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  „Ka'ar'mash” von Ro'an   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2003
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Trotz seines Scheiterns ist das Ka'ar'mash-Projekt nicht vergessen. Verschiedene Beteiligte bekommen unangenehme Nachwirkungen zu spüren und die Ankunft eines Taelons auf dem Mutterschiff bringt einiges durcheinander.
Charaktere:  Da'an, Zo'or, Mit'gai, T'than, Ta'sen, Si'ir, Liam, Doktor Beagle, Agent Sandoval, Anja O'Neill
 

 

KA'AR'MASH

Kapitel 2: Erwachen

 

Teil 3


Zur gleichen Zeit, nicht weit entfernt

Ta'sen hatte die Türen wieder verschlossen und war ohne zu zögern Anjas Spuren gefolgt. Es war aus den verschiedensten Gründen zu gefährlich für sie, einfach draußen herumzulaufen. Einerseits war es kalt und ihr menschlicher Körper würde mit der Kälte nicht so leicht fertig werden. Und außerdem war sie offiziell nicht mehr am Leben. Was wäre also, wenn jemand sie erkennen würde - oder noch schlimmer, wenn sie jemandem im die Arme laufen würde, der von dem Ka'ar'mash-Projekt wusste? Und dann war da noch das Problem mit ihrer DNS. Die plötzliche Aktivierung des Taelon-Anteils ihrer Gene hatte zur Folge, dass die Ausbildung bestimmter Fähigkeiten und Merkmale unregelmäßig und sprunghaft verlaufen konnte. Es könnte jederzeit wieder geschehen, das Anja Kontakt mit dem Gemeinwesen aufnahm.
Er beschleunigte seine Schritte und ging so schnell er konnte. Warum hatte er seine Daten nicht besser abgesichert? Wenn sie wirklich seine Aufzeichnungen gelesen hatte, hatte sie jetzt wahrscheinlich ein vollkommen falsches Bild von seinen Absichten - nun ja, vollkommen falsch war es nicht unbedingt, anfangs hatte er wirklich nur forschen wollen, aber mittlerweile...
Abrupt blieb er stehen. Anjas Spuren führten in eine ganz bestimmte Richtung, und das gefiel Ta'sen überhaupt nicht.


Erschöpft lehnte sie sich an einen Baum und rang nach Atem. Sie hatte einfach nur weg gewollt und war losgelaufen. Zuerst ziellos, wie sie glaubte, aber ihre Schritte hatten sie in eine ganz bestimmte Richtung geführt. Es war nicht mehr weit bis zur Botschaft, aber sie konnte nicht mehr. Langsam rutschte sie am Stamm des Baumes nach unten, bis sie im Schnee saß. Eigentlich hätte ihr warm sein müssen, so wie sie gerade gelaufen war, aber es war kalt und sie zitterte.
Der Kloß in ihrem Hals wollte einfach nicht verschwinden und sie hatte das Gefühl, jeden Moment weinen zu müssen. Aber sie tat es nicht, dazu war sie viel zu wütend. Was hatte sich Ta'sen dabei nur gedacht, sie so zu hintergehen und zu belügen? Er hatte sich wirklich gut verstellt.


Es war nicht mehr weit und wenn Anja ihr Tempo beibehalten würde, konnte er sie nicht mehr einholen, dass wusste Ta'sen. Trotzdem ging er noch ein wenig schneller. Die Botschaft war schon in Sichtweite.
Beinahe hätte er das leise Geräusch überhört. Die Quelle musste sich hinter einem der Bäume befinden, die den Weg säumten. Vorsichtig näherte sich Ta'sen der Baumreihe. Er lauschte so konzentriert auf das Geräusch, dass er gar nicht merkte, dass Anjas Spur ebenfalls zu den Bäumen führte.
Er erstarrte mitten in Bewegung, als er die Ursache des Geräusches sah: Anja saß zusammengekauert und zitternd auf dem Boden, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, und schlug mit einer Faust beständig auf den Schnee ein.
Erleichtert, sie endlich gefunden zu haben, trat er näher an sie heran. „Anja...” Ihr Blick brachte ihn zum Schweigen.
„Was wollen Sie von mir?” Wütend stand sie auf. „Sie haben wohl gedacht, mich täuschen zu können, was? Ich muss sagen, Sie sind wirklich ein guter Schauspieler! Ich habe Ihnen wirklich abgekauft, dass Sie mir helfen wollen und dass Ihnen etwas an mir liegt. Aber Ihre Aufzeichnungen sagen etwas ganz anderes.”
Erschrocken sah Ta'sen die junge Frau an. „Anja, bitte, hören Sie mir zu , ich...”
„Nein! Keine weiteren Lügen mehr. Sie sind genauso wie Zo'or nur an Ihren Forschungen interessiert und haben mich die ganze Zeit belogen. Aber damit ist jetzt Schluss! Ich bin schon gespannt, wie die Öffentlichkeit reagieren wird, wenn sie von diesen geheimen Taelon-Experimenten erfährt.”
„Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie wirklich, dass ich Sie belogen habe? Wenn dem so wäre, stände ich jetzt nicht hier - und Sie auch nicht. Sie befänden sich nämlich schon längst auf dem Mutterschiff. Und was, meinen Sie, würde Zo'or mit Ihnen anstellen lassen, würde er von Ihrer außergewöhnlichen DNS erfahren?”
„Soll das eine Drohung sein?”
Betroffen senkte der Taelon den Blick. Seine Stimme war leise, als er weitersprach. „Sie würden mir das wirklich zutrauen... Wenn das meine Absicht wäre, wüsste Zo'or schon längst davon. Sie wissen gar nicht, was ich riskiert habe, um Ihnen das Leben zu retten...”
Im ersten Moment war Anja nahe daran, ihm zu glauben. Aber er hatte ihr Vertrauen zu sehr missbraucht. Sie war noch nie in ihrem Leben so wütend auf jemanden gewesen. „Wie ich schon sagte, Sie sind ein guter Schauspieler, Ta'sen. Aber Sie können jetzt damit aufhören, ich glaube Ihnen sowieso nicht mehr. Und Sie brauchen nicht zu denken-” Unvermittelt brach sie mitten im Satz ab.
Ta'sen hatte während ihrer letzten Sätze den Blick gesenkt, aber die unerwartete Stille verwunderte ihn. Langsam schaute er auf und sah, wie Anja sich mit einer Hand an dem Baum abstützte - und auf einmal anfing, blau zu leuchten.
„Anja? Anja, was ist mit Ihnen? Sagen Sie doch etwas!” Vor lauter Aufregung fing Ta'sen an, seine Hände hektisch zu bewegen.
Nach wenigen Augenblicken wurde das Leuchten wieder schwächer und hörte schließlich ganz auf.
Anja war viel zu erschrocken über das, was da gerade geschehen war um zu bemerken, dass Ta'sen sich wirklich Sorgen um sie machte - andererseits war sie auch viel zu erschrocken, um überhaupt noch an den Streit zu denken.
„Was war das?” wollten beide gleichzeitig wissen.
Als Anja schwieg, fuhr Ta'sen aufgeregt fort „Ist alles in Ordnung? Wollen Sie sich setzen? Ist Ihnen schwindelig?”
„Nein, es geht schon wieder.” Unwillkürlich musste sie lächeln und auf den fragenden Blick des Taelons hin meinte sie „Es tut mir leid... Aber so aufgeregt und besorgt wie Sie sind, das kann einfach nicht gespielt sein.” Einen Augenblick lang wirkte Ta'sen empört, dann atmete er jedoch erleichtert auf und Anja sagte „Entschuldigen Sie, aber ihre Aufzeichnungen... es wirkte auf mich so, als würden Sie...”
„Das kann ich verstehen. Wenn Sie wollen, dann erkläre ich Ihnen alles.” Beinahe im selben Augenblick bereute er seine Worte. ‚Warum muss ich nur immer so vorschnell sein? Jetzt will sie bestimmt auch wissen, warum ich meine Meinung geändert habe...’


Botschaft des nordamerikanischen Companion

Durch Da'ans Reaktion ermutigt, redete Liam weiter. „Da'an, wenn Sie... Ich weiß, dass in letzter Zeit einiges geschehen ist und... ich meine, wenn Sie darüber reden möchten, dann...”
Da'an lächelte. „Danke, Liam. Ich weiß das zu schätzen.” Sein Blick schweifte durch den Raum und ruhte schließlich auf dem großen Fenster. Als er darauf zuging, erstarrte er mitten in der Bewegung und schaute auf einen Punkt draußen auf der Straße.
Liam beeilte sich, neben den Taelon zu treten. „Da'an, was ist los?” Er schaute nach draußen und konnte zuerst nichts erkennen. Dann vernahm er ein Leuchten auf der anderen Straßenseite, hinter einem der Bäume, die den Weg säumten. Das Leuchten erinnerte ihn stark an einen Taelon - doch es dauerte nur ein paar Sekunden an, bis es wieder verblasste.
„Liam, würden Sie bitte nachsehen, was das war?”
„Natürlich.” Das musste Da'an ihm nicht zweimal sagen.
So schnell hatte Da'an Liam noch nie rennen gesehen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Liams Neugier erinnerte manchmal an ein Kind - und eigentlich war Liam das auch noch.


Vor der Botschaft

„Wir sollten gehen. Es ist kalt hier draußen.”
Ta'sen nickte. Ihn störte die Kälte zwar nicht, aber er hatte gelesen, dass Menschen krank werden konnten, wenn sie zu lange niedrigen Temperaturen ausgesetzt waren.
Sie hatten gerade ein paar Schritte gemacht, als sie hinter sich eine Stimme vernahmen.
„Halt, warten Sie.”
Langsam drehte sich Ta'sen um und sah, dass ein Mann auf sie zurannte. Er hatte dieses Gesicht schon mal gesehen... Nach wenigen Sekunden fiel es ihm wieder ein: Da'ans Beschützer.
Liam versuchte, sein Erstaunen zu verbergen, als er kurz vor dem Taelon und Anja zum stehen kam, aber es gelang ihm nicht. „A... Anja O'Neill? Sie… Sie leben??? Aber ich dachte, Sie...”
„Major Kincaid, Sie werden jetzt wieder zurückgehen. Sie haben nichts gesehen - schon gar nicht uns, ist das klar?” Das fehlte gerade noch - vor allem jetzt. In dieser Situation konnte Ta'sen niemandem vertrauen - schon gar nicht einem Companion-Beschützer.
„Es tut mir leid...” Liam überlegte kurz, er hatte diesen Taelon erst einmal kurz gesehen. „Es tut mir leid, Ta'sen, aber Da'an schickt mich. Ich denke, dass er ein gewisses Recht darauf hat zu erfahren, dass es Miss O'Neill gut geht.” Bei den letzten Worten musterte er Anja von oben bis unten. Warum hatte sie einen Taelon-Anzug an? „Es geht Ihnen doch gut?”
Anja nickte. „Ja, danke.” An Ta'sen gewandt fuhr sie fort „Bitte, ich denke auch, dass Da'an davon erfahren sollte. Er wird uns bestimmt nicht verraten.”
Ta'sen glaubte nicht, dass das eine gute Idee war, aber er konnte Anja diesen Wunsch nicht abschlagen. Warum eigentlich nicht? Er verstand es selbst nicht. Irgendetwas hielt ihn davon ab.


Zur gleichen Zeit, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Unruhig ging Da'an in seinem Büro auf und ab. Er hatte keine Ahnung, was dieses Leuchten gewesen sein konnte, aber wie ein Taelon hatte es nicht ausgesehen - jedenfalls nicht wirklich, eine entfernte Ähnlichkeit konnte er jedoch nicht leugnen.
Ein seltsames Gefühl ergriff Besitz von ihm. Er konnte geradezu spüren, dass etwas geschehen würde. Aber konnte er sich noch auf sein Gefühl verlassen? Es hatte ihm auch bei Anja O'Neill gesagt, dass sie eine besondere Rolle spielen würde...
Plötzlich blieb Da'an wie angewurzelt stehen. Er fühlte sich beobachtet und obwohl er sich einredete, dass das nicht sein konnte, verschwand dieses Gefühl nicht. Langsam durchquerte er den Raum, verließ ihn, ging über den Flur, in den nächsten Raum... Nichts. Niemand. Er war allein. Zur Sicherheit schaltete er die Beleuchtung in der Botschaft ein und wiederholte seine Runde. Das Ergebnis war dasselbe.
Wo blieb nur Liam? Und was, bei Jaridia, war nur mit ihm los? Litt er etwa unter Verfolgungswahn? Er war ein Taelon! Na ja... Das glaubte er zumindest, aber ganz sicher war er sich da nicht... In den letzten Jahren, seit er hier auf der Erde war, hatte er sich verändert. Etwas war mit ihm geschehen, geschah noch, immer, unablässig... Nichts körperliches, nichts was zu sehen gewesen wäre, aber er spürte es...
Mittlerweile war er in seinem privaten Raum angekommen und sah sich um, als auf einmal hinter ihm eine Stimme erklang.
„Du denkst zu viel nach, Da'an, machst dir zu viele Sorgen um Dinge, die dich nichts angehen. Du gehörst nicht der Kaste der Philosophen an.”
Beinahe erschrocken drehte Da'an sich um. „T'than?”


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons

Doktor Beagle saß in seiner Zelle und starrte das Energiefeld an, als könnte er es allein durch die Kraft seiner Gedanken neutralisieren. Er verstand immer noch nicht, warum Sandoval ihn hatte festnehmen lassen. - Gut, er hatte geheime Informationen weitergegeben, aber war es denn seine Schuld? Nach Sandovals Meinung: Ja. Aber warum? Sollte er doch Ta'sen festnehmen lassen und ihn fragen, wie er davon erfahren hat.
Bei dem Verhör hatte Beagle dem Agent geschildert, wie Ta'sen ihn kontaktiert hat... Er hatte nur die Tatsache, dass Anja nicht hundertprozentig Mensch war weggelassen. Und er hoffte, dass Sandoval ihm glaubte, denn ein erneutes Verhör - da war sich der Arzt sicher - würde er nicht überstehen, ohne alles zu gestehen.
Schritte auf dem Gang. Doktor Beagle schaute auf und sah Agent Sandoval, begleitet von zwei Freiwilligen.
„Zo'or ist mit dem, was Sie mir erzählt haben, nicht zufrieden, Doktor. Vielleicht sollten Sie sich lieber dazu entschließen, uns die ganze Wahrheit mitzuteilen.” Bei diesen Worten bedeutete er einem Freiwilligen, das Energiefeld zu deaktivieren.
„Aber ich habe Ihnen doch die Wahrheit gesagt!”
„Wenn Sie so hartnäckig darauf bestehen... Folgen Sie mir bitte.”


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Was Da'an sah, gefiel ihm überhaupt nicht. T'than stand mit einem siegessicheren Grinsen vor ihm und aus seinen Augen sprach etwas, das Da'an lieber nicht darin gesehen hätte. Schließlich riss er sich zusammen. „Was meinst du damit, T'than?”
„Das weißt du genau.” Er kam einen Schritt auf Da'an zu. „Du hättest alles haben können, Da'an, du könntest der Führer der Synode sein, du hattest die Chance, unsere Rasse zu führen und zu retten. Aber du wolltest ja lieber die Karriere deines Kindes vorantreiben, wolltest nicht, dass anderen etwas geschieht. - Und dann sabotierst du auch noch meine Pläne, fällst mir in den Rücken... Warum? Warum lässt du einfach zu, dass jemand die Führung übernimmt, der damit hoffnungslos überfordert ist, der uns im Krieg nicht voranbringt, der uns nicht zu retten vermag?”
„T'than, bitte, du weißt warum... Du bist doch bestimmt nicht hergekommen, um mir das zu sagen?” Da'an bemühte sich um einen diplomatischen Tonfall. T'than zu provozieren wäre das letzte, was er sich momentan leisten konnte. In dieser Situation war der Kriegsminister unberechenbar, das hatte er schon einmal erlebt und er wollte es nicht noch einmal darauf ankommen lassen.
„Ich könnte dir noch viel mehr sagen, verlass dich drauf! Aber wie heißt es doch so schön? Deine letzte Aktion war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, und das weißt du.” Noch ein Schritt in Da'ans Richtung.
„Was genau meinst du?” Er hielt diesen stechenden Blick nicht mehr aus, so sehr er sich auch bemühte.
In einer beinahe resignierenden Geste ließ T'than langsam seine Hände durch die Luft fahren, bevor er sie wieder, wie gewohnt, hinter dem Rücken verschränkte. „Du hättest dich raushalten können, niemand hätte dir die Schuld gegeben, du hättest nichts damit zu tun gehabt. Warum hast du dich mir entgegengestellt, nach allem, was geschehen ist? - Da'an, ich habe es schon zu oft versucht, ich habe mich immer bemüht, Geduld mit dir zu haben, ich habe immer geglaubt, dass wir beide zusammen alles erreichen können...”
„T'than, es ist doch nicht-”
„Nein! Hör auf! Du wirst dich mir nicht noch einmal in den Weg stellen.”


„Da'an?” Liam war verwundert, den Companion nicht in seinem Büro anzutreffen, wo er ihn verlassen hatte. Suchend schaute er sich um, dann fragte er noch einmal, etwas lauter als zuvor „Da'an?”
Anja und Ta'sen schauten Liam fragend an und Ta'sen dachte bei sich ‚Einen tollen Beschützer hat Da'an sich da ausgesucht... Weiß nicht, wo sich sein Companion aufhält.’
Erst jetzt fiel Liam auf, dass das Licht in der gesamten Botschaft eingeschaltet worden war. Vielleicht hatte sich Da'an in den Empfangsraum begeben, um ihre Gäste dort zu begrüßen? „Warten Sie bitte hier,” wandte er sich an Anja und Ta'sen, „ich bin sofort wieder da.”
Als der Mann den Raum verlassen hatte meine Anja „Wenn wir schon warten müssen, könnten Sie mir vielleicht jetzt erklären, was es mit Ihren Aufzeichnungen auf sich hat?”
Ta'sen seufzte innerlich. Natürlich konnte er, aber eigentlich wollte er nicht - zumindest nicht hier und nicht jetzt. „Anja, können wir damit nicht vielleicht warten, bis unser Besuch hier beendet ist? Bitte.”
Sie schien kurz zu überlegen. Dann nickte sie. In diesem Moment vernahm sie Stimmen. „Oh, er scheint Da'an gefunden zu haben.”
Ta'sen lauschte kurz, dann sagte er „Nein, das bezweifle ich. Es hört sich eher nach einem Streit an - zwischen zwei Taelons. Ich glaube nämlich nicht, dass Major Kincaid Flüche auf Eunoia beherrscht.”


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

Zo'or sprang beinahe aus seinem Stuhl in die Höhe. „Was? Wiederholen Sie das, Agent Sandoval.”
„Gemäß Ihrem Befehl habe ich soeben eine erneute Befragung von Doktor Beagle durchgeführt...” setzte Sandoval zu einer wortgenauen Wiederholung seines Berichtes an, als Zo'or ihn unterbrach.
„Nicht alles, ich will nur das Ergebnis Ihrer Befragung noch einmal hören!”
„Natürlich.” In Gedanken fügte er hinzu ‚Dann sag das doch auch!’ aber natürlich würde er so etwas nie aussprechen - Zo'or sollte schließlich nicht auf die Idee kommen, seine Loyalität hätte nachgelassen. „Doktor Beagle behauptet, Miss O'Neills DNS wäre nicht rein menschlich, sondern hätte einen taelonischen Anteil besessen. Des weiteren meinte er, Ta'sen hätte davon erfahren und ihn gezwungen, ihm sämtliche Daten zu überlassen, die damit in Zusammenhang stehen - auch Daten, die er uns bisher vorenthalten hat. Trotz allem gibt es aber keine Hinweise darauf, dass Miss O'Neill noch am leben sein könnte.”
„Hat er auch gesagt, woher Ta'sen davon weiß?” mittlerweile hatte sich Zo'or wieder gesetzt, aber die Bewegungen seiner Hände verrieten seine Nervosität.
„Nein. Er hat jedoch beteuert, dafür nicht verantwortlich zu sein.”
„Haben Sie Ta'sen mittlerweile gefunden?” Als Sandoval ein Kopfschütteln andeutete und zu einer Erklärung - oder Ausrede - ansetzte, schnitt Zo'or ihm das Wort mit einer Geste ab. „Dann finden Sie ihn und bringen Sie ihn her, und zwar sofort! Es ist mir egal, wie Sie das anstellen!”
Sandoval wusste um den Grund für die Nervosität des Synodenführers. Würde Ta'sen die Synode von dem Experiment informieren, hätte das äußerst negative Konsequenzen für Zo'or. „Und was haben Sie für Doktor Beagle vorgesehen?”
„Damit werde ich mich später befassen. Sorgen Sie nur dafür, dass er weiter in der Arrestzelle bleibt - und nun bringen Sie Ta'sen her!”
„Natürlich.” Aus Zo'ors Tonfall schloss er, dass ein weiteres Versagen unangebracht wäre und eine nicht abzuschätzende Reaktion von Zo'or hervorrufen könnte - er sollte sich also bemühen, Ta'sen möglichst schnell ausfindig zu machen.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Liam hatte beinahe die ganze Botschaft abgesucht - und nirgends eine Spur von Da'an entdeckt. Entweder war er bereits längst wieder in seinem Büro, oder er war in seinen privaten Räumen. Als er erneut Da'ans Büro betrat, fluchte er leise. Da'an war nicht hier und auf den ersten Blick sah er auch Ta'sen und Anja nicht. Nachdem er ein paar Schritte in den Raum gemacht hatte konnte er die beiden jedoch sehen, sie standen in dem Durchgang zu Da'ans Raum und schienen angestrengt zu lauschen.
„Was machen Sie da?” Empörung sprach aus seiner Stimme.
„Psssst!” flüsterte Anja. „Seien Sie doch leise!”
Liam wollte gerade etwas erwidern, als Ta'sen ihn zu sich winkte. „Da'an hat Besuch”, flüsterte er.
Nun lauschte auch Liam und was er da hörte, gefiel ihm überhaupt nicht - auch wenn er nur die Hälfte von dem Verstand, was gesagt wurde. Einerseits war die Entfernung doch zu groß, um alles zu verstehen und andererseits verstand er nicht all die Flüche, die T'than immer wieder zwischendurch einwarf.
Der Kriegsminister redete irgend etwas von ‚letzte Chance’, ‚ständig im Weg’ und ‚Ultimatum’ und Liam glaubte, etwas von ‚Morova-Galaxie oder am besten noch weiter weg’ gehört zu haben.


„Bitte, T'than, hör auf damit. Du weißt, dass du das Unmögliche verlangst.”
Schon seit geraumer Zeit umkreiste der Kriegsminister Da'an unablässig. Jetzt blieb er endlich stehen, fuhr Da'an an er solle endlich schweigen und murmelte eine äußerst ungebührliche Verwünschung: „Pa'mash, Da'an! Ra'mà, ra'maaj!”
Da'ans Augen weiteten sich.
„Das war mein letzter Vorschlag, ich werde nicht länger dulden, dass du mir ständig in den Rücken fällst!”
Der nordamerikanische Companion holte einmal tief Luft und gab sich alle Mühe, versöhnlich zu klingen. Vielleicht gelang es ihm, T'than zumindest solange hinzuhalten, bis Liam zurückkam, denn ihm war nicht entgangen, dass der Kriegsminister eine Waffe mitgebracht hatte, die er auch benutzen würde. „T'than, lass uns morgen noch einmal darüber reden. Es scheint mir, als wärst du momentan nicht in der Lage, klar zu denken.”
Empört trat T'than einen Schritt näher an Da'an heran, der erschrocken zurück wich. „Klar denken? Das musst du gerade sagen! Zumindest ist meine Priorität das Wohl unserer ganzen Spezies und nicht irgendeine verrückte Idee - und schon gar nicht das Wohl einer niederen Rasse!” Er wollte gerade zu einem weiteren Wortschwall ausholen, als ihm schlagartig klar wurde, dass Da'an mit allen Mitteln versuchte, Zeit zu schinden.

„Jetzt reicht's!” flüsterte Liam aufgebracht. „Ich gehe jetzt da rein und helfe Da'an!”
„Major, bitte, das müssen die beiden unter sich ausmachen”, wollte Ta'sen ihn aufhalten, aber Liam war schon unterwegs. Zögernd folgten Ta'sen und Anja ihm, betraten jedoch den anderen Raum nicht, sondern blieben im Gang stehen.

Unfähig sich zu bewegen starrte Da'an auf die Energiewaffe in T'thans Hand, als er eine Bewegung an der Tür vernahm. Liam! Er versuchte, sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen, denn T'than hatte die Tür im Rücken und Liam somit den Überraschungseffekt auf seiner Seite.
Liam blieb abrupt stehen. Er sah T'than zwar nur von hinten, aber konnte erkennen, dass er mit einer Waffe auf Da'an zielte. Was sollte das? Er wollte schon nach seiner eigenen Waffe greifen als ihm auffiel, dass er sie gar nicht dabei hatte. Sie zu holen hätte zu lange gedauert also blieb ihm nur eins.

T'than hatte sich wieder ein wenig von Da'an entfernt, um besser auf ihn zielen zu können. Mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der echtes Bedauern zeigte, meinte er „Es tut mir leid Da'an, es hätte nicht soweit kommen dürfen. Aber nun ist es zu spät.” Als er hinter sich Schritte hörte, drehte er sich ruckartig herum, aber er konnte nicht schnell genug reagieren. Ehe er überhaupt realisierte was geschah, lag er schon auf dem Boden, Liam über ihm, seine Waffe zwei Meter neben ihm.
Da'an atmete erleichtert auf. „Das war knapp, Liam...”
„Was machen wir jetzt mit ihm?” wollte Liam wissen und sah dabei T'than an, der irgend etwas murmelte und dann ein Geräusch von sich gab, das einem Knurren sehr nahe kam.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

Es war zum Verzweifeln. Er hatte in allen Taelon-Botschaften auf der ganzen Welt nachgefragt, niemand hatte Ta'sen heute gesehen. Einzig Da'an war nicht zu erreichen...
„Agent Sandoval?”
„Ja, Zo'or?”
„Haben Sie schon eine Spur?”
„Nein, Zo'or, aber wir sollten ein paar Freiwillige in der nordamerikanischen Botschaft nachsehen lassen.”
„Warum?”
„Da'an meldet sich nicht, was mir um diese Uhrzeit äußerst ungewöhnlich erscheint.”
Zo'or überlegte einen Moment. Dann stimmte er zu. „Gut. Begeben Sie sich mit ein paar Freiwilligen dorthin.”
„Zo'or?” meldete sich ein junger Mann zu Wort.
„Ja?”
„Eine Nachricht für Sie.”
Mit einer eleganten Armbewegung öffnete Zo'or einen Datenstrom. Das Gesicht eines Freiwilligen erschien auf dem Bildschirm.
„Zo'or, der Gefangene, Doktor Beagle, er ist geflohen.”
„Er ist was?” platzte Agent Sandoval heraus und kassierte dafür einen mahnenden Blick von Zo'or.
„Wie konnte das passieren?” wollte der Taelon wissen.
„Tut mir leid, ich weiß es nicht.”
Zo'ors Augen schienen kurz zornig aufzublitzen, dann fuhr er seinen Beschützer an „Kümmern Sie sich darum, sofort! Bringen Sie ihn wieder her, tot oder lebendig, das ist mir egal!”
Sandoval beeilte sich, von der Brücke zu verschwinden. Auf dem Weg zu den Arrestzellen sammelte er ein paar Freiwillige um sich und wies sie an, das gesamte Mutterschiff abzusuchen. „Sollte sich der flüchtige Gefangene nicht ergeben, machen Sie Gebrauch von der Waffe. Er stellt ein hohes Sicherheitsrisiko dar!”


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Als Liam keine Antwort auf seine Frage erhielt, zuckte er kurz mit den Schultern und griff nach T'than, um ihn hochzuziehen. Darin sah der Taelon seine Chance. Blitzschnell riss er seine Arme hoch.
Bevor Liam realisierte was T'than vorhatte, spürte er schon die Handflächen des Taelons auf seinen. Überwältigt von den schrecklichen und grausamen Bildern, die auf ihn einstürmten, schwankte er zur Seite. Genau in diesem Moment unterbrach T'than die geistige Verbindung, rollte sich herum und griff nach der Waffe.
Da'an reagierte zu spät und schaffte es nicht, die Waffe vor T'than zu erreichen. Erschrocken sah er mit an, wie der Kriegsminister wieder aufstand und die Waffe nun auf Liam richtete, der sich nur langsam wieder fasste. „T'than, bitte, lass ihn. Er hat nur das getan, was seine Aufgabe von ihm verlangt.” Da'an wusste beinahe mit Sicherheit, dass er T'than von seinem Vorhaben nicht abhalten konnte, denn er hatte sich augenscheinlich nicht mehr unter Kontrolle.

„Wir müssen etwas unternehmen!” Verzweifelt sah Anja Ta'sen an. „Können wir ihnen denn nicht helfen?”
„T'than hat eine Waffe und würde außerdem jeden, der den Raum betritt, sofort sehen...” Natürlich wollte auch Ta'sen nicht, dass T'than etwas unüberlegtes tat, aber wie konnten sie ihn aufhalten? „Anja, wir-” erstaunt hielt er inne und sah die junge Frau aus großen Augen an.
Anja konnte dem Geschehen einfach nicht länger tatenlos zusehen. Irgendetwas musste ihr einfallen - und zwar schnell. Auf einmal spürte sie, wie ihre Handflächen heiß wurden. Zuerst ignorierte sie es, aber schon nach wenigen Augenblicken fühlte es sich beinahe so an, als hätte sie auf eine heiße Herdplatte gefasst. Ruckartig drehte sie ihre Hände und starrte ihre Handflächen an, in deren Mitte etwas zu glühen schien. Sie brauchte nicht lange zu überlegen um zu wissen, was es war. Fast so deutlich wie ein Flüstern hörte sie in ihrem Inneren das Wort Shaqarava. In diesem Moment war ihr egal, woher es kam - damit konnte sie Da'an und Liam helfen.


T'than bewegte sich langsam durch den Raum, um sowohl Liam als auch Da'an im Schussfeld zu haben. Es machte ihm nichts aus, dass die Tür nun hinter ihm war, denn er war sich sicher, dass um diese Uhrzeit niemand mehr hier war. Vielleicht sollte er zuerst Major Kincaid erschießen, denn Da'an schien etwas an ihm zu liegen. Langsam, geradezu zaghaft, berührte er mit seinem Finger den Abzug und hielt einen Moment inne. War da wirklich ein Geräusch gewesen, oder hatte er sich das nur eingebildet?
Erstaunt beobachtete Liam, wie Anja in der Tür erschien und ihre Handflächen auf T'than richtete. Wie in Zeitlupe flog eine Kugel aus purer Energie auf den Taelon zu; als sie ihn erreichte, weiteten sich seine Augen erschrocken, bevor er zu Boden ging. Ein Schuss löste sich, der Zauber war vorbei.
Geistesgegenwärtig wirbelte Liam herum und riss Da'an mit sich zu Boden. Beinahe hätte T'than sein Ziel doch noch erreicht...

Nun traten Ta'sen und Anja ein und Da'ans Gesichtsausdruck zeigte, dass er erst jetzt verstand, wen er dort vor sich sah. „Anja O'Neill? Sie leben? Und was... was haben Sie gerade getan?”
Anja blickte zuerst auf den bewusstlosen T'than, dann auf ihre Hände. Wir erschufen das Gemeinwesen und konnten dadurch unser Shaqarava kontrollieren. Erschrocken blickte sie auf. Sie wusste, dass diese Stimme aus ihrem Inneren kam, dass sie ihr das bisher verborgene Wissen mitteilte, aber trotzdem war ihr die ganze Situation unheimlich. - Und irgendwie wurden ihre Knie auf einmal ganz weich.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?” wollte Da'an besorgt wissen, als Anja nicht antwortete. Die junge Frau schien jedoch durch ihn hindurchzusehen und er meinte, einen blauen Schimmer über ihr Gesicht huschen zu sehen, bevor sie schwankte und ohnmächtig wurde.
Ta'sen streckte sofort seine Arme aus und versuchte, Anja aufzufangen, was ihm jedoch nicht gelang. Zumindest fiel Anja weich, da sie genau auf Ta'sen landete, der ein wenig verdutzt um sich blickte. Dann meinte er „Major, helfen Sie mir bitte.” Er vermutete, dass Anjas Körper nicht damit zurechtkam, auf einmal so viel Energie aufzubringen, wie für die Aktivierung des Shaqarava notwendig war.
Nachdem er Anja auf Da'ans Stuhl gesetzt hatte, der auf jeden Fall bequemer als der Fußboden war, fragte Liam indem er auf T'than zeigte: „Was machen wir denn jetzt mit ihm?”
Da'an schien zu überlegen. Normalerweise war es ein schweres Verbrechen, wenn ein Taelon versuchte, einen anderen Taelon zu töten. Aber T'than war in dieser Situation nicht er selbst gewesen, er hatte sein Verhalten nicht unter Kontrolle gehabt. - Trotzdem, es war ein Risiko. So etwas konnte jederzeit wieder geschehen. Schließlich meinte er „Bringen Sie ihn auf das Mutterschiff und sorgen Sie dafür, dass er sein Quartier nicht verlässt. Informieren Sie jedoch niemanden über den Grund dafür - über das heutige Geschehen wird niemand etwas erfahren. Ich werde mich dann später um ihn kümmern.”
„Und wenn Sandoval oder Zo'or Fragen stellen?”
„Dann sagen Sie ihnen, dass Sie in meinem Auftrag handeln und selbst nichts genaues wissen.”
Als Liam den immer noch bewusstlosen T'than aufgehoben und zum Portal getragen hatte, wandte sich Da'an dem anderen Taelon zu. „Ta'sen, ich glaube, du hast mir einiges zu erklären.”
Ta'sen seufzte ergeben und nach einem sorgenvollen Blick auf Anja fing er an, zu erzählen.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

„Zo'or, Doktor Beagle wurde von einem Trupp Freiwilliger aufgegriffen. Aufgrund heftiger Gegenwehr sahen sie sich jedoch bedroht. - Ich muss Ihnen mitteilen, dass der Gefangene auf der Flucht erschossen wurde.”
Ein Lächeln huschte über Zo'ors Gesicht. „Gut, Agent Sandoval. Kümmern Sie sich jetzt bitte um das andere Problem.” Besser hätte es nicht kommen können. Dieser Mensch hatte zu viel gewusst und er hätte so oder so das Mutterschiff nicht mehr lebend verlassen. Und anscheinend brauchte er sich nun auch keine Sorgen mehr zu machen, dass irgendwer durch Miss O'Neill von dem Projekt erfahren könnte, da es seit ihrem Verschwinden keine Spur von ihr gegeben hatte und auch das Signal ihres Implantates verschwunden war.


Vor T'thans Quartier

Liam hatte die Tür verschlossen, so dass T'than sie von innen nicht öffnen konnte. Nun instruierte er gerade zwei Freiwillige. „...darf sein Quartier nicht verlassen und niemand - außer Da'an - darf es betreten. Haben Sie das verstanden?”
„Ja, Sir.”
„Und Sie bleiben so lange auf diesem Posten, bis Sie andere Befehle von Da'an oder mir erhalten.”
„Verstanden, Major.”
Zufrieden wandte sich Liam ab. Das hatte ja prima geklappt - er hatte schon befürchtet, dass T'thans unterwegs aufwacht oder dass er Sandoval über den Weg läuft.
„Major Kincaid!”
‚Na bravo, wenn man von Teufel spricht...’ „Ja, Agent Sandoval?”
„Sie wissen nicht zufällig, wo sich Da'an aufhält?”
„Natürlich. Er ist in seiner Botschaft.”
„Und warum ist er dann nicht zu erreichen?”
„Tut mir leid, dass kann ich Ihnen nicht sagen. - Vielleicht wollte er einfach einmal ungestört sein?” Für diesen kleinen Scherz erntete er einen strafenden Blick.
Sandoval entging nicht, dass Liam beinahe fluchtartig Richtung Portal davoneilte. Er sollte der Sache lieber selbst auf den Grund gehen.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

„... kann ich mir nicht erklären, ist aber wohl die bessere Alternative als der Kontakt mit dem Gemeinwesen”, schloss Ta'sen seinen kleinen Vortrag.
Erstaunt blickte Da'an von Ta'sen zu Anja und zurück. „Du bist ein großes Risiko eingegangen, Ta'sen... Und es scheint, als hätte Zo'or bereits Verdacht geschöpft; Agent Sandoval hat mir mitgeteilt, dass Zo'or dich möglichst bald sprechen will.”
Einen Moment herrschte Schweigen. Dann meinte Ta'sen während er zu Anja schaute „Du weißt, was meine anfängliche Absicht war, sie erschien mir ein geeignetes Studienobjekt zu sein... Aber... nun ja, ich kann nur soviel sagen: Sie ist es wert, dass ich dieses Risiko eingehe. Und mit Zo'or werde ich auch irgendwie fertig...”
Da'an stutzte. Was war nur mit Ta'sen los? Bei ihrem letzten Treffen auf dem Mutterschiff hatte er so anders gewirkt und Da'an hatte sich ein wenig um ihn gesorgt, denn so kalt hatte er ihn noch nie erlebt. Aber das? Er schien sich erneut vollkommen verändert zu haben, schien seinem alten Ich wieder sehr nah zu sein. „Ta'sen, was...” setzte er an, als Liam in den Raum stürmte.
„Ich glaube, Sandoval wird gleich herkommen”, stieß er hervor.
„Wie kommen Sie darauf?”
„Sie haben auf seine Versuche, Sie zu kontaktieren nicht reagiert - das war ja auch schlecht möglich, während T'than hier war. - Jedenfalls denke ich, er hat mir nicht geglaubt. Außerdem habe ich gehört, wie sich zwei Freiwillige unterhalten haben. Sie meinten, Zo'or wäre äußerst ungehalten darüber, das Sandoval Ta'sen noch nicht gefunden hat.” Bei den letzten Worten hatte er Ta'sen misstrauisch angesehen.
Ohne zu zögern meinte Da'an „Liam, bringen Sie Miss O'Neill bitte weg, Agent Sandoval sollte sie nicht unbedingt zu sehen bekommen. Ta'sen, du gehst am besten-”
„Danke, Da'an, aber ich werde mich jetzt zum Mutterschiff begeben. Ein Gespräch mit Zo'or wird sich nicht verhindern lassen.”
Da'an nickte und begleitete Ta'sen zum Portal.

Inzwischen trug Liam Anja, die immer noch bewusstlos war, Richtung Ausgang und hing dabei seinen Gedanken nach. Was war nur geschehen und warum lebte Anja noch? Und vor allem: Warum hatte sie ein Shaqarava?
Die Antwort auf diese Fragen würde er mit Sicherheit noch bekommen, im Moment war jedoch Anjas Sicherheit am wichtigsten. Augenscheinlich schien niemand außer Ta'sen - und nun auch Da'an und ihm selbst - zu wissen, dass sie noch lebte.

„Da'an?” Agent Sandoval blickte suchend um sich und bedeutete den Freiwilligen, die ihn begleiteten, am Portal zu warten.
„Agent Sandoval?” Da'an tat überrascht, als er den Raum betrat. Dann warf er einen Blick auf die fünf jungen Männer und Frauen, die neben dem Portal Aufstellung genommen hatten. „Dürfte ich erfahren, was hier vor sich geht?”
„Ist alles in Ordnung, Da'an? Sie haben auf meine Kontaktierungsversuche nicht reagiert.”
„Agent Sandoval, wissen Sie, wie spät es ist? Muss ich mich vor Ihnen dafür rechtfertigen, dass ich den Tag wenigstens einmal abschließen möchte, ohne gestört zu werden?”
„Natürlich nicht. Entschuldigen Sie bitte. - Eine Frage noch, hat sich Ta'sen inzwischen bei Ihnen gemeldet oder war er sogar hier?”
„Nein, er befindet sich nicht hier in der Botschaft. Meines Wissens nach ist er auf dem Mutterschiff.” Da'an musste sich beherrschen um nicht zu grinsen. Sandoval musste Ta'sen knapp verpasst haben.
Der Agent zog zweifelnd eine Augenbraue hoch bevor er sich verabschiedete. Was sollte das jetzt schon wieder? Er kam doch selber gerade vom Mutterschiff.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

Ta'sen bemühte sich, einen selbstsicheren Eindruck zu machen als er das Kommandodeck betrat. Er musste dafür sorgen, dass es so aussah, als hätte er sich nichts zu schulden kommen lassen. Zo'or durfte unter keinen Umständen erfahren, dass Anja noch lebte.
„Du wolltest mich sprechen, Zo'or?”
Der Synodenführer stand auf und bedeutete Ta'sen, näher zu kommen. Während er den anderen Taelon beobachtete dachte er ‚Wie sehr er doch T'than ähnelt. Sein ganzes Gehabe, sein überheblicher Blick, dieses Grinsen, sein Gang... Und seine Fähigkeit, ständig Ärger zu machen und mir im Weg zu stehen.’ Schließlich sagte er „Ta'sen, ich wage zu bezweifeln, dass du die nötige Autorisation besitzt, dir zu den Daten meiner eigenen - ich möchte betonen geheimen - Forschungen Zugang zu verschaffen.”
„Es scheint mir, als wärest du dir meiner Position nicht bewusst, Zo'or.”
„Natürlich weiß ich um deine Position!” erwiderte Zo'or ungehalten, besann sich jedoch sofort wieder und fuhr ruhiger fort. „Jedoch hast du uns versichert, nur zu Forschungszwecken hergekommen zu sein.”
„So ist es und das ist nach wie vor meine Absicht. Dennoch berufe ich mich auf mein Recht. Und in diesem Sinne - natürlich allein des Studiums der menschlichen Rasse willen - ist es legitim, dass ich Zugriff auf sämtliche Daten nehme, die mir behilflich sein können.”
„Und du kannst mir versichern, dass du allein zu diesem Zweck Einsicht in die Aufzeichnungen des Ka'ar'mash-Projektes und in mir bisher unbekannte Daten über Anja O'Neill hattest?”
„Natürlich. Wäre es anders, wüsste die Synode längst davon, dass du gegen eine ausdrückliche Untersagung verstoßen hast, Zo'or. Es ist mir jedoch nicht klar, von welchen dir unbekannten Daten du sprichst.” Ta'sen stellte fest, dass dieses Gespräch äußerst zufriedenstellend verlief. Und außerdem wusste Zo'or nun, dass er zur Not noch etwas gegen ihn in der Hand hatte. Der Synodenführer würde sich also trotz allem zurückhalten müssen.
„Ich spreche davon, dass Doktor Beagle dir Informationen über Anja O'Neill hat zukommen lassen, von deren Existenz ich nichts wusste und die auf das Projekt wahrscheinlich großen Einfluss genommen haben - sowohl ich als auch Mit'gai waren nämlich der festen Überzeugung, Anja O'Neill wäre ein Mensch!” Spätestens jetzt war Zo'or froh darüber, dass er vorsorglich angeordnet hatte, die Brücke räumen und ihn mit Ta'sen alleine zu lassen. Davon sollte wirklich niemand etwas erfahren.
Zo'ors Rage ließ Ta'sen kurz lächeln. Dann meinte er mit einem ein wenig spitzen Unterton in der Stimme „Das zeigt wiedereinmal, wie unvollständig deine Nachforschungen sind. Gerade bei einem solchen Projekt hättest du deine Versuchsperson vorher gründlich untersuchen lassen sollen. - Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es ist mir sowieso ein Rätsel, warum du mich deswegen herbeordert hast. Ich stelle meine Nachforschungen an und es dürfte dir egal sein, was ich mit den Daten toter Menschen anfange.”
Entrüstet schwieg Zo'or. Nach einer Weile sagte er: „Es geht mir nicht darum! Der Punkt ist, dass du ohne mein Einverständnis-”
„Bitte, Zo'or”, unterbrach Ta'sen ihn. „Das haben wir doch schon geklärt. Lass mich einfach weiterhin meinen Forschungen nachgehen. Aus den Informationen, die ich dazu heranziehe, werde ich dir keinen Strick drehen - auch wenn ich das zweifelsohne mühelos könnte.” Amüsiert betrachtete er Zo'ors empörten Gesichtsausdruck, bevor er fortfuhr. „Sobald ich im Auftrag des Ka'dij'hah handele, wirst du es erfahren.”
Resignierend lies sich Zo'or auf seinen Kommandostuhl sinken. Er konnte nichts gegen Ta'sen ausrichten - er hatte Recht damit, wenn er sich auf seine Legitimation berief, auch wenn Zo'or das nicht wahrhaben wollte. Mit einer Handbewegung entließ er Ta'sen und dachte darüber nach, welche Erkenntnisse es für die Taelons gebracht hätte, hätte er nur früher davon gewusst, dass Anja O'Neill Taelon-DNS in sich trug. Er hatte wieder eine Chance verpasst... Aber niemand würde davon erfahren, dafür würde er schon sorgen.


T'thans Quartier

Vorsichtig öffnete er seine Augen und sah sich um. Er war in seinem Quartier. Wie war er hergekommen? Aber die Frage, die ihn am meisten beschäftigte war: Was war geschehen? Das letzte, woran er sich erinnerte war sein Zusammentreffen mit Agent Sandoval. Danach hatte er zu Da'an gewollt... Nach kurzem Überlegen erinnerte er sich, dass er wütend gewesen war, wütend, weil Da'an ihn nicht unterstützt hatte. Er hatte ihn zur Rede stellen wollen. Und dann... Er wusste es nicht. Sosehr T'than auch versuchte, sich zu erinnern, es gelang ihm nicht. Aber diese Situation kam ihm irgendwie bekannt vor, vor vielen Jahren war er schon einmal sehr wütend gewesen und hatte einen ähnlichen Blackout gehabt.
Eins war klar: Er musste herausfinden, was geschehen war und ob er überhaupt bei Da'an gewesen war. Entschlossen stand er auf, ging zur Tür und wäre beinahe davor gelaufen, als sie sich nicht automatisch öffnete. ‚Habe ich sie vielleicht von innen verriegelt?’ Doch auch nach einer Geste, die normalerweise die Verriegelung aufhob, öffnete sich die Tür nicht.
Davon überzeugt, dass es sich um eine Fehlfunktion handeln musste, wollte der Kriegsminister einen Techniker zu sich beordern, musste aber feststellen, dass anscheinend auch die Kommunikationseinheit in seinem Quartier defekt war. Was sollte er nun unternehmen, um den Schaden beheben zu lassen? Im Gemeinwesen würde er dieses Problem als allerletztes bekannt geben!
Während er unruhig hin und her ging, kam ihm ein Gedanke, der ihm überhaupt nicht gefiel. Was, wenn die Tür mit Absicht verschlossen worden war, so dass er sein Quartier nicht verlassen konnte? Aber warum sollte ihn jemand einsperren? Als er sich erneut der Tür näherte, vernahm er Stimmen und konnte ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen. Allem Anschein nach standen vor der Tür zwei Wachen, die sich unterhielten.
Als er eine Weile angestrengt gelauscht hatte und sich gerade abwenden wollte, verstummte das Gespräch plötzlich - und die Tür wurde geöffnet.
Sprachlos starrte T'than Da'an an, beobachtete, wie sich die Tür wieder hinter ihm schloss und wie er nur wenige Schritte davon entfernt stehen blieb. „Da'an, was soll das?” Empörung sprach aus seiner Stimme. „Wie kommst du dazu, mich hier in meinem Quartier einsperren zu lassen?”
Für einen Augenblick schien Da'an verwirrt, doch dieser Eindruck verschwand so schnell, wie er gekommen war. „Du weißt genau, warum. Und du solltest froh sein, dass ich Zo'or noch nicht darüber informiert habe. - Und das hast du allein dem Umstand zu verdanken, dass du dich offensichtlich nicht unter Kontrolle hattest. Glaube jedoch nicht, dass das dein Verhalten entschuldigt.”
„Aber, Da'an, so hör mir doch zu. Ich-”
„Bitte, T'than, versuche nicht, dich herauszureden.” So wie Da'an das sagte, klang es beinahe bedauernd. „Ein solches Verhalten ist unentschuldbar, egal unter welchen Umständen.”
„Da'an, lass mich etwas dazu sagen... bitte.” Unwillkürlich machte er einen Schritt in Da'ans Richtung und bemerkte erschrocken, wie dieser einen Schritt zurückwich. Was hatte er getan, dass Da'an Angst vor ihm hatte? Als Da'an dann jedoch zögerlich nickte fuhr er fort. „Ich weiß, dass es sich seltsam anhört, aber... nun ja, es ist nicht das erst Mal, dass mir so etwas passiert... Ich meine, dass ich etwas mache und nachher nicht mehr weiß, dass ich es gemacht habe... Ich war äußerst wütend, das gebe ich zu, und wahrscheinlich habe ich einfach, wie du schon sagtest, die Kontrolle verloren - und meine Fähigkeit, logisch zu denken.” Als er Da'ans fragenden Blick sah, fügte T'than hinzu „Damit will ich sagen, dass ich... eine Art Blackout hatte, ich weiß nicht, was geschehen ist und was ich getan habe... Bitte, sag mir was geschehen ist.”
Es fiel Da'an schwer, das zu glauben, aber es schien T'than ebenso schwer zu fallen, es auszusprechen und sein Blick, beinahe beschämt auf den Boden gerichtet, überzeugte Da'an fast. Dann erinnerte er sich daran, dass T'than sich schon einmal so unkontrolliert verhalten hatte - und auch damals hatte er nachher verwirrt gewirkt. Er hatte zwar niemandem von einem Blackout oder etwas ähnlichem erzählt, aber möglich war es schon.


Liams Wohnung

Liam warf noch einmal einen besorgten Blick auf Anja, die in seinem Bett lag. Dann verließ er das Zimmer und machte es sich auf seinem Sofa bequem.

Anja träumte. Das Geschehen des heutigen Tages zog noch einmal an ihr vorbei. Und immer wieder hörte sie diese Stimme, die keine wirkliche Stimme war - es war das Wissen eines Taelons, das viele Jahre in ihr geschlummert hatte und nun langsam, nach und nach, ans Licht kam.
Es war nicht das verborgene Wissen, vor dem Anja Angst hatte, es war vielmehr die Tatsache, dass die Veränderungen, die mit ihr vorgingen, nicht einzuschätzen waren. In ihrem Traum durchlebte sie die verschiedensten Möglichkeiten, fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Menschen und Taelons - bis auf einmal die Bilderflut stoppte.
Sie fühlte sich, als würde sie schweben und als sie langsam die Augen öffnete, fand sie sich in einer Umgebung wieder, die vollkommen fremdartig war und ihr gleichzeitig so unheimlich vertraut vorkam. Sie ließ ihren Blick über die Landschaft schweifen und obwohl sie all die Pflanzen noch nie zuvor gesehen hatte, konnte sie jede einzelne von ihnen benennen. Sie wusste, dass sie sich in einem Traum befand, dass alles um sie herum nur eine Illusion war - aber sie wusste auch, dass es einst, vor langer Zeit, Wirklichkeit gewesen war.
Langsam trat sie an den Rand des Felsplateaus, auf dem sie stand. Der Anblick, der sich ihr bot, verschlug ihr beinahe den Atem und angesichts der Schönheit dieses Planeten kamen ihr beinahe die Tränen. Seltsame Tiere zogen über die weite Ebene, ein sanfter Wind unterstrich die friedvolle Atmosphäre. Ihr Blick wanderte weiter nach oben, zu den geflügelten Wesen, die geradewegs in den Sonnenuntergang zu fliegen schienen. Als sie sich umdrehte sah sie - noch blass - die drei Monde, die diesen Planeten umkreisten.
„Ein wundervoller Anblick. Die Erinnerung daran erscheint mir jedes Mal wie ein Traum. Schon seit vielen Jahren existiert diese Welt nicht mehr...”
Anja riss sich von dem Panorama los und drehte sich einmal im Kreis. Woher kam diese Stimme? Es war nicht dieselbe Stimme, die sie in ihrem Inneren gehört hatte. „Wer bist du? Wo bist du?”
„Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken.”
Wie aus dem Nichts erschien vor ihr etwas. Zuerst nur ein Leuchten, dass langsam Gestalt annahm, bis sie vor sich einen Taelon sah - ohne seine Fassade. Fasziniert betrachtete sie die Energiebahnen, die leuchtenden Linien, die seinen Körper überzogen. Minutenlang standen sie sich gegenüber, betrachteten sich gegenseitig. Dann fand Anja ihre Sprache wieder. „Das hier... Das ist - war eure Heimat...”
„Ja. Lange Zeit war dieser Planet unsere Heimat. Doch dann...”
Beinahe erschrocken beobachtete sie, wie die Landschaft um sie herum zuerst verschwamm und dann vollkommen verschwand. Stattdessen kam die felsige, öde, wüste Oberfläche des Planeten zum Vorschein - so, wie es heute wahrscheinlich aussah.
Dann sprach der Taelon weiter: „Und alles nur wegen eines Krieges, der im Grunde sinnlos ist. Du verstehst es wahrscheinlich noch nicht, aber du wirst noch lernen, zu verstehen. Es ist an der Zeit, Frieden zu schaffen. - Etwas wurde getrennt vor so langer Zeit, dass es schon nicht mehr wahr ist, es wurde getrennt, obwohl es zusammengehört.” Er schwieg kurz und sah Anja eindringlich an. „Unser Volk kennt viele Legenden, doch die wichtigste von ihnen, sie wird verachtet, nur wenige glauben an sie. - Erst wenn das Verloren Geglaubte gefunden, das Verloren Gewollte zurück, dann wird sich ein Stern erheben die Verzweiflung zu vertreiben. Was zusammengehört muss wieder vereinigt werden, sonst werden Krieg und Zerstörung über alle Welten kommen und alles vernichten, was einst war.”

 

Ende von Kapitel 2

 

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