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  „Die Puppenspieler” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Während die Erde von mysteriösen Fremden heimgesucht wird, gelingt es den Zazas, eine Einigung unter den Quantenintelligenzen zu vermitteln. Doch wo eine Gefahr scheinbar verschwindet, tauchen gleich neue für die Erde der Zukunft wieder auf...
Zeitpunkt:  das Jahr 2334
Charaktere:  Großpräsident Jakob Matsooni, Sozialministerin Wen, General Clark; Chrcht, Tcht und Brwt - drei Vertreter einer mysteriösen fremden Spezies; Dunkelmächte; mehrere Quanten-Energie-Intelligenzen - darunter die, die einst Audre war, sowie die Planetenintelligenz WAWA; die Zazas unter Führung von Weißem Schaf; auf Außenmission Ko'lan, Ariel, Bethany und Qui'sa; auf dem Schiff Sy'la, Dr. Ben Myinga; von den anderen Taelons namentlich Da'an, Mur'ru, Me'win und Zo'or; die Jaridians Je'dir, Palwyr und Korn't; die Fricks Ouf, Schwa, Wench und Kmin.
 

 

DIE PUPPENSPIELER

Kapitel 9

 

Teil 1

(Auf der Erde:)
Großpräsident Matsooni wurde gleich am Morgen von der eingetroffenen Nachricht der Roleta-Mission verständigt. Nachrichten dazu waren recht spärlich, denn die Taelons waren der Meinung gewesen, man sollte die Position der Erde nach Möglichkeit nicht überall durch starke Überlichtsignale publik machen. Je weniger Völker auf die Erde aufmerksam wurden, desto besser. Die Technik der Menschen war ohnehin noch ziemlich bescheiden, nett ausgedrückt. Da das frühere bequeme Interdimensionsportal-Netz der Taelons seit Jahrhunderten nicht mehr funktionierte, war man auf pendelnde Nachrichtensatelliten angewiesen, die wie winzige Bojen von der Roleta da und dort im All platziert worden waren und die mit weit schwächeren verdeckten Signalen arbeiteten. Das war leider langsam und umständlich. Die letzte Nachricht besagte, dass man im System des Salzplaneten eingetroffen war, welches von einer fremden Rasse vor Jahrhunderten okkupiert worden war.

Die nächste Nachricht für den Großpräsidenten betraf die Süchtigen. Die am schlimmsten von der Sucht nach Blue Betroffenen waren entweder durch das brutale Durchbohren der Kristallsplitter nach außen, durch das Körpergewebe hindurch, zugrunde gegangen, bevor sich die Kristalle an der Luft zersetzten, oder waren an Schock gestorben, da zuviel an Gewebe zerstört worden war. Das waren weltweit 3,5 Millionen gewesen, und der Großpräsident hatte von tragischen Todesfällen zu hören wirklich satt. Ein paar hundert Millionen siechten auf der Erde mehr oder minder krank dahin und sahen so erschöpft und ausgepowert wie Greise aus, ohne eine Chance, sich durch den Konsum der verschwundenen Droge wieder zu erholen. Und der Rest der Süchtigen, die noch nicht lange abhängig gewesen waren, hatte einfach Glück gehabt und konnte sich selbst regenerieren.

Es gab ernsthafte Stimmen innerhalb der Regierung, die meinten, man müsse die Qualen der Schwerkranken durch Verabreichung von Ersatzdrogen wie Crack, Merrymist oder New Triple-Exstasy (NTE) zu lindern versuchen, da sie niemals wieder gesund zu werden vermochten. Matsooni dachte nicht daran, durch die Hintertür die schweren Suchtgifte zu legalisieren. Was die Gesellschaft aber mit den Schwerkranken machen sollte war auch nicht klar. Im Moment wurden fieberhaft automatische und teure Versorgungseinrichtungen für sie gebaut. Mit Steuergeld, das noch nicht mal ausreichend vorhanden war. Schließlich hatte der Verlust so vieler Arbeitskräfte die sich gerade wieder etablierende Wirtschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Und dann, mitten in die Tagesordnung hinein, enttarnte sich ein fremdes Schiff auf einer Umlaufbahn um die Erde, was das Militär, noch durch die Erfahrungen aus dem Tzek-Krieg geprägt, einen Schock versetzte. - War es so einfach, sich unbemerkt an die Erde anzuschleichen?

Das Schiff sah aus wie ein beiger Kubus aus verflochtenen Gitterröhren, mit einer Kugel im Zentrum.

Noch während es in mehreren menschlichen Sprachen und auf taelonisch angerufen wurde, dass es sich sofort identifizieren möge - als ob die Aliens diese Sprachen kennen mussten! - starteten die ersten Verteidigungsraketen und Space-Fighters von den irdischen Basen. Seit die Sache mit den Taelons, Jaridians und Tzeks ging man auf Nummer sicher.

 
* * *
 


(Unterwegs im Weltraum:)
„Bethany, konzentriere dich! Du musst jede einzelne Körperzelle in dir fühlen, denn jede einzelne Zelle, das bist du selbst. Du spürst ihr Sein? Wenn du deine Gedanken auf sie richtest, dann wird ihr Energieniveau gehoben, und du verwandelst dich.”

Die Kleine mit den dunklen Haaren, den grünen Augen und dem leicht taelonisch angehauchten menschlichen Gesicht, schloss die Augen und tat, wie ihr Vater es ihr geheißen hatte. Wenn sie sich Mühe gab, konnte sie die Zellen in ihrem Körper fühlen, doch es war selten genug, dass sie alle gleichzeitig wahrnahm. Und nur wenn ihr das lange genug bewusst gelang, konnte sie ihr Energieniveau soweit anheben, dass sie kurzzeitig einen bläulichen Energiekörper annahm. Tatsächlich zuckte am Höhepunkt des Fühlens ein bläuliches Leuchten kurz um sie auf, um gleich wieder abzuflauen. Ko'lan atmete etwas enttäuscht aus, und Bethany öffnete die Augen. Der Taelon saß ihr gegenüber und sah sie an. Sie fühlte, was er dachte: Sie werde noch mehr meditieren und spezielle Exerzitien durchführen müssen.

„Das ist so schwer”, klagte die Kleine. „Das sind die menschlichen Gene von Omi. Den Neo-Taelons fällt es viel leichter, sich durch diese Übungen kurzfristig zu verwandeln.”

„Die sind ja auch älter”, tröstete Ko'lan sie, stand auf und strich ihr mit seiner Handfläche sanft über die Wange. Dann nahm er ihre Hand. „Komm, meine Kleine. Ich denke, jetzt ist es Zeit für dich, etwas zu essen. Und danach spielen wir etwas mit mathematischen Gleichungen. Vielleicht das Turmbau-Spiel, was meinst du? Kannst du wieder so einen schönen Palast als Architekt errechnen, wie das letzte Mal?”

„Oh fein!” freute sich das Kind. „Und welche Sprache verwenden wir dabei diesmal? Französisch - das hatten wir schon lange nicht, sag ja! Oder Mandarin?”

Die beiden hatten im kleinen Beiboot von ihrer Kabine aus nur ein paar Schritte zu gehen. Die Steuerung wurde momentan von Ariel in der Kanzel überwacht. Qui'sa hingegen saß bereits am anderen Tisch der Kombüse vor einem Berg gekochtem Gemüse, mit Schlagsahne oben drauf, und überlegte sich, ob er die Sahne salzen oder zuckern sollte. Der Neo-Taelon experimentierte offenbar noch immer mit den Nahrungszusammenstellungen. Da die Schiffstemperatur auf für Jaridians angenehmere Null Grad Celsius abgesenkt worden war, dampfte sein noch warmes Essen mit kleinen dünnen Wölkchen vor sich hin und ließ die Sahne bereits schmelzen. Ein kleiner Butler-Robot servierte mit roter Schürze - die ihm von Bethany verpasst worden war - der Kleinen den bestellten Imbiss vom Vorrats-Koch-Automat an der Wand zum zweiten schmalen Tisch. Sich gedanklich mit Qui'sa unterhaltend, sah Ko'lan zu, dass die Mahlzeit für seine Tochter ausgewogen war: nach jaridianischer Art zubereitete irdische Fischfilets-Stückchen auf Algen mit Früchten und Gemüsen und kalte Eiscreme-Suppe als Nachtisch. Dazu kaltes gesäuertes Wasser. Er begnügte sich mit einem ionisierten großen Becher Fruchtpüree aus speziell für Taelons an Bord der Roleta gezüchteten Früchten, um dann einen Sprung zu seiner Gefährtin in die Steuerzentrale des kleinen Schiffchens nebenan zu machen.

Die dunkelhaarige Mensch-Jaridian-Frau wandte in ihrem Stuhl nur kurz den Kopf, als der Taelon hinter sie trat und seine Hände auf ihre Schulter legte. Sie schmiegte ihren Kopf kurz seitlich an seine Hand, wie es eine Katze tun würde, atmete hauchend einige Laute der Wiederbegrüßens in ihrer typischen Weise aus und schickte ihm einen innigen zärtlichen Gedankenimpuls. Ko'lan erblaute ergriffen und erwiderte ihre Emotion. Die beiden verstanden sich schon sehr gut ohne Worte.

„Wir werden in etwa (vier Stunden) nahe WAWA sein”, informierte ihn Ariel. „Unsere Freunde, die Zazas, bringen uns mit ihrer STADT direkt zum Ziel. Im Moment bereiten sie sich vor und scheinen unter ihren Artgenossen noch über die Vorgehensweise zu beraten.”

„Mit dieser uralten und dennoch so kindlichen fremdartigen Intelligenz zu verhandeln wird sicher nicht einfach sein”, gab Ko'lan zu bedenken. „Und möglicherweise ist sie nicht gewillt oder fähig, den Vermittler zur Kristallintelligenz zu spielen. Ich weiß überhaupt nicht recht, wie das gehen soll. Durch Telepathie? Den ganzen Planeten hinbringen wird wohl nicht gehen. - Sollen wir einige Tonnen von Kristallen nach WAWA bringen? Oder kann sich die Planetenintelligenz körperlich manifestieren?”

„Das herauszufinden, dazu dient dieser Flug”, bestätigte Ariel.

„Wir müssen die lebenden Kristalle irgendwie dazu bringen, die Erde zu verlassen und die Menschen in Zukunft zu meiden. Die Drahtzieher hinter dieser Seuche sind zur Rechenschaft zu ziehen. Bis jetzt haben wir herzlich wenig erreicht.”

„Dachtest du, wir können so einfach erscheinen, und schon sind alle Rätsel und Hindernisse gelöst? Das passiert nur in irdischen Filmen”, amüsierte sich Ariel, den Stuhl zu Ko'lan herumschwenkend, da dieser sich schräg hinter sie gesetzt hatte..

„Unsere Völker sind sehr verhasst, man kann uns nicht in Frieden leben lassen”, sinnierte der Taelon, die Sterne des Weltraums am großen Bildschirm betrachtend. „Entweder man will uns ausrotten, oder man will uns versklaven. Und nach dem Salz, wer weiß, was dann kommt.”

 
* * *
 

(Auf einem Feld nahe der Stadt London:)
Sie hatte innerlich gesucht und gelauscht und so noch mehrere Orte der Perversion gefunden. Einen nach dem anderen hatte sie aufgesucht und die Vernichtung fortgesetzt. Je länger sie unterwegs war, desto mehr Energie strömte ihr zu, da sie sie von der Heimatwelt an sich zog. Energie zog Bewusstsein an. Bewusstsein zog Energie an. Energie war gleich Quarks, war sich bildende Materie. Quarks war Bewusstsein, Materie war Bewusstsein. Das waren die Parameter ihrer Existenz. Das war ihr vertraut.

Nun war sie dabei, den letzten mutierten Königskristall, auf London, zu eliminieren. So etwas wie Mitleid oder Skrupel hatte sie keine. Mit derlei „Äußerlichkeiten” und Bewertungen war ihre Art nicht vertraut. Wie sie feststellte, befanden sich auf diesem Planeten dieselben kraftlosen Hüllen, wie sie sie auf dem ersten der betroffenen Welten vorgefunden hatte. Die primitive Hülle, die ihr diesmal als Werkzeug diente, war freilich weniger geeignet als Audre, deren Geist sie als Energie zu der ihren hinzuassimiliert hatte, als deren primitive Hülle zerstört worden war.

Der pervertierte abtrünnige Mutterkristall auf dem Planeten hatte versucht, sich vor ihr zu verstecken. Er war klein und kein echter Gegner. Schließlich war die Menge an Salz, die hier auf dem Planeten materialisiert worden war, weitaus geringer, verglichen mit dem Planeten Erde.

Sie spürte in sich das eisige drängende Anklopfen des Ganzen, das ganz und gar nicht mit ihrem Zerstörungswerk gegen die Perversion ihrer Art einverstanden war. Es war erzürnt und beunruhigt. Sie konnte das Anklopfen nicht mehr ignorieren.

‚Licht sei mit dir.’
‚Energie mit dir. Schwester, was tust du? Du zerstörst den Weg zu unserer Befreiung!’
‚Diese Hüllen sind für unsere Zwecke nicht geeignet. Ihre Energiefelder sind schwach, grau, krank - einfach unattraktiv. Unsere Kindsform werden verformt, nur um sie benützen zu können. Sie verkommen als dunkle abtrünnige Existenzen. Die fremden Vermittler sind keine Option.’

‚Das zu entscheiden obliegt dem Ganzen und nicht dem Teil! Das Teil hat sich dem Kollektiv zu fügen! Das Ganze sagt: Man muss nehmen, was vorhanden ist. Wer Veränderung will, muss auf Veränderungen gefasst sein, die nicht gefallen.’

‚Das ist richtig, es gefällt nicht. Eine Symbiose mit denen da ist nicht schmackhaft. Tausende von uns suchen. Es MUSS sich eine bessere Möglichkeit der Evolution für uns bieten.’

‚Warte, Schwester. Eine fremde Botschaft trifft ein! Etwas kontaktiert uns.’

Die Intelligenz wartete geduldig und fuhr indessen mit dem Werk der Vernichtung fort. Sie hatte soeben den separierten grünlichblauen Mutterkristall auf „London” zerstört, wie die Hüllen diesen Ort nannten. Zurück blieb nur das sich in seine Mineralien zersetzende Salz und viele zerfetzte Hüllen, an die sie keine weitere Gedanken verschwendete, als sie sich in die geistig-energetische Existenz verschob und sich in den Weltraum begab.

‚Schwestern, alle - hört diese Botschaft der Alten Völker: Sie sagen, es gäbe möglicherweise jemand, der uns perfekte Hüllen in jeglicher Zahl für unsere Zwecke liefern könnte. Der Preis ist die Aufgabe unserer Stammwelt und die Aufgabe der Versuche, andere Hüllen im materiell-biologischen Kosmos zu finden. Verbindet euch und hört es selbst!’

Die Alten Völker - statt die Dunkelmächte?

Sie verband sich geistig mit dem Ganzen in einem Energiestrudel und nahm die Botschaft auf wie ein Schwamm das Wasser, ließ sich von ihr durchtränken, um den fremdartigen geistigen Ausdruck besser zu verstehen:

„Hört, Salzkinder, hört Kristallintelligenzen! Schwierig ist es selbst für uns, zu euch Kontakt zu finden. Fassen wir uns kurz. Eine Intelligenz wurde gefunden in diesem Sektor des Universums, in dem auch ihr eure Existenz gefunden habt; eine Schwesternintelligenz, ähnlich eurer. Während jedoch ihr, körperlich starr, gelernt habt, geistig umherzuschweifen, über eure Grenzen hinausgehend, um andere Erfahrungen zu machen, hat ihre Entwicklung dazu geführt, in sich zu bleiben, und sich nur selbst auszufüllen mit immer neuen Formgebungen. Da sie aber nur sich selbst kennt, und dadurch kaum die Herausforderung bekommt, etwas anderes AUSSERHALB ihrer selbst kennenzulernen, macht sie keine Fortschritte in ihrer Evolution.

Um wirklich zu lernen, benötigt sie einen Gegensatz, etwas was ihr Wesen für sie reflektiert, worüber sie nachzudenken vermag. Und ihr, die ihr Geistreisende seid, ihr wiederum benötigt bewegliche überlebensfähige Hüllen, damit ihr IN EUCH SELBST die vielfältigen Erfahrungen spüren könnt, statt sie nur als äußerliche unbeteiligte Beobachter bei Fremden zu registrieren. Ihr habt zu diesem Zwecke bis jetzt Wirte benötigt, um in Symbiose euer Leben und Bewusstsein zu erhalten und auszubauen. Wir Alten Völker glauben, dass eine Symbiose euer beider Existenzformen für euch optimal ist. Nein, es ist weit mehr als das: es soll eine Verschmelzung auf Dauer zu einer neuen Existenzform sein.

Euer Wunsch ist es, zu lernen und zu wissen. Wir versprechen euch nichts weniger als Evolution durch echte Lebenskreisläufe mit echtem scheinbaren Tod und echter scheinbarer Wiedergeburt in immer neuen Hüllen und Formen. Werdet wie das Leben selbst. Lernt durch das Leben. Gebt euer Paradies auf, und werden so wie das höchste Prinzip des Universums!

Entsendet einen Vertreter zu diesem Punkt.... und seht selbst, dass es wahr ist, was wir sagen.”


‚Geh hin’, sagte nach einer Weile das Ganze . ‚Geh hin mit drei anderen, verbinde dich und berichte. Es ist eine Überlegung wert. Licht mit dir.’

‚So soll es sein. Ich entsende mich selbst sofort. Energie auch mit dir.’

 
* * *
 

(In der Nähe des Planeten WAWA:)
Noch bevor WAWA wieder seine telepathisch-suggestiven Spielchen mit der Crew veranstalten konnte, sandten die Zazas ein telepathisches Signal zur Planetenintelligenz hinab, dem sich im Zefir-Beiboot Ko'lan und Qui'sa anschlossen. Man selbst blieb im gebührenden Respektabstand zum Planeten, doch was man so ortete, hatte der Planet sich ordentlich umgestaltet und sah auf dem ersten Blick durch die Aufklärungssonden richtig blühend belebt aus. Nur dass eben alles Teil des Geistes der Planetenintelligenz war. Der Kontakt zur Roleta-Crew hatte so richtig ihre Kreativität angeheizt.

‚Sieh es mal so’, versuchte das Weiße Schaf WAWA zu begeistern, ‚du bist hier ganz alleine und möchtest gerne noch jemand zum Spielen. Und da draußen ist eine Intelligenzform, die basiert auf kollektive Quarks wie du auch; eine Schwesterintelligenz. Du möchtest Formen aller Art gestalten, und dich mit jemanden anders unterhalten als immer nur mit dir selbst. Und wie wir Zazas in Erfahrung gebracht haben, ist es der Wunsch der Kristallintelligenz, bewegliche Körper zu erwerben und mit ihrem Leben zu erfüllen, um neue Erfahrungen zu machen, mehr noch: selbst zu erleben. Denn ihr beide stagniert vor euch hin.’

‚Du meinst, es gibt einen Partner zum Spielen für mich? Und der würde hierher kommen?’ fragte WAWA zögernd. ‚Wie sollte denn das gehen?’

‚Abgesandte sind hierher unterwegs’, bestätigte die Anführerin der Zazas. ‚Eingeladen durch die Alten Völker, vermittelt durch andere unseres Volkes. In ihrer Art ist die Schwesterintelligenz beweglicher als du. Warte ab und sieh selbst. Ihr seid geschaffen für einander.’

 
* * *
 

(Woanders im Weltraum:)
Während die Roleta sich weit vom Salzplaneten entfernt hatte, versuchte die Crew fieberhaft, so viele Daten wie möglich von den Fricks zu sammeln und Spuren der gefährlichen schwarzen Schiffe zu entdecken. Die Mission steckte irgendwie fest, und wäre nicht die Botschaft von Ko'lan hereingelangt, hätte man allen Grund gehabt, frustriert und deprimiert zu sein. Es schien manchmal gerade so, als ob Menschen, Taelons und Jaridians zum Spielball geheimer unbekannter Mächte geworden waren, und dann wieder musste man das als Hirngespinste und Anflug von Paranoia abtun. Was war denn objektiv geschehen? Irgendwelche Völker hatten das Salz an sich gerissen und gegen die Menschen eingesetzt. Das waren konkrete Gegner, keine nebulosen Geister.

Zo'or war auch so ein Ängste auslösender Geist. Kaum an Bord, hatte Mur'ru sie wissen lassen, dass die Zeiten der Synode, des Gemeinwesens und insbesondere die Zeiten als Synodenführer vorbei seien. „Wenn ich Macht wollte, würde ich sie erlangen”, hatte Zo'or geantwortet, „ob ihr damit einverstanden wärt oder nicht. Doch ihr Taelons habt Glück - ich möchte für die nächste Zeit nichts als meine Ruhe!”

Sie hatte sich anschließend in ihre ihr zugewiesene Suite begeben und sie nicht mehr verlassen, die zwei Male zur Energiedusche abgesehen. Dafür hatte sie offenbar stundenlang und ausgiebig gebadet und sich eigens einen kleinen Pool vom Schiff einrichten lassen. Bis auf einen Arzt für eine kurze Untersuchung hatte sie niemanden sprechen wollen, nicht einmal Da'an, und blockte auch telepathisch alle Annäherungen ab. Über die Vorgänge auf dem Salzplaneten sprach sie eine kurze Zusammenfassung mit nützlichen Informationen auf Band. Das war's. Roleta akzeptierte bislang ihre Privatsphäre, spionierte nicht und ließ ihr Zeit. Mehrere blaue Bio-Anzüge waren für sie gezüchtet worden, und die Neo-Taelons waren der Meinung gewesen, sie könnte vielleicht mehr Abwechslung wollen und hatten ihr auch andersfarbige Overalls zukommen lassen.

Dieses eigenartige Verhalten und ihr seltsames Aussehen nährte den Klatsch an Bord.

Sy'la, die schwerverletzt auf der Krankenstation lag, wurde zur Ablenkung von Dr. Myinga reichlich damit versorgt. Der Südafrikaner hatte mit Stammzellen das verbrannte Bein zum Nachwachsen angeregt, ein Verfahren, welches dank der Medizin der alten Zefir und dem jaridianisch-medizinischen Wissen Trestims entwickelt und adaptiert worden war. Das neue Bein hatte bereits an der Hüfte zu knospen begonnen und zog und zerrte für Sy'la wie ein durchbrechender Zahn. Die heilenden verbrannten Rückenhautpartien juckten mörderisch, aber Sy'la hatte aus dem Regenerationstank heraus müssen für neue Untersuchungen. Sie lag bäuchlings platt auf dem Untersuchungstisch wie eine nackte Flunder.

„Und niemand weiß genau, warum Zo'or so aussieht - nicht wie ein Atavus, nicht wie ein Taelon; am ehesten sieht sie wie die Neo-Taelons aus, die bekanntlich so aussehen, weil sie durch ihre Mimikry-Fähigkeiten sich an ihre menschlichen Leihmütter angepasst haben. Das verleitet zu allerlei wilden Spekulationen darüber, was sie wohl mit den anderen inzwischen verstorbenen menschlichen Gefangenen auf dem Planeten erlebt haben muss. Und unsere Taelons haben Probleme, sie als Person zu definieren. Bekanntlich sind echte Taelons, die sich nicht im Ka'atham befinden, völlig geschlechtsneutral. Man müsste nun in der menschlichen Sprache dafür ein drittes Geschlecht erfinden. Oder auch nicht, wir könnten für sie das Fürwort „es” verwenden. Ja, wenn wir nicht dieses Fürwort für Tiere verwenden würden, und sprachlich als indirekt inferior lassen sich die Taelons nun auch wieder nicht hinstellen. Daher benützen alle das Fürwort „er”, da die Taelons Anfang 21. Jahrhundert davon ausgingen, dass dem männlichen Geschlecht mehr Achtung erwiesen wird. - Tut das etwa weh?”

„Aua!” schimpfte Sy'la stöhnend, da der Arzt sie am Rücken kniff. Er untersuchte, inwieweit die neue Haut am Gewebe festsaß. Das war äußerst schmerzhaft.

„Im Gegensatz zu Menschen sind die echten Taelons nur in bestimmten zeitlichen Phasen sexuell aktiv. Die anderen - genauer gesagt Da'an und Ken'tau - glauben nun, dass Zo'or sich nicht im Ka'atham befindet, und daher mit einem neutralen „er” anzusprechen sei, doch Zo'or sieht eher weiblich aus, und Mur'ru und Ka'sar bestehen daher darauf, Zo'or als „sie” zu definieren, genauso wie man auch den jungen Neo-Taelons ihre Geschlechtlichkeit zugesteht.”

„Ich weiß nicht, was mehr weh tut”, beschwerte sich Sy'la beim alten Arzt, „deine Untersuchungen oder dein Getratsche. Ich bin froh, dass ich Zo'or nicht zu sehen bekomme. In meinen vagen Erinnerungen ist er ein böser Schatten. Ich habe noch immer Angst vor ihm. Oder vor ihr. Ist auch völlig egal.”

„Wir Ärzte an Bord gehen davon aus, dass Zo'or auf alle Fälle schlimme Dinge erlebt haben muss, denn sie verhält sich wie schwer traumatisiert. Leider existiert kein taelonischer Heiler mehr, und mit Menschen oder der Jaridianerin Trestim verweigert sie bis jetzt die Zusammenarbeit. Solange sie mit niemanden darüber spricht, was sie erlebt hat, können wir ihr nicht helfen. Gottlob ist Peschtal bei ihr nicht mehr nachweisbar. Von der schweren Taelon-Wahnsinnsseuche war sie vor Jahrhunderten befallen gewesen.”

„Zo'or, immer Zo'or! Gibt es kein anderes Thema? - Ich möchte jetzt Je'dir und Alexa sehen!” verlangte Sy'la. „Ich vermisse sie. Hörst du? Ich will Mann und Kind sehen!! Wann bist du endlich fertig mit deinen Untersuchungen?!”

„Wir haben es gleich, nur noch ein paar Injektionen”, beruhigte sie der schwarze Arzt. „Die zwei warten schon draußen ganz sehnsüchtig. Du hast zwei Stunden Zeit für Streicheleinheiten, dann geht es wieder ab in den Regenerationstank.”

 
* * *
 

(Über dem Planeten WAWA:)
Drei große royalblau funkelnde Kristalle waren über WAWA aufgetaucht und hatten sich vor den Kameras des Beibootes miteinander zu einem sehr großen leuchtenden Oktaeder verschmolzen. Die Form hing als Beobachter über dem Planeten, zurückgehalten von einem starken geistigen Schirm, denn WAWA zierte sich nun. ‚Diese andere Intelligenz hat nicht den geringsten Humor und keinerlei Kreativität’, beschwerte sich die kindliche Intelligenz auf's Neue. ‚Dafür ist sie herrschsüchtig. Wie soll ich denn mit so etwas spielen können!’

Qui'sa seufzte. Diese Planetenintelligenz kostete einem wirklich den letzten Nerv. Stundenlang dauerte das Lamentieren und Jammern schon. Ja - nein - ja - nein doch nicht - vielleicht - ja aber.... Da die Taelons an Bord sich ständig telepathisch auf beide Parteien konzentrieren mussten, wurde es für den Jungen bereits anstrengend. Er musste immer öfter die Augen schließen, und seine Hände zitterten vor Erschöpfung.

‚Das ist gerade das Schöne und Interessante daran’, lockte Ko'lan. ‚Du kannst mit ihrer Hilfe ganz neue Einsichten gewinnen. Und sie kann mit deiner Hilfe eine ganz neue Entwicklung nehmen. Wenn ihr euch verbindet, entsteht eine neue Lebensform. Oder willst du noch ein paar Milliarden Jahre hier alleine zubringen?’

Ariel konnte nicht viel tun, und wusste eigentlich auch nicht, was gerade der Stand der Dinge war. Sie sah nur die beiden wie erstarrt dasitzenden Taelons, sah am Jungen bereits besorgniserregende Anzeichen von Müdigkeit, und beobachtete zwischendurch den fremden riesigen Kristall im Weltraum. Die kleine Bethany schlief schon längst. Ariel dachte an ihren leiblichen Vater Vorjak. Der hätte das Problem längst gelöst: der hätte einfach den Salzplaneten gesprengt und mit Feuer die letzen Salzkörnchenreste zerstört. Und WAWA - dazu.

‚Das ist ja das Problem’, klagte WAWA. ‚Die neue Lebensform. Ich werde vermutlich so verändert, dass ich vollkommen vergesse, wer oder was ich bin, mit jeder Manifestation einer Form mehr und mehr, während die Schwester in mir zu dominieren und zu unterdrücken beginnen wird. Wer will das schon? Ich nicht.’

‚Ich habe diese Planetenintelligenz wahrgenommen und bin von den Möglichkeiten der Formen hoch erfreut’, konnten die Konferenzteilnehmer von der Kristallintelligenz vernehmen. ‚Wir können durch sie beliebige Gestalten durchlaufen und zahlreiche Empfindungen und Wahrnehmungen selbst machen, da keine störende eigene Intelligenz in ihnen wohnt. Wir können die Gestalten nach unseren Wünschen weiterentwickeln und sie nach und nach unseren Bedürfnissen perfekt anpassen. Ich habe mit dem Ganzen gesprochen. Der Tausch ist angenommen. Der Pakt mit den Dunkelmächten ist beendet. Wir werden unsere Heimat verlassen und uns hier ansiedeln, sofern WAWA die Blockade aufhebt und zustimmt.’

Durch die Zazas ging eine Welle der Begeisterung, die auch die beiden angeschlossenen Taelons erfasste. Nur die Planetenintelligenz zeigte sich noch bockig.

‚Ja, es ist wahr, wir werden uns beide verändern’, sagte die Kristallintelligenz zu ihr. ‚Und es ist wahr, wir werden danach beide nicht mehr so sein, wie früher. Millionen von Jahren werden vergehen, mit phantastischen Erlebnissen für die neue Spezies. Aber ich verspreche dir, mit dem Ernst des Ganzen, für die Ewigkeit: Magst du die Erinnerung verlieren, werden die belebten Gestalten von uns instinktiv angehalten werden, die Vergangenheit wiederzufinden und durch sie wird deine Erinnerung wieder ins Dasein gebracht werden. Wir werden sie dazu drängen, die Suche nach dem Ursprung des Seins und das Verlangen nach dem Licht nie aufzugeben und ihrer Eltern zu gedenken.’

‚Wenn es denn so ist, und wenn es so wichtig ist für euch alle hier, so stimme ich zu. Ich werde meine Schwester aufnehmen’, gab WAWA schließlich nach.

‚Wie schnell kann deine Spezies hier sein?’ erkundigte sich das Weiße Schaf.

‚Es dauert nicht lange, nur (etwa drei Stunden), antwortete die Kristallintelligenz. ‚Bereits jetzt beginnen sich die Salzflöße aufzulösen und die Kristalle durch die Oberfläche unserer alten Heimat herauszubrechen. Das Ganze wird in den Energiezustand übergehen und als Energie auf diesem Planeten niedergehen. Wir haben gehofft, dass dieser Tag einmal kommen wird, in denen wir unsere alte starre Form aufgeben und eine neue bewegliche Gestalt annehmen können. Wenn wir hier ankommen, wird es einen Energieschock geben. Es ist besser, ihr zieht euch zurück. Für die Zukunft - die nächsten paar Äonen über Äonen - wird dieser Planet für alle fremden Arten gesperrt sein. Niemand wird es erlaubt, sich dem Planeten zu nähern und uns in der geringsten Weise zu missbrauchen.’

Das Zaza-Schiff in seiner Halbkugelform und das Beiboot der Roleta zogen sich etwa ein halbes Lichtjahr weit zurück, gerade soviel, dass sie per Satellit noch gut die Vorgänge beobachten konnten. Sie spürten die Annäherung einer gewaltigen psychischen Kraft, die sich als schweren mentalen „Druck” äußerte. Der große Oktaeder begann, auf die Oberfläche hinabzustürzen, gerade als die Energie auf den Planeten hinabschwappte.

Und da erscholl Musik im Steuerdeck, wo Ariel, Ko'lan und Qui'sa die Vorgänge über und auf WAWA verfolgten. Felix Mendelssohn-Bartholdy, aus: „Ein Sommernachtstraum”, von 1843.

„Was ist denn das für eine seltsame Musik?” fragte Ariel Qui'sa tadelnd. „Wir kannst du das in so einem wichtigen Moment hier spielen?”

„Das ist auf der Erde der traditionelle Hochzeitsmarsch”, erwiderte Qui'sa unverfroren. „Und was ist denn passender für so einen Moment?”

Darauf wusste Ariel nichts mehr zu sagen. Alle starrten gebannt zur merkwürdigen Musik auf die Schirme, auf denen sich momentan die gigantische gegenseitige planetare Befruchtung vollziehen musste.

„Wann hat man je wieder die Gelegenheit, eine so seltsame Entstehung einer neuen Lebensform beizuwohnen”, meinte Ko'lan andächtig. „Das hier ist einfach einmalig.”

‚Einmalig?’ hörte der Taelon die geistige Stimme des Oberpriesters der Zazas. ‚‚Das Große Rätsel’ des Universums ist voller einmaliger Wunder. Oder wie, denkst du, entsteht jegliches Leben auf den Planeten?’

Womit das Schiff der Zazas in die Weiten des Alls hinwegteleportierte.

 
* * *
 

(Über der Erde im kubischen Röhrenschiff:)
Diese Erdlinge waren doch wirklich noch recht primitiv. Chrcht warf einen dicken Faden zur anderen Wand und balancierte hinüber zum Steuerpult. ‚Immer wieder diese Putzaktionen’, ärgerte sich Chrcht. ‚Da legt man die schönsten Wege an, und jedes Monat zerreißt der Robot sie „aus hygienischen Gründen”’. Sie legte eines ihrer Beine auf das Pult und zoomte die Raketen näher. Na, was für eine Verschwendung! Chrcht aktivierte das automatische Verteidigungssystem für eine Spezies der Klasse 4, 8 und zog sich an einem anderen Faden zur Deckenstange hoch. Dort wartete bereits ihr Gefährte Tcht. Vorsichtig betastete der mit zwei seiner Beine ihren prallen Hinterleib.

„Du solltest dich längst ablösen lassen”, meinte der. „Noch (einen Monat) oder weniger, und es ist Zeit für die Eiablage, und dann schlüpften gleich unsere Jungen, und unsere Zeit ist um. Endlich werden wir in unseren Kindern weiterleben und diese Ebene verlassen. Freust du dich?”

„Aber natürlich!” trillerte Chrcht. „Unser gesamtes langes Leben warten wir auf diesen Moment der totalen Verjüngung. Unseren Jungen gehören diese alten schäbigen Körper als Babynahrung, und wir leben in allen weiter. So wie unsere Eltern für alle Zeiten in uns weiterleben. Vor (einigen Tagen) sagte mir noch meine Mutter in ihrer geistigen Präsenz....”

Die Alarmanlagen des Schiffes zirpten disharmonisch. Die neue Kommandantin in spe lief mit allen acht Beinen über den Hauptfaden herein. „Was macht ihr alten verliebten Narren da oben?” brummte sie mit tiefen Tönen hinauf. „Die Erdlinge schicken Raketen und Abfangjäger, und ihr schmockt und tastelt euch gegenseitig ab. Eine Disziplin ist das!”

„Keine Sorge, Brwt”, beruhigte Chrcht die Junge. „Die können uns nicht gefährlich werden. Sollen sie nur zu stechen versuchen. Die hören irgend wann auf, wenn sie keinen Erfolg damit haben. Inzwischen scannen wir den Planeten und sammeln für uns nützliche Informationen. Wir wissen wenig über diese Spezies, über die wir neulich gehört haben. Hier zapfen wir die Quelle direkt an.”

„Du musst doch verstehen, wie sehr wir uns bereits auf den Moment der Eiablage freuen”, sagte Tcht und hangelte sich elegant nach unten, hielt sich mit den starken Kiefern am Faden fest, drehte sich kraftvoll und, einen doppelten Salto schlagend, landete er auf den Beinen an der seitlichen Wand neben Brwt. „Wir warten seit Jahrhunderten auf diesen Moment.”

„Ja, primitiv ist sie schon, aber sehr erfinderisch auch”, gab Brwt zu bedenken. „Und, was meint ihr, sollen wir von den Erdlingen verlangen? Lassen wir diese Frechlinge zappeln?”

Die Drei sahen mit ihren Augenstielen die Raketen heranfliegen und begannen vor Vergnügen und Lachen über soviel Dreistigkeit mit den Hinterbeinen zu trommeln.

 
* * *
 

(Auf der Roleta:)
Zo'or hatte zur geistigen Beruhigung Lyrik auf taelonisch - oder genauer: in der Sprache Eunoia - gelesen. Die arabeske Schrift wurde als aufsteigendes 3-D-Bündel vor ihren Augen aus dem feinziselierten Buchrohr materialisiert. So wie zur Sprache bei Taelons auch die Gestik und Aurafärbung gehörte, gehörte zur Schrift das Erfühlen der imprägnierten Aurenschwingung und das Mitberücksichtigen der zierlichen 3-D-Schrift. Taelonische Lyrik bestand nicht nur aus Worten, sondern aus einer Sinfonie aus übermittelten Impressionen. Nicht zu glauben, war diese Lyrik vor Jahrhunderten als Beispiel in menschliche Datenbanken gelangt und so erhalten worden.

Wie üblich, blockierte sie alle telepathischen Impulse. Sie wollte mit den anderen nicht kommunizieren. Es hatte ihr gereicht, was sie an Impulsen und Aurasignaturen empfangen hatte, als sie das Schiff betreten hatte. Sie schämte sich noch immer. Dass sie so fürchterlich zerlumpt auf das Schiff angekommen war. Dass man ihr soviel angetan hatte all die Jahre lang. So schrecklich viel. Dass man von ihr als Verbrecherin sprach, als wäre keine Ewigkeit seitdem vergangen. Und daher wollte sie niemanden sehen, nicht einmal Da'an. Keinen menschlichen Psychiater oder Arzt. Und keinen der Jaridians an Bord, die frei umherliefen, geradezu zum Fürchten.

„Zo'or!” wurde sie angerufen. Das Symbol Roletas tauchte als Hologramm im 3-D-Schirm auf. „Es wird Zeit, dass du aus deinem Versteck kommst. Draußen vor der Tür steht eine junge Neo-Taelon, die etwas Besonderes für dich hat. Sei so gut, und lass sie herein.”

Zo'or reagierte nicht.

„Zo'or!” rief Roleta nochmals. Die Bordintelligenz ließ nicht locker.

Wortlos benutzte Zo'or die Geste „also gut, aber schnell” und nahm sich vor, den Eintretenden nicht genauer anzusehen. Die junge schlanke Taelon im rosa Overall mit Spitzenverzierung brachte ein Tablett mit duftender Nahrung herein. Überrascht sah Zo'or doch hin.

„Da du kein Atavus bist, aber man dich auch nicht so recht als Taelon in einem Energiekörper betrachten kann, sondern da du eher so aussiehst wie wir, dachte ich, ich bringe dir etwas, was auch wir sehr gerne konsumieren. Ich gehe nämlich davon aus, dass du zusätzlich Nahrung nötig haben wirst, und du hast seit Tagen nichts gegessen, nur die Energiedusche benutzt.”

Also bespitzelte man sie doch! Aber das wunderte Zo'or ohnehin nicht. Wo doch Da'an an Bord war.

„Selbstgebackene Waffeln mit süßem Baumsaft und Fruchtmus mit Pfeffer. Schmeckt lecker. Probier es mal. Dazu mineralisiertes Wasser.” Die Taelon sah erwartungsvoll zu Zo'or, doch die sah sie nur stumm, skeptisch und ablehnend an. Schließlich wandte sich die Taelon um und wollte schon gehen, als Zo'or fragte: „Wie ist dein Name?”

„Me'win”, sagte die Taelon mit freundlichem Lächeln. „Weißt du, du hast Geschwister hier an Bord, Zo'or. Etwas völlig Neues für dich. Mi'nou ist leider gestorben” - ihr Blick verdüsterte sich kurz etwas - „aber da gibt es noch Qui'sa, der auf einer Mission ist, Blo'or, der zur Zeit seine Suite nicht verlassen darf, und - mich. Du bist nicht allein! Denk mal daran, Zo'or!” Sie lächelte im Gehen nochmals und verließ die Wohnung.

Nach einer Weile kostete Zo'or von den Speisen und fand auch, dass sie sowohl nahrhaft als auch schmackhaft waren. Schließlich riss sie sich zusammen und entriegelte die Tür. Einmal musste es sowieso sein.

 

 

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