'or nicht bekannt war, musste er ihn, wie alle hier anwesenden Taelons, als möglichen Verbündeten T'thans betrachten.

„Leider stehen uns die gewünschten Informationen noch nicht zur Verfügung”, erklärte Ha'dan und kehrte an seine Computerkonsole zurück, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. „Wir müssen erst die jaridianischen Komponenten isolieren, um eine Überbrückung zum Datenkern vornehmen zu können.”

„Wenn du gestattest, würde ich gern die Ergebnisse abwarten”, sagte Da'an.

„Selbstverständlich”, erwiderte der Wissenschaftler höflich. „Ich muss dich jedoch darauf aufmerksam machen, dass ich von T'than die Anweisung erhalten habe, ihm als Erstem Zo'ors Aufenthaltsort mitzuteilen. Er will persönlich die Synode darüber informieren.”

„Als derzeitiger Führer ist das auch sein Recht, Ha'dan”, erwiderte Da'an und bedachte ihn mit einem kühlen Blick. „Hegst du irgendwelche Bedenken, ich könnte dich auffordern, Informationen zurückzuhalten?”

„Keineswegs”, sagte der Taelon beinahe entrüstet.

„Dann dürfte dich meine Anwesenheit auch nicht beunruhigen.”

„Das tut sie auch nicht, Da'an. Ich wollte dich lediglich darauf hinweisen ...” Ha'dan widmete sich wieder den Anzeigen seiner Konsole. „Es wird möglicherweise noch einige Stunden dauern, bis wir die Koordinaten entschlüsselt haben. So etwas lässt sich schwer abschätzen.”

„Mach dir bitte meinetwegen keine Gedanken. Ich habe meine anderweitigen Verpflichtungen bis auf weiteres verschoben.” Da'an, dem die zunehmende Nervosität des Artgenossen nicht entging, fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt, dass T'than hier seine Finger im Spiel hatte. Er betrachtete Ha'dan abschätzend und fragte sich, wie sich der Wissenschaftler in derartige politische Verwicklungen hatte hineinziehen lassen. Empfand er möglicherweise Zo'or gegenüber einen Groll? Immerhin hatte dieser Kee'sha seinerzeit mit der Untersuchung der Jaridiansonde beauftragt, war somit indirekt für seinen Tod verantwortlich. Sie alle kannten die Risiken dieser Mission. Es ging um das Überleben ihrer Spezies. Und manchmal mussten Opfer gebracht werden. Doch was war, wenn Ha'dan Kee'shas Tod als ein nicht gerechtfertigtes Opfer ansah und damit Zo'ors Handlung in Frage stellte? Ha'dan gehörte nicht zu den Taelons, die sich öffentlich gegen die Synode stellten. Er unterdrückte also seine persönliche Unzufriedenheit. Da'an wusste, dass so etwas auf lange Sicht viel gefährlicher war. Es belastete das ohnehin geschwächte Gemeinwesen. Und T'than forcierte diese Entwicklung noch, indem er gerade diese unzufriedenen Taelons für seine Zwecke einspannte. Allerdings hatte er dafür keine Beweise, und deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten.

In diesem Augenblick betrat T'than das Labor. Wenn er überrascht war, den nordamerikanischen Companion hier anzutreffen, so zeigte er es nicht. In der für ihn typischen Art verschränkte er die Arme hinter dem Rücken und kam rasch näher. „Ist dir inzwischen der Zugriff auf die Daten gelungen?” wandte er sich an Ha'dan.

„Noch nicht, General. Aber es wird nicht mehr lange dauern”, erwiderte der Wissenschaftler eifrig. Seine Hand fuhr über eine Schaltfläche und präsentierte dem Kriegsminister das bisherige Ergebnis.

„Mir gegenüber hast du geäußert, dass es möglicherweise noch Stunden dauert”, ertönte da Da'ans überraschte Stimme.

Ha'dan sah ihn an, schien erst jetzt zu begreifen, was er da gesagt hatte und suchte krampfhaft nach einer Erklärung. „Ein Missverständnis ... Ich ...”

T'thans erhobene Hand brachte ihn zum Schweigen. „Dir muss sich der Eindruck bieten, dass wir dir die Daten vorenthalten wollten. Dem ist aber nicht so, Da'an. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Art ... Vorsichtsmaßnahme.”

„Vorsichtsmaßnahme? Das muss du mir schon näher erläutern.”

„Sollte sich Zo'or tatsächlich in den Händen der Jaridians befinden, könnte diese Nachricht für eine beträchtliche Aufregung sorgen. Ich muss dich wohl nicht extra darauf hinweisen, dass es ein Fehler wäre, wenn derartige Informationen zu den Menschen durchdringen würden. Es könnte unsere Mission gefährden.”

„Unterstellst du mir, dass ich diese Informationen weitergebe?” fragte Da'an und fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick.

„Keineswegs. Aber bis die Synode eine Entscheidung über Zo'ors Schicksal fällt, sollten wir den Kreis derer, die seinen Aufenthaltsort kennen, auf wenige Personen beschränken.”

Da'an wandte sich ab. „Deine Vorgehensweise ist unüblich, T'than.”

„Sie ist nur der Situation angepasst. Wir haben auch so schon genug Probleme. Wir sollten die Situation nicht noch zusätzlich verschärfen.”

Da'an warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Dann wäre es wünschenswert, wenn du dich ebenfalls daran hieltest.”

T'than sah ihn überrascht an. Bevor er jedoch der seltsamen Andeutung seines Artgenossen auf den Grund gehen konnte, erregte Ha'dan seine Aufmerksamkeit. Der Wissenschaftler hatte sich umgedreht und verkündete mit bedeutungsvoller Stimme: „Das Ergebnis unserer Untersuchung steht jetzt fest. Wir konnten Zo'ors Aufenthaltsort bestimmen.”

 
* * *
 

Sandoval wanderte in der kleinen Arrestzelle, in die man ihn eingesperrt hatte, auf und ab und bedachte seine Lage. Die fremden Gestalten hatten ihn zu einem kleinen Kampfkreuzer geführt, dessen Bauweise ihm völlig fremd war. Er zeigte auch keinerlei Ähnlichkeit mit den Abbildungen, die er aus der Taelon-Datenbank kannte. Allerdings machte das Schiff einen desolaten Eindruck auf ihn. Im Schein der aufgehenden Sonne hatte er ganz deutlich die Spuren von Energiewaffen auf der Außenhaut gesehen, die alles andere als frisch waren. Vermutlich war es für Kriegszwecke nicht mehr zu gebrauchen, und so benutzte man es als Transportmittel.

Die wichtigste Frage, die sich ihm stellte, war die nach seinem Aufenthaltsort. Er war nicht auf Jaridia gelandet - soviel stand fest. Möglicherweise war dies ein Außenposten, nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Heimatplaneten der Jaridian. Doch mittlerweile befand er sich mehr als eine Stunde auf dem Schiff, und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass ein Start unmittelbar bevorstand. Möglicherweise suchten sie noch nach Zo'or.

Sandoval fühlte unter der Jacke das Pulsieren seines Skrills. Er widerstand jedoch der Versuchung, ihn zu benutzen. Der Eingang seiner Zelle war mit einem Kraftfeld verschlossen. Dahinter lag ein langer Gang, der von einigen wenigen Lichtquellen nur unzureichend beleuchtet wurde. Im Schatten nahe seinem Gefängnis glaubte er, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Vermutlich eine Wache. Er konnte sich seinen Weg zwar freischießen, aber solange er nicht wusste, wie viele Jaridian sich an Bord dieses Schiffes befanden und vor allem, wo sich Zo'or befand, konnte er das Risiko nicht eingehen. Seine einzige Chance bestand darin, weiterhin seine Rolle als Widerstandsmitglied zu spielen und abzuwarten, bis sich eine günstigere Gelegenheit bot, aktiv zu werden.

Sandoval horchte auf, als er das Geräusch sich nähernden Schritte hörte. Angestrengt starrte er in das schummrige Licht des Ganges. Jene drei Gestalten, die ihn zu dem Schiff geführt hatten, steuerten zielstrebig auf seine Arrestzelle zu. Zumindest ging er davon aus, dass es dieselben waren, da auch sie die weiten Umhänge mit den tiefen Kapuzen trugen. Das Kraftfeld deaktivierte sich, ohne dass es dafür ein sichtbares Zeichen einer manuellen Bedienung gab. Die drei Gestalten betraten die Zelle und verharrten schweigend.

Sandoval musterte sie unbehaglich. Nichts an den verhüllten Fremden gab ihm Aufschluss darüber, wer sie waren. Doch aus welchem Grund gaben sie sich so geheimnisvoll? Was an ihnen war so ungewöhnlich, dass sie sich nicht zeigen wollten?

 
* * *
 

Da'an und T'than standen neben Ha'dan an der astrometrischen Konsole und erwarteten voll Spannung das Ergebnis seiner Untersuchung, das ihnen Zo'ors Aufenthaltsort präsentieren würde. Der Wissenschaftler hatte eine Sternenkarte projiziert und vergrößerte nun einen markierten Ausschnitt. Dann trat er beiseite, um ihnen einen uneingeschränkten Blick zu gewähren.

„Die Muruwi-Kolonie”, sagte Da'an. Seine Stimme klang sachlich, ohne jede Emotion. Der aufmerksamen Wahrnehmung Ha'dans entging es jedoch nicht, dass er im höchsten Maße beunruhigt war.

T'than dagegen unternahm nicht einmal den Versuch, die Genugtuung, die er empfand, zu verbergen „Und die liegt in der neutralen Zone. Damit wird es uns nicht möglich sein, Zo'or zu retten.”

„Die Synode ist vielleicht anderer Ansicht.” Da'ans Hand fuhr über die Projektion und veränderte die Einstellung. „Wo stehen unsere Kampfverbände?” fragte er.

„Sie sind viel zu weit entfernt, um eingreifen zu können”, erwiderte der Kriegsminister.

„Es hat sich in letzter Zeit viel getan an der Front. Wir brauchen eine genaue Aufstellung aller Verbände. Ohne eine gründliche Situationsbewertung wäre es verfrüht, eine Entscheidung zu treffen.” Da'an fuhr fort, Informationen abzurufen. Er schien die Wahrheit nicht akzeptieren zu wollen. Anders konnte es sich T'than nicht erklären, warum dieser die Tatsache ignorierte, dass es keine Hoffnung mehr für Zo'or gab. Unverständnis zeigte sich in seinem Gesicht. Da'ans Verhalten entbehrte jeder Logik und widersprach seiner bisherigen rationalen Denkweise. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, ihn einfach gewähren zu lassen, um die Synode zu informieren. Vielleicht konnte er sich dadurch einen Vorteil verschaffen. Allerdings besaß Da'an immer noch beachtliches Ansehen, und das eine oder andere Synodenmitglied konnte sich veranlasst sehen, sich seiner Meinung anzuschließen. Unter diesen Umständen rechnete sich T'than eine nur sehr geringe Chance aus, die Minister auf seine Seite zu ziehen, selbst wenn er Da'an öffentlich vorwarf, dass es ihm nur darum ging, sein eigenes Kind zu retten. Nein ... Wenn er erfolgreich sein wollte, brauchte er eine andere Strategie. Ungeduldig bedeutete er Ha'dan und den anderen Wissenschaftlern, das Labor zu verlassen. Dann wandte er sich wieder der Konsole zu. Da'an hatte eine weitere Sternenkarte aufgerufen, die ihnen das gesamte Gebiet der Taelons und der Jaridians zeigte. Zwischen beiden verfeindeten Völkern befand sich eine mehrere Parsec umfassende Zone, in der sich die Frontlinie im Verlauf des Krieges mehrfach verschoben hatte. Zum jetzigen Zeitpunkt war dieser Bereich zur neutralen Zone geworden, da sich die Kampfhandlungen auf andere Gebiete konzentrierten.

„Wie du selbst unschwer erkennen kannst, befindet sich der größte Teil unserer Flotte an der Front”, erklärte T'than. „Ein Rettungsteam - gleich welcher Art - würde sofort die Aufmerksamkeit der Jaridian auf sich lenken. Im Handumdrehen wären sie von einem Geschwader Sokhara-Kreuzer umringt.”

Da'an schwieg. Er schien noch immer nach einer Alternative zu suchen. Die Übermacht der Jaridian war erschreckend. Zwar besaßen die Taelons die effektiveren Waffen, doch schon ein abgezogener Kampfverband konnte das Gleichgewicht der Kräfte entscheidend verändern. Nachdenklich betrachtete er die Sternenkarte, vergrößerte bestimmte Ausschnitte, studierte das Kampfgebiet, prüfte jede Raumanomalie, jeden Nebel, ob sich hierdurch ein unbemerktes Annähern ermöglichen ließ. „Wer befehligt das Geschwader in diesem Sektor?” fragte er nach einer Weile.

„General To'el. Aber auch er befindet sich nicht in der Reichweite von Muruwi.”

„Wenn wir ihm einige Kampfschiffe aus dem inneren Bereich zur Verfügung stellten...”

„... würden wir den Jaridian nur ermöglichen, weiter in unser Gebiet einzudringen.”

„Selbstverständlich müsste Vorsorge getroffen werden.”

„Das Risiko ist nicht akzeptabel, Da'an. Es ist doch wohl offensichtlich, dass die Jaridians hinter Zo'ors Entführung stecken. Sie haben dem Widerstand ganz gezielt die Koordinaten der Muruwi-Kolonie zugespielt, um uns in einen Hinterhalt zu locken.”

Da'an schüttelte eigensinnig den Kopf. „Dafür gibt es keine Beweise. Doch selbst wenn sich deine Vermutung als richtig erweisen würde ... die wenigen Patrouillen in der neutralen Zone deuten auf keinen größeren Kampfverband hin. Warum sollten wir also nicht wagen, To'el nach Muruwi zu schicken?”

T'thans Mimik drückte jetzt unverhohlenen Ärger aus. „Du willst mich offensichtlich nicht verstehen, Da'an. Dein Verhalten ist egoistisch und unvernünftig. Die Sicherheit des Gemeinwesens hat oberste Priorität. Doch was du da vorschlägst, könnte das Leben vieler Taelons kosten.”

„Ich prüfe lediglich die Fakten.”

„Die Fakten?”

„Von den Menschen habe ich gelernt, dass oftmals eine aussichtslose Situation immer noch eine Möglichkeit bietet, wenn man nur genau hinschaut und bereit ist, ein Wagnis einzugehen.”

„Die Erfahrungen einer niedrigen Spezies sind wohl kaum der geeignete Maßstab für deine Überlegungen”, sagte T'than verächtlich. „Du wirst mit deinen Ansichten vor der Synode allein dastehen.”

Da'an wandte sich von der Konsole ab. „Ich frage mich, ob es dir wirklich nur um das Wohl des Gemeinwesens geht oder ob du nicht einfach nur die Gelegenheit nutzen willst, Zo'or aus dem Weg zu räumen”, sagte er und warf dem Kriegsminister einen langen Blick zu. „Eine bessere Gelegenheit könnte sich dir ja kaum bieten.”

T'thans Augen verengten sich. „Es hat mir nie etwas daran gelegen, Zo'ors Platz einzunehmen”, erwiderte er scharf. „Es ging mir lediglich darum, ihn als Führer der Synode abzusetzen. Ich wollte, dass du an seine Stelle trittst. Hast du schon vergessen, dass ich dir meine Unterstützung anbot?”

Da'an sah ihn ruhig an. „Nein. Ich habe deine Worte nicht vergessen, T'than.”

„Und doch hast du mein Angebot weder angenommen noch es abgelehnt. Du wolltest dich wohl nicht festlegen. Für mich war dein Schweigen jedoch Antwort genug. Was blieb mir anderes übrig, als selbst die Initiative zu ergreifen, um uns aus dieser Stagnation zu führen, die wir Zo'ors mangelhafter Führung zu verdanken haben? Bei allen Welten, die wir erobert haben, war unser Handeln stets effektiv und auf das Wesentliche beschränkt. Doch ausgerechnet auf dieser hier begehen wir einen Fehler nach dem anderen. Und der größte bestand meines Erachtens darin, Zo'or zum Führer zu machen.”

„Ein Mehrheitsbeschluss, zu dem du ebenfalls beigetragen hast.”

„Du hattest alles in der Hand, Da'an”, brach es unvermittelt aus T'than heraus. „Doch deine Faszination für die Menschen hat dich von deinem ursprünglichen Weg abkommen lassen. So war es für Zo'or ein Leichtes, dich zu verdrängen. Der Synode ist dein wankelmütiges Verhalten nicht entgangen. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als ihm den Vorzug zu geben.”

„Wenn sie es nachträglich als eine falsche Entscheidung empfunden haben, wieso bestärkten sie dann noch seine Position, obwohl ich mehr als einmal auf Zo'ors fehlerhafte Führung hinwies?”

„Weil Unsicherheit bei den einzelnen Mitgliedern herrscht. Lieber verschließen sie die Augen vor der Wirklichkeit, als dass sie bereit wären, die Verantwortung zu übernehmen. Es ist soviel leichter, Zo'or die Schuld zuzuweisen, wenn unsere Mission scheitert. Doch wir sollten es nicht soweit kommen lassen, Da'an. Noch liegt es in unserer Hand, uns auf den ursprünglichen Kurs zurückzubringen ... Schließe dich mir an. Wenn du vor der Synode klar zum Ausdruck bringst, dass zum Wohle aller auf Zo'or verzichtet werden muss, werden andere deinem Beispiel folgen. Vielleicht können wir so die Katastrophe verhindern, die uns sonst unweigerlich ereilen wird.”

„Du erwartest allen Ernstes, dass ich mein Kind im Stich lasse?”

Der Kriegsminister verzog verächtlich die Lippen. „Ein Kind, dass dich ohne zu zögern opfern würde. In einem hatte Zo'or recht, Da'an. Du bist durch den Kontakt zu den Menschen viel zu emotionell geworden. Du hast vergessen, warum wir eigentlich hier sind. Es ist nicht das Leben deines Kindes, über das entschieden wird, es ist die Zukunft unserer Spezies.”

„Ja, es geht um unsere Zukunft, T'than”, sagte Da'an erregt. „Und ich habe das keineswegs vergessen. Allerdings sehe ich in deinem Bemühen, Zo'or abzusetzen, lediglich den Wunsch, über ihn zu triumphieren. Die Feindschaft zwischen euch ist mir nicht verborgen geblieben. Doch euer Konkurrieren schadet nur dem Gemeinwesen. Und deshalb kann und will ich dich nicht bei deinem Vorhaben unterstützen.”

„Ist das deine letzte Antwort, Da'an?” fragte T'than ungläubig.

Der andere Taelon drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. „Nicht wir sind es, die eine Entscheidung zu treffen haben, sondern die Synode”, sagte er. „Unsere Ansichten sind einfach zu verschieden, T'than. Wir werden keine Übereinstimmung finden, da weder du noch ich bereit sind, unseren Standpunkt zu ändern.” Er warf dem Kriegsminister einen vielsagenden Blick über die Schulter zu.

„Nun ... wie du willst”, erwiderte T'than verärgert. Seine Gestalt straffte sich. „Dann haben wir uns ja nichts mehr zu sagen.” Abrupt wandte er sich ab und verließ das Labor.

 
* * *
 

Sandoval betrachtete die fremden Gestalten mit zunehmender Nervosität. Ihr andauerndes Schweigen ließ nichts Gutes verheißen. Er musste etwas unternehmen ... irgend etwas sagen. Doch welche Worte sollte er wählen? Welche Taktik war hier angebracht?

„Wo ist Zo'or?” fragte die Gestalt in der Mitte und nahm ihm damit die Entscheidung ab.

Wieder versetzte ihn diese Stimme in Erstaunen. Vielleicht ein weiblicher Jaridian? Er hatte noch nie einen gesehen und wusste deshalb nicht, ob sie sich durch verschiedene Stimmlagen voneinander unterschieden. Er wusste lediglich, dass bei den Jaridians sowohl die Männer als auch die Frauen Krieger waren und gleichberechtigt die Geschicke ihres Volkes lenkten.

„Wo ist er?” wiederholte die geheimnisvolle Gestalt, diesmal drängender.

„Ich weiß es nicht”, sagte er. „Ich hatte gehofft, Sie könnten es mir sagen.”

Keine Reaktion.

„Er ist vor mir durch das Portal gegangen”, fügte er hinzu. „Demnach muss er sich irgendwo hier... auf diesem Planeten aufhalten.”

Der linke der drei Gestalten trat einen Schritt vor. In einer ungeduldigen Bewegung streifte er sich die Kapuze vom Kopf und entblößte das Antlitz eines Jaridians. „Wir haben die ganze Umgebung abgesucht, ohne auch nur die geringste Spur von dem Taelon zu entdecken”, zischte er.

Sandoval hielt seinem durchdringenden Blick stand. Zumindest wusste er jetzt, mit wem er es zutun hatte. Er beschloss, in die Offensive zu gehen. „Ich glaube, wir hatten eine Vereinbarung”, sagte er ziemlich selbstbewusst.

Der Jaridian schnappte nach Luft und ließ dann ein kehliges Knurren ertönen. Seine Hände ballten sich langsam zu Fäusten.

Dem Asiaten drängte sich unwillkürlich die Vorstellung von dunklen, kräftigen Fingern auf, die sich langsam um seinen Hals legten und zudrückten. „Ich... habe mich vielleicht falsch ausgedrückt”, sagte er rasch. Schließlich wollte er noch eine Weile leben. „Zo'or war als ein Geschenk für die Jaridians gedacht... um den guten Willen der Menschen zu demonstrieren. Wenn Sie ihn nicht angetroffen haben, hat er sich möglicherweise versteckt”, fuhr er fort. „Wir sollten kooperieren und ihn gemeinsam suchen.”

„Wer sagt uns, dass Sie überhaupt kooperieren wollen?” ließ sich da jener vernehmen, der ihn auch zu Beginn angesprochen hatte und der offensichtlich der Anführer war.

„Wäre ich sonst hier?”, erwiderte Sandoval kühn. „Welchen Sinn hätte es, Zo'or zu folgen, um ihn zu retten, wenn eine Rückkehr von vornherein ausgeschlossen ist? Und selbst wenn es so wäre, wieso bin ich dann allein gekommen, noch dazu unbewaffnet?” Er streckte demonstrativ die Arme zur Seite.

Der Anführer wandte sich seinem verhüllten Begleiter zu und flüsterte ihm etwas zu. Daraufhin verließ dieser die Arrestzelle. „Es widerspricht dem üblichen Verhalten eines Taelons, wegzulaufen und sich zu verstecken, sofern keine unmittelbare Gefahr besteht”, sagte er dann. „Normalerweise hätte er sich in der Nähe des Portals aufhalten müssen, weil er sich von dort Hilfe erhofft.”

„Nun... er war nicht allein”, sagte Sandoval, der sich langsam entspannte. „Eine Frau begleitete ihn.”

„Was ist das für eine Frau?” verlangte der Jaridian zu wissen.

„Ich kann Ihnen nur soviel sagen, dass sie vor einiger Zeit zum Widerstand gehörte und jetzt als Beschützerin für die Companions arbeitet. Sie nutzte ihre früheren Beziehungen zu den Dark Blue, um in unser Versteck zu gelangen.”

„Warum wurde sie durch das Portal geschickt?” fragte die vermummte Gestalt.

„Das entzieht sich meiner Kenntnis”, sagte Sandoval. „Vermutlich wollte man sich ihrer auf diese Weise entledigen. - Hören Sie, ich bin hier, weil ich den Verdacht habe, dass diese Frau in Wirklichkeit Zo'or töten will”, fügte er bedeutungsvoll hinzu. „Ich kann Ihr Misstrauen meiner Person gegenüber durchaus verstehen. Aber wenn Ihnen etwas an diesem Taelon liegt - und ich gehe davon aus, dass sie einen lebenden bevorzugen -, sollten Sie Ihre Bedenken zunächst beiseite schieben und sich darauf konzentrieren, ihn zu finden.”

Der Jaridian beäugte Sandoval misstrauisch. Doch der FBI-Agent war sehr zuversichtlich, was seine Situation anbelangte. Besser gesagt - er musste sich zwingen, nicht zu frohlocken. Seine Chancen auf eine erfolgreiche Beendigung dieser Mission wuchs von Minute zu Minute. Wenn es keinen unvorhersehbaren Zwischenfall gab, und danach sah es derzeit nicht aus, würde er vermutlich keine großen Schwierigkeiten haben, Zo'or zu retten. Was ihn so optimistisch machte, war folgende Überlegung, die er während des Gespräches angestellt hatte: Er befand sich nicht auf Jaridia. Demnach war dies nur ein kleiner Außenposten mit einer geringen Anzahl von Jaridians; vermutlich waren es gerade soviel, um dieses Schiff zu steuern und Zo'ors Gefangennahme zu gewährleisten. Der desolate Zustand des Kampfkreuzers konnte nur bedeuten, dass man dieser Aktion seitens der jaridianischen Regierung keine große Bedeutung schenkte, falls sie davon überhaupt unterrichtet war. Zudem hatte man Zo'or noch immer nicht aufgespürt, entweder aufgrund mangelhafter Koordination oder fehlender Leute. Er musste lediglich den richtigen Zeitpunkt abwarten und dann zuschlagen. Der Jaridian vor ihm wirkte zwar sehr aggressiv, aber Sandoval vertraute seinem Skrill. Lediglich der vermummte Anführer bereitete ihm einiges an Kopfzerbrechen. Er war die unbekannte Variable, praktisch das Einzige, was seinen Plan gefährden konnte.

„Ich biete Ihnen meine Mithilfe an”, sagte er und strich sich in einer unbewussten Geste über das Haar. „Und bevor Sie diese ausschlagen, sollten Sie eines bedenken: Ich bin ein Mensch, so wie diese Frau auch. Ich kann ihr Verhalten einschätzen ...” Er bemerkte seinen Fehler erst, als es bereits zu spät war. Der Jaridian sprang vor, packte ihn an der Jacke und schleuderte ihn gegen die Wand. Dann griff er nach seinem Arm und schob den Ärmel zurück. Er entblößte das, was zuvor im Ansatz sichtbar geworden war: Den Skrill. Sandoval stöhnte innerlich auf.

„Ein Companion-Beschützer!” stieß der Jaridian verächtlich und zugleich triumphierend hervor. Seine wulstigen Finger umschlossen den Skrill, als wollte er den Symbionten mit Gewalt vom Arm des Menschen reißen.

„Warte!” rief der Anführer. „Es wird ihn verletzen ...”

„Aber nicht umbringen”, zischte der Jaridian. Er fühlte Sandovals Gegenwehr und presste ihn gegen die Wand.

„Woher willst du das wissen? Wir kennen uns mit der menschlichen Physiologie nicht aus. Tot nützt er uns aber sehr wenig.”

Der Kopf des Jaridian fuhr herum. „Wir sollen ihm seine Waffe lassen?” fragte er ungläubig, zog seine Hand aber zurück und presste sie statt dessen gegen Sandovals Kehle.

„Das ... das ist ein ... Missverständnis”, brachte Sandoval hervor, während sich seine Augen weiteten. „Bitte, lassen Sie es mich erklären.”

Sowohl der Jaridian als auch der Anführer ignorierten ihn.

„Um seine Waffe auszuschalten, musst du sie ihm nicht entreißen.”

Sandovals Blick schweifte unsicher von einem zum anderen. Er verfluchte sich für seine Unachtsamkeit, weil er sich dadurch einen wertvollen Vorteil zunichte gemacht hatte. Ohne seinen Skrill würde es ihm kaum gelingen, seine Bewacher zu bezwingen. Wenigstens würden sie den Symbionten nicht gewaltsam von ihm entfernen. Er hatte diese unangenehme Erfahrung bereits einmal mitgemacht und war auf eine Wiederholung nicht besonders erpicht. Die körperlichen Schmerzen waren dabei noch nicht einmal das Schlimmste; mit Hilfe seines CVI's konnte er sie auf ein erträgliches Maß reduzieren. Viel schlimmer war die Unterbrechung der mentalen Verbindung zu seinem Skrill. „Ich gehöre zum Widerstand. Ich bin eine Art Doppelagent ...”

Der Jaridian musterte Sandoval. Seine Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. „Du hast recht, Ra'nun”, sagte er an den Anführer gewandt. „Es gibt auch andere Möglichkeiten ... Obwohl ich ihn lieber in Stücke reißen würde.” Er neigte seinen Kopf ein wenig. „Er ist ein Diener der Taelons. Er ist Abschaum”, zischte er verächtlich.

„Wenn er uns nichts mehr nützt, gehört er dir”, sagte der Anführer. „Aber noch ist es nicht soweit. Hast du mich verstanden, Go'rik?”

Der Jaridian gab ein heiseres Lachen von sich. „Dann brauche ich ja nicht mehr lange warten.” Er nahm die Hand von Sandovals Kehle und packte den Unterarm mit dem Skrill, während er die andere auf die Schulter des Asiaten legte. Sandoval bekam keine Gelegenheit mehr, darüber nachzudenken, was ihn erwarten würde. Ein kräftiger Schlag traf seine Schulter. Ächzend sank er in die Knie, aber der Jaridian riss ihn sofort wieder hoch und verstärkte die Intensität seines Shaqaravas, bis Sandoval das Gefühl hatte, sein Arm würde von innen heraus verbrennen. Ein unartikulierter Laut entrang sich seiner Kehle.

„Genug!” rief der Anführer.

Nur widerwillig ließ der Jaridian sein Opfer los. Mit einem Stöhnen sank Sandoval gegen die Wand. Der schmerzerfüllte Ausdruck auf seinem Gesicht wich einem plötzlich erwachenden Entsetzen, als er seinen schlaff herunterhängenden Arm betrachtete und erkennen musste, dass er ihn nicht mehr bewegen konnte. Sein Arm war vollständig gelähmt. Das einzige, was er noch fühlen konnte, war die Verbindung zu seinem Skrill und die Agonie, die von ihm ausging. „Was ... haben Sie ... mit mir gemacht?” keuchte er.

Go'rik lächelte kalt. „Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme ... Damit Sie nicht auf dumme Gedanken kommen, Mensch!”

„Ich ... bin nicht Ihr Feind”, presste Sandoval hervor. Trotz seiner ungünstigen Lage wollte er nichts unversucht lassen. „Bitte ...”

Der Anführer kam langsam näher. „Es ist unerheblich, was Sie sind”, sagte er. „Wenn Sie kooperieren, werden Sie etwas länger leben. Und wer weiß ... Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, Go'rik davon zu überzeugen, dass Sie einen ehrenhaften Tod verdient haben. Dann sterben Sie wenigstens als Krieger.”

Alles in Sandoval sträubte sich dagegen, die Hoffnungslosigkeit seiner Lage zu akzeptieren. Wut brandete in ihm hoch. Impulsiv wollte er seinen Arm hochreißen und diesen widerwärtigen Jaridian und seinen Anführer mit seinem Skrill niederstrecken. Und wieder musste er sich der niederschmetternden Wahrheit stellen, dass ihm sein Arm nicht mehr gehorchte. Der rationale Teil in ihm, der ihn stets besonnen vorgehen ließ, hätte ihn spätestens jetzt seine Unterlegenheit erkennen lassen. Doch sein Zorn war bereits zu groß und verdrängte jeden vernünftigen Gedanken. Er sammelte seine Kraft und stürzte dann unvermittelt auf Ra'nun zu. Der wich ihm geistesgegenwärtig aus, aber dadurch geriet sein Umhang in Bewegung, und für den Bruchteil einer Sekunde gab er den Blick auf einen Teil seines Gesichtes frei. Verblüfft fuhr Sandoval zurück.

Im nächsten Augenblick packte ihn der Jaridian an der Schulter, riss ihn zurück und schlug ihm mitten ins Gesicht. Der FBI-Agent taumelte und konnte nur mit Mühe das Gleichgewicht halten. „Wagen Sie das nicht noch einmal”, schnaubte Go'rik, und in seinen Augen glitzerte es gefährlich. Ra'nun gab ihm ein Zeichen, und dann verließen beide die Arrestzelle.

Zurück blieb ein benommener Sandoval, der sich geistesabwesend die brennende Wange rieb. War das, was er gesehen hatte, real oder handelte es sich nur um eine Sinnestäuschung?

Es schien so absurd.

Erneut rief er sich das Bild zurück in seine Erinnerung, ließ es durch sein CVI klar und deutlich vor seinem geistigen Auge erscheinen. Und diesmal gab es keinen Zweifel. Was er gesehen hatte, war ein transparentes blaues Leuchten ...

 
* * *
 

Mit trüben Augen starrte Jemen in die Ferne, ohne wirklich etwas von der Schönheit der bizarren Felsen wahrzunehmen, die im Schein der Sonne golden leuchteten. So sah also ihr Ende aus. Sie würde auf einem fremden Planeten in einer fremden Galaxie sterben. Einsam und allein. Und wahrscheinlich würde es nicht einmal irgendjemanden auffallen, dass sie nicht mehr da war ...

Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie gar keine Freunde besaß. Flüchtige Bekanntschaften prägten ihr bisheriges Leben. Obwohl sie sich stets aufgeschlossen gezeigt hatte, war es nie zu intensiveren Beziehungen gekommen, so als spürten die anderen instinktiv, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Hatte sie deshalb die Nähe Di'mags gesucht, weil er ihr die Aufmerksamkeit widmete, die sie bei den anderen vermisste? Er, der kein Mensch gewesen war, hatte sich wahrlich menschlich gezeigt. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß, und der Schmerz über den Verlust dieses Vertrauten umklammerte ihr Herz wie eine eiskalte Hand und ließ sie die Einsamkeit um so mehr spüren.

Vielleicht würden irgendwann menschliche Forscher über ihre Gebeine stolpern und darüber rätseln, wie sie dorthin gelangen konnten. Vielleicht würde man sogar einen Bericht verfassen und in Fachkreisen darüber diskutieren. Eine wissenschaftliche Kuriosität. Müde fuhr ihre Hand über das raue Sandgestein, und mit einem Anflug von Ironie dachte sie, dass sie ihren Namen einritzen sollte, um sich so der Nachwelt zu erhalten. Eigentlich hätte sie wütend sein müssen, wütend auf Zo'or, der sie so einfach im Stich ließ, wütend auf das Schicksal, das sich so unbarmherzig zeigte. Aber sie empfand nur eine Leere in sich, die niemals wieder gefüllt werden würde.

Wie das wohl sein würde, zu sterben?

Bisher war der Gedanke daran immer etwas Unwirkliches gewesen, das in weiter Ferne lag, unwichtig und in gewisser Weise auch unangenehm. Wer beschäftigte sich schon gern mit seinem Tod, wenn es nicht unbedingt sein musste. Selbst als sie Da'an bat, ihrem Leben ein Ende zu setzen, hatte sie dabei weniger an das Ende ihrer Existenz gedacht. Sie wollte nur diese fremde Macht in ihrem Geist zum Verstummen bringen. Aber hier, auf diesem Planeten, wurde das Sterben plötzlich sehr real, und sie musste sich ihm stellen.

Sie schloss die Augen. Vielleicht schlief sie einfach ein ... und wachte nicht mehr auf ... Ihre Gedanken begannen zu schweifen, kehrten an den Ort zurück, der ihr als einziger Geborgenheit versprach: Di'mags Labor. Hier hatte sie die glücklichsten Stunden ihres Lebens verbracht. Hier wollte sie bleiben. Noch wirkte der Raum ohne die Präsenz des Taelons kalt und leer, aber sie wusste, dass sie ihn mit der Kraft ihres Willens hierher zurückholen konnte. Er würde bei ihr sein, wenn sie starb, und damit verlor der Tod jeden Schrecken.

„Miss Tyler!”

Jemens Kopf zuckte, so als wollte sie eine Fliege verscheuchen. Was auch immer sich da Zutritt zu ihrer Gedankenwelt verschaffen wollte, sie empfand es als unangenehm, weil es sie in ihrem Traum störte.

„Miss Tyler! Kommen Sie zu sich!”

Langsam realisierte sie, dass diese Stimme nicht ihrer Phantasie entsprang. Widerwillig öffnete sie die Augen und erblickte eine hochgewachsene schlanke Gestalt. „Zo'or?” fragte sie ungläubig. „Was... tun Sie denn hier?” Sie blinzelte verwirrt. Hatte sie jetzt schon Halluzinationen?

Der Taelon sah verständnislos auf sie herab. „Ich bringe Ihnen Wasser”, sagte er und legte einige kokosnussähnliche Früchte auf den Boden. „Nachdem Sie offensichtlich nicht mehr dazu in der Lage waren, nach der Pflanze zu suchen, habe ich das übernommen.”

Jemen fuhr sich durchs Gesicht. Doch als sie erneut hinschaute, war er noch immer da. Das war keine Halluzination, die sie narrte. Zo'or stand leibhaftig vor ihr. Er hatte sie nicht im Stich gelassen. Ganz im Gegenteil. Dieser Taelon half ihr, obwohl es seinem Verhalten widersprach und es auch keinen logischen Grund dafür gab. Mühsam richtete sie sich auf und bedachte ihn mit einem neugierigen Blick. „Warum?” lautete die Frage, die sie nicht aussprach.

Zo'or starrte ausdruckslos zurück, doch von einer Sekunde zur anderen bemerkte sie eine Veränderung in seinen Augen. Es war eine Mischung aus Verwirrung und Unglauben, und Jemen begriff, dass ihr etwas Ungewöhnliches gelungen war. Mit diesem einen fragenden Blick hatte sie seine Unnahbarkeit durchbrochen. Er fühlte sich irgendwie ertappt. Doch anders als bei einer verbalen Frage konnte er sich hier nicht hinter einer fadenscheinigen Erklärung verstecken. Rasch sah er zur Seite, und nur seine unruhigen Hände verrieten den emotionalen Aufruhr. Schließlich griff er nach einer Frucht und reichte sie ihr.

Das Ding sah nur aus der Ferne wie eine Kokosnuss aus. Dennoch drehte Jemen sie ein wenig ratlos in den Händen und zerrte vergeblich an der weichen, lederartigen Schale.

„Vielleicht sollten Sie sie öffnen”, schlug Zo'or in seiner gewohnten überheblichen Art vor. „Das würde Sie Ihrem Ziel etwas näher bringen.”

„Das hatte ich eigentlich vor ...” Die Aussicht auf das Wasser hatte sie munter gemacht. Erneut versuchte sie, die Frucht auseinander zu brechen. Schließlich verlor sie die Geduld und schlug sie auf die scharfe Kante des Felsen ... allerdings eine Spur zu fest. Die Frucht zermatschte unter der Wucht, und die kostbare Flüssigkeit spritzte nach allen Seiten.

„Das war nicht besonders klug von Ihnen”, bemerkte Zo'or.

Jemen ignorierte ihn. Sie hatte in die hohle Handfläche etwas von der Flüssigkeit aufgefangen und betrachtete sie unschlüssig. „Und wenn es giftig ist?”

„Es ist Wasser”, sagte der Taelon, der ihr Zögern nicht verstand.

Schließlich probierte sie vorsichtig von dem Saft, um ihn im nächsten Augenblick wieder auszuspucken. „Pfui Teufel!” rief sie und verzog angewidert das Gesicht. „Das ist ja ekelhaft.”

„Ich glaube kaum, dass Sie in der Lage sind, Ansprüche zu stellen.” Zo'or griff nach der nächsten Frucht. „Das ist das einzige Wasser, was ich Ihnen derzeit bieten kann. Die Chance, eine offene Wasserquelle zu finden, ist sehr gering.”

Jemen wischte sich mit dem Ärmel über die Lippen, so als könnte sie damit auch den fürchterlichen Geschmack abwischen. „Wer weiß, ob ich das Zeug überhaupt vertrage”, wandte sie ein und schnitt eine Grimasse. „Wir sind ja schließlich nicht auf der Erde.”

„Ich kenne mich mit dem menschlichen Metabolismus zwar nicht aus”, erwiderte der Taelon ziemlich ungerührt, „aber ich glaube nicht, dass Ihnen dieses Wasser schaden wird. Sie müssen den fremden Geschmack ignorieren ... oder aber verdursten.”

Jemen starrte unschlüssig auf die Frucht.

Aufmerksam sah ihr Zo'or zu. Interessiert. Wissbegierig und zugleich ohne jedes Mitgefühl. Da er weder Nahrung noch Wasser zu sich nahm, wusste er auch nicht, was Hunger oder Durst bedeuteten. Allerdings verstand er, dass sie das Wasser brauchte, um zu überleben, und deshalb erstaunte es ihn, dass sie einen derartigen Widerwillen zeigte. Wie konnte man ein zwingendes Bedürfnis vom Geschmacksempfinden abhängig machen? Die einzige Antwort, die ihm dazu einfiel, war das oftmals unvorhersehbare Verhalten der Menschen, ihr unlogischer Hang, die Unvermeidlichkeit hinauszuzögern, statt sich ihr sofort zu stellen.

Es war der brennende Durst, der Jemen schließlich zu einer Entscheidung zwang. Der unwiderstehliche Drang nach Flüssigkeit. Sie hatte gar keine andere Wahl. Sie musste es riskieren. Diesmal ging sie jedoch etwas behutsamer vor, und so gelang es ihr, die Frucht in zwei Hälften zu teilen, ohne sehr viel vom dem Wasser zu verschütten. „Na denn”, murmelte sie und trank den Saft bis zum letzten Tropfen. Anschließend schüttelte sie sich heftig, schnappte nach Luft und begann zu würgen. Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass sie sich übergab. Alles in ihrem Inneren schien sich plötzlich zu verkrampfen. Waren das die ersten Anzeichen einer Vergiftung? „Verdammt, verdammt”, presste sie hervor. Sie schlang die Arme um den Körper und stöhnte tief auf.

Zo'or betrachtete sie noch aufmerksamer. Er war nach wie vor davon überzeugt, dass ihr das Wasser nicht schadete. Wenn er sich jedoch irrte, würde sie sterben. Ein Aspekt, den er sehr interessant fand. Wie verwundbar diese Spezies war ... wie abhängig von der eigenen Einbildung. „Wenn Sie davon überzeugt sind, dass es Sie umbringt, dann wird es das vermutlich auch”, sagte er. „Geben Sie Ihrem Körper die Möglichkeit, sich an das Wasser zu gewöhnen.”

Keuchend wandte sie den Kopf zur Seite. Ein zorniger Blick aus funkelnden Augen traf ihn, den er ungerührt erwiderte. Zu mehr war Jemen nicht fähig. Sie musste all ihre Kraft aufwenden, um den Schmerzen standzuhalten und nicht das Bewusstsein zu verlieren. Doch urplötzlich, als sie schon glaubte, es nicht länger ertragen zu können, ließen die Krämpfe nach. Erschöpft rang sie nach Atem.

Zo'or nickte ihr zu. Eine gewisse Zufriedenheit lag in seinen Zügen. Jemen war sich jedoch noch gar nicht sicher, ob sie es wirklich geschafft hatte. Voller Zweifel lauschte sie den nachlassenden Schmerzen, überzeugt, dass sie jeden Augenblick von einem neuen Anfall heimgesucht wurde. Doch nichts geschah. Langsam erholte sie sich wieder. Das Einzige, was sie jetzt noch verspürte, waren die Verspannungen in ihren Muskeln, die von den Krämpfen herrührten. Sie atmete tief durch und erlaubte sich schließlich sogar ein kleines Lächeln.

Zo'or griff nach einer weiteren Frucht und ging dann neben ihr in die Hocke.

„Nein!” Jemen schüttelte heftig den Kopf. „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mir das noch einmal antun werde.” Sie sah ihn entsetzt an.

„Miss Tyler”, begann er energisch und in einem ungeduldigen Tonfall, „wir haben nicht die Zeit, darüber zu diskutieren. Nach wie vor befinden wir uns in der ungünstigen Lage, von den Jaridians entdeckt zu werden, und das bedeutet, dass wir unverzüglich aufbrechen sollten. Was glauben Sie, wie lange werden Sie diesmal durchhalten ...”

„Sie haben gut reden”, unterbrach sie ihn unwirsch. „Ihnen macht das hier”, sie machte eine weit ausholende Bewegung, „alles nichts aus, weder die Hitze noch das stundenlange Klettern.” Wütend werdend griff sie nach der Frucht, die er ihr ostentativ hinhielt. „Sie müssen auch nicht dieses Zeug trinken, das auf Dauer wahrscheinlich genauso tödlich wirkt wie dieser ganze verdammte Planet.”

„Und doch haben Sie gar keine andere Wahl, wenn Sie weiterleben wollen”, erwiderte er ruhig. „Trinken Sie!” fügte er in einem befehlenden Ton hinzu.

Zornig presste sie die Lippen zusammen. „Dann sterbe ich eben”, sagte sie hitzig und nur dem Verlangen folgend, sich ihm zu widersetzen. Am liebsten hätte sie ihm die Frucht an den Kopf geworfen, so wütend war sie.

„Wie Sie wollen”, sagte Zo'or, machte aber keinerlei Anstalten, sich zu erheben.

Jemen kam sich plötzlich albern und dumm vor. Sie konnte ihn nicht dafür bestrafen, dass er ein Außerirdischer war. Genauso wenig, wie sie ihn dafür verantwortlich machen konnte, dass sie sich in einer für sie so feindlichen Umgebung befand. Resigniert und erschöpft betrachtete sie die Frucht. Es war nach wie vor ihre freie Entscheidung. Sie allein hatte das Recht, über ihr Leben zu entscheiden. Sie fühlte, dass sie den Tränen nahe war. Die Anstrengungen, der Durst und vor allem die Ungewissheit zerrten an ihren Nerven. „Es ist so unfair ...”, flüsterte sie.

 

 

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