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  „Die Puppenspieler” von Susanne   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Während die fremde Spezies der Beria die Menschen auf der Erde erpresst, versucht ein Außenteam der Roleta, den Fricks und den Dunkelmächten ein höchst gefährliches gestohlenes Gerät abzunehmen. Sy'la muss eine bittere private Wahrheit akzeptieren, und drei Taelons werden verurteilt. - Was bringt die Zukunft?
Zeitpunkt:  das Jahr 2334
Charaktere:  Großpräsident Jakob Matsooni, die Minister Wen, Chevez und Maldiven, die Generäle Clark und Rebelliand; Chrcht, Tcht und Brwt aus dem Volk der Beria; Alex J. Chevelleau und Haggis; Konrad Stoller, Dr. Cornelia Katz, Cephas Tshombokongo, Anneliese Roma, Jaro Cvitic, Henry Heinlein und Peter J. Combe als Außenteam; die Fricks Ouf, Schwa, Wench und Kmin; die Ärzte Dr. Ben Myinga und Lonegan Schelling; die Taelon-Mensch-Hybridin Sy'la; die Jaridians Je'dir, Palwyr, Korn't und Trestim; Jean-Marie Marclay, Andre M. Andersen, Pearl Pack, Ariel; von den Taelons und Jungtaelons vor allem Ho'shin, Da'an, Ko'lan, Mur'ru, Zo'or , Pa'lol und Blo'or; die künstliche Schiffsintelligenz Roleta; Dunkel(materie)mächte.
 

 

DIE PUPPENSPIELER

Kapitel 10

 

Teil 2

(Zurück zur Erde:)
Großpräsident Jacob Matsooni beeilte sich, das Gespräch mit seinem unsichtbaren Gegenüber im fremden Schiff anzunehmen.

„100 Billiarden Währungseinheiten gegen 1000 Tonnen Medikamente binnen einer Woche - von uns aus können wir liefern. Habt ihr die Edelmetalle beisammen?” Die Stimme klang sonor und gänzlich neutral, aber der Präsident konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass der Beria in diesem wie zusammengesteckt aussehenden riesigen sandfarbenen Röhrenschiff sich über die Menschen lustig machte.

„Es tut uns leid, aber wir konnten in dieser Eile die Summe nicht aufbringen”, sagte Matsooni, und wischte sich unbewusst mit der Hand den Hauch von Schweiss von der Stirn. „Wir haben alles versucht, doch in Anbetracht der noch existierenden Zerstörungen vom letzten Krieg ist diese Summe utopisch. Besteht die Möglichkeit einer Ratenzahlung, sagen wir - 20 Teilzahlungen?”

„Ach, DAHER kommen die ganzen Verwüstungen, die wir entdeckt haben”, stellte sich Kommandantin Chrcht an Bord des Beria-Schiffes dumm. „Ihr habt miteinander Krieg geführt?”

„Wir? Nein, wieso,” - meinte Matsooni perplex, um ärgerlich fortzufahren: „Das waren eine Horde feindseliger Aliens, die dachten, sie könnten unseren Planeten so einfach überfallen. Aber wir können uns besser verteidigen, als es aussieht!”

„Ja natürlich!” meinte Chrcht dazu gedehnt. „Ihr habt uns das ausgiebig demonstriert. Nur seid ihr jetzt bankrott.”

Chrcht wippte spielerisch auf ihrem zwischen den Wänden gespannten Haftfaden sitzend auf und ab und bewunderte ihren Gefährten Tcht, der dort gutgelaunt in der Ecke sitzend gerade hübsche bunte Gewandkörbchen für ihre vielen zukünftigen Babies spann.

Diese großspurigen Erdlinge waren einfach amüsant. Aber so leicht sollten sie nicht davonkommen.

„Ihr werdet verstehen, dass wir keine Ratenzahlungen akzeptieren können”, sagte sie gleich darauf zum Angebot des männlichen Menschen. „Wir pflegen weit zu reisen und können nicht jedesmal hierherkommen, nur um eure Rate abzuholen. Das wäre sehr unökonomisch. Aber vielleicht können wir uns auf eine andere Art Bezahlung einigen. Das heißt, sofern euch die Gesundheit von vielen hundert Millionen dahinsiechenden Menschen soviel wert ist. Möglicherweise bedeuten euch diese Mitmenschen ja gar nichts?”

„Wir versichern euch, dass wir sehr interessiert daran sind, die Medikamente zu bekommen. Eure Proben haben hervorragend gegen die Zellschädigungen gewirkt. Das Gewebe der Geschädigten, denen wir die Proben gegeben haben, konnten sich binnen kurzer Zeit hervorragend regenerieren. Wir haben nur nicht soviel Geld in so kurzer Zeit, das ist alles. Wenn ihr einen anderen Vorschlag zur Bezahlung habt, dann bitte äußert ihn.”

„Wenn ihr keine 100 Billiarden Währungseinheiten habt, so verlangen wir 2000 Menschen im besten Alter als Preis. Sie sollen auf unser Schiff gehen und unsere Sklaven sein. Dann können sie an eurer Stelle die Schuld abarbeiten. Sie werden den Umständen nach gut behandelt, aber sie werden nie mehr zu euch zurückkehren.”

Das Gesicht des Großpräsidenten schien einzufrieren, sein Mund verkniff sich. „Wir haben keine Sklaverei mehr auf der Erde”, sagte er kalt. „Ich kann und werde niemanden befehlen, sich auf ein ungewissens Schicksal einzulassen und zu euch an Bord zu gehen, ausgerechnet, wo ihr nicht mal imstande seid, euch uns zu zeigen!”

Chrcht balancierte elegant tanzend auf dem Faden auf und ab. „Überlege es dir gut, Großpräsident! Das Leben von 2000 gegen viele hunderte Millionen! Das ist sehr großzügig von uns! Was seid ihr für eine junge unreife Spezies, die nicht mal so ein kleines Opfer füreinander bringen könnt!” - Ihr praller Hinterleib mit den vielen Eiern tat bereits weh, schon bald würde er aufplatzen und die Eier freigeben, und die Jungen würden ihr Recht einfordern. Jeder Beria gab sein Leben für die Jungen, und sie, sogleich schlüpfend, nahmen das Erbe der Eltern physisch und psychisch auf, in dem sie sie verspeisten. Die Beria wussten, was es bedeutete, ein Opfer zu bringen. Im Gegensatz zu dieser jungen kriegerischen Spezies da.

„Opfer? - Ich bin überzeugt davon”, sagte der Mensch, „dass sich weltweit an die 2000 Menschen freiwillig melden würden, wenn sie wüssten, worum es ginge. Ich finde es nur absolut unmoralisch, solche Forderungen zu stellen. Ich wisst, dass wir dringend die Medikamente benötigen, da jeden Tag unzählige Menschen sterben, aber ihr gebt sie uns nicht, sondern feilscht. Du hast uns mehrmals als junge unreife Spezies bezeichnet, aber ihr Beria verhaltet euch selbst wie primitive geldgierige und skrupellose Lebewesen!”

Jetzt wurde der Mensch wieder frech und aggressiv. Typisch. Er reagierte wie erwartet. Chrcht bemerkte, wie die zukünftige Kommandantin Brwt mit ihren acht Beinen heraufkletterte. Sie blendete einen Moment den Ton aus und ließ den Großpräsidenten in seinem verzweifelten Zorn weiterschimpfen, während sie auf den Vorschlag Brwts lauschte. Dann musste sie herzhaft lachen, indem sie mit den Beinen trommelte. „Was für eine ausgezeichnete Idee!” sagte sei zirpend. „Aber dann ist es Schluss, dann liefern wir endlich die Medikamente aus.” Sie blendete den Ton wieder ein.

„..... und weil es so ist, weigere ich mich einfach, dem zuzustimmen, da könnte ja jeder kommen, und...!” schimpfte Matsooni gerade, als die Beria ihn unterbrach: „Gut, ich habe einen neuen Vorschlag. Wir verzichten auf die 2000 Menschen, wenn sich der Repräsentant der Menschen als Sklave an Bord begibt. Und ich denke, als Großpräsident bist du damit gemeint. Komme du alleine an Bord, und die Medikamente werden ausgeliefert. Sonst fliegen wir einfach weg. Ich denke mir, EIN Leben für so viele, das werdet ihr wohl noch geben können, oder nicht mal das? Überlege es dir! Bis morgen.” Dann unterbrach die Beria die Verbindung.

 
* * *
 

(Irgendwo im Weltraum:)
„Die junge Spezies hat die entwendete Zeitmaschine der Kimera zerstört”, sagte der Beobachter der Alten Völker. „Unsere Feinde jagen das Schiff, aber es schlägt sich tapfer und konnte bis jetzt durch geschickte Passage durch mehrere Wurmlöcher und Interdimensionsportale hindurch den Verfolgern bislang entwischen. Ich weiß, das ist kindisch, aber es freut mich irgendwie, dass sich unsere Feinde so maßlos ärgern. Was sie sich uns gegenüber erlaubt haben, ist schließlich höchst empörend!”

„Die Dunkelmächte wissen genau, dass sie sich einen direkten Krieg gegen uns nicht leisten können”, antwortete die andere grenzüberschreitende Stimme aus dem Volk der Zazas. „Da lassen sie ihre finstere Aggressionen an untergeordnete Völker aus. Und wenn es eigene Hilfsvölker sind! Sie haben aus Zorn eine blühende Frick-Welt vernichtet.”

„Sie akzeptieren nur das Gesetz des Stärkeren. Versagern gebührt der Tod. In ihren Augen sind zudem alle Völker mit Gewissen unvollkommen, weil Völker mit einem altruistischen Gewissen für sie dekadent und unnatürlich sind. Wenn es nach den Dunkelmächten ginge, gäbe es keinerlei ethisch-spirituelle Entwicklung im Kosmos. Das Leben bestünde nur aus Fressen und Gefressenwerden.”

„Wir werden eine eindeutige Botschaft formulieren müssen, in der wir eine Warnung aussprechen, weiter die Nachkommen der Kimera zu verfolgen. Die Dunkelmächte sollen sich einem anderen Sektor des Universums widmen. Hier ist es wahrlich einmal genug.”

„Schritte wurden gesetzt, die Zeitmanipulation zu beheben”, versicherte der Vertreter der Kimera von einer höheren Existenzebene aus. „Langfristig muss aber unser Erbe den Erben zugänglich gemacht werden. Es ist von uns für sie konserviert worden. Nicht zum Missbrauch für andere!”

„Zu früh, zu früh!” meinte eine andere Entität von einer höheren Ebene. „Deine Erben da unten müssen sich erst konsolidieren und zusammenwachsen. Und lernen, selbst Probleme zu lösen.”

Das noch junge Taelon-Jaridian-Mensch-Kimera-Kollektiv, welches dem Kimera-Kollektiv zur Vereinigung entgegenwuchs, brachte dennoch mit einem Gedankenimpuls seine Besorgnis wegen den Fricks zum Ausdruck, und unterstützte erwartungsgemäß die Forderung der Kimera, den Erben das Erbe zugänglich zu machen. Bald -, oder was eine zeitlose Entität, die in ganz anderen Zeit- und Raum-Dimensionen dachte, sich darunter vorstellte.

 
* * *
 

(Auf dem Schiff:)
„Was um alles in der Welt habt ihr alles angestellt, seitdem ich im Tank war?” fragte Sy'la entgeistert. Sie bemühte sich, nicht das frisch gewachsene, rosige neue Bein zu kratzen, dass schrecklich juckte. Es sah ansonst ganz so aus, wie das alte, und auch die Hautfarbe würde sich bald anpassen. Sie fühlte im Bein sogar das neu entstandene Shakaravah. Und der verbrannte Rücken war ebenfalls verheilt.

Sie hatte erwartet, von Je'dir begrüßt zu werden, stattdessen war das Schiff in Dauer-Alarm und ihr Mann war in Flugbereitschaft in einem Beiboot. Unerreichbar. Ein schwarzes fremdes Schiff war hinter der Roleta her, die seit einer Woche verzweifelt auf der Flucht war und sich abmühte, den höchst gefährlichen Verfolger abzuschütteln. Nicht genug davon, hörte sie erst jetzt, dass Rj'lev, Peter Combe, die Agenten von der Erde und einige andere menschliche Bekannte inzwischen gestorben waren. Die Nachricht über die vielen Toten traf sie wie ein Keulenschlag, Selbst die Verabschiedungsfeier war bereits vorüber! Warum nur! Armer Peter! Nicht mal ein Lebewohl. - Armer Schwiegervater!

Sie selbst war aus Sicherheitsgründen von Dr. Ben Myinga vorzeitig aus dem Regenerationstank entlassen worden, zumal sie sich um die Kinder kümmern musste - um Alexa und um all die anderen. In Zeiten wie diesen war jedes gesunde Crewmitglied voll mit zugewiesenen Aufgaben beschäftigt. Die Kinder konnten dadurch nicht voll betreut werden. Ihr Rehabilitationstraining musste noch warten.

Da war noch etwas, nur duckste der sonst so gesprächige schwarze Arzt herum und erzählte es Sy'la einfach nicht. Also humpelte sie, die Augen noch voller Tränen, aus der Krankenstation und nahm einen schnellen Robotroller, den Roleta ihr ausnahmsweise wegen ihres Zustandes zubilligte, um in ihr Appartement zu gelangen. Nach dem wohltemperierten Tank musste sie frösteln, als sie die unterkühlte dunkle Wohnung betrat. Sie wischte sich mit den Fingern die Tränen aus den Augen und schniefte. Wo war Alexa?

Irgend etwas war anders in der Wohnung. Natürlich, Je'dir hatte mehr Jaridian-Style hineingebracht, da sie solange nicht da gewesen war. Es sah irgendwie - fremd aus. Ein paar jaridianische Sachen lagen herum. Sie schaltete das Licht heller und die Temperatur höher, suchte das Bad auf und fragte das Schiff, wo Alexa wäre. „Bei den anderen Kindern im Unterricht. Sie wird in etwa drei Stunden vom Unterricht entlassen”, meldete die Automatik. Also gut, sie würde die Kleine eben später abholen. Die Automatik weigerte sich auch weiterhin, sie mit ihrem Mann zu verbinden, solange Alarm war. Je'dir durfte nicht abgelenkt werden. Also sollte sie für Neuigkeiten in die Zentrale? Na ja. Später. - Sie musste wieder weinen.

Sy'la warf sich im Schlafzimmer erst mal bäuchlings aufs Bett und versuchte, Je'dirs Geruch und Schwingung aus dem Polster und den Decken wahrzunehmen, in die sie Gesicht und Hände vergrub. Das beruhigte sie etwas. Der 3-D-Schirm summte, jemand versuchte sie zu sprechen. „Auf!” befahl sie, bäuchlings im Bett liegend, und blickte schräg hinüber zum Schirm. Es war Palwyr.

„Hallo, Palwyr! - Ich habe es erst jetzt gehört! Es tut mir so leid um Rj'lev...”

„Rj'lev?” fragte Palwyr etwas verwundert. „Ach so, du weißt noch nicht...” fuhr sie fort. „Ich wollte eigentlich nur fragen, wie es dir geht und ob ich dir helfen kann - Schwester?” Wieso betonte sie das so eigenartig? -
„Wieso kommst du nicht einfach herüber zu mir, dann kannst du auch unsere Tochter sehen? Und dann können wir uns unterhalten, ja?” - Warum war Palwyr so ausgesprochen freundlich?

Sy'la sagte zu, zog sich nur eine angenehmere wärmende Kluft an und schritt humpelnd hinüber zum gegenüberliegenden jaridianischen Habitat. Als Mensch-Taelon-Hybridin konnte sie sich an die viel tiefere Temperatur und sauerstoffärmere Luft zwar für einige Zeit anpassen, fühlte sich aber auf Dauer da nicht wohl. Palwyr bat sie aber sehr herzlich herein, und irritiert stellte Sy'la fest, dass da einige Sachen von Alexa und Je'dir in der Wohnung waren. Bevor sie eifersüchtig werden konnte - warum auch? - erinnerte sie sich daran, dass immerhin Rj'lev, Je'dirs Vater, hier gewohnt hatte. Warum sollten also die beiden hier inzwischen nicht öfter zu Besuch gewesen sein?

„Schau her”, sagte Palwyr stolz, „das ist Daherr, unsere Tochter! Eine echte Jaridian!”

Sy'la widmete dem Baby in der Wiege etwas Aufmerksamkeit und anerkennende Worte, wie es sich gehörte.

„Eigentlich sollte es dir Je'dir sagen”, meinte Palwyr zögernd, aber.... Du weißt doch sicher, wie Jaridian-Kinder geboren werden, Schwester, nicht wahr?”

„Ich denke, doch”, sagte Sy'la und runzelte die Stirn. Worauf wollte Palwyr hinaus?

„Beide Elternteile müssen dem Kind genügend Energie mitgeben, damit es sich als Energiewesen von der Mutter lösen und manifestieren kann. Die Mutter alleine kann nicht genügend Energie aufbringen, und auf gewöhnlichem Wege gebären, das kann kaum eine Jaridia-Frau mehr. Ein Baby ohne Vater müsste herausoperiert werden und bliebe Zeit seines Lebens ein ‚Kümmerling’, oder wie die Menschen sagen - bezüglich seines energieschwachen Daseins - behindert, nicht voll in seinen Möglichkeiten entwickelt.”

„Aber Daherr sieht völlig normal aus, warum erzählst du das?”, meinte Sy'la und sah das Kind nochmals prüfend an. - „Ach, ich verstehe. Rj'lev ist ja... Wie hast du das Problem gelöst?”

„Nach sehr alter Jaridia-Tradition muss ein anderer Jaridian die Stelle des verstorbenen Vaters einnehmen. Und des Ehemannes. Wenn es nicht genügend Männer gibt, dann muss es ein direkter Verwandter des verstorbenen Ehemannes sein.”

Sy'la hob ihre himmelblauen Augen vom Baby hoch und sah Palwyr in die Augen, die ihr direkt gegenüber vor der Wiege stand, und in den schwarzen Iris der grünlichen Augen lesend verstand sie plötzlich, was die Jaridianerin ihr mitteilen wollte. Der Schock war so groß, dass ihr übel wurde. Genauer gesagt: es wurde ihr schwarz vor den Augen, und sie kippte einfach bewusstlos um.

 
* * *
 

Als Sy'la wieder die Augen aufschlug, lag sie mit einer Beule auf der Stirn auf ihrem Bett in ihrer Wohnung und ein kleiner Medi-Bot flog gerade aus dem Raum. Dafür saß Je'dir neben ihr, das Gesicht ganz schuldbewusst, küsste sie auf die Stirn, und erklärte dann: „Ich musste leider erst meine Ablösung abwarten, sonst wäre ich längst da. Es tut mir so leid...”

Erstaunlicherweise war die Hybridin ganz ruhig, der Medi-Bot musste ihr neben einem Sprühpflaster auch ein Beruhigungsmittel verpasst haben. Sie verzog nur ihren Mund, drehte ihren Kopf, um ihren Mann anzusehen, und blitzte ihn an: „Und, du - du - Fremdgeher! - wie stellst du dir die Zukunft vor? Halben Tag hier, halben Tag gegenüber? Auf der Erde gibt es heutzutage keine Mehrfachehen. Wie glaubst du, soll es jetzt mit uns weitergehen?!”

Was Je'dir ganz sicher nicht hören wollte, waren Vorwürfe. „Es tut mir leid, aber ich hatte keine andere Wahl! Wenn du nachdenkst, weißt du das auch. Ich bitte dich um dein Verständnis und deine Unterstützung. Es ist jetzt wie es ist, Palwyr ist genauso meine Ehefrau mit allen Rechten wie du, zumindest solange Daherr noch klein ist oder bis Palwyr mir ihr Brautgeschenk zurückgibt. Das verlangt die Tradition von Jaridia. Palwyr hat meine ganze Achtung, aber du hast mein ganzes Herz. Zuneigung kann man zu vielen verschiedenen Personen in verschiedener Art und Weise haben, sie wird darum nicht weniger, nur weil man auch andere mag!” Je'dir zog seine Gefährtin tröstend zu sich in seine Arme. Er ahnte, was in ihr vorging. Sie schwiegen eine Weile.

„Ich weiß nicht, warum ich mich so jämmerlich fühle und Angst habe”, sagte Sy'la dann kläglich. „Ich will nicht engstirnig oder prüde sein, nur.... Wir waren immer wie in einem eigenen kleinen Universum, alleine für uns und sicher. Ich habe solche Angst, das wir unser Glück verlieren.”

„Aber du wirst mich doch nie verlieren!” protestierte Je'dir. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr sah er, dass sie beide noch genügend Zeit für sich hatten, und begann, die Kombination seiner Frau zu öffnen. Die nackten Schultern unter den dunklen langen Haaren kamen frei und wurden von Je'dir zärtlich mit Mund und Lippen bearbeitet, bis hinauf zum Hals und den Ohren. Und wieder rutschte die Kombination verführerisch ein Stück weiter hinab. Während Sy'la die Liebkosungen genoss, die sie so lange entbehrt hatte, war ihr wohl bewusst, dass Je'dir jetzt versuchte, ihr seine Liebe zu beweisen. Aber irgendwann vergaß sie das Denken und genoss nur noch.

 
* * *
 

(Irgendwo im Weltraum:)
Schwärzeste Schwärze. Lichtlos. Dunkle Materie. Schiffe und Lebewesen ohne feste Konturen, wabernd.

„Wurden die Fricks für ihre Nachlässigkeit in der Bewachung des Zeitsprunggeräts bestraft?” fragte der gesichtslose Anführer der Dunkelmächte den konturlosen Schiffskommandant.

„Der Planet wurde mit allen Bewohnern gesprengt. Und wir sind dabei, das fremde Schiff zu verfolgen. Sie werden einen Fehler machen, und dann werden wir da sein. Wir sind besser als diese Primitivlinge.”

„Wage es ja nicht, sie wieder zu unterschätzen”, sagte der Anführer kalt. „Im Grunde genommen müsstest auch du wegen deiner Inkompetenz die Konsequenzen tragen. Sie haben uns ungehindert das Salz gestohlen und die Invasion der Kristalle unterbunden. Sie haben diesen Taelon-Anführer befreit. Sie haben für Aufruhr unter einigen verbündeten Völkern gesorgt. Und jetzt haben sie auch noch unser einziges Zeitsprunggerät vernichtet. Und, nicht zu vergessen, haben diese Primitivlinge es auch geschafft, die Zeitmanipulationen ineffektiv werden zu lassen.”

„Ich werde mich selbst für mein Versagen in die Bestrafungskammer begeben, hoher Herr”, antwortete der Kommandant demütig erschauernd. Er warf sich für den Anführer deutlich wahrnehmbar lang auf den Boden, um seinen Respekt zu erweisen. „Du bist mir mit deiner Einschätzung wie immer weit überlegen.”

„Diese Primitivlinge hatten Hilfe, ohne Zweifel. Unsere Feinde haben sich eingemischt. Schon wieder”, meinte der Anführer hasserfüllt. „Sie haben unsere Züge in dieser Region vereitelt. Und sie wagen es, uns auf unser verlorenes Spiel in dieser Gegend hinzuweisen.”

„Wir könnten das Schiff durch mehrere unserer Schiffe verfolgen lassen. Wir könnten auch direkt zur Heimatwelt der Erdlinge fliegen und sie vernichten. Dann wäre das Problem endgültig gelöst. Das wäre das Mindeste nach diesem Affront.”

„Nein”, widersprach der Anführer. Eine dunkle Wolke stieg wie Dampf von ihm auf. „Wir greifen keine scheinbar innerlich starken Völker an. Das wäre ein sehr geringes Vergnügen. Keine Herausforderung. Und gegen unsere Doktrin. Nein, wir warten, bis sie sich eine wirkliche Schwäche erlauben. Dann, wenn es die Alten Völker am meisten schmerzt! Wir haben ja alle Ewigkeit Zeit! Und dann, wenn die Zeit gekommen ist, wenn sie sich völlig sicher fühlen, wenn sich die Alten Völker ganz woanders engagieren, werden wir da sein, überraschend und tödlich, und diese Kimera-Nachkömmlinge mit ihrem Licht aus dem Universum und von allen Existenzebenen fegen. Im Moment sind diese da ohnehin genau nach dem Geschmack des Chaos: wild, unberechenbar, egoistisch, ohne viel ethische Skrupel. Schwer zu schlagen. Wir könnten fast direkt etwas aus ihnen machen. Vielleicht können wir das auch, mit ein paar Agenten... WIR haben ja Zeit...”

„Die Fricks sind für uns überflüssig geworden, jedoch haben sie jetzt eine offene Rechnung mit den Menschen”, erwiderte der sich wieder erhebende Schiffskommandant. „Wir haben unter der gewöhnlichen Bevölkerung das so hinstellen lassen, als ob sie an den Vorgängen auf dem Salzplaneten und auf Mentobia Schuld gehabt hätten. Die Fricks werden nun die Koordinaten der Erde zu suchen beginnen, und auch wenn die Erde heute noch viel zu weit entfernt für ihre Schiffe ist, werden sie auf Rache sinnen.”

„Ein kleiner Krieg?” fragte der Anführer interessiert. „Ja, das ist eine erfreuliche Aussicht. Die Alten Völker werden sich vertragsgemäß heraushalten müssen, wenn es sich um Gleichrangige handelt. Der Stärkere soll überleben! Tod allen widerwärtigen Schwächlingen und überzüchteten Moralisten! Das Universum ist besser dran ohne sie.”

 
* * *
 

(Woanders im Weltraum:)
Nach über einer Woche Hetzjagd hatte das Dunkelmaterieschiff offenbar endlich die Spur der Roleta verloren. Roleta jagte noch drei weitere Tage durch den Weltraum, bis die Bordintelligenz halbwegs sicher war, den gefährlichen Gegner abgeschüttelt zu haben. Die Dunkle Macht war zwar auf sie aufmerksam geworden. Aber hatte sie nur mit einem Schiff halbherzig verfolgt. Die Logik besagte, dass, wenn die Dunkle Macht die Erde direkt zerstören hätte wollen, sie es bereits in der Vergangenheit längst getan hätte. Sofern sie überhaupt wusste, wo die Erde lokalisiert war - was Zo'or behauptet hatte. Es sah fast so aus, als hätten die Menschen glücklicherweise weiterhin „nur” mit den Fricks als den indirekten Drahtziehern der Bluesucht zu tun. Jedenfalls hofften das alle an Bord. - Die kristalline Quantenintelligenz selbst war keine Gefahr mehr. Die Fricks konnten nie mehr das Salz missbrauchen, noch konnten ihre Schiffe zur weit entfernten Erde gelangen. Selbst der Schweizer Hellseher Marclay gab Entwarnung. Das gefiel zwar einigen besonders Vorsichtigen an Bord nicht, doch wollte die Mehrheit der Crew endlich nach Hause.

Also machte sich das silberne große Walzenschiff daran, die nunmehr 68 Mio. Lichtjahre zurück zu fliegen, was etliche Wochen benötigen würde. Allgemein atmete die Besatzung auf, als der Alarm endlich abgestellt wurde und wieder der normale Alltag einkehrte.

Dr. Lonegan Schelling benützte die Gelegenheit, Zo'or durch das Schiff zu führen. Trotz gelegentlicher Ausflüge in die Zentrale pflegte sich die Taelon noch immer allein in ihrem Appartement aufzuhalten und mied jede Gesellschaft, als würde sie sich fürchten oder schämen.

Sie betraten soeben den Freizeittrakt. Eine Galerie führte in der Höhe über die unten liegenden Plätze der großen Halle mit imitiertem Sonnenlicht. Einige Kinder spielten ein Ballspiel, während am Rande eines Schwimmbeckens einige Erwachsene Tai Chi übten, darunter einer der jungen Taelons namens No'ren. Zo'or blieb stehen und sah von der Galerie aus für einige Minuten zu.

„Der Schläfer ist aus seiner Kapsel erwacht - Ha'gel. Und Um'râth'umâ, der große Lügner, ist verschwunden,” hauchte sie sinnend auf taelonisch. „Zurück kehrte Sha'kâra'vâh aus der Leere.”

„Ich verstehe nicht”, erwiderte Schelling.

„Natürlich nicht.” Zo'or schien wieder über irgend etwas nachzudenken.

„Die neuen Taelons scheinen sich gut in die menschliche Gesellschaft eingefügt zu haben”, sagte sie dann. „Sie bewegen und benehmen sich fast wie Menschen.”

„Es wurde großen Wert darauf gelegt, die Kinder aller drei Spezies im Wesen nach gleich zu behandeln, auch wenn sie ihren Fähigkeiten nach verschieden gefördert werden müssen. Wir haben hier an Bord den Vorteil, dass die künstliche Zefir-Intelligenz ausgeklügelte Pläne dafür erstellen kann.”

„Die Menschen allein wären mit den jungen Taelons überfordert. Sie sind im Vergleich zu Menschen sicher zu intelligent.” Manchmal konnte es Zo'or nicht lassen - die alte Arroganz blitzte durch.

„Du bist auf deine Art sehr stolz, und das sollst du auch sein”, meinte Lonegan nur dazu. „Vergiss jedoch nicht, dass ein Großteil eures überlegenen Verstandes nur dazu dient, eure speziellen Körperfunktionen und Fähigkeiten zu kontrollieren, die Menschen gar nicht entwickelt haben. Schließlich ist die Spezies der Taelons um vieles älter. Was die praktische Intelligenz betrifft, stehen Menschen den Taelons in nichts nach.”

Sie wanderten weiter. Eine junge Taelon stand unterhalb im Kreise von zwei weiblichen und einem männlichen menschlichen Jugendlichen und schien an einer Staffelei etwas zu malen. Vorne lagen verschiedene Stoffe, und kleine Robots flitzen emsig hin und her, oder schienen die Stoffe zuzuschneiden und zu verschweißen. „Wer ist das?” fragte Zo'or, nach unten auf die Taelon deutend.

„Oh, das ist La'lin”, antwortete Lonegan. „Sie und andere Menschen entwerfen in der freien Zeit Kleidung und Gebrauchsgegenstände für die Crew. Die Gruppe ist sehr begabt. Falls es mich nicht täuscht, trägst du selbst einige von ihnen entworfene Kleidungsstücke.” Er warf Zo'or einen Blick zu, die eine in apfelgrün, türkis und hellblau schimmernde Montur mit goldenem Hüftgürtel trug. „Die neuen Taelons lehnen Uniformen ab, wie du weißt.”

Was die Taelon dachte, konnte der Psychiater nur raten. So sah er bereits erste Anzeichen, dass Zo'or wieder umkehren und in ihr Appartement flüchten wollte, obwohl die beiden erst (30 Minuten) unterwegs waren. Zo'or war zweifellos sehr intelligent, und meistens unterließ sie es, ihn zu manipulieren, zu schockieren oder aufzuziehen zu versuchen, was die alte Zo'or sicher getan hätte. Schelling hatte sich zwar mit Hilfe der Roleta in Xenopsychologie weitergebildet, auch was die Behandlung von durch Folter traumatisierte Patienten betrifft, aber er war eben kein ausgebildeter taelonischer Heiler. Er konnte Zo'or nur zuhören und Anregungen geben, nicht mehr. Sie hatte zwar bereits zu erzählen begonnen, was sie als Gefangene erlebt hatte, aber es gab Dinge, darüber konnte sie noch immer nicht sprechen. Schelling wusste, sie brauchte Zeit. Er wollte jedoch nicht, dass Zo'or so rasch aufgab. - Sie wanderten weiter.

„Du hast kaum noch DNS aus der Zeit als Atavus in dir”, meinte Schelling im Plauderton. „Du hast erzählt, dass Ha'gel wohl den hinzugekommenen Atavus-Körper verbrannt hat, als er dir auf dem Salzplaneten erschienen ist. Dadurch wurdest du aus dem Koma aufgeweckt und deine alte Taelon-Form freigesetzt. Hättest du als Taelon dabei nicht sterben müssen?”

„Ja”, antwortete Zo'or wortkarg. „Offenbar hatte ich Glück; mein Umgang mit William reichte aus, den Energiekörper schwingungsmäßig auszumanifestieren.” Sie lächelte etwas verkrampft. „Das Schicksal wollte es wohl so.”

„Daher die Sequenzen, die menschlicher DNS ähndeln?”

„Müssen wir darüber sprechen?” Zo'or wollte sichtlich nicht darüber nachdenken.

„Da vorne sind die hydroponischen Gärten und der Park”, lenkte sie der Psychiater ab. „Roleta kann zwar die meisten Dinge synthetisch herstellen, aber natürlich gewachsenes Gemüse schmeckt einfach besser”, lockte Lonegan. „Im Park blühen Gräser, Kräuter und Blumen. Er wird dir gefallen. - Gab es an Bord des Mutterschiffes so etwas ebenfalls?”

„Nein”, erwiderte Zo'or. „Das Mutterschiff war konstruiert, möglichst viele Taelons zu beherbergen, auch wenn am Ende kaum mehr welche da waren. Und es war viel dunkler an Bord.”

Trestim und Palwyr kamen soeben mir Hakar, Wanjak und Daherr vom Park zurück. Sie widmeten Zo'or und Lonegan nur ein kurzes Nicken und waren schon vorbei, während Zo'or vorübergehend bis zur Wand der Galerie zurückgewichen war. Sie hatte noch immer Furcht vor den Jaridians und traute ihnen nicht. Auch etwas, woran Schelling arbeiten musste.

Der Park mit dem künstlichen Sonnenlicht und den Obstbäumen darin war duftend und bezaubernd. Und da saß auch noch Sy'la mit Alexa. Die Kleine fütterte die Fische im Zuchtbassin. Sy'la erhob sich, als sie Zo'or unerwartet kommen sah. Und wieder hatte die Vergangenheit Zo'or eingeholt. Die beiden sahen sich lange an, und Lonegan wusste nicht, warum.

„Du erinnerst dich an mich, Zo'or, nicht wahr?” fragte die Taelon-Mensch-Hybridin. „Ich wollte nur sagen, ich trage dir nichts mehr nach. Ich verstehe, warum du so gehandelt hast. Ich habe es ja überlebt.”

„Ich danke dir”, erwiderte Zo'or. „Ich wusste, dass ich dir und den anderen nicht das Leben nehme, wenn ich mir etwas Energie ausborge. Ich wollte damals nicht verhungern. Es ging mir sehr schlecht. - - - Ich bedaure, dass keine anderen von euch überlebt haben. Das war anders geplant. Außergewöhnliche Menschen sollten für die Zukunft in Sicherheit gebracht werden. Doch zwei Anlagen wurden von Jaridians noch zu meiner Zeit als Synodenführer aufgebracht und vernichtet. Nur die letzte Anlage, von der nur ich etwas gewusst habe, blieb bestehen. Ich habe euch Hybriden dorthin in Sicherheit bringen lassen, als die Situation an Bord und auf der Erde kritisch wurde. Ich konnte nicht ahnen, dass eingeschlepptes Ungeziefer die Station zerstören würde.”

Zo'or senkte den Kopf, ein schmerzliches Lächeln um den Mund, dann wandte sie sich zum Arzt. „Doktor, ich kann nicht mehr. Ich möchte wieder in meine Räumlichkeiten. Entschuldige.” Sie wandte sich einfach um und eilte hinaus.

 
* * *
 

(Auf der Erde:)
Großpräsident Jacob Matsooni musste sogar die Tasche zurücklassen mit den wenigen Habseligkeiten, die er von der Erde mitnehmen wollte. Der Robot ließ ihn nur ohne Gepäck in das kleine Fluggerät einsteigen, das ihn an Bord des verschachtelten Röhrenschiff der Beria bringen sollte. Angekommen, stand er mit hängenden Schultern in einem leeren grauen kubischen Raum ohne sichtbaren Öffnungen. Eine weiße Säule erschien plötzlich mitten im Raum vor ihm.

„Ich begrüße dich, Großpräsident”, klang es aus der Säule. „Wie ich sehe, bist du bereit, mit uns zu kommen. Unser Schiff beginnt soeben, die Medikamente an die acht angegebenen Depotplätze auszuladen. - Fiel dir denn der Abschied schwer?”

„Ja. - Was soll diese perverse Frage?” erwiderte er bitter. „Ich lasse meine Frau, meine Kinder und Enkelkinder zurück und alles, was mir lieb und teuer war!”

„Wenn das so ist, dann müssen wir über neue Lieferbedingungen verhandeln. Wir lassen dich gehen, aber du sorgst dafür, dass wir eure besten 1000 literarischen Werke auf Speicherkristallen aufgezeichnet erhalten. Keine Filme - unser Sehvermögen ist anders beschaffen als das eure. Auch etwas von eurer Geschichte, Kultur und Religion. Und 1000 eurer besten musikalischen Werke. Wir haben weite Reisen vor uns und benötigen interessante Unterhaltung.”

Matsooni glaubte, nicht recht zu hören. „Ich glaube, ihr seid wohl total verrückt!”

Sein unsichtbarer Gesprächspartner gluckste. Matsooni hätte schwören können, dass das fremde Wesen einfach lachte. Ihn auslachte?

„Warum um alles in der Welt stellt ihr solche Forderungen?” fragte er wütend in das Glucksen hinein. „Wenn ihr nur Kulturgüter von uns haben wolltet, warum sagt ihr das nicht? Habt ihr überhaupt eine Ahnung, was wir Menschen mitgemacht haben?!”

„Doch. Das war ein aufschlussreicher Test. - Die Medikamente werden euch gesund machen. Und jetzt bringt dich das Fahrzeug wieder zurück. Es wird warten, bis die Speicherkristalle ausgehändigt sind. Das wird wohl kein Problem sein. Leb wohl, Großpräsident!”

Die Säule verschwand, der Robot brachte den Mann tatsächlich wortlos zur Erde zurück.

An Bord übernahm Brwt nun das Kommando und bereitete den Abflug vor, während Chrcht und Tcht sich in die Brutkammer begaben und den Raum versiegelten. Es eilte, denn der Hinterleib der Beria war bereits dabei, aufzubrechen. Aus den hunderten Eiern würde die Brut schlüpfen und die Eltern dann als Nahrung zerreißen. Nach etwa einem Monat würden etwa 50 überlebende Junge die Kammer öffnen und verlassen - zuerst die paar größeren Weibchen und Männchen, dann einige Tage später die vielen restlichen geschlechtsneutralen Arbeiterinnen. Die Beria würden sie draußen vor der Kammer erwarten, die Jungen mit den von den Eltern verfertigten Kleidchen einkleiden, ihnen Namen geben und sie, nach ihrer kreatürlichen Phase, zu sozialen Lebewesen erziehen. Chrcht und Tcht waren glücklich.

 
* * *
 

Da Roleta nach einigen Wochen die Milchstraße erreichte und der Weg vorbei an das Berkjak-System führen sollte, erbat Ko'lan einige Tage, um zu sehen, was aus den ehemaligen kleinen Rai auf Berkjak II geworden war. Beim Anflug erlebte die Crew die nächste Überraschung: Schon weithin ortbar spielten menschliche Unterhaltungsprogramme irgendwo in der Nähe, strahlen unbekümmert ins All. Es handelte sich um ein Sonnensystem, etwa 12 Lichtjahre von Berkjak II entfernt. Neugierig geworden, kam man nachsehen, und da war es: das verschwundene London!

Die Ankunft des silbernen Walzenschiffes im Hely-System über London bewirkte ein unglaubliches Freudenfest unter den Menschen. Endlich hatte man die Gewissheit, dass die Erde überlebt hatte und der Krieg mit den Tzeks vorüber war. Die Londoner berichteten von der Blue-Droge, die auch hier aufgetaucht war, und von den vielen tausend Toten, die es nach dem Verschwinden der Kristalle in der Bevölkerung gegeben hatte. Eine Menge ehemaliger Süchtiger war noch immer schwer gezeichnet.

Ho'shin begrüßte Da'an, die anderen Taelons (mit Ausnahme Zo'ors), die weiblichen Jungtaelons La'lin und Me'win sowie die männlichen Jungtaelons Qui'sa, Nor'en und Ha'ron vom Bord der Roleta in seiner Villa. Gerade die Jugendlichen freuten sich immens, ihre verlorenen „Geschwister” (die Mädchen Pri'nur, Mis'rai, El'ken, Xo'lai und Bau'si; die Jungen Sa'ben, Pen'za, Hy'lor und Ma'am) wiederzusehen.

„Wo aber sind Mi'nou, Blo'or, Zo'nan und Pa'lol?” fragte Ho'shin Da'an. Der ehemalige uralte Rechtspfleger und Richter der Taelons musste zu seinem Entsetzen hören, dass Mi'nou und Zo'nan tot und die anderen zwei in Haft waren und auf ein Urteil warteten. Außerdem wollte sie Roleta nicht mehr an Bord haben.

„Das ist auf deine nachlässige Aufsicht zurückzuführen”, meinte Ho'shin anklagend. „Ich habe meinen Jugendlichen nicht so große Freiheiten eingeräumt wie du.” Seine Worte lösten unter den Taelons eine wilde telepathische Diskussion aus, während Da'an im Stillen wirklich bezweifelte, dass Ho'shins Jugendliche so „brav” und „gehorsam” waren, wie der offensichtlich dachte. Dazu waren die Neo-Taelons viel zu lebhaft und menschlich. Die Jugendlichen zogen sich später offiziell zurück, setzten sich aber prompt in Richtung Londoner Nachtleben ab und ließen die älteren Taelons alleine.

Ho'shin war die Anwesenheit von Zo'or nicht verborgen geblieben. Auch hier sollte ein Urteil gefällt werden. In den nächsten Tagen erfolgte ein interner Prozeß unter Anwesenheit aller Taelons, Sy'las, Palwyrs, Andre M. Andersons (als Sprecher der ehemaligen Widerstandskämpfer), Ariels (als Vertreter ihrer verstorbenen Mutter Lili Marquette), Pearl Packs als Jugenderzieherin und dem Psychiater Dr. Lonegan Schelling.

Der erste Prozeß galt dem Verrat auf der Roleta. Pearl Pack als Verteidigerin von Blo'or und Pa'lol machte klar, das Dar'den die Jugendlichen verführt hatte und dass sie sich nicht völlig über die Reichweite ihrer Handlungen bewusst gewesen sind; Blo'or war erst gar nicht mitgeflogen und hatte zudem indirekt Da'an alarmiert.

Erschwerend war der Grad des Verrats, die Gefährdung der gesamten Crew und in der Folge dieses Verrats der Tod einer Beibootbesatzung und etliche schwer Verwundete. Die früher übliche Bestrafung wäre Verbannung oder die Inhaftierung in einem Taelonkloster gewesen. Es gab zwar kein Taelon-Kloster mehr, doch ein buddhistisches Zen-Kloster mit Elementen der Kirche der Companions (aus dem 21. Jahrhundert), welches sich von London weg auf einen nahen Berg verlagert hatte. Im Anbetracht der Langlebigkeit der Jugendlichen wurde Pa'lol für vier Jahre und Blo'or für ein Jahr in dieses Kloster verbannt.

Der zweite Prozeß galt Zo'or, als dessen Verteidiger Dr. Schelling bestellt war. Die Anklage lautete auf mehrfachen Mord und Energieraub an Menschen und Taelons während seiner Zeit als Synodenführer, nachdem die Core-Energie verloren gegangen war.

Während des Prozesses wurde offenbar, dass Zo'or absichtlich von Mitgliedern der Synode mit der taelonischen Wahnsinnsseuche Pesch'tal infiziert worden war und durch die Bewusstseinsmanipulationen von Ha'gel einerseits und durch sein Stadium des Ka'atham andererseits ohnehin nur bedingt bei Verstand gewesen war. Der Taelon hatte zudem mehrfach schwere Energieverluste hinnehmen müssen, so durch eine schwere Verletzung, oder dem Duell mit T'than.

Zo'or war ursprünglich die „rechte Hand” des Synodenführers und Mentors Qu'on gewesen, sehr intelligent, jung und überaus ehrgeizig, ganz wie ihn die Synode haben wollte. Es war eigentlich unverantwortlich von der Synode gewesen, Zo'or in seinem Zustand später im Amt des neuen Synodenführers zu belassen, doch hatte die von der Quantenintelligenz beeinflusste Synode gehofft, Zo'or in ihrem Sinne agieren und die „Drecksarbeit” erledigen lassen zu können. Als Zo'or sich wider Erwarten vom Gemeinwesen zu emanzipieren versuchte, wurden Intrigen und Mordkomplotte gegen ihn initiiert. Da'an blieb dabei nicht ohne Schuld - er hatte beim Intrigen- und Täuschungsreigen mitgemacht, Zo'or zuwenig unterstützt oder bei Verfehlungen Zo'ors geschwiegen. Freilich standen Da'an und Ho'shin damals selbst ebenfalls unter dem Einfluss der Quantenintelligenz des Gemeinwesens.

Für Mord an Taelons und Energiekannibalismus hätte Zo'or vom Gemeinwesen früher den Befehl erhalten zum Selbstmord. Die Zeit als retardierender Atavus war der dazupassende Absturz. Im Anbetracht seines Geisteszustandes als Taelon gebührte ihm nach Ansicht der Taelons in Milderung des Urteils die Verbannung auf Lebenszeit, während die Menschen im Prozeß der Meinung waren, dass er für seine Taten nicht bestraft werden konnte, da er nicht zurechnungsfähig gewesen ist. Und, Zo'ors Maßnahmen hatten der Menschheit auch Nutzen gebracht. - Ho'shin hingegen beharrte auf seinen Standpunkt: zwar war Zo'or halb wahnsinnig gewesen, doch hatte er wohl gewusst, was Taelons immer als richtig und falsch angesehen hatten. Er hatte sich als Synodenführer nur einfach darüber hinweggesetzt. Selbst als Atavus (Prä-Taelon) war Zo'or innerlich noch immer ein Taelon geblieben.

„Was immer der damalige Synodenführer getan hat - die heutige Zo'or ist ein gänzlich verändertes Wesen”, verteidigte Dr. Schelling seinen Schützling. „Sie weiß, was sie getan hat, aber sie hat inzwischen soviel Leid erfahren, wie kaum ein Taelon zuvor. Nach Maßstäben der Menschen sind die damaligen Taten verjährt. Ich ersuche darum, das zu berücksichtigen und Gnade vor Recht gehen zu lassen.”

Das als Kompromiss gefundene Urteil: Zo'or wurde zu Verbannung verurteilt, doch gleichzeitig unter Berücksichtigung ihrer langen Gefangenschaft wurde die Strafe als bereits vom Schicksal vollzogen betrachtet. Sie war damit wieder offiziell Teil der Taelon-Gemeinschaft.

Die restlichen Tage auf London eilten zu schnell vorüber. Während sich Pa'lol und Blo'or ins Kloster begaben und La'lin nach London zu Ho'shin übersiedelte, um in der Stadt Mode und Kunst zu studieren, zog es Pen'za, Bau'si und Ma'am unter Obhut Da'ans an Bord der Roleta, um sich wissenschaftlich weiter ausbilden zu lassen. Schließlich war es Zeit, zur Erde weiterzufliegen, welches sich ebenfalls wie das Hely-System (wie die Londoner das Sonnensystem umbenannt hatten,) am Außenrand der Milchstraße, aber in etwa 27 000 Lichtjahre Entfernung, befand. Das Zefir-Schiff versprach, alles zu tun, um binnen ein oder zwei Jahren ein Interdimensions-Portalnetz zwischen der Erde und London zu etablieren. Inzwischen konnten die Londoner eine Menge Post auf der Roleta deponieren.

Nach über einem Jahr gelangten die Teilnehmer endlich zur Erde zurück, wo die Medikamente der mysteriösen Beria inzwischen ausgezeichnete Heilerfolge für die Nerven- und Gewebeschädigungen der ehemaligen Süchtigen gebracht hatten. Als die Menschen gar erfuhren, dass das Schiff auf die Londoner gestoßen war und die Menschen da wohlauf waren, kannte auch hier die Begeisterung keine Grenzen.

 
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(Zurück auf der Erde:)
„Und daher rate ich, alles zu tun, um aufzurüsten und bereit zu sein”, führte Da'an bei der Schlußbesprechung mit Großpräsident Matsooni und seinen Sicherheitsbeauftragten und Ministern aus.

„Niemand weiß, wie rasch die Fricks aufrüsten können und ob und wann die Dunkelmächte die Erde angreifen. Aber die Tatsache, dass die Erde weder eine funktionierende Raumfahrt, noch eine Raumverteidigung besitzt, ist ein Luxus, den sich die Menschen bei so vielen raumfahrenden Spezies nicht länger werden leisten können”, sagte Je'dir bestärkend, der die neben ihm sitzende Sy'la im Arm hielt. „Früher oder später werden diese Völker die Erde finden.”

„Ich denke, die Wissenschaftler an Bord der Roleta haben durch ihre Arbeit so viele neue Techniken gesehen, dass es Zeit wäre, all diese Erkenntnisse an die Universitäten und Forschungsinstitute zu übermitteln”, regte Sy'la an. „Roleta gibt an sich keine Technik der Zefir weiter, doch hat sie nichts dagegen, wenn die Menschen an Bord, denen sie vertraut, Gelerntes an geeignete Personen weitervermitteln.”

„Ihr habt Recht”, antwortete Matsooni. „Das beschauliche Leben auf der Erde ist wohl vorbei. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns mit anderen Spezies auseinandersetzen. Es wird Zeit für die Menschen, sich auch im Weltraum zu behaupten. Es wird Zeit für ein neues Weltbild.”

 

ENDE

 

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