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  „Aus den Tiefen der Zeit” von Sujen   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Das Schicksal eines südamerikanisches Straßenmädchen wird zum Streitpunkt zwischen Da'an und Zo'or
Zeitpunkt:  Die Story spielt in der dritten Staffel, nach der Episode „Das Königsgrab”.
Charaktere:  Arkana, Sandoval, Zo'or, Da'an, [Liam, Renee, Augur]
 
Widmung:  Für Jasmin!
 

 

AUS DEN TIEFEN DER ZEIT

 

Teil 3
 

Die Morgendämmerung hing wie ein zarter, nebliger Schleier über den Bäumen und Büschen. Das Gras war feucht vom Tau, dessen Perlen auf Blättern und Blüten glitzerten. Es war ein schöner Park, der vor über einem Jahrhundert angelegt worden war. Henry Livington, ein Mann aus armen Verhältnissen, dessen Erfindung eines besonders haltbaren Lackes ihn zum Millionär gemacht hatte, hatte den Park den Einwohnern von Washington gestiftet, damit auch die einfachen Leute inmitten der Stadt eine Grünfläche hatten, um sich zu erholen.
Seinem Beispiel folgend finanzierten namhafte Firmen die Pflege der Anlage, und die Bürger spendeten Gelder für den Erwerb neuer Bäume und Bänke. Fast überall waren kleine Schilder aus Messing angebracht, auf denen der Name des jeweiligen Sponsors eingeprägt war. Die Bank, auf der Liam Kincaid und Renée Palmer saßen, war das Geschenk eines gewissen Pete Wilkes. Die Bank war erst vor kurzem aufgestellt worden. Das Holz war noch nicht ausgebleicht, und das Schild glänzte im Morgenlicht wie frisch poliert.
Wieder einmal fand Liam bestätigt, daß Renée unabhängig von ihrer Kleidung immer elegant wirkte. Sie schaffte es sogar im Jogginganzug und mit Turnschuhen wie ein Mannequin auszusehen. Sie lief jeden Morgen drei Meilen, um sich fit zu halten.
Deshalb kann sie riesige Eisbecher essen, ohne auf die Kalorien achten zu müssen, schoß es Liam durch den Kopf, während sie ihr Haar, das sie zum Laufen zusammengebunden hatte, löste und ausschüttelte.
„Was ist so wichtig, daß Sie mich unbedingt treffen wollten, ohne mir wenigstens Gelegenheit zu geben, mich vorher frisch zu machen?” fragte sie.
„Zo'or hat Sandoval zu Arkanas Beschützer ernannt.”
„Wie bitte?” Renée starrte ihn an. „Sie scherzen.”
„Leider nicht. Es ist ganz offiziell. Die Synode hat Zo'ors selbstlose Geste mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Sandovals sprichwörtliche Effizienz verleiht Zo'ors Verzicht einen Anstrich von Edelmut, der es Da'an unmöglich gemacht hat zu intervenieren.”
„Was ist mit Arkana, hätte sie nicht ablehnen können?”
„Mit welcher Begründung? Zo'or ist der Führer der Synode. Sein Angebot abzulehnen, hätte eine Beleidigung bedeutet, die sie vor der Synode hätte rechtfertigen müssen. Was hätte sie anführen sollen? Zumal sie überhaupt nicht weiß, wozu Zo'or und Sandoval fähig sind.”
„Sie wissen es, und Da'an weiß es.”
„Wissen ist wertlos, wenn man es nicht beweisen kann. In den Augen der Synode ist Zo'or so untadelig wie Sandoval. Da'an kann sie nicht beschuldigen, Arkana beseitigen zu wollen, da er dafür ebensowenig Beweise hat wie für die früheren Morde, die Sandoval auf Zo'ors Befehl verübt hat.”
„Die Kleine Sandovals Schutz anzuvertrauen, das ist, als würde man einen Wolf beauftragen, ein Lamm zu hüten.”
„Ich denke, darin sind wir uns einig. Bleibt die Frage, was wir jetzt tun werden.”
„Haben Sie schon mit Da'an gesprochen?”
„Sandoval ist in der Botschaft geblieben. Da'an wollte ihn nicht mit Arkana allein lassen, und in Sandovals Gegenwart konnten wir schlecht darüber reden, wie wir Sandoval loswerden.”
„Ihn loswerden? Heißt das, Sie beabsichtigen, Sandoval zu töten?”
„Was soll das, Renée? Ich dachte, wir hätten geklärt, daß ich solche Methoden ablehne.”
„Zumindest dann, wenn es sich um Sandoval dreht.”
„Falls Sie mit Ihrer Bemerkung etwas Bestimmtes bezwecken, sagen Sie es frei heraus. Keine Spielchen, dazu ist die Sache zu ernst.”
„Also schön. Mir ist aufgefallen, daß Sie, sobald es um Sandoval geht, ganz besonders heftig für Gewaltfreiheit plädieren, und ich frage mich, wieso? Neben Zo'or ist Sandoval unser schlimmster Feind. Er würde keine Sekunde zögern, Sie zu töten, sollte er je erfahren, wer Sie in Wahrheit sind. Trotzdem halten Sie ihre Hand über ihn. Ohne Sie wäre Sandoval längst nicht mehr am Leben, denn dann hätte die Befreiungsbewegung eine der zahlreichen Gelegenheiten genutzt, die sich ihr geboten haben, um ihn ins Jenseits zu befördern. Warum schützen Sie einen Mann, der für die Verbrechen, die er an der Menschheit begangen hat, den Tod tausendfach verdient?”
„Niemand verdient den Tod, ganz gleich was er getan hat. Und niemand hat das Recht, einem anderen das Leben zu nehmen, es sei denn, um sich zu verteidigen.”
„Hohe Ideale. Erstaunlich, wie Sie es geschafft haben, sie sich zu bewahren. Von mir aus, wie Sie wollen. Sandoval wird nicht angerührt. Doch ich bin gespannt, auf welche Weise Sie verhindern möchten, daß er Arkana ein Leid zufügt, ohne ihn zu töten.”
„Es gibt andere Mittel, um ihn auszuschalten.”
„Ich bin ganz Ohr.”

 
* * *
 

„Sie erwarten von mir, dem Widerstand dabei behilflich zu sein, sich Arkanas zu bemächtigen?” vergewisserte Da'an sich erstaunt.
Zo'or hatte ihm unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß er entweder Agent Sandoval dasjenige Vertrauen zu bekunden hatte, das einem loyalen Companion-Beschützer zustand, oder aber der Synode gegenüber seine offenkundige Weigerung begründen müsse, Arkana in Sandovals Obhut zu lassen, ohne ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen. Derart in die Ecke gedrängt war Da'an keine andere Wahl geblieben als sich zu fügen. Zo'or hatte Arkana gebeten, zu ihm auf das Mutterschiff zu kommen, und Da'an hatte sie, wenn auch widerstrebend, allein in Sandovals Begleitung gehen lassen. Indessen, für den Moment bestand vermutlich tatsächlich noch keine Gefahr. Zo'or war zu klug, um Sandoval so kurz nach seiner Ernennung schon tätig werden zu lassen und dadurch womöglich den Verdacht der Synode zu wecken, daß es zwischen diesen Ereignissen einen Zusammenhang gab.
Kaum, daß das Shuttle mit Arkana und Sandoval an Bord gestartet war, hatte Da'an Liam zu sich gerufen, um die Situation mit ihm zu erörtern. Nun sah der Taelon sich zu seiner Überraschung damit konfrontiert, daß sein menschlicher Beschützer in der Zwischenzeit bereits einen konkreten Plan geschmiedet hatte. Ein Plan, der ihm nicht gefiel.
„Welche Veranlassung haben Sie zu der Annahme, daß ich eine solche Handlungsweise auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen würde?” fragte er.
„Ihre Zuneigung zu Arkana”, erwiderte Liam.
„Bitte erklären Sie mir das.”
„Sie wissen, daß Zo'or Sandoval nur aus einem Grund zu Arkanas Beschützer ernannt hat. Er beabsichtigt, sich ihrer zu entledigen, und der einfachste Weg, Sandoval daran zu hindern, Zo'ors Plan in die Tat umzusetzen, ist, Arkana aus seiner Nähe zu entfernen.”
„Es gäbe einen einfacheren Weg, um Zo'ors Absichten zunichte zu machen. Einen Weg, der um so effizienter wäre, als er gleichermaßen auch geeignet wäre, zukünftige Probleme zu lösen oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Anstatt Arkana aus der Nähe von Agent Sandoval zu entfernen, könnte er aus ihrer ... entfernt werden.”
„Ist das ein Befehl?” fragte Liam langsam.
„Wenn es einer wäre, würden Sie ihn befolgen?”
Kincaid wich Da'ans Blick nicht aus. „Nein, das würde ich nicht.”
„In diesem Fall wäre es müßig, einen solchen Befehl zu erteilen. Indessen erscheint es kaum ratsam, Arkana der Befreiungsbewegung anzuvertrauen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Liam, aber ich bezweifle, ob Ihre Freunde vom Widerstand meine Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf Arkana und ihre Bedeutung für unsere beiden Rassen teilen.”
„Sie befürchten, Arkana könnte gegen die Taelons beeinflußt werden?”
„Können Sie garantieren, daß das nicht geschieht?”
„Nein, das kann ich nicht.”
„Dann vermag ich Ihnen nicht behilflich zu sein. Ich kann Ihr Vorhaben nicht gutheißen, und ich möchte Ihr Versprechen, daß Sie davon Abstand nehmen, es durchzuführen.”
„Und wenn ich es Ihnen nicht gebe?”
Da'an schloß die Augen. Eine Welle von Farben durchflutete sein blasses Gesicht. Als er die Augen wieder öffnete, lag ein Ausdruck darin, den Kincaid nicht zu deuten vermochte.
„Ich bat Sie um Ihr Wort, Liam, weil ich Sie als einen Freund betrachte. Diese Angelegenheit ist zu bedeutsam, um eine Weigerung hinzunehmen. Im Übrigen ist es durchaus nicht so, daß ich Ihre Überlegung im Ansatz für verfehlt halte. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich jedoch der Auffassung, daß es ausreichend sein dürfte, sich auf den Versuch einer Entführung zu beschränken. Ein Versuch, den Sie vereiteln werden. Indem Sie es sind, der verhindert, daß Arkana in die Gewalt des Widerstands gerät, und nicht Agent Sandoval, bringen Sie ihn in den Augen der Synode in Mißkredit.”
„Wodurch Arkana die Möglichkeit bekommt, ihn unter Hinweis auf mangelnde Effizienz für die Zukunft als Beschützer abzulehnen.”
„So ist es.”
„Was Zo'or wohl sagen würde, wenn er wüßte, wie intrigant Sie bei Bedarf sein können?”
„Der größte Fehler derjenigen, die sich für überlegen halten, ist der, diejenigen, denen sie sich überlegen glauben, in ihrer Arroganz leichtsinnig zu unterschätzen”, erklärte Da'an ruhig.

 
* * *
 

Arkana musterte Sandoval, der neben ihr im Shuttle saß, verstohlen. Obwohl Da'an und Liam sich äußerlich nichts hatten anmerken lassen, hatte sie ihr Entsetzen darüber, daß Zo'or Sandoval zu ihrem Beschützer ernannt hatte, so deutlich gespürt, wie sie die Gefahr spürte, die von dem Mann an ihrer Seite ausging. Es war ein Gefühl, das sie bei ihrer ersten Begegnung in Bahia nicht empfunden hatte. Damals hatte er kühle Distanz ausgestrahlt, gemischt mit einem Hauch von Anteilnahme an ihr und ihrem Schicksal. Er gab sich immer noch distanziert, jedoch war eine unterschwellige Bedrohung hinzugekommen, die ihr Angst einjagte. Hätte der Sitz es erlaubt, wäre sie von ihm fortgerückt. Ihre Hände kribbelten, so als würde jener Teil in ihr, den die Taelons Shaquarava nannten, auf Sandovals Gegenwart spontan reagieren.
Sie wollte hier nicht neben diesem Mann sitzen, dessen Nähe ihr Furcht einflößte.
Sie wollte nicht an Bord des Mutterschiffs, wo Zo'or sie erwartete.
Sie wünschte sich, das Shuttle würde umkehren und sie zurück in die Sicherheit der Botschaft bringen. Zurück zu Da'an.
Das Kribbeln in ihren Handflächen verstärkte sich. Sie preßte ihre Hände fest auf die Kanten des Sitzes, verkrallte die Finger in das Polster und zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Ihre Angst war unbegründet. Sie mußte unbegründet sein. Denn ansonsten hätte Da'an sie Sandoval nicht anvertraut, dessen war sie sicher. Der Gedanke half. Sie spürte, wie ihre verkrampften Muskeln sich wieder entspannten.
Obwohl Sandoval das Mädchen nicht ansah, blieb ihm ihr innerer Kampf nicht verborgen, und gegen seinen Willen nötigte ihre Selbstbeherrschung ihm Respekt ab. Sie erschien ihm wie ein junger Vogel, der aus dem Nest gefallen war und mit dem Mut der Verzweiflung der feindlichen Umwelt zu trotzen versuchte. Natürlich hatte sie keine Chance, auch wenn er sich bei dem Wunsch ertappte, daß es anders wäre. Welch eine Verschwendung von Potential. Wäre Zo'or nicht derart versessen darauf, die Kleine und das, was sie repräsentierte, zu beseitigen, hätte es vielleicht eine Möglichkeit gegeben, sie zu retten. Arkana hätte sich gewiß als äußerst nützlich bei der Verfolgung seiner Pläne erwiesen, aber er konnte es nicht riskieren, das Mädchen einfach verschwinden zu lassen und unter Umständen dadurch in Zo'or Zweifel an der Loyalität seines Attachés zu wecken.
Indessen, vielleicht war es wirklich besser, sich Arkanas zu entledigen.
„Sie wissen, was es heißt, ein solches Leben zu führen. Sie haben früher auch so gelebt.”
Die Worte des Mädchens hallten in ihm wieder. Sein CVI sorgte dafür, daß die Erinnerung an jenen Moment allgegenwärtig blieb. Er mußte nicht einmal die Augen schließen, um den Nachmittag in Bahia erneut zu durchleben. Er konnte lediglich vermuten, wie sie es geschafft hatte, den Wall zu überwinden, den er errichtet hatte, und zu seinem Bewußtsein durchzudringen, zu den Erinnerungen, die er dort sorgsam verbarg. Die Vorstellung, daß sie fähig sein könnte, ihn und die Geheimnisse, die er hütete, zu durchschauen, war beunruhigend.
Der Pilot vollführte eine rasche Bewegung mit den Händen auf dem virtuellen Display.
Das Shuttle sprang aus der Interdimension.
Wie stets empfand Sandoval den Anblick des Mutterschiffs, das wie ein funkelnder Kristall in einem Polster aus schwarzem Samt im All hing, als erhebend. Die Schönheit des Schiffes, so filigran und doch bei Bedarf todbringend für jene, die den Taelons und ihrer Macht zu trotzen wagten, nahm ihm jedes Mal aufs neue den Atem.
Arkana zeigte keine Regung, aber Sandoval vermochte sich nicht vorzustellen, daß sie nicht ebenso überwältigt war wie er. Jonathan Doors und sein Sohn Joshua waren beeindruckt gewesen, auch wenn sie sich bemüht hatten, sich nichts anmerken zu lassen, und wenn diese beiden überwältigt gewesen waren, stand außer Frage, daß Arkana es auch sein mußte.
Das Shuttle durchstieß den virtuellen Schild des Hangars und setzte mit einem kleinen Ruck auf. Der Pilot deaktivierte den Antrieb.
Sandoval und Arkana lösten ihre Gurte.
Das Mädchen wich zur Seite, um ihrem Beschützer den Vortritt zu lassen, was er mit einem leichten Lächeln akzeptierte. Ihre instinktive Reaktion, ihm nicht den Rücken zuwenden zu wollen, amüsierte ihn, und da seine Rolle in diesem Spiel ohnehin kaum mehr als eine Farce war, konnten sie getrost auf die Einhaltung der Etikette verzichten.
Seine Erheiterung blieb Arkana nicht verborgen. Plötzlich fühlte sie sich gedemütigt, und ihre Furcht verwandelte sich in Scham und schließlich in wilden Zorn darüber, daß er über ihre Angst vor ihm und Zo'or innerlich lachte. Seine Haltung strahlte Überheblichkeit aus, und das Bedürfnis, ihm diese Sicherheit zu nehmen, und sei es auch nur für Sekunden, wurde übermächtig.
Durch den Stoff seines Jacketts spürte Arkana, wie Sandovals Muskeln sich spannten, als sie einige schnelle Schritte machte und ihre Hände auf seinen Rücken legte, fühlte seine Überraschung angesichts der unerwarteten Berührung.
Er hielt inne. „Was soll das, Miss Diaz?” fragte er.
Täuschte sie sich, oder war es wirklich neben Irritation ein Hauch von Furcht, der da in seiner Stimme schwang? Unter ihren Händen vermeinte sie den Schlag seines Herzens zu spüren. Hatte der Rhythmus sich beschleunigt?
Sie hoffte es, verdammt, sie hoffte so sehr, daß es so war ...
Sie sagte nichts.
Es war nicht nötig.
Sie konnte die Kraft, die in ihr war, nicht kontrollieren.
Aber das wußte er nicht, und das war alles, worauf es ihr ankam.
Sie ließ die Hände sinken und trat zurück.
Sandoval drehte sich zu ihr um, und als ihre Blicke sich begegneten, bereute Arkana, daß sie den Wunsch, an seiner Arroganz zu rütteln, nicht unterdrückt hatte. Ohne es erklären zu können, war sie plötzlich sicher, soeben ihre letzte Chance vertan zu haben, ein gesegnetes Alter zu erreichen. Sie erschauerte, und das Gefühl der Überlegenheit, das ihr der winzige Moment scheinbarer Macht über ihn verliehen hatte, löste sich in nichts auf.

 
* * *
 

Augur schüttelte demonstrativ den Kopf, um seine Weigerung zu unterstreichen. „Nein, nein, und nochmals nein!”
„Du gehst absolut kein Risiko ein”, versicherte Liam.
„Außer demjenigen, versehentlich in die Schußlinie von Sandovals Skrill zu geraten.”
„Renée wird sich um Sandoval kümmern.”
„Na toll.” Augur warf Palmer, die in einem eleganten, ärmellosen Kleid aus grünem Leinen an der Bar seiner Wohnung lehnte, einen Blick zu, der deutlich ausdrückte, was er von ihren Qualitäten als Widerstandskämpferin hielt. „Da bin ich jetzt wirklich beruhigt, Liam.”
„Zu recht”, meinte Renée, ohne auf die Beleidigung zu reagieren. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir einen Drink mixe?”
„Ja, das habe ich.”
„Augur!” mahnte Liam.
„Meine Wohnung ist kein Selbstbedienungsrestaurant. Wenn sie einen Drink will, dann soll sie in das Flat Planet Café gehen”, erklärte Augur ungerührt.
„Er hat recht”, kam Renée Liam zuvor. „Das ist seine Wohnung, und da ich unerwünscht bin, werde ich besser verschwinden. Bevor Ihr Freund mich vor die Tür setzt, weil ich mich in Gedanken an seinen Getränken vergriffen habe.”
„Renée ...”
„Schon gut, Liam. Ich bin eine erwachsene Frau, die über diesen Dingen steht.” Palmer nahm ihre Handtasche. „Sie wissen, wo Sie mich finden. Auf Wiedersehen, Augur.” Sie nickte ihm kühl zu. „Es ist immer wieder anregend, mit Ihnen zu plaudern.”
Liam starrte auf die Tür, die sich lautlos hinter Renée schloß. Dann wandte er sich mit einem Ruck zu Augur um.
„Kannst du mir verraten, was das eben sollte?”
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.”
„Oh, doch, das weißt du. Warum behandelst du Renée, als ob sie dein Feind wäre? Sie ist auf unserer Seite, und sie hat unser Leben gerettet, schon vergessen? Falls ja, frische ich dein Gedächtnis gerne auf.”
„Nicht nötig. Mein Gedächtnis funktioniert einwandfrei.”
„Nun, dann hast du eine seltsame Art, deine Dankbarkeit zu zeigen.”
„Warum sollte ich Renée für etwas dankbar sein, das sie in ihrem eigenen Interesse getan hat, oder sollte ich besser sagen im Interesse von Jonathan Doors?”
„Das ist nicht fair.”
Augur schwieg.
„Renée trägt keine Schuld an Lilis Tod”, ergänzte Liam. „Du darfst sie nicht dafür bestrafen, daß sie nicht an Lilis Stelle gestorben ist, und indem du netter zu ihr bist, verrätst du Lilis Andenken auch nicht.”
„Verdammt.” Augur sank auf seine Couch und vergrub das Gesicht in den Händen. „Sie fehlt mir. Ich habe die ganze Wohnung umgeräumt, und trotzdem erinnert mich alles an Lili. Damals, als sie von diesem Bliss abhängig war und ich das Sanctuary-Programm aktiviert und uns hier drinnen eingeschlossen habe, da habe ich gewußt, daß es in meinem Leben niemals wieder eine Frau wie Lili geben würde.”
„Ich verstehe dich, Augur.”
„Nein, tust du nicht. Du hast sie gemocht, aber ich, zum Teufel, ich habe sie .. ach, was soll's, das spielt jetzt ohnehin keine Rolle mehr.”
„Wirst du mir helfen?” fragte Liam drängend. „Lili hätte es bestimmt gewollt.”
„Also schön.” Augur ließ die Händen sinken. „Ich tue es.” Er sah Kincaid an. „Für Lili.”

 
* * *
 

Flirrende Farbwirbel schienen Zo'or in einem weiten Kreis zu umgeben, so als stände er im Zentrum eines bunten Partikelflusses.
Als Arkana nähertrat, erkannte sie, daß es sich um einzelne, schimmernde Ströme aus Energie handelte, von denen jeder aus einer separaten Quelle gespeist wurde. Inmitten dieser Energieströme nahm sie Bewegungen wahr, schemenhafte Umrisse von Gestalten, die aus reiner Energie bestanden, Teil der Ströme waren, die Holografien ihrer Körper auf die Brücke des Mutterschiffs projizierten.
Zo'or empfing sie mit einem freundlichen Lächeln, das nicht zu dem Bild passen wollte, das sie sich aufgrund ihrer früheren Begegnungen und den diversen Andeutungen Da'ans gemacht hatte.
„Ich freue mich, dich zu sehen. Wir alle freuen uns.” Zo'or hob beide Hände in einer Geste, welche die Energieströme umfaßte.
Arkanas Blick glitt über die wabernden Formen. „Wer ist alle?” erkundigte sie sich.
„Ich spreche von den Mitgliedern der Synode.” Zo'or wiederholte seine allumfassende Geste.
„Das sind ... Taelons?”
„Hat Da'an dir nicht gesagt, wie wir in Wahrheit aussehen?”
Natürlich hatte er das noch nicht getan.
Zo'or gestattete sich ein heimliches Lächeln.
Da'an und seine Empfindlichkeit, wenn es darum ging, Menschen die Wahrheit über Dinge zu offenbaren, von denen er befürchtete, sie könnten sie erschrecken oder auch nur befremden. Die Behutsamkeit, mit der Da'an den Menschen solche Dinge beizubringen pflegte, war die Folge seiner unverständlichen Sympathie für diese primitive Spezies. Doch bisweilen erwies Da'ans überflüssige Rücksichtnahme auf menschliche Gefühle sich durchaus als nützlich, wie Arkanas Beispiel bewies.
„Das also ist der Mensch, der Ma'els Erbe in sich trägt”, meinte eine der durchscheinenden Gestalten. Die Stimme klang, als würde der Taelon in einer hohen Halle sprechen, deren Wände den Ton in unzähligen Echos zurückwarfen. „Tritt näher.”
Zögernd folgte Arkana der Aufforderung. Etwas, das in etwa die Form einer menschlichen Hand hatte, streckte sich ihr aus einem der Ströme entgegen. Sie hob ihre eigene Hand und berührte das Gebilde. Aus einem der anderen Ströme schob sich ein weiteres schimmerndes Gliedmaß, das entfernte Ähnlichkeit mit einer menschlichen Hand hatte. Lange, schmale, bläulich schillernde Finger, die sich mit sanftem Druck um Arkanas legten.
Unwillkürlich schloß das Mädchen die Augen und hielt den Atem an.
Energie durchfloß jede Faser ihres Körpers, brandete wie eine Welle durch ihr Bewußtsein. Es war ein eigenartiges Gefühl, nicht wirklich unangenehm oder gar schmerzhaft. Doch die Intensität des Energieflusses machte sie benommen. Eine Flut von Informationen ergoß sich in ihren Verstand. Vor ihrem inneren Auge entstanden Bilder. Erinnerungen an Orte, die sie nie betreten, und an Wesen, die sie nie gesehen hatte. Ein Chor von Stimmen flüsterte in ihrem mentalen Selbst. Ein zartes, aber beharrliche Wispern strömte, getragen vom Blut, durch ihre Adern in jeden noch so winzigen Winkel ihres Körpers, rauschte wie ein Wasserfall in ihren Ohren. Töne, hoch und klar, erklangen in ihrem Kopf, steigerten sich zu einem schrillen Kreischen, das sich wie spitze Pfeile in ihre Schläfen bohrte.
Mit einem unterdrückten Aufschrei riß Arkana sich los. Stille stürzte über ihr zusammen, es war, als würde sie in eine dicke Decke eingehüllt, welche die Geräusche um sie herum bis zur völligen Lautlosigkeit schluckte. Sie wankte einige Schritte zurück, taumelte und wäre gestürzt, wenn Agent Sandoval sie nicht aufgefangen hätte.
„Du hattest recht, Zo'or”, sagte einer der beiden Taelons, die Arkana berührt hatten. „Da'an irrt sich. Sie ist noch nicht fähig, unser Gemeinwesen zu teilen, und es besteht die Möglichkeit, daß sie es vielleicht niemals sein wird. Sehr bedauerlich.”
Arkana war zu geschwächt, um Sandovals Hände, die sie stützten, abzuschütteln. Es war, als hätte sämtliche Kraft ihren Körper verlassen, und ihr Geist war von dem, was ihr widerfahren war, zu benebelt, um die ganze Bedeutung dieser Worte zu erfassen.
„Das Gemeinwesen?” hauchte sie. „War es das ... Gemeinwesen, das ich ... gespürt habe?”
„Nein”, erwiderte Zo'or. „Das, was du gespürt hast, war eine isolierte Verbindung mit zwei Mitgliedern der Synode, lediglich ein verschwindend geringes Bruchstück, ein kleiner Splitter dessen, was das Gemeinwesen ausmacht. Hättest du das Gemeinwesen in seiner Gesamtheit gespürt, hättest du binnen Sekunden das Bewußtsein verloren. Im schlimmsten Fall wären deine Nervenbahnen derart überlastet worden, daß es deinen sofortigen Tod zur Folge gehabt hätte.”
„Meinen Tod?” echote Arkana. „Aber Da'an hat ...”
„Da'an neigt leider dazu, Wahrheiten abzuschwächen.” Zo'ors Blick hielt den des Mädchens fest. „Gelegentlich pflegt er sie auch zu verschweigen. Insbesondere dann, wenn es sich um Dinge handelt, die seine Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf die Menschheit in einem anderen, weniger strahlendem Licht erscheinen lassen. Was hat er dir über unsere Heimatwelt erzählt? Hat er dir das”, Zo'or hob seine linke Hand, worauf sich ein Display öffnete, „gezeigt?”
Arkana starrte auf die Bilder. Eine kahle, verbrannte Wüste aus Felsen und schwarzer Asche.
„Was ist das?”
„Das ist das unvergleichliche, das kostbare Juwel, das Taelon genannt wird.”
„Nein”, stöhnte sie.
„Doch”, widersprach Zo'or. „Das ist unsere Heimatwelt, oder besser gesagt, das, was davon übrig geblieben ist, nachdem die Jaridians sie überfallen hatten. Hat Da'an dir von ihnen erzählt.”
Arkana schüttelte stumm den Kopf, während ihr Verstand zu begreifen versuchte, daß Da'an sie die ganze Zeit belogen hatte. Sie wollte krampfhaft glauben, daß Zo'or derjenige war, der die Unwahrheit sprach, daß er beabsichtigte, sie zu täuschen und Da'an zu verleugnen. Doch wie hätte Zo'or in Gegenwart der übrigen Mitglieder der Synode lügen können? Außerdem spürte sie deutlich, daß er aufrichtig war, und diese Erkenntnis stürzte sie in tiefe Verzweiflung.
„Die Jaridians sind unsere Todfeinde”, drang Zo'ors Stimme durch das Chaos der Gefühle, die in Arkanas Innern tobten. „Wir sind zur Erde gekommen, auf der Suche nach jener genetischen Waffe, die es uns ermöglichen kann, die Jaridians zu besiegen. Dem Shaquarava. Es war Da'an, der die These aufgestellt hat, daß die Menschheit sich im Kampf gegen die Jaridians als nützlich erweisen könnte. Eine Armee aus gentechnisch veränderten menschlichen Soldaten, die unseren Krieg führen würden, um unser Überleben zu sichern. Die Menschheit ist nicht die erste Spezies, die auf Anregung von Da'an für ein derartiges Programm in Erwägung gezogen wurde.”
„Nein!” Arkana preßte ihre rechte Faust an den Mund.
Zo'or log.
Er mußte lügen.
Da'an konnte sie nicht so getäuscht haben.
Oder doch?
Über Arkanas Schulter traf Sandovals Blick denjenigen Zo'ors.
Der Führer der Synode nickte kaum merklich.
Sandoval beugte sich vor und brachte seinen Mund neben das Ohr des Mädchens, das reglos in seinen Armen hing, die ihr jenen Halt gaben, ohne den sie vermutlich zusammengebrochen wäre.
„Möchten Sie, daß ich Sie zurück zur Botschaft bringe, Miss Diaz?”
Zurück zur Botschaft?
Zurück zu Da'an?
Sie hatte Da'an vertraut.
Und er hatte sie belogen.
Sie konnte nicht zurück.
„Nein”, murmelte sie erstickt. „Ich will nicht zurück.”
„Wohin möchten Sie dann?” fragte Sandoval.
Nach Hause, hätte Arkana am liebsten geschrien. Aber sie hatte kein Zuhause. Keinen Ort, an dem sie sich verkriechen konnte. Nur die Straßen von Bahia mit ihrem täglichen Kampf, und sie hatte keine Kraft um zu kämpfen. Nicht jetzt, nicht heute. Eine ruhige Ecke, in der sie allein und ungestört weinen konnte, das war alles, wonach sie sich in diesem Moment sehnte.
„Natürlich steht es dir frei, auf dem Mutterschiff zu bleiben”, sagte Zo'or liebenswürdig. „Du kannst unsere Gastfreundschaft unbegrenzt in Anspruch nehmen. Schließlich bist du eine von uns.”

 
* * *
 

Das Büro befand sich im vierzehnten Stock eines Wolkenkratzers. Von hier oben hatte man eine herrliche Aussicht auf Washington.
Renée Palmer zeigte kein Anzeichen von Überraschung, als Liam gefolgt von Augur eintrat.
Entweder hatte sie mit ihrem Kommen gerechnet, oder sie hatte sich, wie gewöhnlich, völlig in der Gewalt. Zu Kincaids Erleichterung enthielt sie sich jeglichen Kommentars darüber, daß Augur es sich offenbar anders überlegt hatte. Statt dessen nahm sie das Gespräch so gelassen wieder auf, als ob sie nach wie vor in Augurs Wohnung wären und es diese kleine Unterbrechung nebst Ortswechsel überhaupt nicht gegeben hätte. Abgesehen davon, daß sie aufstand, zum Barschrank schlenderte und sich einen Drink mixte. Dieser subtile Hinweis, daß sie sein Verhalten lediglich tolerierte, nicht etwa vergaß, entlockte Augur ein Lächeln.
„Gehen wir die Sache noch einmal durch.” Renée setzte sich wieder und schlug graziös ihre Beine übereinander. „Ich beschäftige Sandoval, während Sie ...”
Kincaids Global summte.
„Da'an”, begrüßte er den Taelon.
„Sie müssen sofort kommen, Liam. Zo'or hat mich soeben darüber informiert, daß Arkana an Bord des Mutterschiffs zu bleiben wünscht.”
„Denken Sie, daß er sie gegen ihren Willen festhält?”
„Das befürchte ich. Wir werden unverzüglich zum Mutterschiff fliegen, um festzustellen, ob diese Vermutung sich bestätigt.”
„Ich bin in fünf Minuten in der Botschaft.” Liam deaktivierte das Global.
Renée hob eine Braue. „Fünf Minuten?”
„Vielleicht sogar in drei, wenn Sie mir den Firmenhubschrauber ausleihen.”
Sie zog eine Schublade ihres Schreibtisches auf, nahm einen Schlüssel heraus, den sie ihm mit einem: „Bitte behandeln Sie ihn pfleglich. Er ist noch nicht abgeschrieben”, zuwarf.

 
* * *
 

Es war das erste Mal, seit Liam Da'an kannte, daß der Taelon kurz davor stand, seine Fassung zu verlieren. Seine für gewöhnlich bleiche Haut schillerte in wechselnden Schattierungen, ein Zeichen besonderer Erregung.
Demgegenüber bot Zo'or ein Bild der Gelassenheit, das Da'an noch mehr aufbrachte. Zo'ors Ruhe, die aufreizende Sanftmut in seiner Stimme, hatte etwas ungemein Provozierendes an sich, das seine Wirkung auch auf Liam nicht verfehlte. Er spürte, wie er langsam aber sicher innerlich vor Zorn zu beben begann.
„Wie ich bereits sagte, Arkana möchte dich nicht sehen, Da'an”, erklärte Zo'or. „Ich hege die Befürchtung, daß du sie zu tief enttäuscht hast. Die meisten Menschen schätzen es nicht sonderlich, belogen zu werden, und noch weitaus weniger mögen sie es, wenn ihr Vertrauen mißbraucht wird.”
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.”
Zo'or sah Liam an. „Verlassen Sie die Brücke, Major Kincaid.”
Der Companion-Agent blickte Da'an fragend an.
„Gehen Sie!” befahl Zo'or schneidend, als Kincaid sich nicht rührte. „Sofort!”
„Bitte warten Sie draußen, Liam”, sagte Da'an.
Nachdem Kincaid gehorcht hatte, aktivierte Zo'or das Hauptdisplay der Brücke. „Ich habe mit deinem Besuch gerechnet, Da'an. Daher habe ich die Unterhaltung mit Arkana aufgezeichnet.”
Mit wachsendem Entsetzen verfolgte Da'an den Verlauf des Gesprächs auf dem Bildschirm.
„Wie konntest du das tun, Zo'or?” fragte er, als die Abspielung beendet war. „Dazu hattest du kein Recht.”
„Ich bin der Führer der Synode. Ich habe jedes Recht, alles zu tun, was ich im Interesse und Wohl unseres Volkes für richtig erachte. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, Da'an, du hast Arkana die Wahrheit über unsere Heimatwelt, unsere Mission auf der Erde und auch über dich verheimlicht. Mit welchem Recht wagst du es, mir Vorwürfe zu machen? Ich habe Arkana nicht belogen, ich habe lediglich deine Lügen aufgedeckt. Oder willst du leugnen, daß jedes meiner Worte die reine Wahrheit war? Willst du leugnen, daß es deine Idee war, fremde Spezies für unsere Zwecke gentechnisch zu verändern, daß der Plan, die Menschheit genetisch zu manipulieren, damit sie unsere Kriege führt, von dir stammt?”
„Das war, bevor ich die Menschen kennenlernte. Du weißt, daß ich meine frühere Auffassung bereits vor Jahren revidiert habe. Trotzdem hast du es für Arkana so dargestellt, als ob ich nach wie vor dieser Meinung wäre. Deine Worte mögen wahr gewesen sein, aber deine Motivation ist ebenso verwerflich wie dein Verhalten.”
„Gemessen an den moralischen Maßstäben der Menschen vielleicht. Doch das ist ohne Belang für mich. Und für die Synode.”
„Nicht alle Mitglieder der Synode teilen deine Ansichten in Bezug auf die Menschheit.”
„Du bist das einzige Mitglied der Synode, das anderer Meinung ist. Du schaffst Unfrieden in der Synode und im Gemeinwesen.”
„Hast du deshalb mehrfach versucht, mich zu ermorden?”
„Du stellst eine Bedrohung für das Überleben der Taelon-Rasse dar, Da'an. Deine Gedanken und Handlungen gefährden den Erfolg unserer Mission auf der Erde. Deine sentimentale Affinität für die menschliche Spezies lassen dich deine Pflichten gegenüber deinem eigenen Volk vergessen.”
„Ich nehme an, das bedeutet ja.”
„Diese Unterhaltung ist beendet”, meinte Zo'or kühl. „Ich erwarte, daß du unverzüglich nach Washington zurückkehrst.”
„Nicht ohne Arkana.”
Zo'or gab dem Mann, der schräg hinter ihm auf der Brücke stand, ein Zeichen. „Führen Sie Da'an in das Quartier von Miss Diaz, Lieutenant Miller. Damit er sich persönlich davon überzeugen kann, daß niemand sie gegen ihren Willen hier festhält.”
„Major Kincaid wird uns begleiten”, erklärte Da'an.
Zo'ors Miene war ausdruckslos. „Natürlich wird er das.”

 
* * *
 

Die Kabine, die ihr zugewiesen worden war, war geräumig und gemäß dem menschlichen Bedürfnis nach Bequemlichkeit ausgestattet. Eine Zeitlang hatte Arkana auf dem Bett gelegen und geweint. Sie hatte die Decke über ihren Körper gezogen und sich darin eingewickelt, als könnte der Stoff ihr Schutz gegen die Verzweiflung bieten, die mit Urgewalt über sie eingestürzt war. Sie hatte Sandoval fortschicken wollen, aber er hatte darauf bestanden, in ihrer Nähe zu bleiben. Da ihr die Kraft gefehlt hatte, um sich gegen ihn durchzusetzen, hatte sie sich damit abgefunden, daß er sich im Hauptraum des Quartiers aufhielt, während sie sich im Schlafzimmer ihrem Schmerz über Da'ans Verrat hingab. Sie hatte in das Kissen geweint, um zu vermeiden, daß Sandoval ihr Schluchzen hörte. Sie hatte sich gewünscht, einfach sterben zu können, anstatt mit dem Wissen weiterleben zu müssen, daß Da'an sie belogen und ihr zaghaftes Vertrauen ausgenutzt hatte.
Irgendwann waren die Tränen versiegt. Arkana lag auf dem Rücken und starrte mit geröteten Augen stumm zur Decke. Hinter ihren Schläfen pochte ein dumpfer Schmerz, der mit jeder Minute, die verrann, heftiger wurde. Sie fühlte sich schwach und elend. Sie haßte Agent Sandoval, der sie wie ein Raubtier umstrich, das auf eine günstige Gelegenheit lauerte, um ihr an die Kehle zu springen. Sie haßte Da'an, der sie getäuscht hatte. Und am meisten haßte sie sich selbst, weil sie so naiv gewesen war, zu glauben, daß Da'an tatsächlich etwas an ihr lag.
Unvermittelt stand Sandoval neben dem Bett.
Mit einem Schrei wich Arkana zurück.
„Da'an ist hier”, sagte der FBI-Agent. „Er möchte Sie sprechen. Soll ich ihn wegschicken?”
Arkana starrte ihn an. Wie lautlos er sich bewegte. Seine Augen, so dunkel und mandelförmig wie ihre eigenen, begegneten ihrem Blick ohne eine Regung zu zeigen. Schwarze Tiefen, in denen sich ihr furchtsames Gesicht widerspiegelte wie auf der glatten Oberfläche eines Sees.
„Soll ich Da'an wegschicken?” wiederholte er seine Frage.
Im ersten Impuls wollte Arkana bejahen, überlegte es sich dann jedoch anders. Da'an hatte sie verletzt, und vielleicht ermöglichte das Schicksal es ihr, ihn ebenfalls zu verletzen. Sie verspürte den plötzlichen Drang, ihm Worte an den Kopf zu werfen, die ihn so tief trafen, wie seine Lügen sie getroffen hatten, ohne zu wissen, was sie sagen sollte, um ihm wehzutun. Vielleicht war sie ihm ja so gleichgültig, daß es gar nichts gab, womit sie ihm Schmerz zufügen konnte. Andererseits, er war zu ihr gekommen, hieß das nicht, daß es ihm nicht egal war, ob sie auf dem Mutterschiff blieb? Bedeute es nicht, daß auch er verwundbar war?
„Nein”, hörte sie sich antworten. „Ich will ihn sehen.” Sie folgte Sandoval in den Hauptraum, in dem Da'an auf sie wartete. In Begleitung von Liam und Zo'ors neuem Beschützer, dessen Namen sie vergessen hatte. Sie schenkte ihnen keine Beachtung. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Taelon.
„Sie wollten mit mir reden”, erwähnte sie beiläufig, so als wäre das ohne jeden Belang.
Die Gleichgültigkeit, mit der sie ihn betrachtete, so als wäre er ein Fremder, den sie heute das erste Mal sah, versetzte Da'an einen Stich. Seine blasse Haut schimmerte auf, und als er sprach, war seine Stimme von unendlicher Traurigkeit erfüllt: „Ich bedaure außerordentlich, dir Schmerz bereitet zu haben.”
„Wie kommen Sie darauf, daß irgend etwas, das Sie gesagt oder getan haben, mich berühren könnte?” Mit Genugtuung bemerkte sie, daß sein Gesicht eine dunklere Tönung annahm. Ohne diese Kopfschmerzen, die sie marterten, hätte sie diesen Moment vielleicht sogar genießen können.
„Ich habe es versäumt, dir wesentliche Wahrheiten zu offenbaren. Sofern du diesen Umstand derart interpretierst, daß ich nicht aufrichtig zu dir war, versichere ich dir, daß es unbeabsichtigt war.”
„Unbeabsichtigt?” Von einer Sekunde zur nächsten schlug Arkanas Verzweiflung in Wut um. Sie hatte das Gefühl, als würde jemand mit einem großen, glühenden Hammer auf ihren Schädel einschlagen. „Sie haben mir die Wahrheit bewußt verschwiegen. Sie haben mir Bilder der Heimat der Taelons gezeigt, die nichts weiter waren als eine Lüge. Alles, was Sie erzählt haben, war eine einzige Lüge. Ich hasse Sie!” Ihr Kopf stand kurz davor zu bersten. Spitze Nägel schienen sich in ihre Stirn zu bohren. Die Einrichtung des Quartiers begann zu verschwimmen, und Da'ans Gesicht verwandelte sich in eine verzerrte Fratze. Er bewegte die Lippen, aber sie verstand nicht, was er sagte. Wenn er überhaupt etwas sagte. Schrille Töne, ähnlich denjenigen, die sie während der kurzen Verbindung mit den beiden Taelons auf der Brücke, gehört hatte, kreischten in ihren Ohren. Da'ans Augen glitten aus den Höhlen, sprangen auf sie zu wie Geschosse. „Nein!” entsetzt wich sie zurück und hob abwehrend ihre Hände. „Verschwinde! Laß mich zufrieden!” In Arkanas Augen flackerte Panik, die an Irrsinn grenzte. Sie zitterte am ganzen Leib, und in den Innenflächen ihrer Hände zuckte es.
„Bitte beruhigen Sie sich, Miss Diaz.” Sandoval trat zu Arkana und legte eine Hand auf ihre Schulter, doch sie stieß ihn weg.
Da'an tauschte einen besorgten Blick mit Liam. „Wovor hast du Angst?” Langsam ging er auf das bebende Mädchen zu.
Nebel, die aus den Wänden quollen und klauenartige Finger bildeten, die nach ihr griffen. Inmitten des Grauens die feurige Gestalt eines Dämons, die der Hölle entstiegen sein mußte.
„Nein!” gellte sie.
„Da'an, Vorsicht!” Liam sprang vor und warf sich gegen den Taelon. Der Schwung riß beide zu Boden, und der Energiestrahl, der aus Arkanas Händen zuckte, gleißte über sie hinweg, traf die Tür und brannte ein Loch hinein.
„Miss Diaz!” Sandoval umschlang von hinten die Arme des Mädchen, doch sie schüttelte ihn mit solcher Kraft ab, daß er gegen die Wand des Quartiers geschleudert wurde.
Erneut riß Arkana ihre Hände hoch, deren Innenflächen auf Da'an und Liam zeigten, der den Taelon mit seinem Körper zu schützen versuchte.
Ohne Vorwarnung jagte ein Energiestrahl durch das Quartier und hüllte das Mädchen ein, das mit einem Schrei zusammenbrach.
„Haben Sie den Verstand verloren?” herrschte Sandoval Miller an, der den Skrill sinken ließ.
„Sie wollte Da'an töten”, verteidigte der andere Companion-Agent sich.
„Das wird ein Nachspiel haben”, erklärte Sandoval, während Da'an und Liam neben Arkanas reglosem Körper niederknieten. Ihre weit aufgerissenen Augen starrten sie an. Selbst im Tod lag darin noch entsetzliche Furcht.
Würden sie jemals erfahren, wem oder was diese Angst gegolten hatte?
Vermutlich nicht, dachte Liam bitter. Ein furchtbares Geheimnis mehr. Er hätte Sandoval und Zo'or nur zu gern die Schuld gegeben. Doch Sandoval hatte alles getan, um das, was geschehen war, zu verhindern. Ihm konnten keine Vorwürfe gemacht werden, und damit wurde Zo'or zugleich auch von der Verantwortung für diesen Tod freigesprochen, dessen Ursache die Verkettung unglücklicher Ereignisse gewesen sein mußte.
Da'an bettete Arkanas Kopf in seinem Schoß und schloß ihr sanft die Augen.
Was er für dieses Mädchen empfunden hatte, kam dem menschlichen Gefühl von Liebe am nächsten. Arkana hatte das genetische Erbe seines verehrten Mentors Ma'el in sich getragen. Sie war Ma'els Vermächtnis gewesen, und nun war alles dahin. Eine weitere Hoffnung für die Taelons war mit Arkana gestorben. Und auch für die Menschheit.
Was nur hatte Arkana bewogen, ihn anzugreifen? Was hatte sie derart in Panik versetzt, daß ihr Shaquarava außer Kontrolle geraten war?
„Warum?” flüsterte Da'an, vom Schmerz über diesen unermeßlichen Verlust überwältigt.
Liam schwieg. Sofern es auf diese Frage eine Antwort gab, hatte er keine. Sein Blick hing an dem zarten Gesicht des Mädchens.
„Es hätte gereicht, Sie zu betäuben, Lieutenant”, sagte er zornig.
„Sie wollte Da'an töten”, wiederholte Miller, der unbehaglich auf die Tote starrte. Im Grunde wußte er selbst nicht, weshalb er seinen Skrill mit voller Kraft abgefeuert hatte. In dem Moment, als er es getan hatte, war es ihm logisch und richtig erschienen. Das Mädchen war eine Bedrohung für Da'an gewesen, die eliminiert werden mußte. Um jeden Preis. Nun, im Nachhinein war er unsicher, ob er nicht übereilt gehandelt hatte. Doch jetzt war es zu spät.
„Es tut mir leid”, murmelte er. „Ich wollte sie nicht töten. Es war eine spontane Reaktion.”
„Eine spontane Reaktion?” entfuhr es Liam. „Wozu haben Sie denn dieses verdammte CVI in Ihrem Gehirn, wenn Sie unfähig sind, Ihren Skrill zu kontrollieren?”
„Das genügt, Liam”, meinte Da'an leise. „Lieutenant Miller hat getan, was er für seine Pflicht gehalten hat. Darüber, ob seine Reaktion angemessen war, wird die Synode entscheiden.”
Unbeachtet von Da'an und den anderen beiden Companion-Agenten griff Agent Ron Sandoval in die Tasche seines Jacketts und deaktivierte das winzige Gerät, das dort verborgen war.

 
* * *
 

Der Raum war kalt, und die weiß gestrichenen Wände warfen das grelle Neonlicht der flachen Deckenlampen in jeden Winkel.
Agent Sandoval lauschte aufmerksam den Erläuterungen der Frau in dem grünen Kittel, die neben ihm ging. Er verfügte über lediglich rudimentäre medizinische Kenntnisse, aber sein CVI war in der Lage, Informationen, gleich welcher Art, zu speichern und im Bedarfsfall in Sekundenschnelle abzurufen. Er mußte nicht sämtliche Details verstehen, es genügte, daß er sie sich merkte und später in aller Ruhe analysierte.
Die Frau war nicht mehr jung. Sie erinnerte ihn ein wenig an Doktor Belmann. Zumindest äußerlich. Er war sicher, daß Belmann niemals fähig dazu wäre, das zu tun, was diese Ärztin Tag für Tag im Dienst der Taelons tat. Nicht, daß es ihn sonderlich berührt hätte. Über diesen Punkt war er schon lange hinaus. Anfangs hatte sein Motivations-Imperativ ihm nicht gestattet, die Ziele der Taelons anzuzweifeln, oder die Methoden, die sie zur Erreichung dieser Ziele anwandten. Später, als sein Motivations-Imperativ immer schwächer wurde, hatte er eine Entscheidung treffen müssen, die er nicht einmal dann hätte rückgängig machen können, wenn er es gewollt hätte. Tatsächlich würde er, vor die Wahl gestellt, erneut wieder so handeln.
Vor der letzten Tür des Ganges blieb die Ärztin stehen. Sie zog ihre Identitätskarte durch den dafür vorgesehenen Schlitz und tippte den vierstelligen Sicherheitscode ein.
Lautlos glitten die Türhälften auseinander. Die Temperatur des Raumes dahinter war um einige Grade kühler als diejenige auf dem Gang.
Unwillkürlich fröstelte Sandoval. Er verabscheute Kälte, und er hielt sich ungern in der Nähe von Toten auf. Natürlich hätte er das niemals offen zugegeben. Schon gar nicht gegenüber Zo'or, der darin ein Zeichen von Schwäche erblickt hätte. Und wenn er sich eines nicht leisten durfte, dann war es, in Zo'ors Gegenwart Schwäche zu zeigen. Er war Zo'ors rechte Hand geworden, weil er effizient und skrupellos war. Skrupellos genug, um die Ermordung eines unschuldigen, jungen Mädchens, fast noch ein Kind, zu arrangieren, dessen einzige Verfehlung darin bestanden hatte, Zo'or und seinen Plänen für die Menschheit im Weg zu sein.
„Sie wissen, was es heißt, so ein Leben zu führen. Sie haben einmal auch so gelebt”, raunte Arkanas melodische Stimme hinter Sandovals Stirn. Er wollte sie nicht hören. Er wollte sich nicht an dieses Mädchen erinnern, so jung, so voller Leben. Er würde versuchen, die Erinnerung an Arkana in einem der hintersten Winkel seines Gedächtnisses zu vergraben, dort wo die Erinnerungen verborgen waren, die sie unfreiwillig entdeckt hatte.
Er folgte der Ärztin in den hell erleuchteten Raum, an dessen beiden Seiten sich unzählige eckige Stahlklappen übereinander aufreihten, hinter denen sich Kühlfächer befanden. Stasiskammern, in denen die Körper derjenigen eingelagert wurden, die Zo'or für würdig erachtete, Gegenstand einer Testreihe zu sein. Reine Forschungsobjekte, denen im Leben wie im Tod jegliche Menschlichkeit genommen worden war.
Nur wenige Taelons und noch weniger Menschen wußten von der Existenz dieses geheimen Labors. Zo'or hatte es unmittelbar nach seiner Ernennung zum Führer der Synode einrichten lassen. Es war mit den modernsten Geräten der menschlichen Technik und derjenigen der Taelons ausgestattet, und diejenigen Wissenschaftler, die in dieser unterirdischen Anlage arbeiteten, gehörten der Elite beider Völker an.
Auf Zo'ors Anweisung war Arkanas Leiche hierher gebracht worden, um sie verschiedenen Untersuchungen und Tests zu unterziehen, von denen er sich einen umfassenden Aufschluß über das Shaquarava versprach.
Außerdem wollte Zo'or vorsorglich verhindern, daß Da'an die Gelegenheit erhielt, doch noch Nachforschungen darüber anzustellen, was Arkanas Furcht und damit ihren Angriff auf ihn ausgelöst hatte.
Es war relativ leicht gewesen, den Gehirnwellenstimulator, mit dem Zo'or vor einem Jahr versucht hatte, Major Kincaid in den Irrsinn zu treiben, so zu modifizieren, daß die Wahnvorstellungen, die er auslöste, sich ausschließlich auf eine Person bezogen, anstatt auf die gesamte Umwelt des Subjektes, das ihm ausgesetzt wurde. Allerdings war es zur Gewährleistung der vollen Funktionsfähigkeit erforderlich gewesen, das Subjekt in einen Zustand emotionaler Erregung zu bringen und eine maximale Distanz zwischen dem Subjekt und dem Sender nicht zu überschreiten.
Zo'or, dessen Offenbarungen über Da'an Arkana in tiefe Verzweiflung stürzten. Ein Sender im Quartier und ein Auslöser in Sandovals Jackentasche. Den Rest hatten Arkana, Da'an und nicht zu vergessen Lieutenant Miller besorgt, ohne daß auch nur der Hauch eines Verdachtes auf Zo'or und seinen inzwischen wieder ernannten Beschützer gefallen war. Nicht einmal Da'an und Liam Kincaid hegten Zweifel an Zo'ors Unschuld bei dieser tragischen Angelegenheit.
Agent Sandoval lächelte beim Gedanken an Miller, dem seine durch eine Manipulation seines CVI vorprogrammierte Überreaktion zu einer Versetzung ans andere Ende der Welt verholfen hatte.
Sein Lächeln erstarb, als die menschliche Wissenschaftlerin, die den ersten Test durchführen sollte, die Stasiskammer öffnete, in welcher Arkanas sterbliche Überreste verwahrt wurden.
Die Kammer war leer.

 

Epilog
 

Der Wind, der vom Meer wehte, trug winzige Tröpfchen Gischt mit sich. Er brachte die Zweige und Blätter des alten Olivenbaumes zum Rauschen. Da'an und Liam Kincaid standen stumm nebeneinander am Rand der Klippe und sahen hinab in die Wellen, auf denen kleine Fischerboote mit bunten Segeln tanzten, während am Horizont die untergehende Sonne den Himmel und das Wasser rot färbte.
Da'an schloß die Augen. Wie bitter dieser Tod war.
„Die Heimatwelt der Taelons ist wunderschön.”
Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er Arkana gegenüber aufrichtig gewesen wäre.
„Der Heilige ist nie gekommen.”
Er hatte gespürt, wie sehr sie unter der Enttäuschung gelitten hatte, die ihr in ihrer Kindheit zugefügt worden war. Er hätte wissen müssen, daß sie keine weitere ertragen würde. Er hätte damit rechnen müssen, daß Zo'or Arkana die Wahrheit offenbaren würde. Da'an vermochte nicht zu sagen, was schmerzlicher war. Der Verlust, oder die Erkenntnis, daß Arkana in der Überzeugung gestorben war, daß er sie belogen und ihr Vertrauen schändlich verraten hatte. Er zwang die Überlegung in die Tiefen seines Bewußtseins. Es hatte keinen Sinn, darüber nachzudenken.
Er wollte Arkana so in Erinnerung behalten, wie sie in der Botschaft gewesen war, nicht als das verletzte, zornige und furchtsame Mädchen, das versucht hatte, ihn zu töten.
„Arkana hatte recht”, brach er das Schweigen. „Die Aussicht ist erhebend.” Langsam drehte er sich um und betrachtete den frischen Erdhügel zu Füßen des alten Olivenbaumes. Es würde nicht lange dauern, bis das trockene Gras die Fläche zurückerobern würde, und in wenigen Wochen würde nichts an dieser Stelle auf die vielen Hoffnungen hinweisen, die hier gemeinsam mit Arkana begraben worden waren. „Denken Sie, die Vorstellung, einmal unter diesem alten Baum zur Ruhe gebettet zu werden, hätte ihr gefallen?” fragte Da'an kaum hörbar, so als würde er zu sich selbst sprechen.
„Ja”, bestätigte Liam ebenso leise. „Ich denke, das hätte es.”

 

ENDE

 

 

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