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  „Die Puppenspieler” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Oktober 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorinnen.
 
Thema:  Eine fremde furchterregende kristalline Intelligenz offenbart sich auf der Erde und auf London und erzeugt gefährliche Besessene und Horrorgestalten. Während Ko'lan Hilfe von der Wawa-Lebensform sucht, fragen wir uns: was geschah mit Zo'or?
Zeitpunkt:  das Jahr 2334
Charaktere:  Zo'or, William Boone, menschliche Gefangene und Soldaten der Fricks; auf der Erde: Audre, Fingers, Colt, Massimo Jiello, General Rebelliand, Inspektor Whitewater; Dunkelmächte und Kristallintelligenzen; auf Sondermission: Ko'lan, Ariel mit Tochter Bethany, Qui'sa und die Zasa-Anführerin „Weißes Schaf”; auf London: die Taelons Ho'shin, Pri'nur und Mis'rai, Inspektor Llewelyn, Muriel Hogarty.
 

 

DIE PUPPENSPIELER

Kapitel 7

 

Teil 2

General Rebelliand sah aus dem Fenster scheinbar interessiert hinüber zum neuen Apartmenthochhaus für Familien, an dem soeben die Wohneinheiten die 500 Meter festgelegte Höchsthöhe emporgezogen wurden. Wohneinheiten, die wie überdimensionale fixe Liftkabinen mit rundlichen Kanten, alle von der Größe eines mittleren Hauses, an ausgeklügelten Schienen emporglitten, bis sie ihren fixen Platz im Hochhaussystem erreichten. Da hingen sie dann mit ihrem virtuellen Glasfronten und Balkonen, aufgereiht wie auf verknüpften Schnüren, in allen Farben. Wer auszog, nahm seine ausgehakte Hauskabine einfach mit zu seinem neuen Standort. Die Idee des amerikanischen reisefertigen Trailers, perfektioniert um die 3. Dimension, der Höhe. Zwischen den Häuserperlen hängende kleine Kunstwerke, Gaststättenkabinen, Geschäfte, Schulräume. Jedes Hochhaus ein kleines Dorf. Durch die gemeinsam benützten Interdimensionsportale waren die Außenbezirke der Stadt mit einem Schritt erreichbar, wo die einen oder anderen ihre Gärten angelegt hatten. Die Neubauten der Stadt wuchsen empor, immerhin betrug der Prozentsatz der Kinder - dank der momentanen hohen Geburtenrate - 25 Prozent. Da brauchte man Wohnraum, ohne das Umland völlig zu zersiedeln. Rebelliand hatte gehört, dass der Architekt drüben sogar im Inneren einen kleinen Bach spiralig und stufenartig mitten durch das breite Innere des Towers hinabfließen ließ, mit Zierpflanzen an den Ufern. Na gut, das Innenministerium besaß dafür einen Landeplatz für Rotorplane auf dem Dach. Auch etwas.

„Sogar Schulkinder sind bereits süchtig nach Blue”, berichtete Whitewater. „Die Süchtigen verleiten die anderen zum Konsum, da müssten wir die Befallenen in Quarantäne-Camps stecken, um die noch Gesunden zu beschützen. Sie verseuchten in Clairfield die Kantine der Schule mit Blue. Jetzt sind dort alle süchtig. Wir leben mit einer verfluchten tödlichen Bedrohung. Nur noch kurze Zeit, und alle verfallen dem Siechtum. Die Polizei hinkt einfach hinterher.”

„Wir müssen entweder die Süchtigen auf eine abgeschirmte Insel bringen, oder aber die Gesunden”, meinte der General zögernd. „Das wäre aber das Ende der Demokratie, das ist klar. Aber selbst dann ist ungewiss, ob die Gesunden sicher wären. Einige Astronomen schwören darauf, dass dieses kristalline Element aus dem Weltall herunterstaubt. Mit unseren einfachen Raumschiffen konnten wir Bluepartikel in weiten Schleiern rund um die Erde treibend feststellen. Vor einigen Jahren waren sie noch nicht da. Irgend jemand oder irgend etwas hat es hierhergeweht. Auf der Oberfläche der Erde angekommen, klumpt sich die Sache zusammen und verschwindet anschließend spurlos.”

„Wir konnten einige Mitglieder der ‚Schatten’ festnehmen”, setzte der Inspektor fort. „Die internationale Fahndung hatte Erfolg. Sie sitzen in Telepathie-gesicherten Räumen. Diese Psi-fähigen Personen hatten nichts Besseres mit ihren Gaben zu tun, als sie kriminell anzuwenden. Immer wieder gab es Diebstähle und Betrügereien, obwohl die Blütezeit dieser ‚Schatten’ noch vor dem Tzek-Krieg lag. Die Verhöre ergaben, dass ihre frühere Chefin, eine Alte namens Audre, plötzlich wieder putzmunter und verjüngt zurückgekehrt und der Organisation eine neue Zielsetzung gegeben hatte: der Menschenjagd. - Oder nein”, berichtigte sich Whitewater, „ genauer gesagt werden die Dealer von Blue gejagt und ermordet. Die Droge selbst wird vernichtet. Diese Audre muss eine Art Superfrau geworden sein, sie besitzt plötzlich so starke Psi-Fähigkeiten, dass die Mitglieder ihr geradezu hörig sind. Entweder hasst sie die Droge, oder aber sie will nur die Konkurrenten ausschalten und alleine verkaufen.”

Rebelliand drehte sich zu Whitewater um. „Plötzlich starke Psi-Fähigkeiten, gepaart mit gesteigerter Aggression? - Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.” Der planetare Sicherheits- und Abwehrchef ging auf ein als Palmen getarnten Interdimensionsportal zu und führte den Inspektor mit einem Schritt durch das Mini-Wurmloch in die medizinische Forschungsabteilung. Die dortigen Angestellten grüßten kurz, indem sie Rebelliand zunickten, und setzten ihre Arbeit vor den Reagenzgläsern und Gerätschaften fort. In einem hinteren Raum lag eine Leiche auf dem Tisch, fertig für die Autopsie. Der Gerichtsmediziner hatte auf die Ankommenden gewartet und setzte nun das Messer an. Ein länglicher Schnitt vom Hals bis zum Bauchraum. Zwei seitliche Schnitte zu den Schultern formten die Schnitte zu einem Y. Der Brustkorb wurde freigelegt und geöffnet. Der Bauchraum aufgeschnitten, die Organe waren zur Entnahme bereit.

„Sei bloß vorsichtig”, warnte der General besorgt. „Unterschätze die Kristalle nicht!” Die Anwesenden trugen eigene dünne Atemmasken gegen den Gestank, den die Lufttauscher nicht so rasch entfernen konnten.

„Ich weiß was ich tue”, brummte der Arzt. „Das ist nicht meine erste solche Leiche. Gebt jetzt acht.” Er schob mit langen halbautomatischen Griffeln die Organe beiseite. Er vermied es sorgfältig, mit seinem ungeschützten Körper der Leiche zu nahe zu kommen. Und da sah man es schon. Kristalline Schnüre wandten sich um einige Stellen der Muskel- und Nervenstränge. Die Leber sah geradezu gespickt aus. Der Arzt öffnete auch das Fleisch einer Hand. Dort dasselbe Bild. Der Arzt machte einen Rundschnitt am Kopf, schob die Haut wie einen faltigen Ärmel nach unten, öffnete den Schädel. Das Gehirn - auch hier kristalline Stränge.

Angewidert schüttelte der raue Inspektor den Kopf. „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Blue scheint sich überall im Körper angereichert zu haben!”

Da bewegte sich der geöffnete Leichnam. Er zuckte, die Muskeln kontrahierten, der skelettierte Schädel bewegte den Mund. Dann sackte die Leiche zurück auf den Tisch. Statt dessen bewegten und lösten sich einige Kristallstränge in der offen Leiche, richteten sich auf, als suchten sie etwas, um dann scheinbar wieder in Bewegungslosigkeit zu erstarren.

„Mein Gott”, entfuhr es Whitewater. „Was war denn das? Das da scheint ja zu leben!”

„So ist es”, bestätigte Rebelliand. ”Wir finden Blue nicht, weil es absichtlich verschwindet, um dann heimlich Opfer zu befallen. Und wenn wir es finden, stellt es sich reglos und tot. Es muss wenigstens eine Art kreatürliche Intelligenz besitzen, wie ein Virus. Wir kennen Typen von Viren - ich denke nur an die Erreger der Tollwut - die gezielt Nerven- und Gehirnbahnen befallen und den Wirt zu ihrem Gunsten beeinflussen, um sich weiter zu verbreiten. Bei Tollwut lässt der Erreger die Tiere sich harmlos an andere Lebewesen annähern, um sie plötzlich zu beißen. Über den schäumenden Speichel gelangt der Erreger in die Blutbahn des neuen Opfers. Hier muss es mit der Lebensform ähnlich sein.”

„Und wenn es wesentlich intelligenter ist?” gab Whitewater zu bedenken. Er war der geborene Pessimist. ”Vielleicht steigt die Intelligenz proportional zur geballten Menge an Blue. Bei außerirdischen Lebensformen ist doch alles möglich.- Was passiert jetzt mit der Leiche?”

„Sie muss chemisch aufgelöst werden”, antwortete der Gerichtsmediziner. „Natürliche Verbrennung genügt da nicht. Das Zeug macht sich selbständig, verschwindet aus der Leiche und befällt einen Menschen in der Nähe. Wir haben einige Kollegen verloren, bis wir das entdeckt haben.”

Während der General und der Inspektor die Autopsie verließen, veranlasste der Arzt die Beseitigung der Leiche. Whitewater hatte eigentlich genug gesehen, aber offenbar hatte sein Chef eine weitere Überraschung für ihn. Jetzt ging es zu den Physikern.

„So, eine weitere niederschmetternde Antwort, damit du und dein Team wissen, womit wir es zu tun haben”, sagte Rebelliand.

Das wurde nun vom stellvertretenden Leiter der Abteilung erläutert. Blue - das kristalline Salz - war eine Lebensform, die auf kleinste subatomare Teilchen basierte, und als deren Informationsträger zwischen den Subteilchen wurden frei fliegende Quanten benützt. Die Teilchen selbst waren so klein, dass sie sowohl Welle als auch Teilchen sein konnten; genauer gesagt konnten sie auch als reine Energieform auftreten und so weite Reisen durch das Weltall unternehmen, um dann irgendwo wieder - gezielt? - als Teilchen zu manifestieren. Teilchen, die sich zu lebendigen Kristallen verklumpen konnten. „Wir haben keine Ahnung, wie so eine Lebensform existieren kann, noch wie sie entstanden sein soll. Und es gibt keinen Schutz gegen sie - nirgendwo.”

„Die Gesunden können sich unter einem Schutzschirm zu verkriechen suchen, ich weiß nicht, ob das hilft”, sagte der General. Es klang bitter. „Die Wahrscheinlichkeit ist eher die, dass wir früher oder später alle verseucht sind und dann sterben. Ich frage mich, wie die Taelons damit überlebt haben. - Nein”, spekulierte er weiter, „ die waren Energiewesen, dank der Gene der Kimera. Das rettete ihnen das Leben. Doch sie konnten sich körperlich auch kristallisieren. Der Taelon Da'an hat das einmal getan, und dann gab es diese Seuche auf der Erde...”

„Die Taelons besaßen eine andere Art von Kristallen”, widersprach der Physiker. „Menschen waren scheinbar immun dagegen. Sonst hätten wir es längst damals bemerkt. Aber wer kann schon sagen, inwieweit die Energieduschen aus den mit Lebensenergie aufgeladenen Kristallen das ameisenartige kollektive Verhalten der Taelons gesteuert haben? Je größer das Kollektiv, desto höher war ihr Bewusstsein. Vielleicht war die Angst vor Ansteckung und kollektivem Befehl durch Fremdlebewesen mit ein Grund für die Jaridians, alle Taelonwelten zu verbrennen. Die Jaridians müssen sich mit Nanotechnologie und Kristallen befasst haben. So konnten sie ihre Replikanten erschaffen. Sie haben diese Dinge erforscht.”

„Das sind doch alles Spekulationen”, gab Rebelliand zu bedenken. „Das Bewusstseinskollektiv können sie auch von alleine erschaffen haben als Folge ihrer langen Evolution. Diese Spezies war ja uralt. Solche Theorien zur spirituellen Entwicklung gab es schon in den ältesten Formen mystischer und religiöser Ideen auf der Erde. Und dann kam bei den Taelons noch das kimerische Erbe hinzu.”

Die beiden begaben sich mit dem Interdimensionsportal zurück ins Ministerium. „Eins ist sicher”, meinte der Abwehrchef, „wir benötigen dringend Informationen. Diese Audre könnte vielleicht mehr wissen. In unserer Notlage ist zu bedenken, dass wir die Zusammenarbeit selbst mit kriminellen Elementen suchen müssen, wollen wir überhaupt eine Chance haben. Finde sie, egal wie. Wir müssen sie verhören oder zumindest mit ihr sprechen.”

 
* * *
 

„Audre”, weckte die geistige Stimme in ihr sie auf. „Verfolger sind da. Entweder ich töte sie, oder wir fliehen.”

„Nein”, widersprach die Frau dem inneren Geist. „Du kannst nicht immer töten!” Sie erhob sich ächzend aus dem Haufen von Wäsche, die sie in der Wäschefabrik zu einem Schlafplatz zusammengetragen hatte. Hier waren keine Arbeitsroboter, und die wenigen noch arbeitenden Menschen kamen nachts nicht hierher. Sie waren mit ihrer Sucht beschäftigt oder quietschfidel und hyperlustig in der Kantine.

Vorsichtig hob Audre mit den Händen eine große Hausspinne vom Boden hoch und setzte sie auf einem Regal ab, um sie nicht zu zertreten. „Leben ist kostbar. Alles hier an Leben ist verschieden, und hängt an seiner Form. Man darf Formen nicht grundlos vernichten. Ohne Form ist der Mensch kein Mensch, die Spinne keine Spinne. Selbst wenn wir gleichzeitig Energiewesen sind. Du aber bist nur ein Energiewesen, hast immer dieselbe Form. Nein, nicht Form - du bist nur Zustand. Ein energetischer Zustand. Du weißt nicht, wie das ist, der Tod der Form.”

„Ich weiß wie es ist, in einer körperlichen Hülle zu sein. Und ich weiß wie es ist, ein Kristall zu sein. Es sind nur andere Aggregatzustände.”

„Nein, das bedeutet schon mehr. Du steckst in einer Hülle, aber du bist nicht die Hülle. Dich kümmert es wenig, Hüllen - wie du es nennst - zu erhalten, du siehst immer nur die energetische Essenz darin. Hüllen sind für dich beliebig austauschbar. Du denkst nur an deren Nützlichkeit für dich und deinesgleichen. Wir können es uns nicht so einfach machen, wir müssen unsere Körperformen erhalten!”

„Eben für diese Erfahrung beneide ich dich”, erwiderte die Stimme. „Du nimmst den Kosmos völlig anders wahr als wir. Indem alles für euch so schwer ist, könnt ihr lernen. Wir aber stehen still, stagnieren und lernen nichts mehr. Wir kennen alles, und es ist ermüdend. Wir sind Energie, und nichts kann uns anhaben, seit wir gelernt haben, geistig umherzustreifen. Nichts ist anstrengend und der Mühe wert. Wenn wir wissen wollen, wie es ist, zu leben, müssen wir uns Hüllen ausborgen, uns damit tierische Felle überziehen und träumen. Es ist so langweilig, dass die Essenz von uns beginnt, zu erlöschen. Irgendwann wird unsere Kindform einfach tot sein, und nur Staub wird übrigbleiben. Aber es ist leider nur schwer möglich, geeignete lebende Hüllen zu finden. Sie gehen immer so schnell zugrunde!”

Audre stand zu sehr unter Einfluss, um das Grauen in den Worten und Bildern vollends zu begreifen. Sie spürte nur das innere Drängen in sich, ihr Bestens zu tun, um der wohlwollenden inneren Stimme zu helfen, die sie so mit ihrem Licht und ihrer Kraft durchtränkte.

„Du hast mich abgelenkt”, beschwerte sich ihr geistiger Gast. „Deine Leute sind soeben verhaftet worden. Sie müssen befreit werden, damit wir diese pervertierte Droge zerstören können. Irgendwo muss der Königskristall sein, das Zentrum. Wenn das manipulierte Salz sein kollektives Bewusstsein verliert, wird der Rest absterben. - Wir müssen jetzt fliehen.”

Audre dehnte ihr inneres Licht kugelförmig um sich aus. Wo das geistige Licht hinkam, verdampfte Materie, zerschmolz wie Butter. Feuer brach aus. Audre hörte die entsetzten Schreie der Polizisten mit ihren Abschirmbändern um der Stirn. Sie waren nicht mehr schnell genug, um das Gelände zu verlassen. Ihre Asche zerstreute sich im Inferno des Feuersturms der Fabrik, durch deren Flammenwand Audre ungehindert und unversehrt schritt und in der Nacht verschwand.

 
* * *
 

Der Rotor hob geräuschlos vom Boden ab, an Bord fünf Verhaftete: ein alter humpelnder Mann, eine jüngere blasse Frau mit braun-blond-gesträhnten kürzeren Haaren, zwei kräftige Farbige mittleren Alters und eine ältere asiatisch aussehende Frau. Die anderen Polizisten am Boden versuchten noch immer, Audre zu lokalisieren und festzusetzen. Sie musste irgendwo dort unten in einem der leeren Fabriksgebäude sein.

„Macht euch nicht die Mühe”, brummte der Alte. „Audre erwischt ihr ja doch nicht, die ist für euch viel zu schlau.” Er kratzte sich über die grauen Bartstoppeln. Da haben ihn die Bullen doch noch geschnappt, auf seine alten Tage hin! Schande, das. „Mit mir könnt ihr's ja machen, bin nicht mehr so schnell wie früher. Aber damals, da hätte ich es euch schon gezeigt! - Feige Bande!”

„Weswegen sind wir überhaupt festgenommen?” wollte Colt wissen. „He, wir haben gar nichts getan, nur hier übernachtet. Das ist doch kein Verbrechen, oder?”

„Was seid ihr überhaupt für Polizisten?” beschwerte sich einer der Farbigen. „Ihr habt mich geschlagen, jawohl geschlagen! - Hier”, er zeigte auf seinen Ellbogen, „der Arm ist bestimmt angebrochen. Verklagen wird’ ich euch!”

„Haltet euer Maul!” befahl einer der Polizisten. „Es reicht, wenn ihr unsere Maschine vollstinkt. Wir müssen nicht auch noch eure blöden Sprüche anhören.”

„Ich möchte sofort meinen Anwalt sprechen”, sagte die alte Asiatin, „ich...”

Da explodierte etwas wie ein Feuerball am Boden und fegte die Gebäude wie eine Brandbombe hinweg. „Mein Gott!” rief der Pilot der Maschine. „Seht euch das an!”

Der andere Polizist am Steuerpult rief durch den Lärm hindurch sofort per Funk nach Hilfe. „Da!” rief der andere überrascht. „Da läuft ja unten einer weg, mitten durch die Flammen hindurch. Unglaublich. Das überlebt doch niemand.”

„Nicht landen!” hörte man auf der Gegenseite den Befehl. „Nähert euch dieser Person nicht! Sie ist zu gefährlich. Unterstützung ist unterwegs. Geht auf Sicherheitsabstand hoch und bringt dann, wenn die anderen da sind, die Gefangenen zum Verhör hierher.”

„Das ist sicher Audre”, kicherte der Alte und klopfte mit den Händen vergnügt auf die Sitzbank. „Was die alles drauf hat, wer hätte das je gedacht. Da schaut ihr, was?”

Der Wachmann sah ihn ziemlich böse an, sagte aber nichts. Schließlich waren da unten gerade einige Kollegen gestorben.

 
* * *
 

„Wir begrüßen euch”, sagte die Schlange „Weißes Schaf”, die das Beiboot des Zefirschiffes an Bord holen ließ. Das Beiboot, unterwegs nach Wawa, war plötzlich auf das Zaza-Schiff gestoßen.

„Wir danken und begrüßen euch ebenso. - Wolltet ihr euch nicht in das Universum zu Forschungszwecken begeben?” fragte Ko'lan zurück.

„Wir sind nur überrascht, euch wiederzusehen”, beeilte sich Qui'sa zu ergänzen. Typisch Ko'lan - was versteht ein taelonischer Wissenschafter schon von Diplomatie! „Wir sind glücklich, dass ihr wohlauf seid, und freuen uns auf einen Erfahrungsaustausch über die letzten Jahre.”

„Erfahrungsaustausch?” erwiderte das „Weiße Schaf”. „Du musst einer der jungen Taelons sein - Qui'sa, nicht wahr? - Was tut ihr hier, in dieser Gegend des Weltraumes?”

Irgendwie konnte Ko'lan nicht glauben, dass die Zaza-Anführerin das nicht wusste. Zumindest telepathisch musste sie bereits jetzt wissen, was die Besatzung vorhatte.

„Ich weiß, was geschehen ist und dass ihr nun die Wawa-Intelligenz aufsuchen wollt, damit sie euch hilft, Kontakt mit der kristallinen Intelligenz auf dem Salzplaneten aufzunehmen”, gab die Zaza nun zu. „Es ist der Wunsch der Alten Völker, dass wir bei der Lösung behilflich sind. Daher werden wir euch nach Wawa bringen. Und dann - werden wir sehen.”

„Die Menschen auf der Erde sind süchtig und werden sterben. Haben die Zaza ein Gegenmittel?” fragte Ariel direkt. „Könntet ihr uns helfen?”

„Das beste Gegenmittel wäre der Wille, nicht süchtig zu werden und zu sein”, erwiderte das Weiße Schaf. „Ist nicht DAS das eigentliche Problem - dass man immer im Zustand des Glücks und Allwissenheit verweilen möchte, egal was es kostet? Macht persönliche Macht oder Wissen glücklich? Macht Unsterblichkeit glücklich? Oder macht der Verlust des eigenen Denk- und Entscheidungsvermögens glücklich? Es gibt zum Glücklichsein keine Abkürzung als die eigene Entwicklung, und doch werden immer verbotene und sinnlose Abkürzungen gesucht. Darin seid ihr Menschen nicht anders als alle anderen Völker.”

„Ist eine Hilfe möglich?” wiederholte Ariel. „Philosophie bringt uns im Moment nicht weiter.”

„Es ist nur eine Entfernung des Salzes möglich. Vielleicht.”, gab die weiße Schlangenexistenz zur Antwort. „Ihre Suche nach dem schnellen unverdienten Glück müssen die Menschen selbst bewältigen.”

 
* * *
 

„Audre wird uns finden”, sagte Fingers, „und dann werdet ihr schon sehen. Uns festhalten, bah!”

„Wir wissen von euch schon alles. Wir haben Geräte, mit denen man Erinnerungen abrufen kann. Weiterentwickelt von den Taelons. Du hast so viele kriminelle Delikte begangen, dass wir dich sofort ins Gefängnis befördern könnten. Aber wir bieten dir einen Tausch an; wir wollen mit dieser Audre sprechen. Oder genauer gesagt, mit der Intelligenz, die sich ihrer bemächtigt hat.”

„Ihr glaubt, Audre sei besessen? - Ja, vielleicht habt ihr recht. Früher war sie nie so. Ja, ein feines Paar waren wir, haben so manches zusammen ausgeheckt. Ist immer fair gewesen, die Frau. Aber jetzt redet sie mit sich selbst, kann alle möglichen Sachen, die sie früher nicht draufhatte. Bringt Leute um. Das war nie ihr Stil. - Und jetzt gebt mir gefälligst einen Schnaps!”

Whitewater goß ihm ein halbes Glas Rum ein und schob ihm das Glas hin. „Echter Rum, aus Jamaika. Was anderes ist nicht da. - Warum ist den Schatten nie die Idee gekommen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten? Oder die Begabung sonstwie sinnvoll einzusetzen? Ich denke mir, mit dieser Begabung hätten die Leute auch legal die Möglichkeit gehabt, viel Geld zu verdienen. Warum diese Diebstahlstouren?”

„Ist nun mal so”, brummte Fingers. „Audre wollte immer unabhängig sein. Nicht der Sklave von irgendeinem. Alles muss sich nach Normen drehen. Vorschriften hier, Vorschriften da. Vorschriften sogar für's Clo. Alles Mumpitz.” Er kostete vom Rum, verzog sein Gesicht; sein eigener Gebrannter schmeckte besser. Er kniff die Augen zusammen und besah sich mit kurzsichtigem Blick die Liste mit den Vergehen, die da als Ausdruck angeführt waren.

„Vermittele einen Kontakt, und diese Liste da wird gelöscht”, bot Whitewater an.

„Damit ihr sie umbringt? Dem Staat ist jede Schweinerei zuzutrauen.”

„Damit wir mit ihr SPRECHEN. So leicht kann man dieses Wesen nicht umbringen, wie du inzwischen mitbekommen hast. Wir müssen wissen, was es eigentliche hier auf der Erde will.”

Fingers überlegte. „Ich möchte ein richtiges kleines Haus, nicht so eine Ruine wo ich wohne. Und Colt soll auch mitkommen. Und ihr dürft natürlich Audre nichts tun. Nur reden.”

„Nur reden”, bestätigte Whitewater. „Bring sie dazu, mit uns zu reden.”

„Sie kommt bestimmt hierher”, sagte der Alte. „Wir müssen nur warten.”

 
* * *
 

Inspektor Llewelyn und seine inzwischen genesene Assistentin Muriel Hogarty sahen sich in der Taelon-Villa um. Irgendwie sah es hier doch anders aus als bei Menschen. Eindeutig dominierten hier überall die Farben blau, rosa, violett und weiß. Offenbar bevorzugten Taelonaugen ein anderes Lichtspektrum als Menschen. Es gab nur eine spärliche Möblierung, dafür standen überall Vorrichtungen mit liebevoll gezogenen Pflanzen aller Art, die dezent beleuchtet wurden, und da und dort eine abstrakte Skulptur. Ein junger Taelon führte die Gäste
ins Empfangszimmer mit für Menschen bequemen Sitzmöbeln und bot ihnen höflich Tee und Kekse an, wie es in London üblich war.

Ho'shin verzichtete ausdrücklich darauf, eine erhöhte Sitzgelegenheit zu verwenden, sondern setzte sich mit Mis'rai und Pri'nur zu den Gästen. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeitsfloskeln kam der Inspektor endlich zur Sache.

„Einmal möchte ich sagen, dass die Londoner Polizei der Ausbildung von Mis'rai nach dem Abschluss ihres juridischen und psychologischen Studiums zustimmt, wie sie beantragt hat. Wir von der Londoner Polizei begrüßen ausdrücklich die Integration der Neu-Taelons in unsere Gesellschaft.”

„Es ist für uns eine außergewöhnliche Situation, da die menschliche Gesellschaft anders strukturiert ist als es unsere alte taelonische es war. Es ist für mich etwas schwierig, mich damit anzufreunden”, gab Ho'shin, der frühere Richter und Rechtspfleger der Taelons, zu. „Doch Integration ist das beste für uns wenige, die es noch gibt. Wenn es Mis'rais Wunsch ist, so soll sie diese Wahl treffen.”

„Wir sind heute auch hier, weil wir um die Hilfe der Taelons ersuchen. Die Leiche des Vampirs wurde ins gerichtsmedizinische Institut überführt. Doch dann scheint sie sich selbständig bewegt zu haben. Man fand die Leiche im nahegelegenen Büro, dafür ist ein Mitarbeiter spurlos verschwunden. Die Leiche wurde später obduziert, doch nichts wurde dabei gefunden, nur merkwürdige Stiche auf der gesamten Haut, als hätte jemand mit Nadeln und Messern auf die Leiche eingestochen, oder etwas wäre von innen aus sie herausgebrochen. Was immer sie infiziert hatte, scheint auf den Mitarbeiter übergegangen zu sein. Mis'rai und Pri'nur hatten schon mal ein außergewöhnliches Geschick darin, den Vampir aufzuspüren, ich denke da auch an die speziellen Wahrnehmungsfähigkeiten der Taelons. Wir vom Dezernat hoffen, dass sie es nochmals schaffen.”

Ho'shin hatte zwar stärkste Bedenken, seine zwei Mündel gefährden zu lassen, doch die beiden Taelon-Mädchen wollten selbst bei der Suche mitmachen, und Llewelyn versprach hoch und heilig, auf sie aufzupassen. Die beiden kamen gleich mit zum gerichtsmedizinischen Institut. Dabei kamen sie am Zeitungsstand vorbei. „Monarchie abgeschafft!” stand dort in 3-D-Holo's zu lesen. „Lord Blair erklärt die Regentschaft der Königin Camilla III. für beendet und ruft die Republik aus.”

Die Mädchen sahen sich um. Sie „sahen” über ihre Auren-Wahrnehmung, dass an dem Ort, wo die Leiche des herumwandelnden Vampirs gefunden worden war, es eine starke Energieausstrahlung gegeben hatte. Jemand hatte sie aufgenommen und war mit ihr hinausgegangen.

„Also doch!” schimpfe Llewelyn. „Wir haben den Vampir nicht endgültig vernichtet. Jetzt geht es von vorne los!”

Immerhin hatten die zwei Taelons die Aurasignatur wahrgenommen und konnten, wie Spürhunde, diese Aura in der Stadt „erfühlen” und aufspüren. Die Spur führte nach zwei Tagen zu einer Dachkammer einer Freundin des neuen Opfers. Der Inspektor fand die Frau unten tot in der Wohnung. Mis'rai und Pri'nur warteten sicherheitshalber mit einigen Polizisten im Erdgeschoss, während sich Llewelyn mit seinen Leuten leise nach oben begab. Der Vampir, ruhend, überrascht, wandte sich der plötzlich aufgebrochenen Türe zu. Er war offenbar noch unerfahren, denn sonst hätte er einfach das Dach durchbrochen. Nein, er versuchte durch die Tür nach unten zu entkommen. Er war unheimlich schnell und stark, doch die Leute waren diesmal vorbereitet. Sie warfen ein energetisches Fesselnetz über den Mann, gerade als er zu entkommen suchte. Da stand er nun in der Ecke, umhüllt von einem Fesselfeld. „Keiner nähert sich diesem Monster! Haltet bloss Abstand!” rief der Inspektor.

Das Wesen öffnete den Mund und schrie wie ein wildes Tier. Er erschien plötzlich wie durch eine Wolke verdüstert. Was dann folgte, war das Füchterlichste, was Llewelyn je zu sehen bekommen hatte. Dunkle dünne Stacheln bohrten sich diesem durch das blutende Fleisch, brachen es auf und verwandelten das arme Opfer in ein über und über mit bläulichen dünnen Stacheln versehenes „Ungeheuer”.

Mis'rai hörte das Schreien und eilte mit Pri'nur nach oben, so schnell, dass die überraschten Polizisten die zwei nicht aufhalten konnten, von einer bösen Ahnung getrieben. Die Leute oben waren ahnungslos. Sie vertrauten dem Fesselfeld. Und da geschah es schon. Die Stacheln bewegten sich , wuchsen hinaus aus dem blutenden sterbenden menschlichen Wirt, hatten bereits die Länge von etwa 20 cm oder mehr. Dann lösten sie sich aus der Hautöffnung, verwandelten sich in energetische Pfeile, bereit, auf die Polizisten loszuschießen und sie zu infizieren. Das heißt, sie wollten es soeben tun, und kein Fesselfeld hätte sie aufhalten können. Die Menschen standen nur da uns starrten entsetzt auf den Vorgang. Mis'rai und auch Pri'nur hoben instinktiv die Hände und schossen mit ihrem Shakaravah. Die vereinigte blauweiße Energie zerstörte das meiste der kristallinen Stacheln, das arme Opfer wurde zu Asche verbrannt. Die restlichen wenigen Stacheln fielen inaktiv zu Boden, der von Asche und Salz bedeckt war.

Die Menschen standen noch immer entsetzt und starrten auf die Asche. ”Ich glaube, ihr müsst die restlichen kristallinen Stacheln einsammeln und untersuchen, aber infiziert euch nicht, faßt sie nie mit bloßen Händen an”, warnte Mis'rai. „Die hier sind noch lebendig, nur betäubt. - Worauf wartet ihr denn?”

„Dieses Ding war LEBENDIG!” meinte Muriel Hogarty, noch ganz erschüttert. „Und jetzt liegt hier überall diese blaue Droge am Boden. Die Droge ist ein Lebewesen!”

„Das Universum ist voller Merkwürdigkeiten”, erwiderte Pri'nur. „Jetzt wissen wir, was aus Drogen-Junkies wird: Entweder Tote - oder Vampire.”

 
* * *
 

Audre sah sich um. ‚Sie erwarten dich!’ sagte ihre Stimme.

„Audre! Warte, die wollen mit dir reden!” rief plötzlich Fingers. Der alte Mann humpelte hinter dem Polizei-Rotor hervor.

„Wüsste nicht, was ich mit denen zu besprechen hätte;” gab die Frau unwirsch zurück. „Sie sollen mich meine Arbeit machen lassen und sich raushalten! - Geht es dir gut? Und wo ist Colt?”

‚Das ist bestimmt wieder eine Ablenkung. Ich muss den Königskristall finden, das hier zählt nicht’, whisperte die Stimme. ‚Der Kristall ist wichtiger als alles andere.’

‚Nein, das sind meine Freunde!’ gab Audre zurück. ‚Wir sind hergekommen, um meine Freunde zu befreien. Und das werden wir auch tun.’

„Audre!” bettelte Fingers. „Mach es mir nicht so schwer, lass uns reden!”

„Was hast du für einen Handel gemacht?” ärgerte sich das weibliche Oberhaupt der Schatten. „Du weißt, unsereins macht keine Handel mit denen da!” Die energetische Ausstrahlung um Audre war so stark, dass sich in ihrem Umfeld kleinere weggeworfene Dinge auf der Straße aufzurichten und zu zittern begannen, wie die Haare bei Gänsehaut. Den Polizisten ringsum hinter den Rotorplanen bereitete die Energie Kopfschmerzen und Übelkeit. Gleich würde sich wieder eine Wolke von Energie entzünden und das Umfeld verbrennen und töten, gleich, wenn nicht...

„Ich weiß, dass du uns sehr leicht töten kannst”, kam es aus dem Mikrophon. Es war die Stimme Inspektor Whitewaters. „Doch es wäre einem intelligenten Lebewesen angemessen, uns zu sagen, weshalb. Weshalb bist du hier? Ich habe nicht vor, dir in die Quere zu kommen, doch sei so gut und erkläre uns das.”

„Ich bin auf der Suche nach dem pervertierten Mutterkristall, der sich auf dieser Welt gebildet haben muss”, antwortete plötzlich die fremde Stimme durch Audre dumpf und laut. „Unsere Daseinsform wurde manipuliert und hierhergeschafft. Doch ihr seid für uns als Hüllen nicht geeignet. Eine Perversion unseres Seins kann ich nicht dulden. Das Salz und die Kristalle sind zu vernichten. Steh mir nicht im Weg! Sonst eliminiere ich dich.”

„Solltest du diese blaue Droge meinen?” fragte der Inspektor zurück. „Wenn du sie vernichten willst, nur zu. Wir würden dir gerne dabei helfen. Es muss keinen Krieg geben zwischen unseren Spezies.”

„Ihr seid viel zu primitive Lebensformen, um bei der Vernichtung mitzuwirken. Ihr steht ganz im Banne der Perversion. Und jetzt halte mich nicht auf! Diese meine Hülle wünscht diese zwei Menschen da mitzunehmen. Gebt sie frei!”

„Weißt du, wo dieses Mutterkristall sich befindet?” fragte der Inspektor. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Selbst seine Haare mit dem gebundenen Pferdeschweif waren fettig und nassgeschwitzt. Diese fremde Lebensform war sehr gefährlich und unberechenbar. Sie würde wieder zuschlagen, ohne jede Skrupel, wenn sie den Eindruck erhielt, sie wäre gefährdet. Die besessene Frau zählt bei diesem Spiel nicht mehr. „Wir könnten dich hinbringen, dann sparst du Zeit.”

„Zeit...” hauchte das Wesen mit dem Mund Audres. „Zeit ist so bedeutungslos. Andererseits ist sie wichtig. Zeit... Die Zerstörung des Salzes muss auch in eurem Interesse sein. Das ist wichtig. Ich werde mit euch fliegen, und ihr werdet tun, was ich sage, oder ihr werdet terminiert.”

Audre wandte sich ansatzlos zu einem der Rotorplane und ging schnurstracks in das Fluggerät. Fingers und Colt, ganz unter Audres Einfluss, stiegen wie selbstverständlich dazu, dann waren auch weitere zwei Polizisten und Whitewater heran. Whitewater spürte trotz des weißen breiten Abschirmungsbandes über der Stirn den Druck, der sich auf sein Gehirn legte. .... Was für eine Wohltat, einfach aufzugeben und diese Stimme einzulassen... Nein, auf keinem Fall! - Der Mann riss sich zusammen. Auch den anderen Polizisten ging es ähnlich. Sie saßen da mit verzerrtem Mund und Schweiß auf der Stirn.

Da saß die Frau, inzwischen wie im mittleren Alter aussehend, in dunkler farblich undefinierbarer Hose und Jacke gehüllt, mit dunklen Ringen um die Augen vor zuwenig Schlaf, blass, der Mund zu einem Strich verzogen. Die Augen mit großen geweiteten Pupillen. Whitewater wusste, dass das Wesen, dass ihren Körper besaß, sie zu Höchstleistungen, irrwitziger Schnelligkeit und dem Ausüben starker Psi-Fähigkeiten zwingen konnte. Sein dunkelblauer Polizeianzug mit dem gepanzerten dünnen Stoff wäre gegen dieses fremde Biest wirkungslos, falls es wieder vorhatte, sie alle zu rösten.

 
* * *
 

Audre befahl dem Piloten, gewisse Koordinaten anzufliegen. Wieviel eigene Persönlichkeit war sie noch?

„Könntest du mir etwas über dein Volk sagen?” versuchte Whitewater Audre, oder genauer: der fremden Intelligenz, Informationen zu entlocken. „Ich meine, woher kommt ihr, und WAS seid ihr überhaupt? Und wie seid ihr auf die Erde gekommen?”

„Ich kann fast deine Gedanken lesen”, sagte die Intelligenz dumpf und wie es klang, gnädig. „Behalte nur dein läppisches Band um. - Wir sind ein Volk, dessen Heimat das Quantenuniversum ist. Ein Volk, das mineralisch auftritt und gelernt hat, die Wellenform zu nutzen und als Welle, als energetische Seinsform zu reisen. Was wir in dieser Form vom inneren Aufbau des Universums lernen konnten, haben wir gelernt, und nun suchen wir geeignete Hüllen, um das Universum aus einer neuen äußeren Form heraus kennenzulernen. Geeignete Hüllen für uns zu finden ist nicht leicht, wo uns doch unsere alten abhanden gekommen sind, aber keine Sorge, ihr seid ungeeignet. Ihr seid zu emotionell. - Wir bangten bereits um unsere Entwicklung. Fremde kamen zu uns und boten uns an, unsere Kindsform, das mineralische Salz auf dem Heimatplaneten, so zu modifizieren, dass es mit euch kompatibel wird und wir euch trotzdem übernehmen können. Heraus kam eine widerwärtige Perversion unseres Seins, dass nicht ins Kollektiv passt und beseitigt werden muss, bevor es das Kollektiv geistig vergiftet.”

„Sprichst du für dich oder das Kollektiv?”

„Für beide. Es nützt dem Kollektiv nichts, ungeeignete Hüllen und eine Abnormität zu akzeptieren, das schadet nur dem Sein.”

„Die blauen Kristalle? Ist das eure Lebensform? Und was hattet ihr mit den Taelons zu tun?”

„Sie (Anmerkung: die Prätaelons beziehungsweise. Atavus) schienen uns bestens geeignet, also haben wir sie übernommen. Die Um'rath'ma, wie man die Besessenen nannte, merkten kaum etwas davon. Sie waren gute Wirte, und über die CVI's ihrer dienenden Völker, über ihre lebenden Schiffe und Häuser konnten wir unser Kollektiv und unsere zwingende Ordnung ausdehnen und den Wildwuchs der animalischen Individualitäten stark einschränken. Leider verloren sie unter dem Einfluss unserer Strahlung ihre Fruchtbarkeit und Kreativität, aber das war etwas, was sie ohnehin suchten, deshalb waren sie überhaupt zum zweiten Mal, nach der ersten Infektion der Urtaelons lange, lange vorher, nochmals zur Heimatwelt gekommen. Sie wollten ihr inzwischen von den Kimerern genetisch erworbenes Shakaravah vernichten. Die Kimerer hatten unsere ersten Versuche einer Übernahme durch ihre Einmischung vereitelt. Sie haben uns damit sehr geschadet! Die Kontrolle des Shakaravahs bereitete allerdings den Prätaelons Probleme, denn sie waren ja noch immer mit uns infiziert, auch wenn wir in ihnen inaktiv waren. Das Shakaravah hatte zwar die erste Infektion durch uns im Zaum gehalten, doch vampiristische aggressive Nebeneffekte traten statt dessen auf. Die Prätaelons gierten nach Energie und konnten nicht genug bekommen. Erst unsere Core-Energie-Abgabe machte sie zu dem, was ihr als Taelons bezeichnet. Sie entwickelten ein Verfahren, Core-Energie von uns als Nahrung zu gewinnen. Dafür unterwarfen sie sich uns, ohne es zu wissen.”

„Die damaligen Taelons waren nicht frei?” hakte der Inspektor nach. Er konnte kaum glauben, was er da hörte.

„Wir existierten als Energie-Quanten in ihnen, bis sie als Kollektiv verschwanden. Wir lebten in perfekter Symbiose. Ihr lebt doch auch in Symbiose, mit den Bakterien in eurem Körper, mit den anderen Lebensformen auf der Erde. Warum ereiferst du dich?”

„Du hast mir gerade erklärt, dass zahlreiche Völker versklavt worden sind. Dass ihr sie indirekt in eure Ordnung gepresst habt. - Ich empfinde das einfach für entsetzlich.”

„Keine Sorge, wie gesagt ist dein Volk zu animalisch-emotionell, und ich denke, die CVI's mit ihrem moralischen Kontroll-Imperativ, dem Gemeinwesen zu gehorchen, hatten sicher keine lange Lebensdauer bei euch. Als Hüllen seid ihr nicht geeignet für uns, wenn man von Ausnahmen absieht. Also seid ihr uns gleichgültig.”

Whitewaters Begleiter hatten inzwischen entsetzt Audre angesehen, durch dessen Körper das Fremde sprach. Sie hatten Angst, hüteten sich auch nur einen Mucks zu sagen. Allen war durch die Strahlung schrecklich übel.

„Und was war mit den Jaridians?” fragte Whitewater, nachdem er die ersten Informationen verdaut hatte. Der Rotor brauchte noch einige Minuten, und jede Aussage war hier wichtig.

„Die Jaridians waren infiziert, aber nicht besessen, da sie sich von uns in Form von Core-Energie fernhielten. Sie wollten ihr Shakaravah behalten. Sie hassten unseren energetischen Einfluss, den sie ohnehin kaum verstehen konnten, und machten sich daran, präventiv alles zu vernichten, was nur irgendwie mit Taelons in Kontakt gekommen war. Was für eine sinnlose Verschwendung von Hüllen!”

Der Rotor war inzwischen angekommen. Er stand mitten in einer Sandwüste der Sahara. Die Sonne stand im Zenit, der Sand glitzerte kristallin, doch da war ein bläulicher Schimmer im früheren rotgelben Sand einer großen Düne. Hier also hatte sich das Übel versteckt gehalten! Karawanen zogen in der Ferne, offenbar vollgeladen mit Salz. Audre befahl, im weiten Abstand von der Düne zu landen und sie hinauszulassen.

„Was passiert nun?” fragte Whitewater.

„Ihr habt Glück gehabt”, antwortete die Frau. „Wenn der pervertierte Mutterkristall zerstört wird, der hoffentlich noch nicht so groß sein wird, verlieren alle Kristalle und das Salz auf eurem Planeten seine Wirkung. Ohne Bewusstsein ist alles nur Staub. Der gewachsene Kristall ist das Zentrum des bewussten Seins des modifizierten Salzes an diesem Punkt des Universums. Danach wird es hier keine Drogen mehr geben, und ich werde diesen Planeten verlassen.”

Audre ging alleine zum bläulichen Sand und hob die Arme. Ein Sturm entstand und begann wie ein Tornado um sie zu wirbeln. Die Luft war dunkel und voll unheimlichem Sirren. Was danach geschah, konnten die Polizisten und Fingers und Colt, soeben wieder zum eigenen Bewusstsein erwacht, kaum sehen. Der Sand wirbelte um Audre und attackierte sie. Doch mit jeder Berührung heftete sich der Sand kurz an den Körper, blitzte auf und fiel entladen zu Boden. Die blauweißen Blitze wurden immer heftiger. Das Inferno zerrte an den Rotoren, hinter denen sich die Menschen geflüchtet hatten. Und dann lag ein großer blaugrüner Kristall im Sand da, mit etwa 1,5 Meter Größe, einst versteckt unter der Düne, freigeweht, und rollte sich nun in Richtung der schmächtigen Frau; aus der kristalline Tentakel und Spitzen sich nun durch die blutende Haut bohrten, sie in ein kristallines Netz einspannen und sie schließlich zu einem royalblauem Kristall formten. Der Sand in der Luft fiel plötzlich wie Platzregen zu Boden und gab den Blick frei.

„Audre”, stöhnte Fingers auf. „Mein Gott!”

Die Kristalle glitten gespenstisch leise aufeinander zu und rangen kurz miteinander, als wären sie aus verbiegbarer Gelatine. Von der Frau war nichts mehr zu bemerken, sie hatte sich vollständig in die fremde Lebensform hinein aufgelöst.

„Soll ich schießen?” fragte einer der Polizisten atemlos den Inspektor. Der gab ihm mit einem Blick zu verstehen, zu schweigen. Plötzlich gab es einen furchtbar lauten Knall, und der blaugrüne Kristall begann zu zerbröckeln, wurde grau, zerfiel zu Staub. Auch dem restlichen Salz erging es so. Alles wurde aschig. Der siegreiche royalblaue Kristall stand drei Sekunden still, und die Menschen wollten schon aufatmen, da formte er sich zu einem Oktaeder und löste sich einfach auf, wurde zu Licht und verschwand, unsichtbar werdend, gegen Himmel.

„Audre ist tot!” rief Fingers, und deutete mit seiner faltigen Hand in den blauen Wüstenhimmel, wo der Ball verschwunden war. „Und das da - das da - hat sie aufgesaugt!” Dann schlug er die Hand vor Grauen vor dem Mund. Der Alte zitterte am ganzen Körper und konnte es kaum fassen. Colt weinte bereits die ganze Zeit, weniger aus Trauer, sondern aus Angst und Schock. Die Nerven von allen lagen blank.

„Ich denke... ich denke ich muss das Ministerium anrufen und erklären, was hier los war”, meinte Whitewater verstört. „Und Gott allein weiß, ob dieser Abgang nicht das Todesurteil für all die hunderte Millionen von Süchtigen auf diesem Planeten war!”

 

Ende von Kapitel 7

 

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