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  „Die Puppenspieler” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Oktober 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Ein unglaublicher Verrat an Bord der Roleta führt zum Tod einiger Crew-Mitglieder, währenddessen Zo'or aus seiner furchtbaren Gefangenschaft zu fliehen versucht. Auf der Erde gehen indessen „Augur” und Haggis kimerischen und taelonischen Spuren nach.
Zeitpunkt:  das Jahr 2334
Charaktere:  Alex J. Chevelleau, genannt „Augur”, Haggis; Zo'or, Ha'gel, der Pentadux als einer der Anführer der Fricks; der Kriminalagent Konrad Stoller, Sy'la mit ihrer Tochter Alexa; die Taelons Da'an, Mur'ru, Ka'sar, Ken'tau und Dar'den; die Jaridians Je'dir, Rj'lev und Palwyr, Korn't und Trestim, ihre Kinder Wanjak und Hakar; die jugendlichen Taelons - namentlich Blo'or , Mi'nou, Zo'nan und Pa'lol; die künstliche Schiffsintelligenz Roleta.
 

 

DIE PUPPENSPIELER

Kapitel 8

 

Teil 2

Blo'or erschien in der Zentrale, doch irgendein Schuldbewusstsein schien der junge Neo-Taelon nicht zu haben. „Wir haben ein Recht, für uns selbst zu entscheiden, ob wir in eine Energieform überwechseln oder nicht”, erklärte er frech.

„Mein Kleines”, unterbrach Da'an eisig, „du scheinst einige Unarten der Menschen angenommen zu haben. Dieses Recht hast du - nicht. Du hast das Wohl der Gemeinschaft im Auge zu haben.”

„Wir sind erwachsen und müssen nicht auf euch alten Taelons hören. Wir wollen selbst entscheiden, wie die Menschen! Wieso sollten wir so jung sterben, wenn wir jahrtausendelang leben könnten; ohne Schmerzen, Hunger, Angst, unnötige Gefühle? Wer braucht das schon! Wir müssen keine Nachkommen in die Welt setzen - wer schreibt uns das eigentlich vor? Warum sollten wir, statt Nachkommen zu haben, nicht selbst gut leben?”

„Ihr werdet etwa (400 bis 500 Jahre) alt werden. Das ist drei- oder viermal älter als Menschen es werden können. Genauso lang wie die Hybriden Ariel oder Sy'la. Sie sind noch überhaupt nicht nennenswert gealtert. Du denkst rein egoistisch. Wir sind die letzten unserer Art; soll unser Volk so verlöschen, auf Grund von Egoismus?”

„Und was ist denn mit den Jaridians?” erinnerte Sy'la heftig. „Sollen die wieder sterben? Nur weil ihr wieder das Volk spalten müsst?” Sie dachte an ihren Mann, dem nur noch wenige Jahre blieben. Was dachte sich dieser Junge eigentlich?

Der sträubte sich, wurde allerdings von Da'an, Mur'ru, Sy'la und Konrad Stoller psychisch beim Verhör so unter Druck gesetzt, dass er doch noch alles aussagte, was er wusste. Daraus ergab sich folgendes Bild: Dar'den hatte bereits auf der Erde Kontakte sowohl mit der geheimen überlegenen Macht hergestellt, die für die Ankunft der Droge auf der Erde verantwortlich gewesen war, als auch unter deren Vermittlung mit der auf der Erde wachsenden manipulierten Kristallintelligenz. Durch eigene Untersuchungen hatte der Wissenschaftler schon zuvor herausgefunden, dass das Salz bei steigender Konzentration und Kristallisierung Intelligenz zeigte. Dar'den hatte betont, dass ihm weiterhin an einer gedeihlichen Symbiose der Taelons mit dem Salz und den Kristallen gelegen war, und dass er mit der Hilfe einiger jungen Taelons ein neues Gemeinwesen restituieren wolle. Da'an oder Ho'shin wären seiner Meinung nach durch den Kontakt mit dem Taelon-Jaridian-Mensch-Kimera-Kollektiv keine echten Taelons mehr; Ko'lan, Ka'sar oder Mur'ru waren verabscheuungswürdige Outlaws und Ken'tau ein Schwächling, auf den man sich nicht verlassen dürfe. Er konnte somit nur auf die neue Generation von Taelons setzen. Was mit den primitiven Menschen auf der Erde geschehen solle, war ihm als Taelon vollkommen egal.

Durch belanglose Gespräche hatte Dar'den dann unter den neun jungen Taelons diejenigen vier herausgefunden, die für diese Ziele empfänglich waren, und sie immer mehr beeinflusst und manipuliert. Er wollte mit ihnen ursprünglich mit einem Schiff der geheimen Macht zum Salzplaneten reisen, aber glücklicherweise hatte sich dann die Mission für die Roleta ergeben. Die jungen Taelons, rebellisch wie sie in diesem Alter waren - wohl ein indirektes Erbe ihrer menschlichen Mütter - waren allzu bereit, sich heimlich an Bord zu begeben. Ein weiterer Glücksfall war, dass von den Jugendlichen einzelne zur Wartung des Schiffes abkommandiert worden waren. Hochintelligent, wie die Taelons nun einmal waren, hatten sie es geschafft, die Sicherheitssysteme der Roleta auszutricksen. Es war allen ebenfalls in beispielloser Weise gelungen, ihre Gedanken so vor den anderen Taelons zu verbergen, dass sie keinen Verdacht geschöpft hatten, oder auch nicht schöpfen WOLLTEN. Die Jungen galten ohnehin als häufig aufsässig und nicht ernst zu nehmen. Bezüglich Dar'den hatten Taelons wie Da'an oder Mur'ru sehr wohl die überkritische Haltung gegenüber den vielen Neuerungen, den Menschen und den Jaridians bei diesem registriert, aber sie führten das auf Dar'dens traditionalistische konservative Einstellung zurück. Niemand hatte einen Verrat für möglich halten mögen, niemand hatte ihn gezielt telepathisch „belauscht”.

Dar'den war mit den drei Jugendlichen an Bord des Beibootes gegangen und sie waren anschließend mit zwei Fluchtkapseln - die nur eine begrenzte Reichweite hatten - in Richtung Salzplanet aufgebrochen. Zuvor hatten sie ihre implantierten Chips aus der Schulter entfernt, die sie mit der Steuerung der Roleta verbanden. Da die Taelons ihre Körperzellen im gewissen Ausmaß beherrschen konnten, ließen sie die Chips vom Gewebe abstoßen und langsam an die Hautoberfläche transportieren, wo sie dann im Beiboot zurückblieben.

„Ich fasse es nicht!” schimpfte Roleta laut und hieb wuchtig auf die Wand, neben der sie stand. Sie sorgte gleichzeitig für den Effekt, dass es im ganzen Schiff dröhnte und bebte. „Ich bin für die Sicherheit der Crew da, und nicht, um sie zu bespitzeln, damit nicht einige daraus mich und die gesamte Mannschaft gefährden! Ich muss meiner Crew vertrauen können, so wie sie auch mir vertrauen können muss! Was seid ihr nur für verlogene intrigante Geschöpfe!”

„Vergiss nicht, dass die vier als Jugendliche noch nicht voll für ihre Handlungen verantwortlich sind”, versuchte Da'an zu beschwichtigen. „Es war Dar'den, der sie zu diesem Verrat aufgewiegelt hat. Er konnte sich nicht mit dem Untergang des Taelon-Gemeinwesens abfinden.”

„Das ist mir vollkommen gleichgültig”, sagte Roleta und stand dann schwebend, mit ihrer langen roten Robe mit Kapuze, der silberfarbigen Haut und den langen silbrigen Haaren plötzlich wie erstarrt da. Sie wirkte mit ihrer schlanken, großen Fassade plötzlich, so vollkommen reglos, überdeutlich wie eine schwebende, zwar humanoid modellierte, aber emotionslose silberfarbene Maschine. „Wir sind mitten im Feindesgebiet, und sie haben meine Systeme manipuliert. Ich sage euch hiermit eins: ich verbanne Dar'den und die drei geflohenen Jugendlichen Pa'lol, Mi'nou und Zo'nan von meinem Schiff. Ich vertraue diesen Vieren nicht mehr. Sollten sie hierher zurückkehren, verbringen sie den Rest der Reise in Arrest, bis wir einen Ort erreichen, wo ich sie absetzen kann!”

„Wir verlieren nur Zeit”, mahnte Sy'la. - Blo'or: Warum bist du nicht mit den anderen mitgegangen? Warum bist du hiergeblieben?”

„Ich wollte auch mit, aber dann habe ich nachgedacht und telepathisch das von Zo'or mitbekommen. ‚Wir wissen nicht, was oder wer uns da unten auf dem Salzplaneten erwartet’, sagte ich zu Dar'den. ‚Vielleicht gefährden wir die anderen im Schiff'. Aber Dar'den und die drei wollten nicht auf mich hören. Sie waren total gierig auf das Salz. Da wollte ich nicht mehr mitmachen, weil es mir plötzlich als zu gefährlich und albern vorkam. Aber das war den anderen zu lästig und störend, und sie nahmen mich nicht mit. Aber petzen konnte ich auch nicht, Dar'den sagte, ihr würdet mich dann streng bestrafen.”

„Nun, ‚petzen’ wie du es nennst, kann ich das nicht nennen; deine Gedanken haben mich nur geweckt, Blo'or”, erwiderte Da'an. „Begib dich vorerst in deine Kabine, und bleibe dort! Es ist dir verboten, deine Räume zu verlassen.”

 
* * *
 

„Rj'lev, wach auf!” weckte ihn seine Frau Palwyr im Jaridian-Habitat. Innerhalb des Schiffes hatten die Jaridians ihre Appartements so aneinander gekoppelt, dass sie ein geeignetes jaridianisches Habitat erzeugen konnten. Im Gegensatz zu den Hybriden vermochten die Jaridians nur zwischen 30 und 48 Stunden in der menschlichen Atmosphäre zu verweilen, ohne krank zu werden. Im Habitat hatte es angenehme minus 30 Grad Celsius, es war trocken und dunkler als bei den Menschen und die Atmosphäre war dünner und mit viel weniger Sauerstoff versetzt. Die Mimikry-Fähigkeit ihrer Vorfahren war bei den Jaridians weit weniger ausgeprägt als bei den Taelons. Sie benötigten Zeiten in ihrem Habitat.

Rj'lev schlug seine Augen auf, zog die Pupillen katzenartig geschlitzt und grün leuchtend zusammen, betrachtete seine Frau liebevoll, die über ihm gebeugt stand, und legte seine Hände mit den dünnen Spitzen zärtlich auf ihren schwangeren Bauch. Er konnte schon das kräftige Strampeln von seiner ungeborenen Tochter wahrnehmen.

„Sie übt schon”, sagte Palwyr, streichelte seine Hände auf ihrem Bauch, um dann eine helle Haarsträhne aus ihrem Gesicht zu legen, sich vornehmend, wieder dekorative dünne Zöpfchen aus den Strähnen machen zu lassen, die so gut zu den Hornstreifen ihres Kopfes passten. „Sie wird eine gute Kriegerin, eine ausgezeichnete Wissenschaftlerin und die Mutter von mindestens zwanzig Nachkommen”, fügte sie scherzend hinzu. „Du aber sollst aufstehen und diese verrückten Taelons einzufangen versuchen. Die Beiboote sollen in (einer Stunde) losfliegen. Inzwischen verhört man in der Zentrale Blo'or weiter.” Sie informierte ihn nun, was inzwischen alles an Bord geschehen war, und Rj'lev fühlte Wut in sich aufsteigen. Sie konnten es nicht lassen, diese egoistischen Geschöpfe! Sie mussten wieder mit dem Salz anfangen! Am besten, man sprenge diesen vermaledeiten Planeten in die Luft!

Er ächzte, als er sich nackt vom Lager erhob. Er entleerte sich rasch über dem Loch der Toilette, dann schlüpfte er in die kalte Schlammdusche und ließ sich von der Spezialerde reinigen, die Düsen von allen Seiten in die Brause spritzten, und dann von den anschließenden heißen Wasser-, Sand- und Luftdüsen durchmassieren. Nach einigen (Minuten) trat er aus den Reinigungsraum und ging in den Eßraum. „Wie geht es dir?” fragte Palwyr besorgt, ihm neue Kleidung reichend. „Vielleicht solltest du ihnen sagen, du wärst krank. Es geht dir ja wirklich nicht so gut.” Palwyr war eine gute Frau.

„Das ist nur das Alter”, meinte Rj'lev. „Ach Palwyr!” Er umfasste ihr schönes gestreiftes Gesicht mit den Händen und rieb seine Nase zärtlich an ihre. „Du hättest einen schönen kräftigen jungen Mann verdient, nicht so einen alten wie mich. Ich weiß doch nicht einmal wieviel Zeit ich noch habe, und ob ich meine Kinder aufwachsen werde sehen können. Hätte Je'dir nicht diese unmögliche Hybridin Sy'la zur Frau genommen...” Er ließ sie ungern los und zog sich so rasch an, wie er konnte.

„Denk nicht dran!” erwiderte Palwyr. „Du bist ein guter Mann, und die einzige Pflicht, die eine Jaridian-Frau jetzt hat, ist, viele Kinder zu gebären, um unsere Art zu erhalten. Schönheit, Stärke und Jugend des Ehemanns ist Nebensache. Die Pflicht geht vor Leidenschaft. - Kann denn dir nicht einer der Taelons wieder von seiner Energie etwas abgeben? Du siehst wirklich müde aus.” Sie reichte ihm seine flüssige Proteinmahlzeit in einer Schale, die Rj'lev schnell austrank.

„Ka'sar bot mir das schon an, aber ich gehe doch nicht betteln”, meinte Rj'lev stolz und ebenso stur. „Und alle Energie der Taelons, und alle Medizin, kann das Altern nur aufschieben, aber nicht verhindern. Wir müssen tapfer sein, Palwyr: es wird der Tag kommen, da werde ich diese Ebene verlassen. Er ist nicht mehr fern. Ich hoffe nur, dass unser angewachsenes Volk eines fernes Tages nach Jaridia zurückkehren kann. - Wo ist mein Junge? Ich möchte ihn umarmen, bevor ich gehe.”

Rj'lev bemühte sich um einen festen, starken Gang, während er hinter seiner Frau in den jaridianischen Gemeinschaftsraum ging, wo Alexa, Wanjak und Hakar gerade das Miniatur-Modell eines Raumschiffs zusammenbauten. Der alte Soldat strich mit seiner Hand der kleinen Alexa begrüßend über ihr Haupt, kniff spielerisch Hakar in sie Seite, dass der auflachte und zog seinen Sohn Wanjak in seine Arme. „Ein wunderschönes Flugmodell”, sagte er dann lobend.

„Es kann sogar fliegen wenn es fertig ist, wie ein richtiges Schiff”, erklärte ihm Alexa.

„Ganz ohne Zweifel”, meinte Rj'lev. - „Seid schon lieb, meine Kleinen. Ich muss leider zum Einsatz. Ich hoffe, ich bin bald wieder zurück.” Er umarmte dann zärtlich seine Frau zum Abschied. Ihm war noch immer irgendwie nicht wohl, aber er musst fort. „Bis dann, also!”

„Sterne voraus für die Helden!” riefen die Kinder gemeinsam den traditionellen Soldatengruß hinter ihm nach, und machten sich dann weiter am Modell zu schaffen.

 
* * *
 

Zo'or hatte sich vollständig in die Energieform verwandelt, als sie auf die Wasserfluten traf, welche wie rasch fließender harter Beton mit unglaublicher Schwere auf sie niederprasselten, ihren Energiekörper beinahe durchlöcherten und zerrissen. Das Aufprallen und Durchfließen des Wassers verursachte Lichtblitze, funkelnde Zellen rissen sich von ihrer Taelon-Form los und vereinigten sich wieder mit dem Gesamtkörper. Die äußeren Lumpen, in die sie gehüllt war, rissen an einigen Stellen durch die Wucht des Falls. Das Wasser fuhr mit ihr tosend, schäumend und gewaltsam nach unten, schleuderte sie in den Fluten umher wie ein Pflanzenblatt. Jedes materielle Lebewesen wäre jetzt bereits tot und zerfetzt. Und dann spürte sie mit Entsetzen, wie sie die vollständige Energieform nicht mehr aufrecht erhalten konnte und immer mehr Haut materialisierte. Die Lichtblitze hörten auf, dafür drohte sie, zermalmt zu werden, aber da war sie bereits unten, dort wo der Wasserschaum sich beruhigte, um in die unterirdische Tiefe weiterzufahren, wo Turbinen eines gigantischen Kraftwerks der Fricks darauf warteten, angetrieben zu werden. Aber sie war ja nicht in der Mitte, sie war in all diesem Schaum und Wasser und Toben am Rand, schwamm im Sprudel, instinktiv, hielt sich irgendwo fest, drohte in die Mitte des Kessels zu rutschen, hielt sich fest, und noch ein Griff zur Seite und festhalten und ein weiterer Griff .... und sie hantelte sich hinüber, immer weiter zum Rand hin, in totaler Erschöpfung, kroch über den Rand des Beckens, spürte dass sie wieder Luft benötigte, obwohl Taelon, holte tief Luft, ließ sich in eine Art leeren Metalltrog fallen, der eben da war, von Arbeitern abgestellt für wer weiß welche Arbeiten, es interessierte nicht, sie verlor kurz vor Erschöpfung das Bewusstsein.

Als sie wieder im Trog erwachte, fühlte sich Zo'or wie ein Stück rohes durchgeklopftes Fleisch, so ziemlich alles tat weh, sie war fast nackt, und die restlichen Fetzen von Kleidung lagen unter und auf ihr. Die Taschen waren tatsächlich noch vom Reißverschluss zugehalten, hatten nur Löcher, aber ein paar Steine waren noch übrig und drei kleine Bomben. Erst jetzt kam ihr zur Besinnung, dass die Bomben in den Taschen auch explodieren hätten können, aber die Fricks waren technologisch offenbar weniger primitiv als sie angenommen hatte. Die restliche Bomben mussten wohl ins Kraftwerk gestürzt sein, und Zo'or freute sich an der Vorstellung, eine Turbine würde auf eine treffen und hochgehen, aber dann wäre es ja schon längst geschehen - na ja.

Gut, es war Nacht, sie durfte einfach nicht liegenbleiben, sondern musste Kleidung organisieren und eine Fluchtmöglichkeit finden. Sie vermutete, dass die Fricks wohl an Selbstmord glauben mussten, denn diesen Sturz hätte man nicht überlebt - es sei denn in einem energetischen Körper, und wer von den Fricks sollte so schnell auf diese Idee kommen? Sie gönnte sich noch einige Minuten und konsumierte die Energie eines Kristalls, dann schlich sich Zo'or lautlos wie eine Jägerin weg, hin zu den entfernteren Rundbauten, in denen die Familien der Fricks lebten.

Sie streifte ihre nassen Lumpen bei einem Haus ab, welches dunkel war. Sie legte ihre Hände an die Mauer. Offenbar war niemand zuhause, denn sie konnte keine Schwingung im Haus wahrnehmen. Die unversperrte Tür öffnete sich auf Knopfdruck. Die Bewohner vertrauten ihrer Gesellschaft immerhin soweit, dass sie alles unverschlossen liegen lassen konnten. Sie pflegten offenbar in kleinen hölzernen Boxen oder Trögen mit frischem duftenden Heu zu schlafen und liebten die Farbe dottergelb. Das Licht war grünlich, aber Zo'or wagte es nur kurz anzuschalten, um sich nur ja nicht zu verraten. In einem Schrank hingen Kleidungsstücke, nur dass sie Zo'or nicht passten. Also nahm sie eine größere dunkle dünne Decke, riss mit einem gefundenen Messer ein Loch für den Kopf hinein und zog sich das Ganze als eine Art Poncho über den Kopf. Um die Hüfte band sie eine Kordel und eine Tasche, in die sie die restlichen kleinen blauen Kristalle und die drei Bomben packte. Geeignetes Schuhwerk gab es keines. Sie vernichtete die nassen Lumpen, die sie hereinholte, im vollautomatischen Verbrennungsofen für Abfall, und hatte erst jetzt Muse, sich kurz umzusehen. Sie packte noch ein Messer in die Tasche, eine weitere Kordel und eine geladene Handfeuerwaffe. Vor einem Spiegel blieb sie stehen und sah zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren wieder ihr eigenes Abbild: Ein menschenähnliches Gesicht mit zierlicher Nase, vollem Mund, großen hellen Augen, sehr hoher Stirn. Wo kam nur der dunkelblonde archaische Haarflaum auf ihrem Taelon-Kopf her? Das musste wohl das Ergebnis der Anpassung der Taelon an die Menschen, besonders an Boone, gewesen sein. Eine schlanke große Gestalt, feine Hände. Und überall blaue Flecken auf ihrer Hauthülle. Zur Regeneration fehlte ihr die Energie.

Sie versuchte, alle verräterischen Spuren im Haus zu beseitigen; freilich, wenn die Bewohner Gegenstände zu vermissen begannen.... aber das brachte immerhin Zeit. Wo sollte sie hin? Natürlich in die Höhle des Löwen. Sie sah in den Nachthimmel hinauf. Die leuchtenden fliegenden Punkte verrieten, dass viele Raumschiffe über dem Planeten kreuzten. Kleinere Fluggeräte schienen da vorne bei einem größeren Gebäude zu landen. Der Plan war klar: sich anschleichen, ein Fluggerät stehlen und weg. Irgendwie Kontakt mit den Taelons und Da'an aufnehmen. Eigentlich unmöglich. Fing bereits damit an, wie sie als Nicht-Frick zum Gebäude gelangen sollte. Aber - da waren auch da und dort andere Völker auf der Straße um das Gebäude zu sehen: Beggels, Vrennen, Krtusch und Mijaxs, und ein paar andere, die Zo'or nicht kannte. Sie bückte sich, schmierte sich nasse Erde kunstvoll ins Gesicht und in den Haarflaum, und marschierte frech darauf los. Sollen sie doch rätseln, was sie war. Keiner von denen da würde einen dreckverschmierten Taelon mit Haarflaum und in Kutte erwarten. Plötzlich ergriff etwas Unsichtbares ihren Arm und zog sie in eine dunkle Gasse.

„Still Zo'or, ich bin da, um dir zu helfen!” hauchte es auf taelonisch, was verhinderte, dass Zo'or sich instinktiv zur Wehr setzte.

„Was...?” fragte Zo'or, da enttarnte sich für einen Moment ein schwerbewaffneter mehrarmiger Replikant. „Ich bin ein von Verbündeten erzeugter Scout. Ich soll die Situation auskundschaften und dir, sollte ich dich finden, bei einer Flucht helfen. Deine Energiesignatur zeigt mir mit wenigen Abweichungen an, dass du höchstwahrscheinlich Zo'or bist, obwohl du nicht so aussiehst. Ist das korrekt?”

„Andernfalls wäre ich schon tot”, vermutete Zo'or.

„Ebenfalls korrekt”, erwiderte die Kampfmaschine. „Es sind etliche Scouts im Tarnfeld über diesen Planeten ausgesetzt worden. Ich beobachte diesen Handelsstützpunkt. Priorität hat aber deine Flucht.”

„Sollte ich fliehen, müssen die Fricks maximal abgelenkt werden. Stimmst du mir zu?”

„Das ist richtig. Ich werde für maximale Verwirrung und Zerstörung sorgen.”

„Vor dieser Ortschaft, am Fuße des Wasserfalls, befindet sich ein Kraftwerk. Ich wünsche, dass dieses Kraftwerk zerstört wird. Eine Flutwelle wird die Folge sein. Das IST die größtmöglichste Zerstörung.”

„Ja”, erwiderte die Kampfmaschine.

„Und zur Linken des Wasserfalls, in diesem Berg, befindet sich eine Salzmine, und davor ein schwerbewaffnetes Fort, welches diesem Ort militärisch zu Hilfe kommen würde.”

„Ich verstehe. Bei deiner Flucht werde ich beide Ziele restlos zerstören.”

„Dann ist es gut”, sagte Zo'or zufrieden. Der Replikant würde alle Jahre der Schmach für sie vergelten, in seiner ganz besonderen Art und Weise. Er gab ihr ein kleines Signalgerät und verschwand dann lautlos und unsichtbar mit seinem Tarnfeld in die Nacht.

 
* * *
 

Zo'or war, nach einigem Suchen, auf das Dach des großen Hauptgebäudes geklettert und von dort über die nächtlich ruhenden Lagerhallen wie ein Dieb weiter nach unten geschlichen. Einen postierten Wachen hatte sie vorsorglich getötet. Nun hockte sie versteckt hinter einem kleinen Balkon und beobachtete durch die Zieröffnungen des Geländers das, was (6 Meter) unter ihr im großen Innenhof des Handelshauses ablief. Wachen marschierten auf, aber sie waren nicht auf der Suche nach ihr, nein sie erwarteten offenbar eine prominente Persönlichkeit. Da kam der aufrechtgehende wildschweinähnliche Frick auch schon. Im Pelz glitzerten Edelsteine, seine Hauer waren vergoldet, und er trug einen edlen Anzug, der Arme und Beine freiließ. Ehrfürchtig wurde er von den anderen begrüßt. Und dann landeten mitten im Innenhof zwei kleine Fluggeräte, und Zo'or traute ihren Augen kaum: ein Taelon stieg aus, der sich forschend umsah, und drei junge Wesen, die Taelons waren und wieder nicht, die eher wie sie selbst aussahen. Waren das etwa die neuen Kinder? - Den älteren Taelon kannte sie - ja richtig, das war Dar'den, der vor langer Zeit verschollen ging. Zwischen den Fricks und den Taelons wurde gleich so eine Art Translator aufgestellt, und andere Fricks begannen damit, Kisten mit - der Minenaufschrift nach offenbar kleinen Kristallen? - in die kleinen Fluggeräte zu packen. Zo'or achtete darauf, sich nur ja nicht durch Energie oder Gedanken zu verraten, denn das Erscheinen der Taelons hier war ihr nicht geheuer. Wollte man sie freiverhandeln, oder war das ein Verrat? Was sollte das?

„Ich grüße dich, ehrwürdiger Pentadux!” sagte Dar'den, legte seine Linke auf die Brust und streckte die Rechte mit der Handfläche nach oben aus. Der Pentadux, soviel wusste Zo'or, war einer der fünf Machthaber der Fricks. „Wie ich feststellen konnte, sind immer mehr Völker an den Handel mit dem Salz interessiert. Deine Geschäfte laufen glänzend. Ich bin hier, um ebenfalls einen Vertrag abzuschließen und in die alte Gemeinschaft zurückzukehren, die wir Taelons mit dem Salz eingegangen sind. Zum Beweis habe ich dir wichtige Dinge mitgebracht.”

„Stört es dich nicht, dass wir Zo'or gefangen gehalten haben?” fragte der Pentadux. „Immerhin war er einmal eurer Anführer!”

„Zo'or war ein Verräter am Gemeinwesen und an allem, was uns Taelons ausgemacht hat. Ein Mörder. Am Ende verwandelte er sich in einen Atavus. Er war kein Taelon mehr. Es interessiert mich nicht, was du mit ihm machst.”

„Gut so!” erwiderte der Pentadux. „Er hat ohnehin Selbstmord begangen.”

„Selbstmord?” fragte Dar'den verwundert. „Nein, ich spüre, dass er noch lebt.”

„Interessant”. Der Pentadux gab einem der Wachen einen Wink, der entfernte sich eilig. „Und nun zum Geschäft. Ich überlasse dir soeben mehrere Kisten mit den Kristallen. Der geheime Machthaber möchte euch rechtmäßige Taelons wieder als überlegene Rasse sehen und ist sogar bereit, euch die Technologie zu geben, um wieder das Salz anreichern und von Core-Energie leben zu können. Wir werden euch mit den zwei Fluggeräten zu einer neuen Heimat bringen und euch regelmäßig mit Salz, mehrere Energieduschen und allem, was ihr benötigt, versorgen. Der Machthaber ist sehr großzügig! Als Gegenleistung überlässt du mir das ganze Schiff, dass euch hergebracht hat, mit allen Insassen zum Studium, für Versuchszwecke und für die Minen.”

„Was?” entfuhr es Mi'nou, die wie die anderen jungen Taelons bislang still gewesen war.
„Das war doch nicht ausgemacht, Dar'den. Wir können doch unsere Freunde nicht...”

„Sei still!” fuhr Dar'den sie an. „Ein großer Gewinn rechtfertigt einen hohen Preis. Es geht um die Zukunft unseres Volkes. Sentimentalitäten sind dabei fehl am Platz.”

„Aber...” begann nun auch Pa'lol. Allen dreien schien soeben aufzugehen, welchen verhängnisvollen Fehler sie gemacht hatten.

„Die anderen hatten ihre Wahl.” - Dar'den hatte plötzlich einen Datenträger in der Hand, die er aus einer versteckten Tasche seines blauen Bio-Anzugs gezaubert hatte. „Hier”, sagte er, im Begriff, den Datenträger an den Pentadux auszuhändigen, „meine Bezahlung. Alle Daten und Codes vom Schiff. Wir haben überall Geräte installiert, die die künstliche Bordintelligenz für Stunden lähmen werden. Lang genug, das Schiff zu entern und zu übernehmen. Die Überraschung wird vollkommen sein!”

Mi'nou stürzte sich zwischen Dar'den und dem Pentadux und versuchte, dem Taelon den Datenträger aus der Hand zu schlagen. Einer der Wachen, der die Attacke des Taelonmädchens als Angriff auf seinen Fürsten wertete, schoß. Mi'nou sank tödlich getroffen zusammen und begann dann, sich ganz langsam in Funken aufzulösen.

„Mi'nou! Mi'nou!” Zo'nan warf sich total unglücklich vor die Leiche auf die Knie, doch da waren nur noch entschwindende Funken übrig. „Mörder!” rief er dann anklagend gegen Dar'den. „Verräter! Wie konntest du uns das antun!”

„Und du bist der nächste, wenn du nicht still bist!” herrschte der Pentadux den Jungen an. „Schau, was ihr gemacht habt! Der Datenträger ist zerstört!” Er kam drohend näher und versuchte nach dem jungen Taelon zu treten, doch wich dieser nach hinten aus. Der Pentadux stellte sich daraufhin zornig vor Dar'den auf: „Aber alles ist ebenso in deinem Verstand gespeichert, nicht wahr, Taelon? Du gibst mir alle Daten, und wir sind immer noch im Geschäft! - Wachen! Zeichnet alles auf!”

„Gut...” antwortete Dar'den zögernd, noch immer auf den Ort sehend, wo Mi'nou sich soeben aufgelöst hatte. Es musste wohl so sein. Er setzte gerade an zu sprechen, da traf ihn der Strahl einer Waffe. Völlig erstaunt fiel er zusammen und löste sich auf. Zo'or hatte von oben geschossen und den Verräter rechtzeitig getötet.

Während die zwei jungen Taelons erstarrt dastanden, erschoss Zo'or den Pentadux als nächsten und begann dann, auf die Wachen zu feuern. Pa'lol entriss dem toten Pentadux seine Waffe und begann ebenfalls zu feuern, während Zo'or mit verschmiertem Gesicht, barfüßig, mit flatterndem Poncho wie eine Rachegöttin und leicht wie eine Feder vom Balkon heruntersprang und auf die zwei Kapseln zulief. Zuvor hatte sie von oben die drei Minibomben Richtung Ausgänge geworfen. Sie explodierten mit Wucht und töteten viele der Soldaten. Zo'nan, endlich wieder auf den Beinen, begriff und begann ebenfalls in Richtung Fluggeräte zu laufen. Er war zu schnell. Eines der Kapseln wurde von einer schweren Schusswaffe an einer sensiblen Stelle getroffen und explodierte - und riss Zo'nan ebenfalls mit in den Tod. Pa'lol, bei der zweiten Kapsel angekommen, wollte zurück zur sich auflösenden Leiche laufen, doch Zo'or riss ihn zurück und stieß ihn in das Fluggerät.

Zitternd setzte Pa'lol sich vor die Steuerung und sah Zo'or entsetzt an. „Weißt du, wer ich bin?” fuhr ihn Zo'or an.

„Du bist Zo'or...” stammelte Pa'lol.

„Dann weißt du, dass ich dich erschieße, wenn du nicht tust, was ich dir sage! Starte, aber sofort!”

Der Junge begriff endlich. Das Fluggerät hob ab und zischte durch das offene Dach nach oben, während Zo'or den Signalgeber drückte. Es gab einen furchtbaren Knall, als das Kraftwerk in die Luft flog. Dem Wasser des Mega-Wasserfalls, hochgepumpt aus den Tiefen des Planeten, wurde dadurch der Weg zurück in die Tiefe versperrt - es suchte sich einen neuen Weg: Mitten durch die Ortschaft des Tales. Der eintreffende Schaum des gigantischen Flusses riß aufwirbelnd die Erde mit sich, begrub die kleinen Häuser mit ihren Bewohnern, erreichte das Handelshaus und die Schiffe am Boden und wirbelte sie hinweg, stieg immer höher, löschte schließlich das brennende Fort des Gefangenencamps, in dem der Replikant keinen der Soldaten am Leben gelassen hatte.

 
* * *
 

Ein geheimes Signal eines Replikanten besagte, dass Zo'or offenbar lebend gefunden worden war. Da'an stand in der Zentrale, und beobachtete, wie Mur'ru die Beiboote und das Schiff zur Schlacht über dem Planeten bereitmachte. Es war klar, dass ein Schiff alleine - und sei es die Roleta, nicht lange gegen die stationierte Übermacht der Fricks bestehen konnte, doch hoffte Da'an, dass die Zeit ausreichen würde, Zo'or und die geflohenen Taelons aufzugreifen und an Bord zu bringen. Dann wurde plötzlich eine Schießerei bei dem besagten Handelszentrum gemeldet, das der Standort des Scouts gewesen war, der Zo'or entdeckt hatte. Eines der Fluchtkapsel konnte plötzlich wieder geortet werden und meldete sich, während darunter offenbar ein Inferno über die Bevölkerung hereinbrach. Das zweite Fluggerät war offenbar zerstört worden, wie die Untersuchung einer vorher stattgefundenen Explosion ergab. Die Aufgabe der Beiboote und Roletas war es nun, sowohl soviel Zerstörung militärischer Anlagen und Schiffe um und auf dem Planeten zu bewirken als möglich, als auch den Rückflug der Kapsel zum Schiff zu decken. Die allergrößte Sorge war, dass die geheimen dunklen Fremden, deren Schiffe Roleta geradezu Angst eingeflösst hatten, und die noch vor Kurzem in der Gegend gewesen waren, zurückkehren und eingreifen würden. Doch das geschah zum Glück nicht. Die Kapsel kehrte an Bord zurück, ebenso 19 Beiboote, davon drei schwer beschädigt. Fast hätte es Sy'la erwischt, die in einem der drei unterwegs gewesen war. Die Leute mussten in die Krankenstation. Ein viertes Beiboot, das mit Rj'lev und einigen menschlichen Besatzungsmitgliedern, war vernichtet worden.

Die Roleta zog sich umgehend aus der Gegend des Salzplaneten zurück. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass die Fricks die Verfolgung des Angreifers aufnehmen würden, doch das taten sie eben nicht, so als seien sie momentan verwirrt und führungslos. Immerhin gewann Roleta dadurch Zeit, gewisse Schäden und Manipulationen an Bord zu beheben. Die Trauer Palwyrs und Wanjaks um den alten Jaridian war herzzerreißend, und Trauer herrschte auch unter den Angehörigen der menschlichen Opfer. Der Verrat hatte Dar'den und zwei jungen Taelons das Leben gekostet - darunter Mi'nou, Da'ans eigenes Kind. Dafür war Zo'or wieder zurückgekehrt.

 

Ende von Kapitel 8

 

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