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  „Die Letzten ihrer Art” von Obi-Wahn   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2004
Alle hier vorkommenden Personen außer Gordon, Kathrin und Sarah Fereman, Ha'jel, Bo'on, Ru'sha, Ta'ki und He'ran gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis des Autors.
 
Handlung:  Die Jaridians kommen zur Erde.
Zeitpunkt:  gegen Ende der 3. Staffel
Charaktere:  Liam, Boone, Da'an, Zo'or, Gordon, Kathrin und Sarah Fereman und Ha'jel
 

 

DIE LETZTEN IHRER ART

Kapitel 3

 

Teil 3
 

Sandoval fühlte sich absolut schlecht. Aber er musste auch dieses Stück Vergangenheit bewältigen, wenn er seine ganze Vergangenheit bewältigen wollte.
Er stand vor der Tür seiner Frau.
Diese hatte viel mitmachen müssen. Erst die Abschiebung durch ihren eigenen Mann in eine Irrenanstalt. Dann, als bei ihm zum ersten Mal das CVI zusammenbrach, Trennung vom ihm, vermeintlicherweise für immer. Es würde schwer für sie beide werden, nach dieser langen Zeit wieder zusammenzufinden - vielleicht würde es nie klappen.
Er drückte auf den Klingelknopf.
‚Bitte lass sie da sein, und bitte allein.’
„Ich komme sofort.” Eine tiefe Männerstimme.
Die Tür wurde aufgemacht, und er blickte in ein Gesicht, das ihm vage bekannt vorkam.
„Ähm, ich bin eigentlich hier, um mit Debora Sander zu sprechen - wohnt die auch hier?”
Der Mann schaute ihn schräg an und sein Blick fiel auf den tadellos sitzenden Anzug.
„Sie sind nicht vielleicht Agent Ronald Sandoval?”
Achtung - jetzt musste er vorsichtig sein. Vielleicht war dies ein Wachhund für DeeDee - und dieser Wachhund sollte sie vor ihm, Ronald schützen.
„Ja, das bin ich. Ich wollte fragen ...”
„Sie wollten fragen, ob Ihre Frau da ist? Hmm, ich weiss nicht, ob ich Ihnen trauen kann. Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen - ich bin Rick Henderson, DeeDees Bruder.”
„Ist sie denn überhaupt da?”, wagte Sandoval zu fragen.
„Nein, tut mir leid, sie ist im Moment nicht da. Ich habe Sie in den letzten paar Wochen im Fernsehen verfolgt und ich denke, ich kann Ihnen vertrauen. William Boone und Liam Liam vertrauen Ihnen, da kann ich es auch. Ich vermute, Boone hat Ihnen alles erzählt?” Henderson trat einen Schritt zurück und bat Ronald mit einer Geste herein.
„Ja, er hat mir alles erklärt - und auch wenn es schwer ist, das zuzugeben, war es wohl das Richtige.” Sandoval seufzte.
Er wurde durch eine helle Wohnung geführt. Er kam sich irgendwie ins letzte Jahrhundert versetzt vor, Unmengen von CDs, Schallplatten und Kassetten stappelten sich in einer Ecke des Raumes. Auch in den Ecken war nicht mehr viel Platz, denn die Berge von Büchern und Magazinen sendeten schon Stoßtrupps in Richtung der CD-Sammlung aus. Er kletterte über die Häufchen und blickte sich nach einer Sitzgelegenheit um.
„Setzen Sie sich doch schon mal auf das Sofa, ich hole eben noch den Kaffee. Ich warte eigentlich nur noch auf DeeDees Rückkehr und habe ihn deswegen schon vorbereitet.”
Erst jetzt fiel Sandoval der Geruch frischen Kaffees auf. Na ja, dann hatte er ja gleich etwas, woran er sich festhalten konnte. Jetzt hatte er allerdings erst einmal ein anderes Problem - das Sitzen. Das war nämlich so eine Sache - man wollte sich nicht unbedingt auf die „Times” setzen, allerdings auch nicht auf die „USA Today” von vorgestern. Er entschied sich, die „Today” vorsichtig auf einen angrenzenden Stapel zu legen. Er tat das - und ehe er sich versah, rutsche der ganze Stapel ihm entgegen.
„Ich komme sofort. Wollen Sie Milch oder Zucker?”
Er versuchte, sich daran zu erinnern, was DeeDee genommen hätte - mit einem fünfzig Zentimeter hohem, nach allen Seiten wegrutschenden Papierstapel ein Balanceakt.
„Milch!”, sagte er schnell, richtete den Turm wieder auf und betrachtete sein Werk. Der schiefe Turm von Pisa hatte schließlich auch ein paar hundert Jahre lang von allein gehalten...
Henderson kam zurück und stieg mit traumwandlerischer Sicherheit über jede Stolperfalle hinweg. Bemerkenswert mit einem Tablett, das so groß war, dass man seine Füße nicht mehr sehen konnte.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.” Sandoval hievte sich aus dem Sofa hoch und nahm Rick das Tablett ab. Er schielte zu seinem Bauwerk. Es hielt.
„Danke. Manchmal sind es dann doch wohl ein paar Bücher zuviel, die hier so herumliegen.”
Man konnte Sandovals Meinung dazu offenbar in seinem Gesicht erkennen, denn Henderson grinste verlegen, während auch er sich auf dem Sofa niederließ.
„Gut, es sind mehr als ein paar mehr zuviel. Sie müssen sich nicht wundern. Ich besitze einen kleinen Verlag und da muss ich oft noch alles selbst machen. Deborah hilft mir zwar viel. Aber es bleibt heute bei den ganzen neumodischen Medien immer noch sehr harte Arbeit.” Er deute auf einen Haufen noch eingeschweißter Bücher.
„Jetzt kommt ein bisschen Smalltalk”, dachte Sandoval. „Ob er mich auch fragt, welche Lektüre ich bevorzuge?”
Ein Geräusch an der Tür enthob ihn der Pflicht, sich darauf einzulassen.
„Deborah, da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr nach Hause kommen.” Rick sprang wieder auf.
„Entschuldige, aber es hat heute etwas länger gedauert.”
Ihr Bruder wartete nicht, bis sie zu ihm und seinem Gast herein kam, sondern ging ihr gleich entgegen. Sandoval hörte Geflüster.
Was würde jetzt passieren?
DeeDee konnte sehr temperamentvoll sein. Würde sie ihn umbringen oder liebevoll begrüßen?
Vielleicht irgend etwas dazwischen...
DeeDee betrat langsam das Wohnzimmer, gefolgt von Rick. Jetzt sah er wirklich wie ein Wachhund aus.
„Schön, dass du gekommen bist. Ich habe schon darauf gewartet.”
Deborah setzte sich auf einen Sessel ihm gegenüber.
Sandoval überlegte.
Sollte er nun anfangen oder sollte er sie erst einmal reden lassen, um dadurch Gewissheit zu bekommen, ob er überhaupt noch eine Chance hatte. Er entschied sich, vorsichtig anzufangen.
„Dann weißt du ja auch, was in den letzten paar Wochen passiert ist.”
„Ja, ich weiß es - und ich weiß auch, dass du deinen Motivationsimperativ jetzt vollkommen abgeschüttelt hast. Kannst du verstehen, das ich mich trotzdem abwartend verhalten habe?”
„Nach unserer letzten Begegnung schon.”
„Kannst du Boone verzeihen? Er hatte damals die Idee, dir zu erzählen, dass ich tot bin.”
Sandoval verzog das Gesicht.
„Ich kann ihm nicht verzeihen - ebenso wenig, wie er mir verzeihen kann, dass ich seine Frau umgebracht habe. Aber ich habe erkannt, dass es wohl das Beste für dich war. Ich hätte dich wieder in die Psychiatrie gebracht.”
„Und da wäre ich endgültig gestorben. Weißt du eigentlich, wie das ist, lebendig in seinen Körper eingesperrt zu sein und kaum etwas sagen oder tun zu können? Ich habe drei Jahre vor mich hinvegetiert.” DeeDee fing an zu schluchzen.
Rick setzte sich neben sie und legte seinen Arm schützend um ihrer Schulter.
„Uns Verwandten haben sie erzählt, dass sie tot sei, und das von Anfang an.”
Deborah wischte die Tränen weg und sagte mit fester Stimme.
„Mir ist allerdings klar, dass du durch deinen Motivationsimperativ gezwungen wurdest, so zu handeln. Die Ärztin, die dich behandelt hat, sagte mir, dass die Taelons solche Strukturen in jedes CVI eingebaut hätten. Als deines zusammenbrach, hast du ja auch sofort nach mir gesucht. Das rechne ich dir hoch an. Um dein Leben zu retten, wurde dir damals wieder ein neues implantiert.”
„Aber warum wurde nicht der Motivationsimperativ weggelassen, wie bei Boone?” Sandoval verstand die Welt nicht mehr. Er schaute auf seinen Ehering.
DeeDees Blick fiel im selben Moment auch darauf.
„Du trägst ihn immer noch?” Sandoval blickte auf ihre Hand, an der es goldfarben glänzte - wie an der seinen.
Rick räusperte sich.
„Ich - ich sollte jetzt mal... Ich habe noch etwas zu tun.” Er stand auf und ging ins Nachbarzimmer.
Deborah und Ronald blickten ihm hinterher.
„Er steht voll hinter dir.”
„Ja, er hat mich wieder auf die Beine gebracht, damals, als ich wieder frei war. Verzeihst du mir, Ron?”
„Warum sollte ich dir verzeihen müssen? Ich muss Dich um Vergebung bitten. Ich habe dich schließlich drei Jahre lang in ein Irrenhaus gesteckt.”
„Und ich habe dich ein Jahr lang in dem Glauben gelassen, dass ich tot wäre.”
„Wir können es ja damit versuchen, dass wir beide einander verzeihen.”
DeeDee grinste. „Das wäre eine gute Idee. Liebst du mich also immer noch?”
Sandoval grinste ebenfalls, stand von Sofa auf und ging vor Deborah in die Knie. „Willst du wieder meine Frau sein?”
Er hatte plötzlich Tränen in den Augen.
DeeDee schniefte auch leicht und streichelte ihm die Wange.
„Ja, natürlich.”
Sie küsste ihn vorsichtig auf den Mund, und er erwiderte den Kuss.
Rick stand in der Tür zum Arbeitszimmer, schon halb verschwunden und lächelte still vor sich hin. Das war wieder geschafft.

Er würde die Menschheit retten. Er würde sie befreien und er würde ein Held sein. Aber erst musste er sich zum Helden machen, indem er eine große Tat vollbrachte.
Er blickte auf das Gebäude auf der anderen Straßenseite.
Ja, das würde seine Tat werden.
Diese Ausserirdischen würden sich für immer an den heutigen Tag erinnern, und zwar mit Schrecken.
Er drehte den Kopf und warf einen Blick auf den Sprengstoff in seinem Wagen. Es war nicht viel, aber es würde genügen - genügen, um ein paar dieser Taelons mit in den Tod zu reißen und vielleicht auch noch ein paar der Menschen, die sich mit ihnen verschworen hatten. Wie seine ehemaligen Mitkämpfer in der Widerstandsbewegung. Sie waren Liam Liam gefolgt, diesem Geschwür in der menschlichen Rasse. Ihn konnte er allerdings nicht erreichen. Er war auf einen Turm mitten im Atlantik geflüchtet.
William Boone und Agent Sandoval konnte er aber erreichen, denn die waren immer wieder in der Washingtoner Botschaft.
Er musste nur lange genug warten.

Da'an blickte hinab auf den Park der Botschaft. Er war so schön, auch jetzt im Winter...
Wann kam Sandoval? Er hatte ihm versprochen, um siebzehn Uhr in der Botschaft zu sein und es war jetzt schon viertel nach sechs. Seitdem der Agent erkannt hatte, das er falsch gehandelt hatte und auch die Taelons gut sein konnten, hatte sich das Verhältnis zwischen ihm und Da'an wesentlich gebessert. Und dieser war froh darüber.
Er schaute zum Eingang der Botschaft hinüber. Da stand jetzt schon den ganzen Tag ein Auto, gerade außerhalb der Sicherheitszone. Sandoval oder Boone sollten sich eigentlich darum kümmern.
Boone allerdings war im Moment in der Karibik und holte seinen längst überfälligen Urlaub nach - komischerweise allein. Vielleicht brauchte er das.
Sandoval hätte längst da sein müssen...

Ah, da kam der Beschützer der Taelons - in Begleitung einer Frau.
Er würde dran glauben müssen.
Er würde das Mittel sein, das ihm zu unsterblichem Ruhm verhelfen würde.
Er startete den Motor, drückte das Gaspedal durch und steuerte auf das Paar zu.
Die beiden waren vollkommen abgelenkt. Nichts würde ihn aufhalten.
Doch da - Sandoval drehte sich um und bemerkte ihn. Er legte mit seinem Skrill auf ihn an und feuerte. Das Geschoss traf genau die Stelle der Windschutzscheibe auf der Seite des Fahrersitzes und durchschlug sie mit einem Knirschen.
Er wurde getroffen und merkte unendlich langsam wie die Energie ihn tötete, aber auch Sandoval würde nicht verschont...
Er drückte den Auslöser.

Da'ans Blick ruhte immer noch auf dem Auto.
Plötzlich startete der Wagen und rollte zielgerichtet auf, wie er mit Schrecken erkannte, Sandoval und eine Frau zu - er würde sie überfahren...
Dieser bemerkte die Gefahr und schoss mit seinem Skrill. Er konnte selbst auf diese Entfernung sehen, dass er genau den Fahrer traf und zurück schleuderte. Doch der Wagen ließ sich nicht aus seiner Bahn bringen.
Sandoval sprang zur Seite, doch die Frau blieb wie erstarrt stehen. Der Wagen erfasste sie und verging im gleichen Augenblick in einem großen Feuerball. Der Knall klang irgendwie so leise und harmlos...
Der Taelon drehte sich um und fing an zu laufen.

Sandovals Aufmerksamkeit war vollkommen auf die Frau an seiner Seite gerichtet. Er bemerkte das Auto auf der anderen Straßenseite überhaupt nicht. Es war zu schön - das Gefühl, mit DeeDee die Straße entlang zu schlendern und den Ausblick auf die Botschaft zu genießen.
Er nahm den Wagen erst wahr, als er das Aufheulen des Motors hörte. Er blickte in dessen Richtung.
Ronald sah das Auto auf sich zu rasen und das hassverzerrte Gesicht des Fahrers hinter dem Lenkrad.
„DeeDee, pass auf, renn weg!”, schrie er, feuerte auf den Wagen und traf.
Mit dem verlangsamten Blickwinkel seines CVIs sah er seine Frau und das heranrasende Geschoss. Ebenso berechnete er die Zeit, die er benötigen würde, um Deborah selbst wegzuziehen.
Er würde es nie schaffen.
Und im gleichen Augenblick erfasste er, dass auch sie es nicht schaffen würde. Einen winzigen Moment lang haderte er mit dem Schicksal, dann jedoch gewann sein Selbsterhaltungstrieb und er sprang zu Seite.
„Bitte, lass sie überleben!”

Der Wagen erfasste sie und schleuderte sie in die Luft. Im gleichen Moment explodierte er mit einer solchen Heftigkeit, dass Sandoval von der glühend heißen Druckwelle gepackt und wie ein Blatt weggeschleudert wurde.
Er landete hart, aber es gelang ihm, sich abzurollen und sofort wieder aufzuraffen.
Erblickte zurück. Das Auto war vollkommen ausgebrannt.
Er suchte mit den Augen nach DeeDee und sah sie in einiger Entfernung des Wracks liegen, stemmte sich hoch und lief zu ihr hin.
Die Hitze, die das Auto ausstrahlte, war selbst hier unerträglich.
Sandoval zerrte seine Frau weg und beugte sich über sie. Er musste kein Arzt sein um zu sehen, dass sie tot war.
Tränen tropften auf ihre Leiche.
Er umarmte sie vorsichtig und fing an zu schluchzen. Heute hatte er sie wieder gewonnen - und heute hatte er sie für immer verloren...

Ein Geräusch wie bei einem Interdimensionstransfer ließ ihn aufblicken.
Durch einen Tränenschleier sah er Liam auf sich zukommen.
Er war umgeben von Licht.
Wo kam der auf einmal her?
Liam legte ihm die Hand auf die Schulter und Sandoval spürte die Kraft, die durch sie hindurch in seine Schulter und seinen Körper floss, aber sie versiegte, bevor sie seine Seele erreichte.
„Lass mich es versuchen. Bitte”, sagte Liam leise. Ronald nickte und merkte, wie Hoffnung in ihm aufkeimte. Vielleicht war es noch nicht zu spät...
Liam kniet sich neben dem Agenten hin und legte beide Hände auf DeeDees Leib. Man konnte regelrecht spüren, wie sich ein Kreislauf zwischen ihr und Liam schloss.
Dann hörte Sandoval Schritte hinter sich und drehte sich halb um.
Da'an kam mit ein paar Freiwilligen auf sie zugelaufen.
Liam blickte auf.
„Da'an, gut, dass du kommst. Hilf mir bitte!”
„Ist das nicht Deborah Sandoval?” Da'an kniete nieder, bevor sein Beschützer antworten konnte und legte beide Hände um DeeDees Kopf.
Da waren sie nun - Sandoval, der seine Frau in den Armen hielt, Liam, dessen leuchtende Hände auf ihrem Körper ruhten und der Taelon, der ihren Kopf in die seinen gebettet hatte.
DeeDee selbst begann zu leuchten.
Liam und Da'an mussten einen unheimlichen Energiefluss aufgebaut haben. Deborahs Wunden begannen sich zu schließen.
„Ihr schafft es!”, rief Sandoval mit vor Freude überschnappender Stimme.
Liam blickte Da'an an, und dieser schaute zurück.
„Nein, Ron,” sagte Liam. „Wir schaffen es nicht. Es tut mir leid. Wir können nichts mehr machen. Sie war sofort tot. Es hilft nichts, wenn wir ihre Verletzungen heilen und ihren Körper wieder herstellen. Ihr Geist ist schon gegangen. Es tut mir leid.”
Er nahm seine Hände von DeeDee und legte sie auf Sandovals.
„Es ist zu spät.”
Der Taelon nahm Ronald bei den Schultern. Doch weder er noch Liam versuchten, ihn mit Hilfe von Energie zu trösten. Das konnte man nur durch freundschaftliche Wärme.
Sandoval liefen wieder Tränen über das Gesicht und er schluchzte. Er drückte seine tote Frau fest an sich.
„Nein...”

 
* * *
 

Sarah stand vor der Schleuse zu dem Jaridian-Schiff. Sie würde warten müssen, bis dessen Besatzung auf der anderen Seite sich dazu durchrang, an das Schott zu klopfen. Seit dreizehn Stunden wollten sie nicht heraus kommen, versicherten aber immer wieder über Funk, dass nichts passiert sei.
Nun, vor drei Minuten hatten sie dann endlich angekündigt, ihren Kreuzer jetzt zu verlassen. Dass dieser schon längst unter Sarahs Beobachtung stand, wussten sie noch nicht. Feremans Schiff hatte sofort eine Verbindung zu dem der Jaridians aufgebaut und dessen Sensorik angezapft. Sie hatte auch schon über die Überwachungskameras die Brücke gesehen. Leider gab es solche offenbar nur dort..
Auf der Brücke befanden sich drei Jaridians - natürlich ganz normal auf einem Schiff, wo man solche vermutete. Die übrigen Sensoren zeigten allerdings insgesamt sieben Jaridians und drei unbekannte Lebensformen an.
Sie wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.
Von der anderen Seite der Schleuse war ein Zischen zu hören.
Sarah blickte sich um.
T'than und der Rest ihrer Crew standen hinter ihr.
Sie war bereit.
Sie öffnete die Schleuse auf ihrer Seite. Wieder zischte es, und der Druckunterschied war ausgeglichen.
Eine große Jaridian kam ihr entgegen und baute sich regelrecht vor ihr auf, gefolgt von sechs ihresgleichen und zwei geflügelten Wesen, von denen eines einen orangefarbenen Ball auf dem Arm hielt, der sich bewegte.
„Seid gegrüßt,” sagte die Jaridian, sie war wohl die Anführerin.
„Ich bin Grakna, die Kommandantin dieses Kreuzers. Ich möchte euch danken für die Rettung, wir hätten es sonst nicht mehr geschafft. ”
Sarah lächelte. Auf beiden Schiffen war eine Frau Kommandant.
Was T'than dazu wohl dachte...
Sie richtete die Kamera-Augen des Schiffes kurz auf diesen Taelon und betrachtete dessen Gesichtsausdruck.
„Schade, wie immer undurchdringlich”, dachte sie, bevor sie antwortete:
„Ich bin Sarah, ebenfalls Kommandantin. Wir hatten schon damit gerechnet, dass es Schwierigkeiten gibt. Auch bei uns auf der Erde und bei den Taelons gibt es Unruhen. Aber wir haben alles im Griff. Wenn wir in einem Monat auf der Erde eingetroffen sind, werden wir unbehelligt verhandeln können.”
Auch Grakna grinste nun.
„Ich freue mich schon darauf, ein paar Taelons und Menschen zu sehen. Aber nun möchte ich erstmal unsere Mannschaft vorstellen.”
Sie drehte sich um und ging als erstes auf eines der beiden Flügelwesen zu.
„Dies hier ist Avinyia, eine Angehörige des Volkes der Höhen. Sie und ihr Planet haben uns schon viel geholfen. Sie sind verantwortlich dafür, dass wir in letzter Zeit - nun ja, etwas weniger aggressiv sind. Sie wird für uns die Verhandlungen begleiten, zusammen mit ihrem Gehilfen Inirian.”
Avinyia streckte eine Krallenhand aus und berührte Sarah am Arm.
„Erschrick nicht. Wir sind es gewohnt, uns per Telepathie zu unterhalten. Ich begrüße dich im Namen der Völker unseres Planeten. Mögest du im Ganzen deinen Platz finden.”
Sarah reagierte nur im ersten Moment überrascht - sie war es ja schließlich gewohnt, sich mit Liam oder ihrem Schiff auf Gedanken-Ebene zu unterhalten. Sie bedankte gleichzeitig mit ihren Stimmbändern und ihren Gedanken bei Avinyia.
„Es ist mir eine Ehre, euch beide hier zu haben. Ich freue mich schon darauf, dich näher kennzulernen - in diesem Teil der Galaxis ist noch kein anderer eurer Art jemals aufgetaucht. Doch nun sagt mir: Was ist das, was euer Begleiter auf dem Arm hat?”
Sonnenhelles Lachen war die Antwort, das ihr durch die Knochen ging, aber es war ein sehr angehmes Vibrieren.
„Das ist ein Marak, er heisst Hoin. Er ist ein Gestaltwandler. Pass auf, er ist zwar klein, kann aber großen Unfug anrichten.”
Und so ging es weiter, Laruk, der erste Offizier, Korak, der Sicherheits-Offizier, Farena und Orapna, die beiden Technikerinnen und Morak und Jorja, die beiden Mediziner.
Auch auf der anderen Seite gab es einige interessante Begegnungen, auch wenn sie nicht so erfeulich waren.
Als Grakna auf T'than zu ging und ihn eigentlich begrüßen wollte, stockte sie plötzlich.
Ihre Augen wurden weit und ihr Shaquarava glühte auf, als sie ihn erkannte.
„Das ist doch T'than, der Kriegsminister, der Millionen von uns den Tod brachte.”
T'than blickte Sarah hilfesuchend an - im Angesicht einer wütenden Jaridian mit zornflammenden Handflächen verließ ihn jeglicher Mut.
Doch Avinyia legte der Kommandantin eine Krallenhand auf Schulter - und man konnte zusehen, wie Grakna sich dadurch, wenn auch widerwillig und langsam, beruhigte.
„Nimm seine Furcht als Zeichen, dass er sich bessern will”, erklang die Stimme des Flügelwesens.
Grakna nickte knapp, entspannte sich schließlich und ging weiter.
Sarah blickte zu T'than zurück und sah, wie fertig er mit dem taelonischen Äquivalent von Nerven war. Er wirkte noch blasser als sonst.
Als alle einander vorgestellt waren, löste sich die Versammlung nach ein paar Worten Sarahs und der jaridianischen Kommandantin auf. Es sollte nur ein lockeres Treffen zu den Mahlzeiten und hin und wieder ein Vollversammlung beider Schiffsbesatzungen geben. Man hatte schliesslich, trotz IDA, einen vollen Monat Zeit, sich wechselseitig kennenzulernen.
Die Gruppe zerfiel in viele kleine Einzel-Gruppen.
Vor allem die Jaridians wollten dieses ungewöhnliche Schiff näher kennenlernen.
Sarah ging zusammen mit Avinyia und Inirian in den Maschinenraum - hier war die Präsenz dieser Wesenheit am stärksten spürbar. Aber auch schon vorher hatte sie bemerkt, wie die beiden ungewöhnlichen Gäste ihre geistigen Fühler ausstreckten.
Im Maschinenraum wurden sie dann aber völlig unruhig.
Sie wandten sich an Sarah und fragten, ob sie Kontakt zu dem Schiff aufnehmen dürften. Diese stimmte dem natürlich zu und ging selbst in tiefen Kontakt.
„Ich habe schon früher Mutterschiffe der Taelons gesehen und berührt, aber dieses ist vollkommen anders”, stellte Avinyia fest.
„Es liegt daran, das Liam und ich es geheilt haben. Wir können mit unserer Kimera-Energie die Dinge leicht beeinflussen und hin und wieder sogar solche programmierten Wesen wie die Mutterschiffe genetisch umstrukturieren. Dieses hier ist jetzt mehr ein Kimera-Schiff und gehorcht niemanden mehr. Zu mir hat es allerdings uneingeschränkt Vertrauen, und wir haben schon manche lange Nacht zusammen verbracht.”
Die Präsenz des Schiffes drängte sich dermaßen verspielt in den Vordergrund, dass die drei vergaßen, sich weiter miteinander zu unterhalten. Auch dies sollte eine lange - und sehr schöne - Nacht werden...

 
* * *
 

Sandoval saß auf seinem Sofa und blickte auf die Unordnung, die in seiner Wohnung herrschte. Hier lagen Schnapsflaschen herum, da leere Fast-Food-Kartons. Er hatte auch angefangen zu rauchen, und so war alles mit Zigarettenschachteln und Kippen übersät.
Aber dieses verflixte CVI! Es ließ ihn nicht betrunken werden, es verhinderte, dass er von dem Nikotin benebelt wurde. Und es ließ ihn von dem miserablen Essen erbrechen.
Es half alles nicht.
Er sah die Dinge in einer Klarheit, die regelrecht weh tat und alles nur noch schlimmer machte.
Als hätte er nicht schon genug zu kämpfen...
Er hatte vorgehabt, sich in den Alkohol-Sumpf zu flüchten und zu vergessen, was vor einer Woche passiert war, aber es hatte nicht funktioniert.

Sandoval hatte vor seinem inneren Auge dieses unendlich verlangsamte Bild von DeeDee und dem heranrasenden Auto. Er, nur er allein hätte den Wagen aufhalten können, aber hatte es nicht geschafft. Sie musste es selbst schaffen.
Das hatte sein verdammtes CVI ausgerechnet - und kaum einen Sekundenbruchteil später hatte es auch ausgerechnet, dass es ihr nicht gelingen würde, dem Auto zu entgehen.
Liam und Da'an hatten versucht, sie zu retten, aber auch sie waren zu spät gekommen.
Sie war für immer von ihm getrennt. Dabei hatten sie sich nach jahrelanger Trennung erst vor kurzem wieder vereint und alles schien fast so wie früher!
Er brütete weiter und langsam kam in ihn die Frage auf, wer an dem Ganzen Schuld sein könnte. Er selbst? Die Taelons? Die Menschen? Er wusste, alle waren irgendwie schuld, aber was nützte das? Sie war fort.
Ihm kam wieder die Wodka-Flasche in seinen Händen in den Sinn. Letztes Jahr hatte ihm ein Informant die geschenkt und gesagt:
„Bewahr diese Flasche auf, bis du sie eines Tages wirklich brauchst und dann denk daran, was ich getan habe.”
Später hatte er gehört, dass eben dieser Informant zu seiner Familie zurückgekehrt war und mit seiner Vergangenheit Frieden und einen neuen Anfang gemacht hatte.
Sandoval fing an zu kichern.
Es war zu absurd.
Er hatte erst zu seiner Familie zurück gefunden und dann an diese Flasche gedacht. Nur, dass seine Familie nun ihn verlassen hatte.
Er stellte die Flasche mit einem harten Ruck auf den Tisch und kämpfte sich aus dem Sofa hervor.
Er durchquerte die Wohnung und übersah dieses Mal die Unordnung. Die Putzfrau würde sie schon beseitigen..
Die Arme.

Als er vor das Haus trat, hörte er in seinem Kopf: „Denk daran, was ich getan habe!” Er trat in das Portal und gab die Koordinaten des Turmes ein.
Ein Familienmitglied hatte er immer noch...

 
* * *
 

Die Erde war ein schöner Planet, blau und unbefleckt, fast, als gäbe auf ihr keine Menschen.
Sarah atmete tief aus.
Sie war wieder zu Hause.
Die langen Monate auf dem Schiff hatten sie doch bedrückt. Sie zwar nie wirklich eingesperrt gewesen und hatte viel Zeit mit Träumen verbracht, aber es war doch schon etwas Erhabenes, die Erde vor sich zu sehen und schon beinahe den Wind auf der Haut zu spüren.
Sie spürte die fragende Präsenz von Liam und begrüßte ihn erfreut. Er wollte gleich anfangen, mit ihr zu reden, aber sie wies ihn sanft darauf hin, dass sie erst einmal dafür sorgen musste, dass das Schiff sicher am Turm andockte.
Sie konzentrierte sich nun wieder vollkommen darauf, das Wesen sicher durch die Atmosphäre zu leiten und seine großen Schmerzen zu dämpfen, denn auch wenn sein Äußeres aus extrem unempfindlichem Material bestand und es sehr langsam in die Erdatmosphäre eintrat, war die Hitze immer noch unvorstellbar.
Als das Gröbste überstanden war und sie dem Schiff überlassen konnte, den Weg zum Turm zu finden, drehte sie sich um und betrachtete die Jaridian.
Sie standen da und staunten mit offenen Mündern über die Farbenpracht des Meeres und des Himmels.
Grakna wandte sich von Schauspiel vor dem Fenster ab.
„Ich hätte nicht gedacht, das die Erde so schön ist. Jaridia ist so wild und... steinig, hier ist alles so blau und leer und flach - wohnt ihr hier?”, fragte sie.
Sarah lachte leise. „Nein, das hier ist ein großes Meer zwischen den Kontinenten. Ihr werdet mit Sicherheit auch noch die abwechslungsreicheren Gegenden der Erde kennenlernen. Aber seht, dort ist unser Ziel!”
Sie drehte sich wieder um und zeigte auf den Turm, den sie durch die Sensoren des Wesens schon längst wahrgenommen hatte.
Dieses flog in einer langgezogenen Kurve herum und landete sanft auf der wie ein Arm ausgestreckten Landeplattform. Dennoch ging ein kaum spürbares, aber dennoch kraftvolles Vibrieren durch das Schiff, als die Verbindung zwischen den beiden Lebensformen hergestellt wurde. Die Energie, die der Turm durch das Meer und die Erde aufnahm, wurde dem Schiff zugeführt, um es zu stärken.
Alle wandten sich dem Ausgang zu und gingen durch die Gänge des Schiffes. Als Sarah in Graknas Augen blickte, sah sie ebenso Furcht wie Neugier, in denen der anderen war es genauso, bei einem überwog die Neugier, bei den Übrigen war sie sich da nicht so ganz sicher.

Als sie vor das Schiff traten, sah sie, dass Liam, William, Da'an und Zo'or schon warteten.
Liam trat auf Sarah zu und blickte ihr tief in die Augen.
„Ist alles in Ordnung?”
„Ja, klar!” Sarah grinste. „Was sollte es denn sonst sein?”
Liam grinste ebenfalls, aber ein bisschen verlegen. „War ja nur eine Frage - wenn nichts ist, kannst du uns ja vorstellen.”
„Oh, natürlich - das ist Grakna, die Kommandantin des jaridianischen Kreuzers, Laruk, ihr erste Offizier, Avinyia vom Volk der Höhen ...”
Jeder bekam die Gelegenheit, jeden zu begrüßen.
Als Grakna vor Zo'or stand, fixierte sie ihn kurz.
„Sarah hat mir erzählt, dass du anders geworden bist. Ich hoffe, es stimmt.”
Anscheinend hatte die Jaridian noch nicht viel von Diplomatie gehört, aber Zo'or reagierte seinerseits erstaunlich diplomatisch, wenn auch nicht weniger direkt.
„Ich werde mich bemühen, es dir zu zeigen - doch auch die Jaridians müssen sich ändern, vergiß das nicht.”
Grakna nickte. Sie hatte erfahren, was sie wollte.
Als sie Da'an gegenüber stand, neigte sie den Kopf leicht.
„Ich grüße dich, Da'an, einen der Älteren. Ich hoffe, du hast erkannt, dass euer damaliger Weg der falsche war.”
Da'an blickte sie in seiner unergründlichen Art an.
„Ja, das habe ich. Wir werden sehen, ob dieser ein richtigerer ist.”
„Lasst uns nun in den Turm gehen und unsere Aufgabe schnellstmöglich erledigen. Ich kann es kaum erwarten”, sagte Liam und wandte sich um.
Sarah beobachtete Avinyia interessiert und wartete ab, wie diese auf Liam s Beziehung zum Turm reagieren würde. Als Liam das Tor öffnete, sah sie, wie die Augen des Flügelwesens aufleuchteten, und dann blickte Avinyia kurz zur ihr selbst hinüber. Sie hatte es mitbekommen.
Während sie durch den Turm langsam aufwärts gingen, erzählten Liam und Boone von der Situation auf der Erde. Sie hatte sich langsam beruhigt und es fanden keine größeren gewaltsamen Auseinandersetzungen mehr statt, nur vereinzelt gab es noch Demonstrationen.
Als sie oben im Relikt-Zimmer angekommen waren, bedeutete Liam ihnen, sich um die Lichtsäule zu verteilen, die auf einmal schon fast aggressiv leuchtete - als würde sie spüren, dass es bald los ginge.
„Leg deine Hand auf die freie Stelle, Grakna, Ma'els Relikt muss dich erst noch akzeptieren. Hab keine Angst, auch William Boone und Zo'or haben es überlebt.”
Grakna nickte und legte die Hand auf das Relikt. Es gab ein mahlendes Geräusch und Grakna leuchtete rötlich auf. Das Geräusch wurde stetig harmonischer, und schließlich löste Grakna die Hand wieder.
„Es ist so weit. Ich bin soweit.”
Liam nickte und ging eine Verbindung mit dem Gebäude ein. Er wies ihn an, seine Struktur der des Relikts anzupassen, das jetzt endgültig in allen Farben des Regenbogens strahlte, auch wenn es dies schon vorher getan hatte...
Was hatten die Kimera bloß Wundersames geschaffen...
Sarah blickte aus dem Fenster und sah, wie sich die östliche Seite des Turmes langsam veränderte, sie sah zwar fast aus, wie die der Menschen, aber irgendwie viel kraftvoller und weniger filigran, es war schwer zu beschreiben.
Ein klingendes Geräusch war zu vernehmen.
Es schwoll an und ab.
Es war Zeit.

 

Ende von Kapitel 3

 

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