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  „Ka'ar'mash” von Ro'an   (Emailadresse siehe Autorenseite),   angefangen im Dezember 2001
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Zo'or hat eines von Da'ans längst aufgegebenen Experimenten aufgegriffen und eine Studentin gerät mitten hinein.
Zeitpunkt:  nicht definiert (wahrscheinlich habe ich alles durcheinander geworfen ;-) )
Charaktere:  Da'an, Zo'or, Mit'gai, T'than, Agent Sandoval, Liam, Anja O'Neill, Doktor Beagle
 

 

KA'AR'MASH

Kapitel 1

 

Teil 2

Erdorbit, Mutterschiff der Taelons

„Was soll das heißen, sie ist weg?” Ungläubig starrte Agent Sandoval der Taelon-Heiler an.
„Das soll heißen, dass sie nicht mehr hier ist.”
„Wie konnte das passieren?” Der Agent musste sich sehr beherrschen, nicht zu schreien.
Mit'gai überlegte, was er jetzt als nächstes sagen sollte. Die Wahrheit war auf jeden Fall die schlechteste Alternative. Nach ein paar Sekunden meinte er „Einen Moment habe ich nicht zu ihr hingesehen, schließlich musste ich ja irgendwie die Analysen fortsetzen. Und plötzlich war sie weg.”
„Und wieso haben Sie mich nicht sofort benachrichtigt?”
„Ich war mir sicher, dass sie in der näheren Umgebung der Labors bleiben würde. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, Verdacht zu schöpfen.” Das alles ging vollkommen gegen Mit'gais Überzeugung, aber erstens zog er Zo'ors Zorn dem T'thans vor und zweitens war er es Da'an schuldig, ihn nicht zu verraten.


Washington, Botschaft des nordamerikanischen Companion

T'than sah seine Chance in greifbarer Nähe. Wenn er jetzt geschickt vorging, konnte er Da'an endgültig für seine Pläne begeistern.
„Da'an, es ist kein Versuch, Zo'or zu stürzen - das schafft er ganz von allein. Er verliert schon jetzt an Einfluss und früher oder später wird er fallen. Dann müssen wir nur zur Stelle sein, damit du seinen Platz einnehmen kannst. Wenn wir dieses Projekt stoppen und der Synode...”
„Ja”, fiel Da'an ihm ins Wort, „wir werden dieses Projekt stoppen. Aber ich werde nicht meinem eigenen Kind in den Rücken fallen, T'than. Wir werden dieses Projekt stoppen, weil es nicht funktionieren wird, nicht funktionieren kann - und weil es den Menschen gegenüber Unrecht ist. T'than, wir beide können dazu beitragen, dass sich die Menschen und die Taelons gegenseitig besser verstehen. Wir können dazu beitragen, dass unsere Mission erfüllt wird. Aber ich werde nicht zulassen, dass du weiter auf diese Art und Weise gegen Zo'or intrigierst.”
Schon lange war Da'an nicht mehr so offen und so enthusiastisch gewesen. T'than war äußerst erstaunt und sowohl Anja als auch Major Kincaid standen mit offenem Mund daneben und beobachteten gespannt die ganze Szene.
„Da'an”, versuchte der andere Taelon einzulenken, „wenn wir es geschickt anstellen...” Und wieder wurde er unterbrochen.
„Wenn wir es geschickt anstellen, können wir den Frieden sichern, T'than. Wir können vielleicht sogar Zo'or überzeugen, seinen Kurs ein wenig zu korrigieren.”
Schweigen.
T'than hatte gewollt, dass Da'an wieder handelt und sich nicht weiter aus allem raushält, aber er hatte nicht unbedingt den geplanten Kurs eingeschlagen. Egal. Hauptsache, Da'an zog eine Kooperation mit T'than überhaupt in Erwägung. - Und die Tatsache, dass Da'an sich einverstanden erklärte, das Ka'ar'mash-Projekt zu beenden, war immerhin ein Anfang.
Da'an überlegte. Irgendwie verstand er selbst nicht, warum ihm soviel an dieser Sache lag - und warum er sich plötzlich wieder so vehement für seine Überzeugung einsetzte. Aber eine Zusammenarbeit mit T'than hatte es schon lange nicht mehr gegeben.
Plötzlich lächelten sich die beiden Taelons an und wandten sich Anja und Liam zu, die die Welt nun überhaupt nicht mehr verstanden. Erst stritten sich die beiden über ihre politische Taktik und dann war auf einmal alles in Ordnung?
„Major, wir werden morgen früh nach Sibirien fliegen”, verkündete Da'an und an Anja gewandt fragte er „Wollen Sie uns begleiten?”
Die Studentin brauchte erst einmal einen Augenblick um zu begreifen, dass diese Frage ihr galt. Dann dauerte es noch einmal gut zehn Sekunden, bis sie begriff, warum es nach Sibirien gehen sollte: T'than und Da'an hatten in ihrem Gespräch gerade erwähnt, dass sich die Forschungseinrichtung für das Ka'ar'mash-Projekt in Sibirien befand. Endlich schaffte sie es auch, sich zu bewegen und nickte.
„Gut. Major, Sie dürfen gehen. Ich nehme an, dass Miss O'Neill die Nacht bei Ihnen verbringen kann?” Schließlich konnten sie Anja schlecht nach Hause gehen lassen, dort würde Zo'or sie zuerst suchen lassen.
Liam nickte etwas verdutzt und machte sich mit Anja auf den Weg zu seiner Wohnung.
Unterdessen war T'than gerade dabei, zum Portal zu gehen, als Da'an ihn aufhielt.
„Du willst doch jetzt nicht zurück zum Mutterschiff?” Und mental fügte der Companion hinzu „In meinen privaten Räumen hier in der Botschaft ist genug Platz.”


nächster Morgen, irgendwo über dem Pazifik

Anja war begeistert von dem Shuttle und ließ sich von Liam während des Fluges die Steuerung erklären. T'than und Da'an hingen währenddessen jeder seinen Gedanken nach.
Da'an hatte in dieser Nacht sehr intensiv geträumt. Er hatte Bilder der Zerstörung gesehen, aber sie entstammten nicht seiner Erinnerung. Er hatte einen kalten und leeren Planeten gesehen, nur wenige Wesen lebten noch auf ihm. Visionen von Krieg und Destruktion hatten seinen Geist beherrscht. - Und er hatte ein langes Gespräch mit T'than geführt, ein längst überfälliges Gespräch. Seit langem hatten sie wieder einmal miteinander geredet - wirklich geredet, nicht über Politik und Krieg und Taktiken.
T'than verstand Da'ans Beweggründe, aber für ihn selbst kamen sie nicht in Frage. Trotzdem, auch wenn er und Da'an nicht immer der gleichen Ansicht waren, hatte er das Gefühl, ein Stück Vergangenheit - ein Stück Heimat - zurückbekommen zu haben. Und obwohl sich der Kriegsminister das nicht eingestehen wollte, er hatte nicht vor, das leichtfertig wieder auf's Spiel zu setzen.
Plötzlich schreckte T'than auf. „Major, landen Sie das Shuttle hier, wir werden den Rest zu Fuß gehen müssen.”
Eigentlich hatte Liam nicht vor, bei dieser Kälte durch den Schnee zu stapfen. Schon gar nicht, wenn der Befehl dazu von T'than kam. Aber ein Nicken von Da'an gab ihm zu verstehen, dass er die Anweisung doch lieber befolgen sollte.
„Warum landen wir hier?” wollte Anja wissen.
„Das Gelände ist gegen die Außenwelt gut abgeschirmt, der Radar würde uns entdecken. Nur zu Fuß haben wir eine reelle Chance, unbemerkt in das Labor zu gelangen”, erklärte Da'an.


wenige Minuten später

Die vier stapften durch den Schnee, der ihnen an manchen Stellen bis zu den Knien reichte und sowohl Anja als auch Liam konnten gar nicht so schnell zittern, wie sie froren. Natürlich entging dieser Umstand den beiden Taelons nicht und T'than konnte sich ein beinahe schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.
‚Menschen... Leben auf diesem Planeten und sind kein bisschen an die klimatischen Verhältnisse angepasst!’
Da'an spürte die leichte Belustigung des Kriegsministers im Gemeinwesen und sah ihn fragend an. „Was ist so amüsant an dieser Situation?”
Er bekam jedoch keine Antwort. Wie aus dem Nichts erscholl plötzlich ein Motorengeräusch und Schüsse peitschten durch die Luft. Geistesgegenwärtig warf sich Liam auf den Boden und riss dabei auch noch Anja und Da'an mit sich.
„T'than, runter!” rief er dem anderen Taelon zu und sah in Richtung des Waldes, der sich zu seiner Rechten erstreckte.
Aus dem Schutz der Bäume tauchten mehrere Motorschlitten auf - von ihnen gingen auch die Schüsse aus.


zur gleichen Zeit in einer ehemaligen Lagerhalle, nur wenige Kilometer entfernt

„Ich habe die Frequenz ihres Implantates erfasst, sie nähert sich uns.” Agent Sandoval stand schon seit geraumer Zeit an diesem Computer, um Anjas Standort ausfindig zu machen - was sich nicht gerade als einfach herausstellte. Da ihr Implantat noch nicht aktiviert war, sendete es auch nur ein äußerst schwaches Signal und war dementsprechend schwer zu orten. Und Zo'ors ständige Nachfragen und leise Flüche machten die Sache auch nicht leichter.
Ein zufriedenes Lächeln erschien auf Zo'ors Zügen. „Gut. - Mit'gai, bereite alles notwendige vor.”
Der Angesprochene beeilte sich, diese Anweisung auszuführen und bedeutete dem anwesenden menschlichen Arzt, ihm in das speziell für diesen Zweck eingerichtete Labor zu folgen. Insgeheim war er äußerst froh, dass seine Fähigkeiten und sein Wissen für dieses Projekt unabdingbar waren - anderenfalls hätte Zo'or ihn schon auf dem Mutterschiff für seine Unfähigkeit, das Projekt geheim zu halten, zur Rechenschaft gezogen.
„Agent Sandoval”, wandte sich Zo'or wieder an seinen Beschützer und deutete auf die Gruppe von Freiwilligen, die sich ebenfalls in der Halle befand, „stellen Sie ein angemessenes Empfangskomitee zusammen.”


irgendwo in Sibirien

Wie auf einen Befehl hin hörten die Männer auf den Motorschlitten auf zu feuern und kamen nur wenige Meter von den beiden Taelons, Liam und Anja entfernt zum Stehen. Einer der Männer - wahrscheinlich ihr Anführer - stieg ab und kam auf die vier zu, die sich vorsichtig aufrichteten.
„Was suchen Sie hier?” Die Frage klang unfreundlich, und das lag nicht nur an dem russischen Akzent des Mannes. Dann stutze er und nahm seine Schneebrille ab. „Da'an? Major Kincaid? Was führt Sie denn in diese Gegend?”
„Federov?” Liam war nicht wirklich erstaunt, den Russen hier zu treffen. Es war nicht das erste Mal, dass er genau dann auftauchte, wenn es Schwierigkeiten - natürlich in Verbindung mit den Taelons - gab. Aber zumindest schien er diesmal nicht in Da'ans Auftrag zu handeln.
„Es ist äußerst gefährlich, sich zu Fuß und so gut wie unbewaffnet” dabei warf Federov einen skeptischen Blick auf Liams Waffe, „in dieser Gegend aufzuhalten.”
„Die Gründe unseres Aufenthaltes hier kann ich Ihnen leider nicht nennen”, ergriff Da'an die Initiative. „Jedoch ist Ihre Feststellung richtig und auch Sie sollten sich nicht hier aufhalten.”
„Da'an, ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber ich versichere Ihnen, dass sich unser Hiersein einzig auf die Jagd bezieht. Meine Männer und ich begleiten einen Forscher.” Bei diesen Worten deutete er auf einen Mann auf einem der Motorschlitten - den einzigen unbewaffneten Mann unter seinen Leuten. „Trotzdem werde ich Ihren Rat berücksichtigen.”
Da'an nickte und wandte sich zum Gehen. „Wir müssen weiter.”


wenig später

Die weiße Landschaft sauste an ihnen vorbei und der aufgewirbelte Schnee glitzerte in der Sonne, als bestünde er aus unzähligen winzigen Diamanten.
Federov dachte an Da'an und seine Begleiter, die mit Sicherheit auf dem Weg zu der alten Lagerhalle waren, in der sich seit geraumer Zeit ein geheimes Labor befand. Natürlich entsprach es der Wahrheit, dass er und seine Leute heute einen Forscher begleiteten, aber sie hatten auch bemerkt, dass in das Labor wieder Leben eingekehrt war. Noch vor einer Stunde hatten ihm zwei seiner Männer berichtet, dass sich Freiwillige dort befanden. - Aber warum waren die beiden Taelons und die zwei Menschen zu Fuß unterwegs? Wenn sie vorhatten unbemerkt in das Labor zu gelangen, dann hätten sie im Moment schlechte Karten. Und außerdem lag noch ein relativ weiter Weg vor ihnen...


wenige Kilometer vom Labor entfernt

Langsam hatte sie genug. Sie wollte doch nur studieren und ein ganz normales Leben führen, aber das hier? Unfreiwilliges Versuchskaninchen für die Taelons zu spielen entsprach nicht gerade ihren Vorstellungen und sie konnte sich auch wesentlich angenehmere Aktivitäten vorstellen, als hier bei mindestens zwanzig Grad unter Null durch den Schnee zu stapfen. Warum hatte sie sich nur dazu hinreißen lassen mitzukommen? Sie könnte jetzt gemütlich im Warmen sitzen und -
Obwohl kein einziges elektronisches Gerät in Sicht war, wurden Anjas Kopfschmerzen, die sich seit gestern auf einem ständigen aber relativ niedrigen Pegel befanden, plötzlich stärker. Sie versuchte zwar, sich nichts anmerken zu lassen, aber ihren Begleitern war ihr Zusammenzucken nicht entgangen.
‚Die Nebenwirkungen eines inaktiven Ka'ar'mash-Implantates sind stärker, als ich vermutet habe’, stellte Da'an in Gedanken fest und auf einen besorgten Blick seines Beschützers hin sagte er „Das Labor ist nicht mehr weit entfernt, wir werden es voraussichtlich in einer Viertelstunde erreichen.”
„Wollen wir hoffen, dass niemand vor uns dort ist”, bemerkte T'than mental an Da'an gewandt, „denn wenn Zo'or bereits im Labor ist und auf die Idee kommt, die Frequenz des Implantates ausfindig zu machen, dann wird er uns erwarten.”
„Wahrscheinlich”, war Da'ans Antwort. Er wusste, dass es zu einer Konfrontation kommen würde und er war nicht glücklich darüber. Da'an konnte nur hoffen, dass sie zuerst ihren Plan ausführen konnten, denn dieses Projekt musste gestoppt werden. Es war ja nicht so, dass sich diese Aktion direkt gegen Zo'or wenden würde, Da'an könnte seinem Kind niemals derartig in den Rücken fallen. Aber wenn es ihnen gelingen würde, sämtliche Daten des Ka'ar'mash-Projektes zu löschen... Dann musste er nur noch T'than davon abhalten, Zo'or Schaden zuzufügen...
Liam kam aus dem Grübeln nicht mehr heraus. Natürlich begrüßte er Da'ans Entschluss, etwas zu unternehmen, aber die Allianz mit T'than gab ihm zu denken. Zwar war T'than mit Zo'ors Plänen noch nie einverstanden gewesen, aber letztendlich hatte er vollkommen andere Absichten als Da'an. Und die Zusammenarbeit der beiden bei dieser Aktion war offensichtlich nicht nur eine Zweckgemeinschaft - dafür gab es zumindest in Liams Augen einige Indizien, zu denen auch der Umstand zählte, dass sich die beiden Taelons kaum von der Seite wichen und - für Liam beinahe das Beunruhigendeste - seit gestern noch keinen einzigen Streit hatten.


wenig später

„Da vorne ist es.” Die Erleichterung in Liams Stimme war kaum zu überhören. Er war zwar nicht gerade unsportlich, aber es war nicht einfach, kilometerweit durch den Schnee zu stapfen. Stellenweise war die Schneedecke einen halben Meter dick und seine Füße und Hände spürte er schon seit einer halben Stunde nicht mehr. Das hier gehörte ganz bestimmt nicht zu den Aufgaben eines Companion-Beschützers...
„Danke für den Hinweis, Major”, ließ T'than mit einem etwas ironischen Unterton verlauten. „Ich hätte das Gebäude fast übersehen.”
Eigentlich war Anja überhaupt nicht nach Lachen zumute, aber angesichts dieser ständigen Sticheleien konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Irgendwie musste das wohl ansteckend sein, denn auch auf Da'ans Gesicht erschien ein Lächeln und der Anblick seines etwas beleidigt dreinschauenden Beschützers trug nur noch mehr dazu bei, dass er diese Situation als belustigend empfand.
Liam sah das natürlich ganz anders, konnte sich aber gerade noch einen bissigen Kommentar verkneifen. Wenn er eins gelernt hatte, dann, dass mit T'than nicht zu scherzen war und man ihm gegenüber lieber zurückstecken sollte. ‚Super! Echt toll! Erst latsche ich hier durch die Pampa und frier' mir alles mögliche ab und dann machen sich auch noch alle gemeinsam über mich lustig. Ein echt toller Job!’
„Verzeihen Sie, Liam”, entschuldigte sich Da'an, als er Liams verärgerten Gesichtsausdruck bemerkte, „aber diese Situation beinhaltete eine gewisse Komik.” Es war wirklich sehr interessant mit anzusehen, wie Liam versuchte seine Pflicht zu erfüllen und dabei ständig mit T'than aneinander geriet - aber momentan hatten sie andere Sorgen.
Auf einen Wink des Kriegsministers hin änderten die vier ein wenig ihre Richtung, um nicht sofort vom Labor aus gesehen werden zu können. Glücklicherweise stand das Gebäude relativ nah am Wald, so konnte sich die kleine Gruppe im Schutz der Bäume langsam nähern.
Nur noch knapp hundert Meter trennten sie von dem Labor, als ein leichter Wind aufkam. Eine plötzliche Windböe sorgte dafür, dass sich die am Waldrand stehenden Bäume kräftig schüttelten - und Liam eine ordentliche Ladung Schnee auf den Kopf bekam. Nach der sprichwörtlichen Schrecksekunde konnte er sich nicht mehr länger zurückhalten und fing lautstark an zu fluchen.
„Mist! Warum immer ich? Ich hätte heute lieber im Bett bleiben sollen!”
Die Lage war eigentlich äußerst ernst, aber das hielt Anja und die beiden Taelons nicht davon ab, zu grinsen. Dieses Grinsen verwandelte sich bald in ein Lachen, es sah einfach zu komisch aus, wie Liam sich schüttelte, verzweifelt versuchte, den Schnee aus seinen Haaren zu entfernen - was durch das Haargel nicht gerade einfach war - und sich aus dem Schneehaufen regelrecht herausgrub.
Aber wie heißt es doch so schön? Wer zuletzt lacht... Denn nur wenige Augenblicke später entledigte sich ein weiterer Baum seiner Last und begrub T'than ebenfalls unter einem Schneehaufen. Das Lachen des Kriegsministers erstarb sofort und verwandelte sich in ein inbrünstiges „Sha'bra!” und weitere Taelon-Flüche, während Liam sich vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten konnte.
Unerklärlicherweise empfand T'than plötzlich den Drang, diesen Menschen umgehend eigenhändig zu erwürgen, er konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Stattdessen warf er den drei lachenden Gestalten einen wütenden Blick zu, arbeitete sich aus dem Schneehaufen heraus und klopfte sich das restliche Weiß von seinem Anzug. Die Worte, die er dabei auf Eunoia vor sich hin murmelte, waren eindeutig Flüche und Beleidigungen, die sich auf Liam bezogen, denn Da'an hielt einen Moment inne, schielte zu seinem Beschützer und fing erneut an zu lachen. Die allgemeine Heiterkeit verflog jedoch sofort, als die beiden Taelons und Liam bemerkten, wie sich Anja an einen Baum lehnte und langsam an seinem Stamm zu Boden sank.
Auf einmal drehte sich alles und Anja hatte Probleme, überhaupt noch etwas zu erkennen. Die Landschaft und die Gesichter verschwammen vor ihren Augen, sie hörte die Stimmen der anderen wie aus weiter Ferne. Der Schmerz nahm zu, wie ein Messerstich direkt in ihren Kopf... Ihr Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren.
„Anja?” Keine Reaktion. Liam kniete sich sofort neben die Studentin, aber die schien ihn gar nicht wahrzunehmen, ihr Blick traf ins Leere. „Anja? Was ist mit Ihnen?”
Eine Stimme... Liams Stimme, er rief einen Namen... Anja? Das war sie, er rief nach ihr, aber warum? Es kostete Anja unheimlich viel Mühe, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Umgebung zu richten.
„Miss O'Neill, halten Sie durch. Wir sind gleich da.” Da'an zwang sich, seine Stimme beruhigend klingen zu lassen, wenngleich er genau wusste, dass allein ihre Ankunft in dem Labor noch nicht die Lösung für alles sein würde. Wenn das Implantat nicht bald entfernt würde...
‚Ok, ganz ruhig, es ist gleich wieder alles in Ordnung’, zwang sich Anja in Gedanken zur Ruhe. Ihr Sehvermögen kehrte langsam zurück und obwohl die Schmerzen in ihrem Kopf gar nicht daran dachten nachzulassen, versuchte sie aufzustehen. - Es blieb jedoch bei dem Versuch, denn als sie den Baumstamm nicht mehr als Stütze benutzte, kippte sie sofort zur Seite weg. Es fühlte sich an, als würde der gesamte Boden aus Wackelpudding bestehen...
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.” Mit diesen Worten half Liam der Studentin wieder auf die Beine. Einen Moment schien es, als könnte sie wieder aus eigener Kraft stehen, aber als er sie vorsichtig los ließ, gaben ihre Beine nach. Hätte Liam sie nicht schnell festgehalten, wäre Anja umgehend im Schnee gelandet.
Unter normalen Umständen hätte Anja heftig protestiert, als der Companion-Beschützer sie kurzerhand einfach hochhob und des Rest des Weges trug, aber ihre Gegenwehr wäre im Moment sowieso nicht sonderlich effektiv gewesen. Also konzentrierte sie sich voll und ganz darauf, wach zu bleiben, was sich gar nicht als so einfach herausstellte. Auf der kurzen Strecke bis zum Labor fielen ihr ein Dutzend Mal die Augen zu und es kostete sie jedes Mal Überwindung, die Lider wieder zu heben. Die Sonne schien und der weiße Schnee blendete, die eisigen Windstöße schienen die Haut in ihrem Gesicht zu zerschneiden wie kleine scharfe Klingen und es fühlte sich an, als würde ihr Kopf jeden Moment platzen wollen.
Da'an begann, sich ernsthaft Sorgen um Anja zu machen. Ihr Zustand verschlechterte sich rapide und er wollte nicht für ihren Tod verantwortlich sein - er wollte nie wieder für den Tod eines Lebewesens Schuld tragen. - Und diese Studentin war ein besonderer Mensch, das spürte er genau. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund wusste er, dass sie noch eine wichtige Rolle spielen würde...
Sie hatten den Eingang erreicht. Die Tür hatte kein Schloss, sie war offen, aber hinter ihr lag ein schmaler, nur wenige Meter langer Gang. An seinem Ende befand sich eine wesentlich massiver aussehende Tür, die zwar ebenfalls kein Schloss besaß, trotzdem aber sehr gut gesichert schien.
‚Na toll! Stimmerkennung, Fingerabdruck- und Netzhautscan und ein mindestens zehn-stelliger Zahlencode. Wirklich gute Aussichten...’ Liams Stimmung war schon vorher auf dem Nullpunkt gewesen, aber jetzt? Er hielt es für angebracht, seinen Companion nach der weiteren Vorgehensweise zu fragen. „Da'an, wie gedenken Sie da reinzukommen?” Er nickte in Richtung der Tür, da er mit Anja auf den Armen kaum auf selbige zeigen konnte.
„Nun, Major”, schaltete sich T'than ein - er wusste nicht warum, aber er musste Liam einfach eine... sagen wir passende Antwort geben. „Im Gegensatz zu Ihnen haben Da'an und ich einige Vorkehrungen getroffen.”
Erst jetzt fiel Liam auf, dass Da'an eine Handtasche trug - oder zumindest etwas ähnliches. Daraus holte er ein Global hervor, öffnete es und begann, eine scheinbar endlose Zahlenfolge in das Gerät neben der Tür einzugeben. Als der Companion das Global wieder schloss, ertönte ein kurzer Piepton und die Tür öffnete sich.
‚Attrappen...’ stellte Liam in Gedanken fest und bemerkte T'thans spöttischen Blick, als sich dieser an ihm vorbei durch die Tür schob.
Nachdem auch Da'an eingetreten war, wollte Liam mit Anja durch die Tür gehen - und hätte beinahe die beiden Taelons umgerannt. Diese waren unvermittelt stehen geblieben und schauten sich in der riesigen Halle um. Ein Großteil der Fläche war ungenutzt, aber in der Mitte des Raumes standen einige Tische mit mehreren Computern und allerlei technischen Geräten - sowohl menschliche als auch solche, die auf Taelon-Technologie basierten. Im hinteren Teil der Halle sowie rechts neben der Tür führten Treppen nach oben, zu den ehemaligen Büroräumen, wie Liam vermutete. Auf der linken Seite stapelten sich riesige Kisten, wahrscheinlich noch Überreste des ehemaligen Lagerbestandes. Direkt neben den Kisten erblickte Liam ein transportables Interdimensions-Portal - anscheinend war schon jemand vor ihnen hier gewesen und dieser Jemand könnte auch immer noch hier sein...
Aber T'than und Da'an waren schon - entgegen aller Vorsicht - auf dem Weg zu den Computern. Liam beeilte sich, hinterher zu kommen, aber jegliche Kritik seinerseits wurde schon im Keim von T'thans Blick vernichtet.
Vorsichtig setzte der Mann Anja auf einen der Stühle in der Nähe der Computer. Er war sich ganz und gar nicht sicher, ob die Studentin überhaupt noch realisierte, was um sie herum vorging. Sie war zwar noch bei Bewusstsein, aber schon auf dem Weg hierher war sie ein paar Mal kurz eingeschlafen und auch jetzt schenkte sie ihrer Umgebung keine Beachtung, sondern starrte auf einen imaginären Punkt irgendwo an der Wand der Lagerhalle.
Unterdessen machten sich die beiden Taelons an einem der Computer zu schaffen.
„Hier sind die Daten”, meinte Da'an und wollte sie löschen, als er von T'than zurück gehalten wurde.
„Nicht so voreilig, Da'an. Meinst du nicht, dass wir diese Daten noch gebrauchen könnten?”
„Nein, T'than, das meine ich ganz und gar nicht.” Trotzdem ließ er den Kriegsminister gewähren und die Informationen auf einem Datenträger speichern. Ein Streit war so ziemlich das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten.
Schritte. Liam sah auf und blickte in die Gesichter von etwa einem Dutzend Freiwilligen, die, ihre Energiewaffen im Anschlag, ihn, Anja und die beiden Taelons innerhalb weniger Sekunden umstellt hatten.
„Welch eine Überraschung! Wie schön, dass ihr Miss O'Neill hergebracht habt.” Zo'or ging langsam die Treppe neben der Tür hinunter, gefolgt von Agent Sandoval.
T'than schaffte es gerade noch, Da'an unauffällig die Kopie der Daten zuzustecken, die der nordamerikanische Companion sofort ebenso unauffällig in seiner ‚Handtasche’ verschwinden ließ. Dann stand Zo'or vor ihnen und blickte sie der Reihe nach herausfordernd an, ehe er beschloss, Major Kincaid vorerst zu ignorieren. Mit ihm konnte er sich nachher immer noch beschäftigen.
Der Kriegsminister erwiderte den Blick des jüngeren Taelons in der für ihn so typischen selbstsicheren Art, während Da'an zuerst betroffen zu Boden blickte, bevor er sein Kind abwartend ansah.
„Woher wisst ihr von diesem Projekt?”, kam der Führer der Taelonsynode ohne Umschweife auf den Punkt. Anstelle einer Antwort herrschte Schweigen. Zo'or begann, die beiden anderen Taelons langsam zu umkreisen. Dabei richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und wiederholte seine Frage, diesmal in gefährlich ruhigem Tonfall. „Woher wisst ihr von diesem Projekt?” Als er wiederum keine Antwort erhielt, blieb er vor Da'an stehen und sah ihm direkt in die Augen.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Obwohl Anja kaum noch wahrnahm, was um sie herum geschah, spürte sie doch die Veränderung, die auf einmal stattgefunden hatte. Die Atmosphäre in der Lagerhalle war plötzlich anders, so angespannt... Sie waren nicht mehr allein.
„Da'an, ich erwarte eine Antwort. Dieses Projekt ist geheim, warum seid ihr hier?” Er rechnete damit, wieder keine Antwort zu bekommen und wollte sich gerade abwenden, als Da'ans ruhige Stimme die Stille durchbrach.
„Es ist nicht richtig.”
Zo'or stutzte. Was war nicht richtig?
„Wir müssen aufhören, die Menschen nur als niedere Lebewesen zu betrachten und als Werkzeuge zu benutzen. Sie sind so viel mehr - Zo'or, Ma'el hatte Recht.”
Seit wann sprach Da'an so offen aus, was er dachte? Zo'or war überrascht und gleichzeitig verärgert. Was dachte sich Da'an eigentlich dabei, sich gegen ihn zu stellen?
Auch T'than sah man seine Verwunderung relativ deutlich an. Das gehörte erstens nicht zu ihrem Plan und zweitens hätte er nicht vermutet, dass Da'an so geradeheraus und sozusagen in aller Öffentlichkeit seinem Kind eine Moralpredigt hielt.
„Falls du es vergessen haben solltest, Da'an, ich bin der Führer der Synode und du solltest dich nicht gegen mich stellen.” Der junge Taelon hatte Mühe, sich seinen Zorn nicht anmerken zu lassen. „Wie kommst du dazu, dich in meine Projekte einzumischen?”
Liam hatte die Eingangstür hinter sich nicht wieder geschlossen und nun flog sie mit einem lauten Knall vollends auf. Alle Anwesenden - abgesehen von Anja - drehten sich erschrocken herum und sahen... Im ersten Moment sahen sie nichts, erst nach einigen Sekunden trat eine vermummte Gestalt ein und sah sich um.
‚Sieht so aus, als könnten sie ein wenig Hilfe gebrauchen’, dachte sich Federov und trat zur Seite. Hinter ihm stürmten an die zwanzig bewaffnete Männer in die Lagerhalle.
Geistesgegenwärtig zog Sandoval Zo'or zur Seite und bedeutete den Freiwilligen, das Feuer zu eröffnen.
Da'an und T'than gingen hinter den Computertischen in Deckung, während Liam versuchte, unbemerkt zu Anja zu kommen. Die Studentin hatte keine günstige Position.
„Agent Sandoval, bringen Sie Miss O'Neill zu Mit'gai!” rief Zo'or seinem Beschützer zu und machte sich auf den Weg zu der Treppe an der anderen Seite der Halle. Der Angesprochene nutzte die Deckung der Tische aus, rannte beinahe Da'an und T'than um, die viel zu sehr damit beschäftigt waren, fassungslos die Entwicklung der Situation zu verfolgen, und kam beinahe gleichzeitig mit Liam bei der Studentin an.
„Major Kincaid”, rief er mit erhobenem rechten Arm und feuerbereitem Skrill, „gehen Sie da weg!”
Liam machte jedoch keine Anstalten, diesem Befehl nachzukommen und konnte sich gerade noch mit einem Sprung in Sicherheit bringen, als Sandoval kurzerhand auf ihn schoss. Da'ans Beschützer hatte seine Waffe bereits gezogen und wollte das Feuer erwidern, als er von zwei Freiwilligen ins Visier genommen wurde. Sandoval nutzte das aus, hechtete zu Anja und beeilte sich, sie in die ehemaligen Büroräume des Lagers zu bringen.
T'than riskierte es aufzustehen und sah sich um. Die Freiwilligen und Federovs Leute waren so beschäftigt mit der Schießerei, dass sie nicht mehr auf die Taelons achteten.
„Da'an, wir sollten Zo'or folgen.” Er zeigte in die Richtung, in die Zo'or und Agent Sandoval verschwunden waren. Da'an nickte und sah sich nach Liam um, der mit seiner Waffe in der Hand hinter einem umgekippten Tisch hockte und Federovs Leute unterstützte.
Am oberen Ende der Treppe schauten sich die beiden Taelons zuerst etwas ratlos um, betraten dann aber den Raum, der ihnen am nächsten war.


zur gleichen Zeit in einem zum medizinischen Labor umfunktionierten Büroraum

„Nun?” Zo'or sah erwartungsvoll auf die auf einem Untersuchungstisch liegende Studentin und schaute dann Mit'gai an, der mit seinen medizinischen Geräten hantierte und Doktor Beagle Anweisungen gab.
Anja nahm verschwommene Gesichter wahr, die sich über sie beugten. Sie hörte, was die Taelons sagten, aber sie verstand den Sinn der Worte nicht. Ihre Kopfschmerzen wurden stärker und es gelang ihr nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
„Ihr Zustand ist äußerst instabil”, antwortete der Taelon-Heiler. „Ihr Körper stößt das Implantat ab.”
„Kannst du diesen Prozess aufhalten?” Dieses Experiment durfte einfach nicht scheitern, sie waren so nah am Ziel.
„Nur durch die Aktivierung des Ka'ar'mash-Implantates. Ihr Immunsystem würde es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht angreifen, wenn es aktiv ist.”
„Dann aktiviere das Implantat!” Zo'or konnte seine Ungeduld nicht verbergen und sowohl die Bewegungen seiner Hände als auch seine Stimme verrieten dem Heiler seine Gereiztheit.
„Verzeihung”, meldete sich Doktor Beagle vorsichtig zu Wort und fing sich prompt einen wütenden Blick von Zo'or ein.
„Was?”
„Es ist nur so, dass ihr Körper die Aktivierung des Implantates in diesem Zustand sicherlich nicht verkraften würde...”
Zo'or überlegte einen Augenblick, dann meinte er „Wenn ich Mit'gai richtig verstanden habe, dann hat eine Nichtaktivierung auf jeden Fall tödliche Folgen.” Damit war für ihn die Sache erledigt, das Implantat musste aktiviert werden. Schließlich sollten doch Mit'gai und der menschliche Arzt zusammen in der Lage sein, diesen Menschen am Leben zu halten - und wenn sie die nächsten Tage in einem Tank verbringen würde.
Unverzüglich fuhr Mit'gai mit seiner Arbeit fort. Zo'or begab sich in den angrenzenden Raum und wollte Agent Sandoval weitere Instruktionen erteilen, als Da'an und T'than eintraten.


in der Lagerhalle

Liam hatte gerade eine Feuerpause eingelegt, als Federov zu ihm kam.
„Major, wollen Sie nicht zu Da'an gehen?”
Liam schaute vorsichtig über den Tisch hinweg, der ihm als Deckung diente. Seine Unterstützung war hier wohl nicht mehr von Nöten, denn von den Freiwilligen war nur noch eine Handvoll übrig, die von Federovs Männern gerade entwaffnet wurden. Liam mochte den Russen nicht, aber er musste zugeben, dass sie ohne seine Hilfe in große Schwierigkeiten gekommen wären.
„Danke”, sagte er, während er aufstand und auf die Treppe zuging.
„Keine Ursache.”


ein Büroraum neben dem Labor

T'than ging sofort zum Angriff über. „Zo'or, warum beschäftigst du dich mit Projekten, die schon längst abgeschlossen sind und deren Fortführung keinesfalls im Interesse der Taelons liegt? Sollte die Synode davon erfahren, dürfte das für dich Konsequenzen haben.”
„Die Frage sollte wohl eher lauten”, erwiderte Zo'or, „woher ihr von diesem Projekt wisst. Ich kann mich nicht erinnern, euch die notwendige Befugnis erteilt zu haben.”
„An deiner Stelle würde ich mich lieber darum kümmern, wie ich der Synode - und den menschlichen Medien - erkläre, was hier entgegen aller Anweisungen geschieht.”
„Soll das etwa eine Drohung sein?” Die Empörung und der Zorn in Zo'ors Stimme waren nicht zu überhören. „Meinst du etwa, irgendjemand würde dir glauben schenken, wenn mein Wort gegen deines steht, T'than?”
„Im Gegensatz zu dir bereite ich meine Aktionen gründlich vor. Nicht nur ich kann das Geschehen bezeugen.” Der Kriegsminister vollführte eine elegante Geste und wies auf Da'an, bevor er seine Hände wieder wie üblich hinter seinem Rücken verschränkte.
Zo'or legte seinen Kopf ein wenig schief, schielte zu Da'an hinüber und überlegte. Hatte Da'an nicht gesagt, er könne niemals etwas billigen, was ihm - seinem Kind - schadete? Ja, das hatte er und Zo'or wusste, dass Da'an sich daran halten würde. Er war schwach geworden, er verzichtete darauf, sich durchzusetzen und seine Ziele zu verfolgen. Das war für Zo'or nur von Nutzen.
„Agent Sandoval”, wandte sich der junge Taelon an den hinter ihm stehenden Menschen. „Laden Sie die Daten von dem Computer und sichern Sie sie.”
Der Mann nickte und wollte den Raum verlassen, als T'than ihn aufhielt.
„Das wird nicht notwendig sein. Die Daten wurden gelöscht.”
„Gelöscht?” Das konnte doch nicht wahr sein! Wie kam T'than dazu, die Daten seines Experimentes zu löschen? „Agent, überprüfen Sie das!” Das würde noch ein Nachspiel haben, auch wenn er offiziell nichts gegen T'than unternehmen konnte!
Da'an beschloss, diesen Streit voller sinnloser Drohungen zu beenden. Er hatte T'than schon am Tag zuvor deutlich gemacht, worauf es ihm hierbei ankam, aber der General hielt sich mal wieder nicht an die Absprache.
„Zo'or, wir wollen dich nicht vor der Synode zur Verantwortung ziehen.”
Der Angesprochene wandte sich überrascht Da'an zu. ‚Was wird das jetzt?’ Eigentlich war er in der passenden Stimmung, T'than und Da'an eigenhändig rauszuschmeißen, aber seine Neugier siegte.
„Unser Anliegen ist es, dieses Projekt zu beenden - und zwar bevor du Schaden nimmst, weil die Synode davon erfährt, und bevor du Schaden anrichtest und noch mehr Menschen als Versuchsobjekte missbrauchst. Das muss endlich ein Ende haben, vor allem, da dieses Projekt zum Scheitern verurteilt ist. Es ist sinnlos, das Ka'ar'mash-Projekt fortzuführen, es wird nicht erfolgreich sein.”
Zo'or war beinahe überzeugt. Da'ans ruhige Stimme, seine Art zu reden waren immer so überzeugend. Aber im Endeffekt war er Führer der Synode, nicht Da'an. Er hatte nicht aufgegeben einen Weg zu suchen, auf dem sie die Jaridians besiegen und das Überleben ihrer Rasse sichern konnten.
Doch bevor er etwas erwidern konnte, trat Mit'gai ein und blickte Zo'or betroffen an - nein, nicht nur betroffen, irgendwie auch etwas ängstlich. Er hatte wieder versagt...
„Zo'or... sie ist...” Der Heiler musste sich zusammenreißen, um überhaupt ein Wort herauszubekommen. „Sie ist tot.”
Zo'ors Augen blitzten wütend auf. ‚Dafür werden Mi'gai und Beagle bezahlen!’ In Gedanken sah er die beiden schon in einer Arrestzelle.
Da'an zuckte bei Mit'gais Worten zusammen und verlor beinahe seine Fassade.
In diesem Moment stürzten Liam und Sandoval durch die Tür.
„Jemand hat den Selbstzerstörungsmechanismus aktiviert, wir müssen hier raus!” Sandoval konnte sich nicht erklären, wie das geschehen konnte. Er hatte Major Kincaid vor den Büros abgefangen und mit zu den Computern genommen. Als sie dort ankamen, waren alle Daten gelöscht - und der Countdown lief.
„Sha'bra!” Das war wohl das Ende dieses Projektes. „Agent Sandoval, ich verlange, dass Sie den Verantwortlichen ausfindig machen, sobald wir auf dem Mutterschiff sind!”
„Natürlich, Zo'or.”
Die vier Taelons und zwei Menschen begaben sich eiligst in den angrenzenden Raum, um von dort aus in die Halle zu gelangen. Sie fanden Doktor Beagle bewusstlos auf dem Boden neben dem Tisch mit den medizinischen Geräten. Anja - oder zumindest ihr Körper - war weg.
„Doktor Beagle?” Liam kniete neben dem Arzt nieder, der gerade wieder zu Bewusstsein kam. „Kommen Sie, wir müssen schnell hier raus.”
Beagle stutzte, er kannte diesen Mann nicht. Aber als er aufstand sah er auch Mit'gai, Zo'or und Sandoval. Unverzüglich setzte sich die Gruppe in Bewegung. Jetzt blieb keine Zeit, um nach Anjas Verbleib zu fragen. Sie war tot, definitiv.
Sandoval programmierte die Koordinaten des Mutterschiffes in das Portal. Kurz nach seiner Aktivierung war von der Lagerhalle nur noch ein Haufen Trümmer übrig.


wenig später, Erdorbit, Mutterschiff der Taelons

Da'an verließ betrübt die Brücke. Zo'or hatte ihm nicht geglaubt und ihn bezichtigt, ihm in den Rücken gefallen zu sein. Warum war sein Kind nur so uneinsichtig? Immerhin, Zo'or konnte gegen Mit'gai, T'than, Liam und ihn keine Sanktionen anordnen, denn aus Sicht der Synode wären diese grundlos. - Aber Da'an bedauerte sehr, dass sein Kind ihn nicht verstand.
„Da'an.” Auf einmal stand T'than vor dem nordamerikanischen Companion. „Ich bedauere, dass dein ursprünglicher Plan offensichtlich nicht realisierbar war.”


zur gleichen Zeit, Shuttlehangar des Mutterschiffes

Liam war auf dem Weg zur Brücke. Da'an wollte noch etwas mit Zo'or besprechen und hatte ihm aufgetragen, ihn später abzuholen. Liam hoffte, dass er den Begriff ‚später’ wenigstens diesmal richtig gedeutet hatte. Dank Da'ans äußerst präzisen Zeitangaben war Liam schon oft genug mitten in wichtige Besprechungen geplatzt - oder war von einem ungeduldigen Da'an via Global darauf aufmerksam gemacht worden, dass er abgeholt werden wollte - und das am besten schon gestern.
‚Blöder Job’, stellte Liam mal wieder fest. Natürlich waren die Ereignisse der letzten beiden Tage nicht spurlos an ihm vorbei gegangen und er wusste, dass es seinem Companion mit Sicherheit nicht anders ging, aber Da'an könnte sich doch wenigstens bemühen, vernünftige Angaben zu machen.
Vor einer Biegung des Gangs stoppte Liam. Er hörte Stimmen, aufgeregte Stimmen. ‚Schon wieder ein Streit.’ Aber das war nichts neues mehr, Da'an und Zo'or hatten sich schon oft genug gestritten und seit T'than hier war... Vorsichtig näherte er sich. Er wollte nicht riskieren gesehen zu werden, aber er wollte wenigstens wissen, worum es diesmal ging.
Als Liam die Stimmen erkannte, war er sichtlich erstaunt. Warum stritten sich T'than und Da'an? Sie hatten sich doch vor ein paar Stunden noch so gut verstanden.
„Da'an, gibt mir den Datenkristall.” Langsam wurde T'than ungeduldig, aber Da'an ließ sich davon nicht beeindrucken.
„T'than, du weißt genau, wie ich dazu stehe.”
„Wenn du wirklich dagegen bist, warum hast du mich dann nicht am Kopieren der Daten gehindert?”
„Ein Streit wäre in unserer Lage äußerst unvorteilhaft gewesen, meinst du nicht? Außerdem habe ich dir vorher schon mitgeteilt, dass ich diesen Teil deines Planes nicht unterstützen werde.” Da'an bemühte sich, ruhig zu bleiben. Ihm war ganz und gar nicht danach, diesen Streit mit T'than eskalieren zu lassen.
‚Jetzt reicht es.’ T'than hatte gedacht, dass alles wieder in Ordnung wäre, aber da hatte er sich wohl geirrt. Da'an hielt immer noch zu Zo'or, egal was geschah. Der Kriegsminister atmete einmal tief durch und forderte dann ruhig aber bestimmt „Gib mir den Datenkristall, Da'an.”
„Es tut mir leid, T'than, aber ich werde nicht zulassen können, dass du auf diese Weise gegen Zo'or vorgehst.”
„Du hast gar nichts verstanden, Da'an.” Für einen Moment schien Bedauern in T'thans Stimme mitzuschwingen. Er tat das alles doch nicht für sich, er wollte doch nur, dass Da'an die Position übernahm, die ihm zustand.
Liam war nur für eine Minute abgelenkt, weil ihn ein Freiwilliger ansprach. Als er sich wieder auf das Gespräch der beiden Taelons konzentrierte, hörte er nur noch, wie T'than wütend zischte „Du stellst dich also offen gegen mich? Dann hast du auch die Konsequenzen zu tragen!”
Grußlos drehte sich der Kriegsminister um und verschwand hinter der nächsten Biegung. Da'an sah ihm nach, dann starrte er die gegenüberliegende Wand an. T'than war schon immer sehr impulsiv gewesen und sie hatten sich wahrlich oft genug gestritten - und sich jedes Mal wieder vertragen. Aber diesmal war es anders, dieser Streit hatte wohl dass sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht.
Liam kam langsam um die Ecke und ging auf Da'an zu. Als der Taelon ihn nicht wahrzunehmen schien, sprach er ihn vorsichtig an.
„Da'an?”
Beinahe erschrocken sah Da'an seinen Beschützer an und ging wortlos an ihm vorbei in Richtung Shuttlehangar.

 

Ende von Kapitel 1

 

 

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