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  „Ka'ar'mash” von Ro'an   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2003
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Trotz seines Scheiterns ist das Ka'ar'mash-Projekt nicht vergessen. Verschiedene Beteiligte bekommen unangenehme Nachwirkungen zu spüren und die Ankunft eines Taelons auf dem Mutterschiff bringt einiges durcheinander.
Charaktere:  Da'an, Zo'or, Mit'gai, T'than, Ta'sen, Si'ir, Liam, Doktor Beagle, Agent Sandoval, Anja O'Neill
 

 

KA'AR'MASH

Kapitel 2: Erwachen

 

Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Langsam machte Liam sich Sorgen um Da'an. Dieser Streit schien ihm sehr zu Herzen gegangen zu sein. Seit ihrem Abflug vom Mutterschiff - vor fast zwei Stunden - hatte der Companion kein Wort gesagt, er hatte Liam noch nicht einmal wirklich angesehen.
Liam schaute von seinem Schreibtisch auf. Da'an stand immer noch an dem Fenster aus virtuellem Glas. Der Tag neigte sich seinem Ende zu und Da'an genoss oft den Anblick des Sonnenuntergangs, aber Liam bezweifelte, dass der Taelon in diesem Moment überhaupt wahrnahm was er sah. Dazu war er viel zu sehr in Gedanken versunken.
Da'an konnte einfach nicht glauben, was geschehen war. Einmal hatte er sich erhoben, hatte gehandelt, war für das eingetreten, was ihm richtig erschien - und dann das. Anja O'Neill war tot. Ein Mensch, von dem etwas besonderes ausgegangen war, der eine besondere Rolle spielen sollte, war auf die nächste Ebene gegangen. Zo'or, sein einziges lebendes Kind, beschuldigte ihn, es verraten zu haben und sah nicht ein, was Unrecht war und was nicht. Und T'than? Gerade war neue Hoffnung aufgekommen und Da'an war sich sicher, dass auch T'than geglaubt hatte sie wären sich wieder näher gekommen. Das waren sie auch, bis zu diesem unnötigen Streit. T'than hatte noch nie einsehen können, warum Da'an eine so starke Bindung zu seinem Kind verspürte, das war schon allzu oft ein Streitpunkt zwischen ihnen gewesen.
Der Taelon sah seine Welt in Trümmern vor sich liegen. Diesen einen Tag hatte er gebraucht, um alles zunichte zu machen. Er wollte Unrecht verhindern, doch was hatte er erreicht? Aber vielleicht war das sein Schicksal, die Vergeltung für all das, was er anderen angetan hatte.
Ein Zitat einer menschlichen Wissenschaftlerin des 20. Jahrhunderts schoss dem Taelon durch den Kopf.
„Schmerzliche innere Konflikte sind der Preis, den jedes Individuum für die Höherentwicklung seiner Persönlichkeit zu zahlen hat.”


Nach vielen Tagen, irgendwo an einem unbekannten Ort

Dunkelheit... Einsamkeit... Stille... Angst... Sie war nicht bei Bewusstsein, aber irgendwo tief in ihrem Inneren war etwas, dass Fragmente ihrer Umgebung wahrnahm. Langsam, ganz langsam, wich der Nebel, der ihren Geist umgab. Stumme Fragen schossen ihr durch den Kopf, aber da waren keine Antworten.
‚Wo bin ich? Was ist geschehen? Wer bin ich? Bin ich tot?’
Bruchstücke der Erinnerung kehrten zurück. Zwar langsam und unvollständig, manches verschwand, bevor sie es erfassen konnte, aber ihre Vergangenheit kehrte zurück. Da waren kaum Bilder, aber so viele andere Eindrücke... vor allem Schmerz. Und da war Kälte und Licht, sie hörte Stimmen... Und wieder die Frage ‚Was ist geschehen?’


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, T'thans Quartier

T'than setzte sich auf seinen Stuhl, ließ die Lehne nach hinter fahren und aktivierte die Energiedusche. Er war erschöpft, aber er konnte nicht einschlafen. Sein Geist war viel zu aufgewühlt, da war zu viel, was ihn beschäftigte.
Vor einer Stunde war er zufällig Zo'or über den Weg gelaufen und natürlich war es sofort wieder zu einem Streit gekommen. Wie er das hasste! Nein, nicht den Streit, aber dass er nichts gegen Zo'or in der Hand hatte, nichts gegen ihn unternehmen konnte. Und solange Da'an sein Kind auch noch unterstützte... Da'an hatte noch nie begreifen wollen, warum T'than Zo'or nicht unterstützen wollte, warum er ihn für schwach hielt. Dabei war es doch offensichtlich. Vor allem jetzt, wo Zo'or Führer der Taelonsynode war, wurde es für so gut wie jeden ersichtlich. Wahrscheinlich hatte er auch nur deshalb die Mehrheit der Synode überzeugen können, nur deshalb hatte er wohl Quo'ons Nachfolge antreten können. Aber das war nun auch egal, es war nicht mehr zu ändern. Aber wenn es nach ihm ginge, Zo'or würde nicht mehr lange diese Position behaupten können. - Nur wer sollte dann seinen Posten einnehmen? Natürlich, Da'an. So lange hatte T'than versucht, ihm das klarzumachen. Aber Da'an wollte das nicht, er steckte zurück, damit sein Kind... Es war zum Verzweifeln. Augenscheinlich war auch Da'an schwach geworden, er setzte sich nicht mehr ein, er konnte sich nicht mehr durchsetzen. Sogar sein Beschützer - dieser Kincaid - schien ihm nur allzu oft auf der Nase herumzutanzen. Aber das war momentan T'thans geringstes Problem, das würde sich schon irgendwie in den Griff bekommen lassen - wenn Da'an nur nicht so stur wäre!
Irgendwann schlief er dann doch ein, jedoch nicht für lange. Nach wenigen Minuten schreckte er mit vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen auf. Er hatte eine Präsenz im Gemeinwesen gespürt. Eine Präsenz, die ihm nur allzu vertraut war. Die Gedanken des Kriegsministers überschlugen sich beinahe.
‚Warum muss von allen Taelons gerade er herkommen? Sha'bra! Als hätte ich nicht schon genug Probleme!’
Ohne zu zögern sprang er aus seinem Stuhl auf, eilte Richtung Tür - und blieb abrupt stehen. Warum sollte er Zo'or so schnell davon in Kenntnis setzen? Er würde es schon früh genug erfahren. Ein tückisches Grinsen huschte über sein Gesicht, als er sich wieder umdrehte. Diesmal schlief er sofort nach der Aktivierung der Energiedusche ein.


Am nächsten Morgen, Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

Sandoval konnte sich nicht helfen, irgendwie wirkte Zo'or... Es war schwer zu beschreiben. Einerseits schien er äußerst müde zu sein, aber gleichzeitig war er unruhig, geradezu besorgt.
Vor einer halben Stunde hatte das Mutterschiff ein Signal aufgefangen. Ein Taelon hatte kurzfristig sein baldiges Eintreffen angemeldet. Natürlich hatte Sandoval sofort veranlasst, dass Zo'or geweckt wurde - er hatte an diesem Morgen ungewöhnlich lange geschlafen. Dementsprechend schlecht war auch Zo'ors Laune, aber das war der Agent ja schon gewohnt.
„Agent Sandoval, begeben Sie sich sofort zum Portal und begleiten Sie Ta'sen nach seiner Ankunft hierher.”
„Natürlich, Zo'or.” Er verkniff sich die Frage nach dem Warum. Normalerweise wurden Taelons, vor allem wenn sie Mitglieder der Synode waren, von Zo'or oder einem Stellvertreter begrüßt. Zo'or schien diesen Ta'sen ganz und gar nicht zu mögen.
„Ach, und Agent Sandoval, geben Sie T'than Bescheid, er soll ebenfalls herkommen.”
Der Mann nickte, verließ die Brücke und beschloss, keine weiteren Spekulationen anzustellen. Er würde sich ja in Kürze selbst ein Bild von Ta'sen machen können.

wenig später

Das Portal wurde aktiviert. Agent Sandoval warf noch einmal einen kritischen Blick auf die Freiwilligen, die hinter ihm standen. Zo'or hatte kurz nach dem Zwischenfall mit dem Ka'ar'mash-Projekt eine stärkere Bewachung der Portale angeordnet, um unangemeldete Besucher vom Mutterschiff fernzuhalten.
Ein letztes Mal glitten die Finger des Mannes über den Kragen seines Jacketts und überprüften den korrekten Sitz. Dann stand ein Taelon vor ihm, den er zwar noch nie gesehen hatte, der ihm aber trotzdem irgendwie bekannt vorkam. Unauffällig musterte er den Außerirdischen.
Ta'sen sah sich um und nickte beinahe anerkennend. Sein erster Gedanke als er Agent Sandoval sah, war: ‚Zo'or hat dazugelernt. Es ist zwar undiplomatisch, aber der Kleine traut sich was.’ Dann trat er dem Mann ein paar Schritte entgegen, formte den Taelon-Gruß und sagte „Sinaui Euhura.”
Agent Sandoval grüßte auf dieselbe Weise zurück und meinte dann „Ta'sen, folgen Sie mir bitte zum Kommandodeck.” Er gab sich alle Mühe, diese Aufforderung höflich klingen zu lassen. Es wäre wohl angebrachter gewesen, den Taelon zuerst willkommen zu heißen, aber Anweisung war Anweisung. Zo'or hatte nun einmal darauf bestanden, dass er sich nicht mit höflichen Floskeln aufhalten sollte.
„Danke, ich kenne den Weg. Aber Sie dürfen mich gerne begleiten, so wie es Zo'or wahrscheinlich angeordnet hat.” Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Taelons, als er an Sandoval vorbeiging.
‚Ich kenne dieses Grinsen’, dachte Sandoval und folgte Ta'sen. Als er hinter dem Taelon den Gängen des Mutterschiffes folgte, musste er sich sehr zusammenreißen, sich seine Verwunderung nicht anmerken zu lassen. Jetzt wusste er genau, an wen Ta'sen ihn erinnerte.
Auf dem Weg zum Kommandodeck hing Ta'sen seinen Gedanken nach. Eigentlich hatte er seine offizielle Ankunft noch nicht vorgesehen gehabt, aber aus einer dummen Unachtsamkeit heraus war es unumgänglich geworden. Nur für wenige Augenblicke hatte er die Barriere zwischen sich und dem Gemeinwesen fallen gelassen und natürlich hatte T'than seine Anwesenheit sofort gespürt.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Da'an hatte ein Portal in seiner Botschaft. Aber das hielt ihn nicht davon ab, Liams Dienste in den unpassendsten Momenten in Anspruch zu nehmen.
Es war am vorherigen Abend sehr spät gewesen, als Liam endlich ins Bett kam. Heute Morgen wollte er eigentlich ausschlafen und dann ganz gemütlich frühstücken. Das erste hatte ja auch noch funktioniert, nur letzteres nicht. Liam hatte gerade am Tisch gesessen und wollte sich über dieses äußerst schmackhafte Brötchen hermachen, als sein Global piepte. Da'an hatte ihn in die Botschaft bestellt und wollte zum Mutterschiff geflogen werden.
Liam betrat das Büro des Taelons und fand ihn äußerst beschäftigt vor. Da'an stand vor seinem Computer und las einen in Eunoia verfassten Text. Als er Schritte hinter sich hörte, schloss er den Datenstrom und drehte sich um.
„Guten Morgen, Liam.”
„Guten Morgen”, erwiderte Liam. Trotz des freundlichen Grußes schien Da'an nicht gerade gut gelaunt zu sein. Liam kannte den Companion lange genug, um auch seine Körpersprache richtig deuten zu können. Und heute war Da'an eindeutig nervös, auch wenn er versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen.
Auf die stumme Frage seines Beschützers hin meinte Da'an ausweichend „Die Synode hat ein Treffen einberufen. Alle verfügbaren Mitglieder sind angehalten, an der Besprechung teilzunehmen. - Wenn Sie mich zum Mutterschiff gebracht haben, können Sie sich den Rest des Tages frei nehmen, Liam.”
Der Angesprochene kommentierte den letzten Satz mit einem erstaunten Blick. ‚Frei? Ich wusste gar nicht, dass dieser Begriff im Wortschatz der Taelons überhaupt vorhanden ist.’ Natürlich sagte er das nicht laut, aber sein Gesichtsausdruck musste wohl Bände sprechen, denn Da'an lächelte kurz und meinte dann „Die Sitzung wird sehr lange dauern.”


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

„Ta'sen, warum bist du hier?” Neugier aber auch Zorn sprachen aus T'thans Stimme.
Nach Ta'sens Eintreten hatte Schweigen auf der Brücke geherrscht. Zo'or hatte auf seinem thronartigen Stuhl gesessen und den Neuankömmling von oben bis unten gemustert. T'than hatte Ta'sen langsam umkreist und ihn dabei genau beobachtet. Nichts verriet ihm, was der andere Taelon gerade dachte, sein Gesicht war eine emotionslose Maske, sein Geist gab dem Gemeinwesen gegenüber keine Gefühle und Gedanken preis.
Nach kurzer Zeit - es waren nur Minuten, aber allen Anwesenden kam es wie eine Ewigkeit vor - brach T'than das Schweigen und blieb vor Ta'sen stehen.
„Ihr habt augenscheinlich noch keinen sichtbaren Erfolg erzielt.” Bei diesen Worten warf Ta'sen einen Blick in die Runde und schaute nacheinander Zo'or und T'than an. Er hatte seine Hände hinter dem Rücken verschränkt, doch als er weitersprach unterstrich er seine Worte mit langsamen und eleganten Gesten. „Daher habe ich beschlossen, mich persönlich über die momentane Sachlage zu informieren und gegebenenfalls Vorschläge zu machen.”
Als Da'an den Raum betrat, hielt Ta'sen für einen Moment inne. „Sinaui Euhura, Da'an. Es ist lange her.” Kein Unterton in der Stimme, nur eine sachliche Feststellung.
Da'an grüßte zurück. Mit den Worten „Ja, das ist es” ging er an Ta'sen vorbei und stellte sich neben Zo'or, der inzwischen aufgestanden und neben T'than getreten war.
Nur wenige Minuten später war die Versammlung vollzählig und Zo'or entließ die restlichen Menschen vom Kommandodeck.

etwa eine Stunde später

„... um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht im Auftrag des Ka'dij'hah hier. Mein Anliegen ist ein anderes, so wie ich es vorhin schon erläutert habe.” Kein Vorwurf in der ruhigen Stimme Ta'sens, nur objektive Äußerungen.
T'than hatte Mühe, sich auf die Sitzung zu konzentrieren. Was war mit Ta'sen los? So emotionslos hatte er ihn noch nie erlebt, nicht so. Natürlich, wenn es um Politik und Krieg ging, wenn es etwas Wichtiges und äußerst Ernstes war, dann hatte Ta'sen sich schon immer unnachgiebig und hart gegeben. Aber so? Sein ganzes Auftreten war irgendwie anders, seine Gestik auf das Wesentliche beschränkt...
„... wenn dies gewünscht wird. Nun, dies hier ist nicht der Krieg, dies hier ist nicht die Front. Und doch ist der Kriegsminister hier um taktische Ratschläge zu erteilen...”
Kein Vorwurf in Ta'sens Stimme. Seltsam... Aber ehrlich gesagt wusste T'than auch nicht, worum es gerade ging. Irgendwie hatte er in den letzten Minuten den Faden verloren.
„... so hat jeder seine Aufgabe, die er zu erfüllen versucht...”
Was wollte Ta'sen? Wovon sprach er? T'than beschloss, ab jetzt aufmerksamer zuzuhören und sich nachher die Informationen zu beschaffen, die ihm entgangen waren. Er war wütend auf sich selbst. Aber so war es immer gewesen: Kaum tauchte Ta'sen auf, geriet alles durcheinander. Und so wie T'than ihn jetzt einschätzte, konnte er ziemliche Probleme verursachen - Ta'sen würde bestimmt nicht mit T'than einer Meinung sein, was die Menschen betrifft.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Eigentlich hatte er vorgehabt, seinen freien Tag so richtig zu genießen und sich um nichts und niemanden zu sorgen. Aber irgendwie wollte es ihm einfach nicht gelingen. Ständig kreisten seine Gedanken um die Geschehnisse der letzten Wochen und um Da'ans seltsames Verhalten. Schließlich hatte Liam beschlossen, sich durch Arbeit abzulenken. Jetzt saß er schon seit Stunden an seinem Schreibtisch in Da'ans Büro und erledigte die Schreibarbeit, die sich innerhalb der letzten Tage angehäuft hatte. Sinnlose Formalitäten, aber sie lenkten ihn ab, seine Gedanken hatten keine Chance, auf Abwege zugeraten. - Zumindest hatte das bis jetzt funktioniert. Doch langsam aber sicher musste er eine Pause einlegen, ob er wollte oder nicht. Sein Magen knurrte schon seit einer ganzen Weile. Also beschloss Liam, sich etwas zu Essen zu holen und dann weiterzumachen.

wenig später

Als er die Botschaft erneut betrat, bemerkte er etwas, dass ihm bisher die meiste Zeit entgangen war. Normalerweise war er in letzter Zeit immer mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, aber diesmal betrachtete er seine Umgebung ganz genau. Erst jetzt fiel ihm auf, was er schon bei seiner Arbeit am Schreibtisch unbewusst bemerkt hatte. Normalerweise war das ganze Gebäude erfüllt von Da'ans Anwesenheit, aber nun, wo der Companion nicht hier war, kam es Liam seltsam leer und verlassen vor.
Eigentlich wäre ihm das egal gewesen. Er sah seine Aufgabe als Da'ans Beschützer nur als einen Job an - das war einmal anders gewesen, es hatte eine Zeit gegeben, als Liam Da'an als seinen Mentor betrachtet hatte. Aber wie sollte er jemandem vertrauen, der auf alle Fragen ausweichend antwortete oder sogar die Unwahrheit sagte?
Liam wollte es sich nicht eingestehen, aber seit dem Scheitern des Ka'ar'mash-Projektes war etwas anders. Er sorgte sich um Da'an. Sein Companion zeigte es zwar nicht offen, aber seine Betroffenheit konnte er vor Liam nicht verbergen. Vielleicht waren es diese Gefühlsregungen, die Liam zeigten, dass Da'an doch nicht alles egal war. Sie machten ihn sympathisch.


Stunden später, Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

Die Versammlung der Synode war beendet. Im Laufe des Tages war Zo'ors Stimmung immer düsterer geworden. Am Morgen war er nur beunruhigt gewesen und vielleicht ein wenig missgestimmt, weil Sandoval - na ja, eigentlich war es Ta'sens Schuld - ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Aber jetzt... Er war durchaus wütend. Was dachte sich Ta'sen eigentlich dabei, hier aufzukreuzen und sich einzumischen? Er war äußerst zielsicher aufgetreten und Zo'or wusste, dass Ta'sen keine Gelegenheit auslassen würde, alles und jeden zu kritisieren. Ihn, T'than, Da'an, Mit'gai... Der Gedanke an Mit'gai ließ die Laune des Synodenführers noch einmal um ein gutes Stück sinken. Der Heiler hatte eigenmächtig höchst geheime Informationen an Unbefugte weitergegeben und somit das Scheitern des Ka'ar'mash-Projektes geradezu impliziert. Aber das würde er noch bereuen.
Was den jungen Taelon weit mehr beunruhigte war die Tatsache, dass der Körper dieser menschlichen Frau auf einmal verschwunden war. Doktor Beagle hatte nicht gesehen, wer ihn bewusstlos geschlagen hatte und Mit'gai hatte Zo'or die Nachricht von ihrem Tod überbracht. Da'an und T'than schieden ebenfalls aus, sie hatten sich im selben Raum wie Zo'or befunden. Blieben nur noch Major Kincaid und Agent Sandoval übrig. Aber da die beiden zusammen gewesen waren und eine Zusammenarbeit so gut wie ausgeschlossen war... Warum hatte dieser inkompetente Mensch eigentlich immer noch nicht den Verantwortlichen ausfindig machen können?
„Agent Sandoval?” ‚Wie praktisch, dass er gerade jetzt herkommt’, dachte Zo'or, als das Objekt seiner vorherigen Gedankengänge den Raum betrat.
„Ja, Zo'or?” Sandoval hatte Mühe, sich sein Misstrauen nicht anmerken zu lassen. Zo'or hatte schon wieder dieses seltsame Grinsen aufgesetzt, das konnte nichts Gutes bedeuten.
„Wie weit sind Ihre Nachforschungen bezüglich des... Verschwindens von Miss O'Neill fortgeschritten?”
„Aber Zo'or, ich habe Sie doch darüber informiert...” Abrupt wurde er durch eine Geste des Taelons unterbrochen.
„... ,dass sämtliche Hinweise bei der Explosion vernichtet wurden. Ich weiß, Agent. - Aber es stehen Ihnen genügend Informationsquellen zur Verfügung. Finden Sie den Verantwortlichen!”
Ein äußerst bedrohlicher Unterton schwang in Zo'ors Stimme mit und Sandoval beschloss, dass es besser wäre, jetzt nicht zu widersprechen.


Irgendwo an einem unbekannten Ort

Es war dunkel. Dunkel und warm. Sie wusste nicht, wo sie war, aber sie wollte diesen Ort nicht verlassen. Sie war allein, aber das machte nichts. Hier war sie sicher, sicher vor den Schüssen, sicher vor den Schmerzen, sicher vor diesem seltsamen Außerirdischen und seinen verrückten Experimenten.
Sie wusste nicht, ob sie lebte oder tot war, aber sie wusste jetzt wieder genau, was geschehen war. Ihr Bewusstsein befand sich auf einer Stufe, die dem wachen Zustand sehr nahe kam, aber sie war nicht wirklich wach. Sie vermochte noch nicht einmal mit Sicherheit zu sagen, ob sie sich überhaupt noch in ihrem Körper befand. Zumindest spürte sie ihn nicht. Trotzdem hatte sie keine Angst. Warum auch? Hier konnte ihr nichts passieren. - Wo auch immer dieses Hier sein mochte.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons

So konnte es nicht weitergehen. Er konnte nicht zulassen, dass andere gegen ihn agierten. Die Gefahr wurde einfach zu groß, als dass er diese Chance verstreichen lassen könnte. Allzu bald würde sich wohl keine neue bieten. Wenn er jetzt nicht die Möglichkeit ergriff, Zo'ors Verhalten anzuprangern, dann würde Zo'or seinerseits die Initiative ergreifen.
Es widerstrebte T'than, sich gegen Da'an zu stellen und ihn zu hintergehen, aber was blieb ihm anderes übrig? Und außerdem, Da'an war selbst Schuld.
Schlagartig schien der innere Konflikt des Taelons verschwunden und Wut stieg in ihm auf. Er vermied es, weiter darüber nachzudenken, denn dann wäre er zu dem Schluss gekommen, dass er im Endeffekt nur wütend auf sich selbst war und dass er... Nein, daran durfte er nicht denken, er konnte solche Gefühle einfach nicht zulassen.
T'than musste wohl einen extrem missgestimmten Eindruck machen, denn als ihm auf dem Korridor zwei Freiwillige entgegenkamen und er ihnen einen kurzen Blick zuwarf, waren sie plötzlich sehr darum bemüht, möglichst schnell an ihm vorbei zu kommen und hinter der nächsten Biegung des Gangs zu verschwinden.
Unwillkürlich musste der Taelon grinsen. Gut, er hatte schon ein- oder zweimal infolge eines Wutausbruches seine Aggressionen an diesen minderwertigen Lebensformen ausgelassen...


Sibirien, ehemaliges Geheimlabor

„Hier ist nichts mehr zu finden, Sir.”
Sandoval blickte auf und sah den Freiwilligen wütend an. Natürlich wusste er, dass sie hier keine Hinweise auf den Täter finden würden, die Explosion hatte alle eventuellen Beweise vernichtet. Das hatten sie schon vor einer Woche festgestellt, aber dennoch hatte Zo'or angeordnet, weiter zu suchen.
Mit einem Blick auf seine Taschenuhr meinte Sandoval dann „Gut, machen wir für heute Schluss. Bringen Sie Ihre Leute zurück auf's Mutterschiff, Captain.”
Der Mann setzte gerade dazu an, die Freiwilligen zusammenzurufen, als einer von ihnen etwas gefunden zu haben schien.
„Sir, hier ist etwas.”
Sandoval und Captain Pike staunten nicht schlecht. Inmitten der Trümmer eine solche Spur zu finden war eigentlich äußerst unwahrscheinlich...


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

„Sie war tot, dass kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit bestätigen.” Langsam geriet Doktor Beagle in Panik. Zo'ors Blick schien ihn förmlich zu durchbohren.
Äußerlich war Mit'gai zwar die Ruhe selbst, aber er wusste genau, dass Zo'or ihm und Beagle nicht glaubte. Dabei war Anja O'Neill doch wirklich nicht mehr am leben gewesen... Er war sich sicher.
Beinahe triumphierend stand Agent Sandoval neben Zo'or, der auf seinem Kommandosessel saß. Er hatte seinem Companion einen Beweis gebracht - zwar war es nicht der, den sich Zo'or erhofft hatte, aber immerhin konnte er Zo'or davon überzeugen, dass sein Beschützer doch nicht hoffnungslos unfähig und auf allen Gebieten inkompetent war.
„Und wie erklären Sie sich dann die Ergebnisse der Nachforschungen? Es ist doch eindeutig, dass Miss O'Neill das Labor verlassen hat.” Bei diesen Worten deutete Zo'or auf den Datenkristall, den Agent Sandoval hielt. Trotz der Explosion waren ein paar Daten auf einem der Computer erhalten geblieben - zufällig die Daten des Computers, der die Portalaktivitäten in der Lagerhalle überwachen sollte. Durch mehr oder weniger aufwändige Rekonstruktionen hatten diese Daten wieder komplettiert werden können.
Es war unklug, Zo'or zu widersprechen. Trotzdem antwortete Mit'gai und äußerte seine Vermutung. „Sie muss nicht unbedingt lebendig gewesen sein, um das Labor zu verlassen. Es wäre ebenso gut möglich, dass sie von jemandem weggebracht wurde. - Außerdem, bist du sicher, dass diese Daten korrekt sind? Soweit ich weiß, waren sie erheblich beschädigt und die Rekonstruktion der Portaldaten war nicht einfach. Dabei könnte ein Fehler unterlaufen sein.”
„Es ist eindeutig, dass Anja O'Neill das Portal benutzt hat. Und zwar, um aus der Lagerhalle heraus zu kommen. Es sind jedoch keine Daten über eine zweite Person vorhanden. Sie hat also noch gelebt”, schloss Zo'or.
Gut, sollte Zo'or das doch denken. Mit'gai hatte keine Chance, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Aber er selbst konnte sich nicht erklären, warum diese Frau - diese tote Frau - korrigierte er sich in Gedanken, plötzlich und vollkommen ohne Vorwarnung aufstehen, Doktor Beagle niederschlagen und durch das ID-Portal verschwinden sollte. Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

Die Botschaft war, abgesehen von ein paar Angestellten, leer. Da'an war auf dem Mutterschiff und Major Kincaid war mit Sicherheit nicht hier. Also ging T'than vom Portal zu Da'ans Computer. Auf einem Tisch fand er einen Datenkristall. Zwar war es ziemlich unwahrscheinlich, dass es der war, den er suchte, aber trotzdem übertrug er die Daten auf den Bildschirm.
Schnell stellte der Taelon fest, dass diese Daten für seine Zwecke nicht geeignet waren. Deshalb begann er, die Datenbank der Botschaft nach den entsprechenden Informationen zu durchsuchen.
‚Ich wusste doch, dass Da'an die Daten nicht gelöscht hat’, war sein erster Gedanke, als er sämtliche Daten des Ka'ar'mash-Projektes gefunden hatte. Er wollte sie gerade in seine persönliche Datenbank transferieren, als er spürte, dass jemand den Raum betrat. Langsam drehte sich T'than herum und sah sich Da'an gegenüber.
Erstarrt und sprachlos standen die beiden Taelons eine Weile so da und sahen sich einfach nur an. Keiner der beiden wusste, was er sagen sollte.
Es war T'than klar, dass Da'an die Situation sofort erfasst hatte und wusste, was er hier tat. Eine Ausrede würde nichts nützen, ein Erklärungsversuch wäre sinnlos. - Erstaunt stellte T'than fest, dass ihm das egal war. Es war ihm egal, was Da'an dachte und empfand.
Da'an begegnete dem Blick des anderen Taelons und starrte ihn an - nein, er starrte vielmehr durch T'than hindurch. Er hatte gehofft, dass ihr Streit wieder nur eine dieser kleinen Auseinandersetzungen gewesen wäre, aber jetzt war ihm klar, dass dem nicht so war. Vielleicht hätte ihn diese Erkenntnis nicht so hart getroffen, wären die Ereignisse vor beinahe zwei Wochen nicht gewesen - wären sie sich nicht wieder so nah gekommen.
Der Companion Nordamerikas setzte zu einer Frage an, hielt aber im letzten Moment inne. Er würde keine Antwort erhalten - keine ehrliche Antwort. Wortlos schritt er auf T'than zu und löschte die Daten.
Der Kriegsminister konnte in Da'ans Augen die stumme Frage lesen: ‚Warum?’


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

Zo'or hatte Doktor Beagle vom Kommandodeck entlassen und nun wollte sich auch Mit'gai zum Gehen wenden, doch der Synodenführer hielt ihn auf.
„Mit'gai, ich hoffe, dass du deine Arbeit in nächster Zeit zufriedenstellend erledigen wirst.”
Der Heiler schaute Zo'or fragend an. Er wusste nicht so recht, was der andere Taelon ihm damit sagen wollte.
„Hat man dir noch nicht mitgeteilt, dass Si'ir uns mit seiner Anwesenheit beehren wird?” Die Ironie in Zo'ors Stimme war kaum zu überhören und Mit'gai wusste sofort, was Zo'ors Plan war. Er hatte ihn in der Hand.


Irgendwo an einem unbekannten Ort

Nur ein dämmeriges Licht erhellte den Raum, aber mehr war auch nicht nötig. Er konnte auch bei wenig Licht gut sehen und außerdem kannte er diesen Raum gut genug, um sich auch ganz ohne Licht zurecht zu finden. Ein flüchtiger Blick auf die Anzeigen des Computers verriet ihm, dass sich in seiner Abwesenheit nichts ungewöhnliches ereignet hatte.
Sein Blick fiel auf den hohen Glaszylinder an der gegenüberliegenden Wand - und auf die Person, die sich in ihm befand. Mit langsamen Schritten ging er auf den ‚Tank’ zu und blieb unmittelbar davor stehen.
‚Du solltest mir helfen, mehr über die Menschen zu erfahren’, sinnierte er in Gedanken. ‚Aber irgendetwas hält mich davon ab, dich als bloßes Forschungsobjekt zu sehen. Ein Geheimnis umgibt dich.’

Sie wurde beobachtet. Sie fühlte eine Paar Augen auf sich gerichtet und spürte, dass jemand da war. Etwas in ihr sagte, sie solle aufwachen. Aber wollte sie das überhaupt? Es war zu spät für solche Überlegungen.

Plötzlich blinkten die Anzeigen des Computers auf, ein wildes Feuerwerk der buntesten Lichter. Beinahe erschrocken eilte er zum Computer, um sich über den Grund zu informieren.
Fassungslos starrte er auf den Bildschirm. Sie wachte auf.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons

Mit'gai hatte Mühe, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Die Daten auf dem Bildschirm sagten ihm nichts. Er legte das Reagenzglas aus der Hand, die Analyse war ihm im Moment egal. Stattdessen dachte er über andere Dinge nach.
Er hatte doch einfach nur seine Arbeit gemacht, er hatte immer versucht, sein Bestes zu geben. Gut, vielleicht hätte er Da'an und T'than wirklich davon abhalten können, die geheimen Daten des Projektes zu studieren. Aber den Tod dieser Frau hätte er nicht verhindern können.
Doch Zo'or sah das natürlich nicht ein. Der junge Synodenführer suchte immer nach einem Sündenbock und da er T'than und Da'an nichts anhaben konnte, war seine Wahl diesmal auf Mit'gai gefallen. - Zo'ors Laune war in letzter Zeit unentwegt extrem schlecht, daher verwunderte es den Heiler auch kaum, dass er zu solchen Mitteln griff.
In Gedanken hörte Mit'gai immer wieder diesen einen Satz.
‚Hat man dir noch nicht mitgeteilt, dass Si'ir uns mit seiner Anwesenheit beehren wird?’
Warum gerade Si'ir? Zo'or könnte sich doch auch direkt an Mit'gai rächen, warum musste ein anderer Taelon dafür herhalten? Der Heiler mache sich große Sorgen um sein Geschwister und eigentlich wusste er auch, warum Zo'or so handelte.
Der Synodenführer wusste genau, wie stark die Bindung zwischen Mit'gai und Si'ir war. Letztlich hatte sich Mit'gai auch wegen Si'ir dazu entschieden, ein Heiler zu werden. Das war vor langer Zeit gewesen, als sie beide noch jünger waren. Eines Tages hatte Si'ir begonnen, sich seltsam zu verhalten. Er zog sich zurück und kommunizierte kaum noch mit dem Gemeinwesen. Kein Heiler der Taelons hatte herausfinden können, was Si'ir fehlte. Deshalb hatte Mit'gai sich vorgenommen, ein Heiler zu werden und einen Weg zu finden, seinem jüngeren Geschwister zu helfen.


Eine Stunde später, irgendwo an einem unbekannten Ort

Langsam öffnete sie die Augen. Zuerst sah sie nichts. Aber auch als sich ihre Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten, erkannte sie zunächst nur verschwommene Flecke. Allmählich wurden die Konturen schärfer. Vorsichtig hob sie ihren Kopf und schaute an sich herunter. Sie trug einen blau-violett schimmernden Anzug - so einen, wie ihn auch die Taelons trugen.
„Ihre Sachen waren beschädigt und nicht mehr tragbar. Leider hatte ich nichts anderes hier.”
Vorsichtig drehte sie ihren Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam und richtete sich soweit auf, dass sie in eine halbsitzende Position kam. Etwa zwei Meter von ihr entfernt stand ein Taelon.
‚Nicht schon wieder so ein Taelon mit seinen verrückten Experimenten...’ war das erste, was ihr durch den Kopf schoss.
Ihr Gegenüber musste ihr den Schreck wohl angesehen haben, denn er kam langsam näher und meinte „Verzeihung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist...” Ein Piepen unterbrach den Taelon. „Entschuldigen Sie mich bitte. Ich werde so bald wie möglich wieder hier sein.” Mit diesen Worten eilte er aus dem Raum.
Verwundert schaute sie dem Taelon hinterher und starrte noch eine Weile auf die Tür, durch die er gegangen war. Dann ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen.
Die Liege, auf der sie saß, stand nahe an der Wand gegenüber der Tür. Ein paar Schritte entfernt befand sich ein Taelon-Computer und am anderen Ende des Raums fiel ihr Blick auf eine Glassäule, die mit Wasser gefüllt zu sein schien.
Vorsichtig ließ sie sich von der Liege gleiten und stand auf, um den Raum einer näheren Inspektion zu unterziehen. Als sie jedoch versuchte, einen Schritt zu machen, gaben ihre Beine nach und sie konnte sich gerade noch an der Liege festhalten. Vorsichtig wagte sie einen zweiten Versuch, der auch gelang.
Langsam ging sie ein paar Schritte ziellos durch den Raum, bis sie in einer Ecke einen weißen Kasten entdeckte, der einem Kühlschrank äußerst ähnlich sah. Als sie näher kam bemerkte sie auf dem Gerät etwas, das wie eine Mikrowelle aussah. Sie streckte ihre Hand nach dem Griff des mutmaßlichen Kühlschranks aus und zögerte einen Moment. Als sie die Tür dann doch öffnete, konnte sie einen erstaunten Ausruf nicht zurückhalten.
„Oh!”
Das Gerät war tatsächlich ein Kühlschrank und sein Inhalt war, entgegen aller ihrer Vermutungen, unzweifelhaft der normale Inhalt eines normalen Kühlschranks in einem normalen menschlichen Haushalt.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons, Kommandodeck

„Ta'sen, was soll das?” Zo'or musste sich sehr zurückhalten, um seiner Wut nicht freien Lauf zu lassen.
„Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht genau, wovon du sprichst, Zo'or.”
„Ich spreche davon, dass du dir Zugang zu sämtlichen Daten verschaffst - darunter auch Daten von Projekten, die nicht in deinen Zuständigkeitsbereich fallen und die einer gewissen Geheimhaltung unterliegen.” Nur die Gestik und der stechende Blick des jungen Synodenführers verrieten seine Gemütslage.
„Zo'or, du weißt genau, dass meine Position mich dazu berechtigt. Ich kann Einsicht in alle Daten verlangen.”
„Du sagtest, du wärst nicht im Auftrag des Ka'dij'hah hier, sondern um die Menschen zu studieren.”
„Ja, das ist richtig. Und dennoch mache ich von meinem Recht gebrauch, alle mir in dieser Hinsicht dienlichen Daten einzusehen.”


Wenig später, irgendwo an einem unbekannten Ort

Sie hatte die Inspektion des Kühlschranks beendet und versuchte nun, die Daten auf dem Bildschirm des Computers zu verstehen - was sich jedoch als sinnlose Mühe erwies, da alles in der Sprache der Taelons verfasst war.
„Wie ich sehe, scheint es Ihnen besser zu gehen.”
Erschrocken fuhr sie herum und blickte in das Gesicht des Taelons, der vorhin so eilig aufgebrochen war. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Züge.
„Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit”, nahm der Außerirdische das unterbrochene Gespräch wieder auf. „Mein Name ist Ta'sen.”
In der nächsten Stunde war der Taelon damit beschäftigt, Anjas Fragen zu beantworten und sie davon zu überzeugen, dass er keine verwerflichen Absichten hegte.
„Habe ich das jetzt richtig verstanden?” meinte Anja schließlich. „Alle anderen denken, ich wäre tot?” Auf das Nicken des Taelons hin fuhr sie fort. „Und Sie haben mich gerettet und dieses Implantat entfernt?”
Wieder ein Nicken.
Anja wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Wie sollte sie jetzt reagieren?
„Eine echt blöde Situation”, entfuhr es ihr.
Im ersten Augenblick stutze Ta'sen ob dieser direkten aber trotzdem treffenden Aussage, dann musste er unwillkürlich lächeln.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

„Da'an?”
Keine Reaktion.
Langsam trat Liam näher an den Companion heran, der aus dem großen Fenster auf Washington starrte. Eigentlich war er nur noch einmal zurück in die Botschaft gekommen, weil er etwas vergessen hatte. Mit Da'an hatte er hier nicht gerechnet, er hatte noch etwas auf dem Mutterschiff zu erledigen gehabt - anscheinend war das eher als erwartet erledigt gewesen.
„Da'an?” Sorge spiegelte sich in Liams Stimme wider. Der Taelon schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen.
Als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, zuckte Da'an erschrocken zusammen und fuhr herum. Erst als er in das sorgenvolle Gesicht seines Beschützers blickte, entspannte er sich wieder etwas.
„Alles in Ordnung, Da'an?”
Der Taelon nickte aber seine Haltung drückte das genaue Gegenteil aus.
Liam überlegte, ob dieses seltsame Verhalten wohl mit dem Streit zwischen Da'an und T'than zusammenhängen könnte. Die beiden hatten sich ja während ihrer Zusammenarbeit ziemlich gut verstanden... Er wusste nicht, was er tun sollte. Eigentlich ging ihn Da'ans emotionaler Zustand nichts an, aber trotzdem machte er sich Sorgen um den Taelon. Nach einer Weile kam er zu dem Schluss, dass er nichts zu verlieren hatte. Entweder war Da'an ehrlich und vertraute sich ihm an - oder er würde wieder einmal der Frage ausweichen.
„Wissen Sie, Da'an, manchmal hilft es, wenn man mit jemandem über die Dinge redet, die einen belasten.” ‚Na toll, ungeschickter konntest du es auch nicht formulieren!’ schalt er sich in Gedanken.
Der Angesprochene legte seinen Kopf schief und schaute Liam ein wenig verwundert an. Machte sein Beschützer sich wirklich Sorgen um ihn? Aber vielleicht hatte er Recht, vielleicht war es an der Zeit, nicht immer mit allem allein fertig werden zu wollen.
Als Da'an schwieg wollte Liam sich zum Gehen wenden, wurde jedoch von einer Geste des Companions zurückgehalten.
„Auch wenn es oft so scheint,” begann Da'an, „sind die Taelons nicht vollkommen gefühllos. Es mag für Sie unwahrscheinlich klingen, Liam, aber auch ein Taelon sucht sich manchmal einen Partner...” Er machte eine Pause und fragte sich ‚Warum erzähle ich ihm das?’
Liam stutzte. Er brauchte einen Moment um zu verstehen, was Da'an ihm sagen wollte. Entweder wurde das jetzt wieder ein Exkurs in die Geschichte und die Legenden der Taelons - oder Da'an sprach wirklich einmal von sich und hatte... war... „Sie meinen....” stammelte Liam, „Sie und T'than sind... waren...”
Für einen Augenblick schien es, als würde Da'an seine Fassade verlieren, dann nickte er.


Wenig später, irgendwo an einem unbekannten Ort

Anja schlief, doch Ta'sen konnte sich nicht aufraffen, zu gehen. Irgendetwas hielt ihn hier, sagte ihm, dass er sie nicht alleine lassen konnte. In Gedanken tadelte er sich dafür.
Mit'gai und dieser menschliche Arzt hatten Anja für tot gehalten, dabei war sie nur in eine Art Koma gefallen. Er hatte sie aus dem Labor geholt und das Implantat entfernt, das sie mit Sicherheit umgebracht hätte. - Eigentlich war er hier, um mehr über die Menschen zu lernen und Anja hatte er anfangs für ein geeignetes Studienobjekt gehalten, aber dann... Sie hatte etwas besonderes an sich, er konnte nur nicht sagen, was es war. Gemäß den Daten des Ka'ar'mash-Projektes hätte ihr Körper nicht so auf das Implantat reagieren dürfen, wie er es getan hat. Ein Koma kam bei Menschen nicht selten vor, aber niemals in der Form, in der es bei Anja geschehen war.
Kurzerhand entschloss sich Ta'sen, sofort eine DNS-Analyse durchzuführen - er hatte das Gefühl, dass in dem Bericht eine Kleinigkeit nicht ganz der Wahrheit entsprach. Und außerdem musste er dafür sorgen, dass alle in dem Glauben blieben, Anja sei tot. Aber das sollte das geringste Problem sein.


Erdorbit, Mutterschiff der Taelons

Zo'or und Mit'gai folgten den Gängen des Mutterschiffes, bis der Synodenführer unvermittelt vor einer Tür stehen blieb. Hinter der Tür lag das Quartier, in dem sich Si'ir aufhielt.
Zo'or hatte zwar eingewilligt, dass Mit'gai sein Geschwister aufsuchen dürfe, aber darauf bestanden, dass er selbst auch anwesend sein würde. Nun forderte er den Heiler mit einer Geste zum Eintreten auf.
Die beiden Taelons betraten einen nur schwach beleuchteten Raum. Mit'gai wusste, dass Si'ir das dämmrige Licht nicht einfach nur bevorzugte; normalstarke Raumbeleuchtung blendete ihn.
Sie fanden Si'ir vor dem Fenster aus virtuellem Glas stehen und die Erde beobachten.
Leise und mit sanfter Stimme sprach der Heiler sein Geschwister an. „Si'ir?”
Sekunden später drehte Si'ir sich langsam um sah Mit'gai mit leicht schief gelegtem Kopf an. „Mit'gai? Schön dich zu sehen.” Seine langsame und melodische Art zu sprechen und auch sein leicht verklärter Blick erweckten den Anschein, als wäre er in Wahrheit weit weg - zumindest mit seinen Gedanken und seinem Geist.
Nach einer kurzen Pause deutete Si'ir langsam mit einer Hand hinter sich. „Ein schöner Planet. So anders als Taelon, aber trotzdem schön.”
Mit'gai deutete ein Nicken an. „Ja, du hast Recht.”
Erst jetzt fiel Si'irs Blick auf Zo'or, der neben der Tür stehen geblieben war. „Danke, dass ich herkommen durfte, Zo'or.”
Der Synodenführer neigte leicht den Kopf und deutete ein Lächeln an während er sich, nicht zum ersten Mal, über Si'irs Naivität wunderte. Dieser Taelon hatte keine Ahnung, warum Zo'or ihn hatte herkommen lassen.

 

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