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  „Black Out” von Ma'ri   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen außer Liana, Melanie Harris und To'ar gehören den Eigentümern von Mission Erde/Earth: Final Conflict. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Da'an gerät unter Verdacht einen Wissenschaftler ermordet zu haben.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, Fortsetzung zu „With or without you”
Charaktere:  Da'an, Boone, Lili, Augur, Liam, Zo'or, Re'sha, Melanie/Liana, [Sandoval, To'ar]
 

 

BLACK OUT

(Visionen, Kapitel 5)

 

Zo'ors Blick durchbohrte einen äußerst bedrückt aussehenden Agent Sandoval. Dieser hatte ihm gerade berichtet, dass Captain Marquette offenbar von einer Gruppe falscher Freiwilliger aus dem Krankenhaus abgeholt und an einen unbekannten Ort gebracht worden war.
„Wie kommt es, dass sich einfach ein paar Leute als Freiwillige verkleiden und auf diese Weise überall eindringen können?”
„Sie hatten eine schriftliche Vollmacht. Dr. Belman hat ausgesagt, dass sie meine Unterschrift erkannt habe.”
„Eine wirklich nette Vorstellung, dass offenbar Mitglieder des Widerstands Ihre Handschrift fälschen können. Bedauerlich nur, dass dadurch eine gewisse Shuttle-Pilotin entkommen konnte!”
Sandoval senkte den Kopf. „Ich werde alles Nötige in die Wege leiten, um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen!”
Zo'or sah ihn an wie ein Insekt, dass er gerne zertreten würde. „Das hoffe ich doch, Agent”, meinte er gefährlich leise. Dann entließ er ihn mit einer heftigen Handbewegung. Sandoval formte den Taelon-Gruß und wandte sich zum Gehen. Gerade als er das Audienzzimmer verlassen wollte, kam ihm Agent Harris entgegen und nickte ihm mit einem falschen Lächeln zu. Verwundert drehte er sich um, als sie an ihm vorbeiging. Warum empfand diese Frau nur solch eine Abneigung gegen ihn? Sie hatten sich vor ihrer Einstellung nicht einmal flüchtig gekannt. Und dennoch... Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb er den Gedanken und setzte seinen Weg zum Shuttle-Landeplatz fort. Allerdings wunderte er sich auch darüber, was Zo'or mit seiner Assistentin zu besprechen hatte, was er wiederum nicht erfahren sollte.

 
* * *
 

Einige Tage später

Die Blaulichter rissen unwirkliche Licht- und Schattenspiele in die Dunkelheit. Im kalten Nachtwind flatterte das Absperrband der Polizei. Detective Weasley zündete sich bereits seine dritte Zigarette an und beobachtete, wie der Aluminiumsarg aus dem Gebäude geschoben wurde. Noch immer waren überall die Leute von der Spurensicherung zugange. Er sah an dem Gebäude hinauf und betrachtete nun schon zum wiederholten Male das außerirdische Material, aus dem ein Großteil des Gebäudes bestand. Es leuchtete schwach in der Dunkelheit und machte einen unwirklichen Eindruck. Warum musste ausgerechnet er sich mit einem Mordfall in einer Taelon-Einrichtung herumschlagen? Und auch noch mitten in der Nacht! Manchmal glaubte er fast, Nachtwächter seien nur dazu da, Leichen zu entdecken und somit der dafür zuständigen Polizei den Schlaf zu rauben.
Dr. Siddons trat aus dem Gebäude, sah sich einen Moment lang um und kam dann zu ihm herüber. Er bot ihm eine Zigarette an und der Arzt nahm sie dankbar entgegen. Während er sie ihm anzündete, fragte der Detective: „Können Sie schon irgend etwas über die Todesursache sagen?”
Siddons seufzte. „Sieht nach einem starken Stromschlag aus. Herzstillstand.”
„Zeitpunkt des Todes?”
„Zwischen null und drei Uhr. Vielleicht kann ich es noch weiter eingrenzen.”
„Wann machen Sie die Autopsie?”
Siddons sah ihn unglücklich an. „Ihr Polizisten seid die reinsten Sklaventreiber.”
„Wann!?”
„Ist ja gut. Morgen früh. Dann entschuldigen Sie mich jetzt aber, ich möchte zumindest noch ein bisschen Schlaf bekommen.”
„In Ordnung. Gute Nacht.”
„Gute Nacht.” Damit ging der Doktor zu seinem Wagen, warf seine Tasche und sich selbst hinein und fuhr los. Weasley blieb zurück und beobachtete weiterhin seine Leute, die jeden Zentimeter der Umgebung absuchten. Wahrscheinlich ohne Erfolg. Er hatte ja nie Glück.
Ein seltsames Rauschen am Himmel kündigte die Ankunft eines Shuttles an. ‚Na großartig’, dachte der Detective. ‚Jetzt darf ich mich auch noch um die Companion-Agenten kümmern.’ Mit einem resignierten Seufzen setzte er sich in Bewegung, um die Insassen des gerade landenden Fluggerätes zu begrüßen.

 
* * *
 

Er fühlte sich seltsam... Wie spät war es? Wie war er überhaupt in seine Privatgemächer gekommen? Er hatte sich doch unter den Energiestrom in seinem Audienzzimmer gelegt! Oder doch nicht? Verwirrt richtete er sich auf und aktivierte den Datenstrom. Fünf Uhr morgens! Seine Ruhephase konnte doch nicht wirklich sechs Stunden gedauert haben! Wie konnte ihm nur das Zeitgefühl so abhanden kommen? Auch konnte er sich nicht erinnern... Nicht an seine Träume, nicht an die Stimmen des Gemeinwesens, an nichts, was in den letzten paar Stunden geschehen war. Doch trotz der langen Ruhephase fühlte er sich seltsam erschöpft... als hätte er eine große Anstrengung hinter sich.
Ein leiser Summton signalisierte ein ankommendes Gespräch. Mit einer leichten Armbewegung nahm er es an.
„Da'an, ist alles in Ordnung?”, fragte Major Kincaid besorgt. „Ich versuche schon seit einer halben Stunde, Sie zu erreichen.”
„Ist etwas vorgefallen, Major?”
„Allerdings! Dr. Reed wurde letzte Nacht ermordet aufgefunden!”
Der Taelon verlor die Kontrolle über seine Fassade und erhob sich hastig. Liam sah ihn eindringlich an. „Ist Ihnen bei Ihrem gestrigen Gespräch irgend etwas Seltsames an ihm aufgefallen? Wirkte er verstört oder irgendwie beunruhigt?”
Da'an verneinte mit einer entschiedenen Geste. „Wo sind Sie im Moment, Major?”
„Noch am Tatort. Es sieht so aus als sei er von einem heftigen Stromschlag getötet worden.”
Der Companion legte ein wenig den Kopf auf die Seite. Die heftigen Bewegungen seiner Hände verrieten seine Erregung. „Sie sind sicher, dass es kein Unfall war?”
„Leider ja. In seiner Nähe befand sich kein Gerät, dass eine solche Menge elektrischer Ladung auf ihn übertragen haben könnte.”
Wieder verlor Da'an einen Moment lang die Kontrolle über seine menschliche Hülle. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. „Ist Commander Boone bei Ihnen?”
„Im Moment nicht. Er wollte den Nachtwächter, der die Leiche entdeckt hat, selbst befragen.”
„Bitte erstatten Sie mir Bericht, sobald sich etwas Neues ergibt.”
„Sehr wohl, Da'an.”
Er deaktivierte den Datenstrom und starrte eine Weile ins Leere. Was ging da nur vor sich?

 
* * *
 

„Er ... er saß ganz ruhig auf seinem Stuhl! Ich habe nichts bemerkt! ... Er hatte die Angewohnheit von Zeit zu Zeit die Nacht durchzuarbeiten ... also habe ich mir nichts dabei gedacht ... Ich wollte ihn ja nicht stören!” Endlich, nach zwei Tassen Kaffee und einem großen Schluck Schnaps, war der Nachtwächter namens Louis Hawks in der Lage, halbwegs zusammenhängende Sätze herauszubringen.
Boone lächelte geduldig. Diese Reaktion von Zeugen kannte er. Besonders wenn der Tote ein guter Bekannter war. „Ist Ihnen irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Hat sich Dr. Reed vielleicht seltsam verhalten?”
„Nein, nicht dass ich wüsste. Er ... er hat sich ja nur etwas aufgeregt nach dem Besuch des Companions gestern.”
„Wissen Sie, warum?”
Hawks starrte ihn empört an. „Ich belausche doch nicht meinen Chef! Außerdem hatte ich zu der Zeit keinen Dienst. ... Josey hat es mir nur erzählt.”
„Wer bitte?”
„Josey Fielding. Seine Assistentin.”
„Haben wir die Adresse?”, fragte Boone den Polizisten, der neben ihnen saß und eifrig Notizen machte.
„Haben wir, Sir.”
Der Commander wandte sich wieder Hawks zu. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich noch einmal bei Ihnen vorbeikomme? Es könnte sein, dass ich noch ein paar Fragen habe.”
„Natürlich nicht.” Louis versuchte, tapfer zu lächeln ... was kläglich misslang.
Boone erhob sich und ging zum Ausgang, wo er auf Liam traf.
„Ich habe gerade mit Da'an geredet. Ihm ist auch nichts Seltsames aufgefallen ... allerdings wirkte er selbst etwas seltsam.”
Boone runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?”
„Ich habe ihn erst nach einer halben Stunde erreichen können und als ich ihm von dem Mord erzählte, wirkte er beinahe verstört.”
„Das würde wohl jeder, wenn jemand, den man noch am Vortag gesehen hat, ermordet aufgefunden wird.”
Liam zuckte die Achseln. „Mag sein. Allerdings reagiert er sonst kaltblütiger.”
Boone musste schmunzeln. „Meinen Sie nicht, dass ‚kaltblütig’ ein etwas unpassender Begriff für ein Wesen ohne Blut ist?”
„Sie wissen, was ich meine! Normalerweise zeigt er nicht solch heftige Reaktionen.”
„Vielleicht hat er ja einfach nur schlecht geschlafen?”
Nun war es an Liam, spöttisch zu lächeln. „Ich würde es kaum als ‚Schlaf’ bezeichnen!”
„Aber ihre Ruhephase ähnelt unserem Schlaf. ... Ach, lassen wir das! Wenn Sie mich suchen, ich bin in der Botschaft.” Damit ließ er Liam stehen.

 
* * *
 

Detective Weasley nahm einen Schluck Kaffee und blätterte in dem Autopsiebericht. Viel war nicht dabei herausgekommen. Reed war an einem Stromschlag gestorben, das war nun bewiesen. An seinem Rücken befanden sich zwei Brandmale in einem Abstand von etwa zehn Zentimetern. Der Zeitpunkt des Todes lag zwischen halb eins und zwei Uhr nachts. Kein Hinweis auf die Mordwaffe.
Mit einem schweren Seufzen warf er den Bericht zurück auf den Schreibtisch und wandte sich dem Bericht der Spurensicherung zu. Auch nichts außergewöhnliches. Nur Fingerabdrücke der Angestellten ...
Jemand klopfte an die Tür seines Büros. Einer seiner Männer trat ein. „Hier ist eine gewisse Josey Fielding. Sie sagt, Sie möchte eine Aussage zum Mord an Dr. Reed machen.”
„Schicken Sie sie rein.”
Daraufhin trat eine großgewachsene, sportlich wirkende Frau Ende zwanzig ein. Sie kam mit energischen Schritten zu seinem Schreibtisch und nahm auf dem Stuhl Platz noch bevor er Gelegenheit dazu hatte, ihn ihr anzubieten. Er schaltete ein Diktiergerät an und blätterte in seinen Unterlagen.
„Sie sind also Dr. Reeds Assistentin?”
„Das war ich, ja.”
„Verzeihung.”
„Schon in Ordnung.”
„Ist Ihnen irgend etwas Ungewöhnliches an ihm aufgefallen? War er nervös oder wirkte er auf irgendeine Art beunruhigt?”
„Das nicht, aber ... ”
Er sah von seinen Unterlagen auf und sah sie interessiert an. „Aber was?”
„Nun ja ... er war etwas aufgeregt nach der Unterhaltung mit Da'an.”
„Der Companion war gestern in Ihrem Labor und hatte ein längeres Gespräch mit Dr. Reed?”
„Ja. Ich fand es seltsam, dass sie diese Unterhaltung hinter geschlossenen Türen führten.”
Er lehnte sich etwas über den Tisch. „Sie haben nicht rein zufällig mitbekommen, worüber Sie geredet haben?”
Sie sah ihn empört an. „Ich lausche nicht an Türen, Detective!”
Abwehrend hob er die Hände. „Habe ich nie behauptet. Ich dachte nur, vielleicht haben Sie dem Doktor eine Tasse Kaffee gebracht und dabei etwas mitbekommen.”
„Nein. So lange hat das Gespräch nun auch wieder nicht gedauert.”
„Wie bedauerlich.” Er holte aus seiner Schreibtischschublade eine Packung Zigaretten und bot ihr eine an. Sie lehnte ab. „Stört es Sie, wenn ich ...”
„Nein, rauchen Sie ruhig.”
Er zündete sich die Zigarette an und musterte sie eingehend. „In welchem Verhältnis standen Sie zu Dr. Reed?”
„Ich war seine Assistentin. Nicht mehr! Ich bin verheiratet und habe einen kleinen Sohn.”
„Es gibt Frauen, die stört das nicht besonders.”
Sie kniff die Augen leicht zusammen und schüttelte den Kopf. „Wollen Sie jetzt behaupten, ich sei es gewesen?”
„Ich behaupte gar nichts. Was wissen Sie über Reeds Familie?”
„Er hatte eine Frau und zwei Kinder. Beide schon erwachsen.”
Weasley blätterte wieder in seinen Unterlagen. Die Adressen der Verwandten waren bereits verzeichnet. „Hatte er vielleicht Probleme mit seiner Frau?”
„Darüber hat er mit mir nicht gesprochen.”
„Können Sie mir etwas über das Projekt erzählen, an dem er gerade gearbeitet hat?”
Sie sah ihn wieder mit zu Schlitzen verengten Augen an. Wahrscheinlich war sie wütend, dass er so schnell die Themen wechselte. Allerdings hatte er keine Lust, auf die Bequemlichkeit von Zeugen einzugehen. Er fragte, was er wissen wollte. Rasche Themenwechsel konnten außerdem Zeugen dazu bringen, etwas zu verraten, was sie nicht hatten aussagen wollen.
„Wir haben an einem Mittel zur Steigerung der menschlichen Denkfähigkeit gearbeitet.”
„Aha ... also eine Art Intelligenzpille?”
„So könnte man es bezeichnen.”
„Wie nett!”, meinte er zynisch.
„Es soll geistig zurückgebliebenen Menschen helfen, ein normales Leben zu führen.”
„Interessant. Und Sie sind sich sicher, dass es nicht auch von gesunden Menschen gebraucht würde, um ihre Intelligenz zu steigern?”
„Falls es jemals auf den Markt kommt, wird es streng rezeptpflichtig sein.”
„Als ob man einen Arzt nicht mit ein bisschen Geld zur Ausgabe eines Rezepts überreden könnte.”
„Sie haben kein sehr positives Bild von den Menschen, Detective.”
„Man wird mit der Zeit desillusioniert, Mrs. Fielding. Danke, ich habe im Moment keine weiteren Fragen, aber halten Sie sich zu unserer Verfügung.”
Mit einem arroganten Lächeln erhob sie sich und stolzierte aus dem Raum. Weasley schaltete das Diktiergerät aus, nahm einen weiteren Schluck Kaffee und blätterte in seinen Unterlagen.

 
* * *
 

„...als Zeugen ... Hören Sie mir überhaupt zu, Da'an?” Boone versuchte, den Blick des Companions aufzufangen, doch dieser starrte nur an ihm vorbei ins Leere. ‚Können Taelons sich auch in Tagträumen verlieren?’, fragte sich der Companion-Agent im Stillen. „Da'an?”
„Entschuldigen Sie, Commander, aber ich fühle mich nicht besonders wohl. Vielleicht ist es besser, wenn Sie mir zu einem späteren Zeitpunkt Bericht erstatten.”
„Dann werde ich dem Detective Bescheid sagen, dass er Sie erst morgen befragen kann.” Boone betrachtete besorgt seinen Companion, der ohne Regung auf seine Knie starrte. Er glaubte sogar, einen leichten blauen Schimmer unter der „Haut” des Taelons erkennen zu können. „Ist alles in Ordnung?”
Da'an hob den Blick, legte den Kopf ein wenig schief und brachte sogar ein halbes Lächeln zustande. „Natürlich. Ich benötige nur etwas Ruhe.”
Boone formte den Taelon-Gruß und wollte sich abwenden, doch der Companion hob die Hand und hielt ihn zurück. „Bitte, ich ... würde mich dennoch über Ihre Gesellschaft freuen.”
Der Commander drehte sich wieder zu ihm um und nickte lächelnd. „Wie Sie wünschen.”
Der Taelon erhob sich, verließ seinen Stuhl und schritt langsam die Rampe empor, die etwa bis zur Mitte des Fensters hinaufführte und einen besonders schönen Blick über die Stadt Washington gewährte. Boone folgte ihm in kurzem Abstand. Als er oben angelangt war, drehte sich Da'an zum Fenster und schloss einen Moment lang die Augen. Sein Beschützer trat neben ihn und sah hinaus. Gerade ging die Sonne auf und tauchte die Stadt in ein klares, gelblich rotes Licht.
„Sie lieben diese Aussicht sehr, nicht wahr?”
Der Companion neigte leicht den Kopf und sah ihn mit einem schwachen Lächeln an.
„Ich habe Sie in letzter Zeit sehr oft angetroffen, wenn Sie gerade aus dem Fenster sahen.”
Da'an richtete den Blick wieder nach vorne. „In der Tat. Ich finde Gefallen daran, die Monumente dieser Stadt zu betrachten.”
„Gibt es auf Taelon ebenfalls eine Art ... Standbilder?”
„Nein. Alles, was ein Individuum meiner Spezies ausmacht, all seine Ideen, Erinnerungen und Träume bleiben im Gemeinwesen bewahrt. Daher benötigen wir keine Bauwerke, die uns daran erinnern.”
„Und dennoch genießen Sie es, eben solche zu betrachten.”
„Es liegt viel Bemerkenswertes darin, ein solches Bauwerk zu erschaffen. Etwas, das den Menschen ein bestimmtes Gefühl gibt, wenn sie es betrachten.”
„Nicht alle Menschen reagieren auf dieselbe Weise auf dieselben Dinge.”
Da'an neigte den Kopf ein wenig. „Ich weiß. ... Das war eines der ersten Dinge, die ich von Ihnen gelernt habe.”
„Ich muss sagen, Sie waren ein sehr gelehriger Schüler.”
„Doch leider habe ich als Lehrer versagt”, erwiderte der Taelon mit bitterem Unterton.
Boone sah ihn überrascht von der Seite an. „Wovon sprechen Sie?”
„So wie Sie mir zu einem besseren Verständnis Ihrer Spezies verholfen haben, habe ich versucht, Liam ein besseres Verständnis für die meine zu vermitteln. Leider mit nur wenig Erfolg.” Er schloss die Augen und leuchtete blau auf.
„Er ist jung. Die Jungen lassen sich von den Älteren selten etwas vorschreiben. Sie entwickeln ihre eigenen Bilder von der Welt.” Er sah wieder den neben ihm stehenden Alien an. Zu seiner Verwunderung hatte Da'an die Augen nicht wieder geöffnet und hatte auch seine menschliche Fassade nicht vollständig zurückerlangt. „Da'an? Alles in Ordnung?”, fragte er besorgt. Der Companion begann zu schwanken und Boone hielt ihn rasch an den Armen fest, um ihn zu stützen, falls er das Gleichgewicht verlor. Bei der Berührung riss der Taelon die Augen auf und starrte ihn an. Dann befreite er sich mit sanfter Gewalt von seinem Griff und hob die Hand, um Boone auf Abstand zu halten. Mit unsicheren Schritten stieg er die Rampe hinab und begab sich zu seinem Stuhl. Als er sich darauf niederließ meinte er leise: „Vielleicht ist es doch besser, wenn Sie jetzt gehen, Commander.” Ohne zu warten, bis sein Implantant wirklich den Raum verlassen hatte, aktivierte er den Energiestrom.

 
* * *
 

Gedankenverloren folgte er den zwielichtigen Gängen des Mutterschiffes. Der Plan war zweifellos banal, doch effektvoll. Jetzt galt es nur noch, den Verdacht in die richtige Richtung zu lenken und ein Urteil der Synode abzuwarten. Selbst wenn die Menschen zu schwach waren, über einen Taelon das Todesurteil zu verhängen, die Synode schreckte davor nicht zurück. Das hatte er an Rho'ha gesehen. Natürlich wünschte er seinem Artgenossen nicht den Übergang zur nächsten Ebene, doch wenn dies der Preis war, Zo'or zu schützen ...
Außerdem hatte Da'an sich freiwillig von seiner Spezies abgewandt! Es war ihm unbegreiflich, wie sich ein Taelon jemals dazu erniedrigen konnte, sich mit einem Menschen zu vereinigen! Allein der Gedanke widerte ihn an. Es bestanden so viele Unterschiede zwischen ihren Spezies ... nicht nur, dass die Taelons hauptsächlich aus Energie und die Menschen aus Kohlenstoffverbindungen bestanden, sie befanden sich auch geistig auf zwei völlig verschiedenen Ebenen! Menschen verhielten sich oft so irrational ... vor ihrer Ankunft hatten sie einen eindeutigen Kurs der Selbstzerstörung eingeschlagen. Doch Da'an hatte dazu nur gemeint: „Jedes Volk muss lernen.” In der Tat. Es gab so einiges, was diese Wesen zu lernen hatten.
‚Selbstständiges Denken zum Beispiel’, dachte er, während er an einem Freiwilligen vorbeikam.
Als er Zo'ors Quartier erreichte, öffnete er mit einer grazilen Armbewegung die Wand aus lebendem Material und trat ein. Der Führer der Taelonsynode stand am Fenster und betrachtete die Sterne. Wann hatte er sich diese Angewohnheit seines Elternteils zueigen gemacht?
„Was willst du?”, fragte Zo'or unfreundlich, ohne sich umzudrehen.
To'ar musste lächeln, verbarg es jedoch hinter seiner bewegungslosen Maske und trat neben ihn ans Fenster. „Die Menschen, die den Mord an Dr. Reed untersuchen, haben unsere Unterstützung erbeten. Sie möchten, dass ein Taelon den Leichnam auf Energiemuster untersucht.”
„Ausgezeichnet”, erwiderte der jüngere Taelon kalt. „Du weißt, was du zu tun hast.”
Um To'ars Mundwinkel zuckte ein spöttisches Lächeln. „Natürlich. Es war mein Plan.” Er neigte sich etwas nach vorne, um in das Gesicht des anderen Taelons sehen zu können. „Du hegst doch keine Zweifel, oder?”
Zo'or wandte sich ihm mit einem wütenden Gesichtsausdruck zu. „Du würdest deinen Chi'ma'hé bestimmt ohne Zögern in die Leere schicken!”
„Wenn es die Situation erforderlich macht ...”
„Woran bewertest du das!?”
To'ar sah ihn eindringlich an. „Ich glaube daran, dass du unsere langfristigen Pläne verwirklichen und unsere Spezies vor dem Untergang bewahren kannst. Die Rettung unserer Spezies hat für jeden einzelnen Taelon oberste Priorität, somit hat in diesem Fall die Erhaltung deines Status’ für mich die oberste Priorität. Dein Chi'ma'hé dagegen ist entbehrlich. Er hat Großes für unsere Art geleistet, doch seine Tage sind vorüber und deine sind angebrochen! Es mag dich schmerzen, ihn zu verlieren ...”
„Er bedeutet mir nichts”, unterbrach ihn Zo'or trotzig.
Eine Lüge, das war dem älteren Taelon durchaus bewusst. Er und Da'an mochten sich voneinander entfernt haben, doch er bezweifelte, dass der Synodenführer nur Abscheu für seinen Chi'ma'hé empfand. Blieb zu hoffen, dass er nicht im falschen Augenblick seine Sympathie für ihn wieder entdeckte. „Dann sind wir einer Meinung.”
„Das mag momentan der Fall sein.”
Ein hintergründiges Lächeln umspielte To'ars Mund. „Du wirst bald eine Versammlung der Synode einberufen können, um den Fall zu behandeln.”
„Es wird mir ein Vergnügen sein”, meinte der junge Taelon kühl. Doch er konnte nicht verhindern, dass sich eine Spur Bitterkeit in seine Stimme mischte.

 
* * *
 

Der Companion wirkte in dem Büro des Detective völlig deplaziert. Er schien sich auch nicht besonders wohl zu fühlen. Zumindest wirkte es so auf Liam, dem gestattet worden war, der Befragung beizuwohnen.
„Nun, Da'an”, Weasley schaltete das Diktiergerät ein, „Sie haben sich mit Dr. Reed nur wenige Stunden vor seinem Tod unterhalten. Worum ging es in dem Gespräch?”
„Es ging um das Projekt, mit dem ich den Doktor beauftragt hatte.”
„Die Entwicklung eines Mittels zur Steigerung der Denkfähigkeit?”
„Das ist richtig.”
„Gab es Schwierigkeiten mit dem Projekt? Lief es vielleicht nicht so, wie es sollte?”
„Nicht dass ich wüsste. Ich war mit Dr. Reeds Arbeit durchaus zufrieden.”
Der Detective sah den Alien durchdringend an. „Warum haben Sie das Gespräch dann hinter verschlossenen Türen geführt?”
Der Taelon erwiderte seinen Blick schweigend. Weasley sprang auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Verdammt, Da'an, worüber haben Sie gesprochen?!”
„Das sagte ich Ihnen bereits.”
„Ich will es aber genau wissen!”
Da'an verlor einen Moment lang die Kontrolle über seine Fassade. Dann sah er den Detective ausdruckslos an. „Tut mir leid, die Synode hat mich angewiesen, darüber zu schweigen.”
„Es handelt sich hier um einen Mordfall!”, Weasley schrie beinahe.
„Soweit ich weiß, habe ich das Recht, die Aussage zu verweigern”, erwiderte Da'an ruhig.
„Dann wollen Sie wahrscheinlich auch nicht die Frage beantworten, wo Sie am 8. Oktober zwischen halb eins und zwei Uhr nachts waren.”
Der Companion antwortete nur mit einem stummen Blick. Der Detective starrte wütend zurück, während Liam im Stillen dachte: ‚Durch sein Schweigen schaufelt er sich sein eigenes Grab.’

 
* * *
 

„Das können Sie doch nicht wirklich glauben!” Boone musste sich Mühe geben, nicht die Fassung zu verlieren. Der Detective jedoch stellte sich taub.
„Alle Beweise sprechen gegen ihn. Der Taelon-Wissenschaftler hat eindeutig Spuren seines Energiemusters an der Leiche gefunden.”
„Welches Motiv soll er denn bitte haben?”
„Wer weiß, vielleicht haben Sie sich gestritten.” Weasley zuckte die Achseln und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus.
„Sie meinen, er habe im Affekt getötet? Das halte ich bei einem Taelon für unmöglich. Zumindest bei diesem!”
„Können Sie sich da so sicher sein?”
Boone seufzte resigniert. „Wissen Sie noch, als er vor fast zwei Jahren entführt und gefangengehalten wurde? Ich habe ihn damals gesehen! In dieser Situation hätte er allen Grund gehabt, seine Entführer im Affekt zu töten, aber er hat es nicht getan! Taelons kennen nicht solch heftige Gefühle, dass es sie zu einem Mord treiben würde!”
„Nun, vielleicht wollte ja Dr. Reed mit Informationen an die Öffentlichkeit gehen, die Da'an um jeden Preis geheim halten wollte? Das würde auch erklären, warum er die Aussage verweigert hat!”
„Meinen Sie wirklich, er hätte ihn selbst umgebracht, wenn dies der Fall wäre? Warum hätte er so eindeutige Spuren hinterlassen sollen?”
„Die Beweise sprechen gegen ihn”, wiederholte Weasley stur.
Boone schüttelte den Kopf. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Ohne sich zu verabschieden verließ er das Büro und kurz darauf das Gebäude. Während er in sein Auto stieg und los fuhr, schweiften seine Gedanken zurück zu dem Prozess gegen Rho'ha. Die Taelon-Synode hatte das Todesurteil über ihn verhängt, auch wenn das menschliche Gericht es nicht getan hatte. Ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter, wenn er daran dachte, wie es seinem Companion wohl ergehen würde. Er benahm sich seltsam in letzter Zeit. Was war nur mit ihm los? Hatte er ebenfalls an irgend einem Experiment teilgenommen, das ihn verändert hatte?
Egal, was es war, er würde nicht zulassen, dass Da'an das selbe Schicksal ereilte wie Rho'ha! Nur würde ihm genug Zeit bleiben, die Unschuld des Companions zu beweisen?

 
* * *
 

„Sie haben WAS getan?” Er konnte es einfach nicht fassen.
Liam sah ihn vom Bildschirm seines Globals herausfordernd an. „Wir brauchen Zeit, um seine Unschuld zu beweisen. Wollen Sie etwa zusehen, wie ihn die Synode dazu zwingt, auf die nächste Ebene überzugehen?”
„Natürlich nicht. Aber ihn praktisch zu entführen ...” Boone schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ich wollte ihn in Sicherheit bringen”, verteidigte sich der junge Beschützer.
„War er denn damit einverstanden?”
„Ich konnte ihn davon überzeugen, zumindest für ein paar Tage unterzutauchen.”
Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie das „Überzeugen” ausgesehen hatte. Da'an war momentan wahrscheinlich nicht einmal in der Lage, sich gegen die Argumente des Majors zu wehren. „Die Synode hatte ihn also bereits aufs Mutterschiff bestellt?”
„Das sagte ich doch”, meinte Liam ungeduldig. „Sie hätten ihn gerichtet und zum Tode verurteilt, bevor wir irgend etwas hätten unternehmen können!”
Boone rieb sich die Stirn. Ihn plagten wieder einmal Kopfschmerzen und dazu auch noch Sorgen um Da'an. Was auch immer mit ihm los war, er schien zur Zeit den Energiestrom häufiger zu benötigen als sonst. „Wo haben Sie ihn überhaupt hingebracht?”
Der junge Companion-Beschützer fing an zu grinsen. „In Sicherheit.”
„Doch nicht zu Augur? ... Nein!” Wieder schüttelte er ungläubig den Kopf.
„Warum nicht?”
„Was sagt er denn dazu?”
„Augur? Er ist nicht sonderlich begeistert.” Liam warf einen Blick auf jemanden außerhalb des Bildes. Wahrscheinlich gestikulierte der Hacker gerade wild, um ihm begreiflich zu machen, was er davon hielt, einem Taelon Asyl gewähren zu müssen.
„Kann ich mir vorstellen. Hören Sie, ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.”
„In Ordnung. Kincaid Ende.”

 
* * *
 

Besorgt betrachtete sie den Taelon, der sehr ruhig und entspannt auf Augurs Couch saß. Nachdem sie einander eine ganze Weile lang stumm angesehen hatten, hatte er plötzlich die Kontrolle über seine Fassade verloren und hatte sich mit einem unterdrückten Stöhnen setzen müssen. Er wirkte krank. Seine Energie schimmerte leicht unter seiner Haut hervor als könne er die Illusion eines menschlichen Äußeren nicht länger vollständig aufrecht erhalten. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht nach seiner Hand zu greifen. Bis jetzt hatte sie noch nicht einmal die Gelegenheit gehabt, ihm zu danken, dass er sie nach ihrer Implantation vor schweren Schäden bewahrt hatte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, es wieder gut machen zu müssen.
Liam redete die ganze Zeit auf Da'an ein. Versuchte, ihn dazu zu bewegen, ihm zu erzählen, was er mit dem toten Wissenschaftler besprochen hatte. Endlich warf sie ihm einen mahnenden Blick zu und er verstummte. Mit einem Achselzucken erhob er sich und ging zu Augur, um ihm bei der Vorbereitung des zweiten Gästezimmers zu helfen.
Lili lehnte sich ein wenig vor, um dem Taelon ins Gesicht sehen zu können.
„Da'an?”, fragte sie leise.
Er öffnete die Augen und sah sie schweigend an.
„Ich ... ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll”, sie schüttelte leicht den Kopf, „ ... wir haben uns so lange nicht gesehen.”
Er senkte den Kopf und blickte auf seine Knie.
„Ich weiß, Sie sind wahrscheinlich wütend auf mich ... hassen mich sogar vielleicht.”
„Warum sollte ich?”, fragte er leise.
„Nun, immerhin habe ich versucht, das Mutterschiff zu vernichten.”
„Wie Sie schon sagen: Sie haben es versucht! Ich kann nicht sagen, dass ich sonderlich erfreut darüber war ... allerdings verstehe ich Ihre Beweggründe.”
„Wenn Sie nicht wütend auf mich sind ... warum haben Sie dann so lange ein Gespräch mit mir vermieden?”
Augur und Liam kehrten zurück und entbanden den Companion von einer Antwort. Zumindest vorerst. Der junge Beschützer bot Da'an eine Hand an, um ihm aufzuhelfen. Doch der Taelon nahm sie nicht, sondern erhob sich aus eigener Kraft und folgte dem Hacker langsam zu dem für ihn vorgesehenen Raum.
„Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft, Augur.”
„Nichts zu danken.” Über die Schulter meinte er grinsend zu Liam. „Du solltest lieber bald mit Renee reden. Das kostet euch mindestens den Van Gogh.”
Liam grinste zurück und ließ sich seufzend neben Lili auf das Sofa fallen. Die ehemalige Shuttle-Pilotin starrte nur vor sich hin. „Hey, was ist los?”, fragte er verwundert.
„Ich frage mich, was mit Da'an los ist.”
„Das frage wir uns wohl alle.”
Sie stand auf und begann, auf und ab zu wandern. „Es scheint so als stimme etwas nicht mit seiner Energie. Er kann ja seine Fassade kaum noch aufrecht erhalten. Vielleicht sollten wir Dr. Belman fragen.”
„Auch Sie weiß wenig über die Physiologie der Taelons.”
„Verdammt, Liam, was haben Sie sich dabei gedacht, Ihn hierher zu bringen? Vielleicht stirbt er!”
„Hätte ich ihn nicht hergebracht, wäre er mit Sicherheit gestorben!”, erwiderte der Hybrid scharf.
„Dann schlage ich vor, dass Sie sich mal ganz schnell nach einer Energiequelle für ihn umsehen!”, meinte sie in ebenso scharfem Ton.
Liam erhob sich seufzend und ging in Richtung Fahrstuhl. Dort angekommen traf er auf Boone, der den Aufzug gerade verließ.
„Wo ist er?”, fragte der ältere Beschützer.
„Augur hat ihn in einem seiner Gästezimmer untergebracht.” Damit stieg der Major in den Fahrstuhl und die Türen schlossen sich hinter ihm. Boone ging zu Lili hinüber, die sich inzwischen wieder auf das Sofa gesetzt hatte.
„Wie geht es ihm?”
„Ich fürchte nicht sehr gut ... Will?”
„Ja?”
„Was sollen wir machen, wenn sich sein Zustand verschlechtert?”
Er seufzte und zuckte die Achseln. „Ich hoffe, wir können seine Unschuld beweisen, bevor es dazu kommt.”
„Wie willst du das schaffen? Sowohl die Polizei als auch die Synode sehen doch in ihm den Schuldigen.”
„Ich muss versuchen herauszufinden, worüber sie geredet haben. Vielleicht ergibt sich daraus etwas. Ansonsten werde ich mich mal mit der Familie des Opfers unterhalten.”
Augur kam zurück und begrüßte den Commander. „Da habt ihr mir ja was schönes eingebrockt, Leute. Jetzt beherberge ich auch noch einen Alien!”
„Kann ich ihn sehen?”, fragte Boone.
„Es ist dein Companion.” Damit machte er eine großzügige Geste zu dem Flur, der zu den Gästezimmern führte.
Boone lächelte über diese Besitzzuweisung, ‚sein’ Companion, und folgte der Geste.
Leise klopfte er an die Tür.
„Ja?”, fragte eine Stimme von der anderen Seite und er trat ein.
„Commander Boone.” Da'an lächelte leicht.
„Wie geht es Ihnen”, fragte der Beschützer besorgt, während er die Tür hinter sich schloss.
Da'an senkte den Kopf.
„Also nicht sonderlich gut”, stellte Boone fest und setzte sich neben den Taelon auf das Bett.
„Hat die Synode bereits Schritte gegen mich in die Wege geleitet?”, fragte der Taelon, um das Thema zu wechseln.
„Zo'or hat mich kontaktiert und nach Ihrem Aufenthaltsort gefragt.”
„Ich nehme an, Sie wussten von nichts”, vermutete der Companion.
„Natürlich nicht. Da'an ... Warum haben Sie dem Detective verschwiegen, wo Sie zur Tatzeit waren?”
Der Außerirdische verlor die Kontrolle über seine Fassade und schien sie nur unter größter Anstrengung wieder zu erlangen. „Weil ... ich mich nicht daran erinnern kann.”
Geschockt starrte Boone ihn an. „Und warum ...” Er brach ab, denn die Antwort auf die Frage, die er gerade stellen wollte, zeigte sich ihm von selbst in furchtbarer Klarheit. „Sie glauben selbst, dass Sie es waren, nicht wahr?”
Da'an sah ihn betrübt an. „Solange wir es nicht mit Sicherheit wissen, sollten Sie mich isolieren ... damit niemand zu Schaden kommt.”
„Hatten Sie nach dem Mord an Dr. Reed noch einmal ein solches ... ‚Black Out'?”
„Nur kurze. Das erste dauerte etwa sechs Stunden, die weiteren höchstens eine halbe Stunde.”
„Sehr seltsam. Warum haben Sie keinen Taelon-Heiler aufgesucht?”
„Ich weiß nicht ... vielleicht, weil ich Angst vor den Konsequenzen hatte. Sie erinnern sich an Rho'ha ...”
„Natürlich. Aber meinen Sie wirklich, man hätte Sie gezwungen, sich selbst zu töten?”
„Man hätte mich nicht zwingen müssen. Hätte ich die Gewissheit, dass ich eine Bedrohung für meine Spezies darstelle, würde ich freiwillig die Leere wählen”, sagte Da'an ruhig.
Boone sah ihn besorgt an. „Dann werde ich Ihnen den Beweis bringen, dass Sie es nicht sind.”

 
* * *
 

*Da Da'an es offenbar nicht für notwendig erachtet, vor der Synode zu erscheinen, spreche ich hiermit das He'sha'ji über ihn aus!*
Ein Raunen ging durch das Gemeinwesen, als der Synodenführer das Urteil über seinen Chi'ma'hé verkündete. Viele waren der Ansicht, dass das He'sha'ji, die Isolation eines Individuums aus dem Gemeinwesen ohne seinen vollständigen Ausschluss, eine schlimmere Strafe sei als der Übergang in die Leere, in dem das He'sha'ji meistens endete.
Hätte To'ar nicht bestätigt, dass eine Krankheit, die er an seiner Energiesignatur erkannt hatte, Da'an zum Mord an einem Menschen getrieben hatte, hätten sich wohl die meisten Taelons gegen dieses Urteil aufgelehnt. Das Leben eines ihrer Spezies war kostbar ... vor allem in diesen Zeiten. Doch ein Taelon, der an einer Krankheit leidete, die vielleicht auch das Gemeinwesen befallen konnte, musste um jeden Preis isoliert werden. Das Wohl ihrer Spezies stand über dem Wohl des Individuums. Eine bittere Wahrheit.
Der Synodenführer nahm den Aufruhr im Gemeinwesen nur unbewusst wahr. Seine Gedanken schweiften ab ... zu einem ganz bestimmten Raum auf der Mondbasis ... und insgeheim suchte er nach verwandtschaftlichen Ähnlichkeiten ...

 
* * *
 

Leise klopfte sie an die Tür. Als sie keine Antwort erhielt, klopfte sie noch einmal und nachdem sie wieder keine Antwort erhielt, betrat sie auf Zehenspitzen das Zimmer. Der Taelon saß mit dem Rücken zu ihr gewandt auf dem Bett und regte sich nicht.
„Da'an?”, fragte sie leise.
Keine Antwort. Sie schloss die Tür hinter sich, ging um das Bett herum und sah besorgt auf den Companion hinab. Er hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Seine Hände ruhten bewegungslos auf seinen Knien. Sein Energiemuster schimmerte durch seine „Haut” hindurch. Die Frage „Alles in Ordnung?” sparte sie sich bei diesem Anblick lieber. „Da'an?”, fragte sie noch einmal und ging vor ihm in die Hocke, um in sein Gesicht sehen zu können.
Langsam öffnete er die Augen und sah sie an als habe er Mühe, sich auf sie zu konzentrieren.
„Lili, Sie ... sollten besser nicht hier sein”, presste er schließlich heraus.
„Warum?”
„Ich ... kann nicht für Ihre Sicherheit garantieren ... solange dieser Mord nicht aufgeklärt ist.”
„Sie glauben doch nicht wirklich, dass Sie es waren!”
„Es ist irrelevant, was ich glaube oder nicht ... das Risiko, dass ich Sie verletzen könnte ist ...”
„Nun, aber ich glaube daran, dass Sie mir nichts antun!”, unterbrach sie ihn.
Er sah sie fast flehend an. „Bitte! Gehen Sie!”
Sie seufzte und stand auf. „Wie Sie wollen. Aber falls Sie sich doch Gesellschaft wünschen: Mein Zimmer ist zwei Türen weiter.” Als sie an der Tür war, drehte sie sich noch einmal um. Sie wollte ihm helfen, aber sie wusste nicht, wie. Der Taelon saß immer noch in sich zusammen gesunken auf dem Bett. Leise verließ sie das Zimmer und schloss die Tür.
Langsam ging sie in ihr Zimmer und setzte sich auf ihr eigenes Bett.
Sie fühlte sich so hilflos ... zwei Türen weiter saß ein guter Freund und litt ganz offenbar an etwas ... und alles, was sie tun konnte, war, ihm ihre Gesellschaft anzubieten. Wie erbärmlich! Sie wünschte sich, nach draußen gehen und Boone bei der Suche nach Beweisen für Da'ans Unschuld helfen zu können. Aber sie musste hier bleiben, in diesem unterirdischen Gefängnis, und zusehen, wie er ...
Nein, sterben würde er nicht! Das würde sie nicht zulassen! Aber wie konnte sie ihm helfen, wenn er sich selbst isolierte? Mit einem resignierten Seufzen ließ sie sich nach hinten fallen und starrte an die Decke. Er hatte sie zurückgeholt ... wahrscheinlich wäre sie auf diesem Operationstisch gestorben, hätte nicht eine geistige Hand sie wieder ins Licht gehoben. Und Sie hatte nicht einmal die Chance, es wieder gut zu machen! Was, wenn die Synode ihn verurteilte? Mit seinem verdammten Pflichtbewusstsein würde er wahrscheinlich der Aufforderung, sich selbst zu töten, ohne Zögern nachkommen. Aber woher nahm sie das Recht, darüber zu urteilen? Sie selbst hatte sich durch ihr Pflichtbewusstsein beinahe umgebracht ... und viele Hunderte mit dazu. „Das Opfer eines einzelnen Lebens wiegt weniger als das Wohl der Gesamtheit.” Aber das ganze sah schon ganz anders aus, wenn ein guter Freund dieses Opfer sein sollte.
Während sie darüber nachdachte, fielen ihr langsam die Augen zu und sie schlief ein.

 
* * *
 

Stille ... seine eigenen Gedanken hallten durch die Leere in seinem Geist ... die anderen waren fort ... die Stimmen verstummt ... er hatte das Gefühl zu fallen, bodenlos zu fallen in einen tiefen Abgrund aus Stille und Dunkelheit ... die geistige Einsamkeit fraß sich durch seine Gedanken ... aber er durfte nicht ihre Gesellschaft suchen, durfte nicht zu ihr gehen ... doch lange hielt er diese Stille nicht mehr aus ... Gefühle, befreit von den Ketten des Gemeinwesens ... Angst ... hatte er sie schon früher empfunden? Wenn ja, dann hatte das Gemeinwesen es unterdrückt ... hatte dieses Gefühl gedämpft ... wie ein Messer, das man mit einem Tuch umwickelte ...
Er presste die Hände an die Seiten seines Kopfes. Stille! Wie ertrugen die Menschen sie nur, diese seelische Einsamkeit? Dieses Gefühl, alleine mitten in einem dunklen Raum zu stehen und nichts zu hören außer den eigenen Gedanken?
Erinnerungen durchfluteten seinen Kopf ... vergangene Schrecken, die er neu durchlebte ... intensiver durchlebte als damals ... das Dahinscheiden von Freunden ... Trauer ... Wut ... Angst ... alles stürzte auf ihn ein. Ein Zittern lief durch seinen Körper ... diese Stille ... allein mit seinen Gedanken, ohne das leise Flüstern seiner Artgenossen ... ohne die Geborgenheit des Gemeinwesens ... verloren ...
Langsam erhob er sich und ging mit unsicheren Schritten zur Tür. Einen Augenblick lang blieb er stehen, versuchte, seine Gedanken zu ordnen, so gut es ging. Dann trat er auf den Gang hinaus und bewegte sich langsam zu Lilis Zimmer, während er sich mit der Hand immer wieder an der Wand abstützen musste. Die Kontrolle über seine Fassade hatte er längst verloren und sein Energiemuster flackerte von Zeit zu Zeit unnatürlich hell auf. Leise klopfte er an ihre Tür und trat ein.
Sie lag reglos auf ihrem Bett und eine Sekunde lang überkam ihn wieder die Angst. Hatte er wieder ein Black Out gehabt? Hatte er ihr doch etwas angetan? Zitternd trat er näher und sah auf sie hinab. Erleichtert stellte er fest, dass sich ihre Brust gleichmäßig hob und senkte. Sie schlief, das Gesicht leicht zur Seite gewandt, die eine Hand neben ihren Kopf, die andere entspannt auf ihren Bauch gelegt.
Leise, um sie nicht zu wecken, ließ er sich auf den Boden neben ihrem Bett nieder. Gerne hätte er ihre Hand genommen, hätte eine Verbindung zu ihr hergestellt ... doch er wollte es nicht ohne ihr Einverständnis tun und wecken wollte er sie auch nicht. So saß er eine ganze Weile einfach da und sah sie an. Im Schlaf hatte ihr Gesicht die Maske verloren, die sie in wachem Zustand trug. Die Verschlossenheit war einem friedlichen, sanften Ausdruck gewichen. Frieden ...
Die Kälte der geistigen Einsamkeit kroch wieder in ihm hoch. Er schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. ‚Lili, bitte, wach auf’, dachte er verzweifelt. Sie bewegte sich ein wenig und er sah, wie sie tatsächlich blinzelnd die Augen aufschlug. Hatte sie ihn gehört?
Als sie die Gestalt neben ihrem Bett entdeckte, erschrak sie zunächst etwas, entspannte sich aber, als sie ihn erkannte.
„Es .. es tut mir leid”, sagte er leise.
„Das muss es nicht”, erwiderte sie mit einem leichten Lächeln. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich in seiner Energieform befand, und bemühte sich, seine Fassade wieder zu erlangen. Lili hob abwehrend die Hand. „Sparen Sie sich die Kraft. Mich stört Ihre wahre Gestalt nicht ... im Gegenteil.”
Überrascht sah er sie an. „Im Gegenteil? Aber ich dachte, Menschen fühlen sich wohler, wenn wir unsere Fassade tragen.”
Sie neigte den Kopf etwas zur Seite und imitierte ihn so unbewusst. „Das mag auf Menschen zutreffen, die Sie nicht kennen. Vor mir brauchen Sie sich nicht zu verstecken. Ehrlich gesagt ... ich finde Ihre Energieform wunderschön.” Bei den letzten Worten war ihre Stimme immer leiser geworden.
Überrascht wollte er gerade zu einer Antwort ansetzen, als ein erneutes Zittern durch seinen Körper lief.
„Was ist?”, fragte Lili besorgt.
„Es... es geht mir gut”, brachte er gerade noch heraus.
„Das soll wohl ein Scherz sein. Was ist los?”, fragte sie noch einmal sehr sanft.
„Ich ... wurde aus dem Gemeinwesen isoliert”, presste er unter erneuten Zitteranfällen heraus. Er war nicht sicher, ob es von seiner Krankheit kam oder ob die Isolation ihre Wirkung tat.
„Oh mein Gott!”, flüsterte Lili. „Aber ... müssten Sie sich dann nicht in einen Atavus zurückverwandeln?”
„Ich wurde isoliert ... nicht abgetrennt.” Er sah sie an und in seinen Augen stand eine stumme Bitte.
Sie schien zu verstehen, denn ohne ein weiteres Wort hielt sie ihm einladend beide Hände hin, die Handflächen nach oben gewandt.
Mit einem dankbaren Seufzen nahm er sie, schloss die Augen und stellte ein Verbindung her...

 
* * *
 

Boone saß nur noch kopfschüttelnd in seinem Büro und starrte auf den Bildschirm, auf dem gerade eine Nachrichtensendung lief:
„Wie uns soeben mitgeteilt wurde, ist der bisherige Companion für Nordamerika, Da'an, seines Amtes enthoben worden, da er unter dem Verdacht steht, Dr. Lucius Reed, einen Wissenschaftler einer gemeinsamen Forschungseinrichtung von Taelons und Menschen, ermordet zu haben. Näheres ist noch nicht bekannt, doch der Führer der Taelonsynode hat für morgen eine Pressekonferenz angesetzt.”
Mit einer ärgerlichen Handbewegung schaltete er den Bildschirm ab. Er stützte den Kopf in die Hände und starrte nachdenklich auf seine Tischplatte. Wer hatte Reed ermordet? Seine Frau? Nein, er hatte mit ihr gesprochen. Sie war nicht der Typ. Außerdem, warum hätte sie Beweise fälschen sollen, um Da'an die Schuld zuzuschieben? Dasselbe galt für die Kinder. Es gab kein übermäßig großes Erbe, das den Aufwand gelohnt hätte. Also, wer konnte primär ein Interesse daran haben, Da'an einen Mord anzuhängen?
Er hörte Schritte, die sich seinem Büro näherten und sah auf. Eine zierliche Frau bog um die Ecke und blieb in einiger Entfernung von seinem Schreibtisch stehen. Er erhob sich und kam hinter seinem Tisch hervor.
„Kann ich Ihnen helfen?”, fragte er verwundert. Dann fiel ihm der Skrill auf, der unter dem Ärmel ihrer Jacke hervorlugte.
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Commander Boone. Mein Name ist Melanie Harris. Ich bin Agent Sandovals neue Assistentin.”
„Die Freude ist ganz meinerseits. Wie kann ich Ihnen helfen?”, fragte er noch einmal.
Sie trat an ihm vorbei ans Fenster und sah hinaus. „Zo'or schickt mich, Sie über Da'ans Verschwinden zu befragen”, erklärte sie kühl.
„Ich habe ihm bereits gesagt, dass ich nicht weiß, wo Da'an sich momentan aufhält.”
Sie warf ihm über die Schulter einen kurzen, spöttischen Blick zu. „Er scheint Ihnen nicht zu vertrauen.”
„Ihnen allerdings schon”, stellte er lächelnd fest.
Sie wandte sich zu ihm um und sah ihn ausdruckslos an. „Das spielt im Moment keine Rolle.” Sie trat einen Schritt näher. „Hat Da'an irgend etwas gesagt, bevor er verschwand?”
„Nein.” Er erwiderte ihren Blick forschend. Konnte er ihr vertrauen? Wenn ihr MI funktionierte, musste auch sie ein Interesse daran haben, Da'an zu retten. Allerdings konnte Zo'or ihr auch eingeredet haben, dass Da'ans Tod dem Wohl aller Taelons diente.
„Hat die Synode bereits über Da'ans Schicksal entschieden?”, fragte er.
Sie nickte leicht und wandte sich wieder dem Fenster zu. „Das genaue Urteil ist mir allerdings nicht bekannt.” Nach einer Pause fuhr sie fort: „Hören Sie, ich habe kein Interesse daran, Da'an Schaden zuzufügen. Aber soweit ich von Zo'or informiert wurde, leidet er an einer Krankheit und daher muss er umgehend in die Obhut eines Taelon-Heilers übergeben werden.”
Er starrte auf die Tischplatte vor sich. „Sie erinnern sich doch bestimmt an ...”
„Den Rho'ha-Fall”, unterbrach sie ihn. „Ja, ich wurde darüber informiert. Doch handelte es sich dabei um ein missglücktes Experiment, nicht um eine Krankheit. Wahrscheinlich kann Da'an geheilt werden.”
„Und was, wenn nicht?”, fragte er mit einem müden Lächeln.
Sie wandte sich wieder ihm zu und sah ihn durchdringend an. „Seine Überlebenschancen sind auf jeden Fall höher, wenn er der Synode übergeben wird ... egal, wo Sie ihn versteckt haben, Boone.”
„Warum gehen Sie davon aus, dass ich ihn versteckt halte? Könnte es nicht sein, dass er vom Widerstand entführt wurde?”
„Das wäre etwas unklug, finden Sie nicht?”, meinte sie stirnrunzelnd. „Was will man mit einer Geisel, die einem unter den Händen wegsterben könnte?”
„Vielleicht wussten Sie nichts von seinem Zustand.”
„Dann hätten sie es aber bald gemerkt und sich mit der Lösegeldforderung etwas beeilt. Doch bis jetzt ist nichts dergleichen an die Synode gerichtet worden.”
„Vielleicht hat Da'an selbst die Flucht ergriffen.”
„Dazu dürfte er ohne Hilfe kaum in der Lage gewesen sein, Commander.” Sie sah ihn vielsagend an.
Boone wurde dieses Spielchen allmählich unangenehm. „Sagen Sie, haben Sie Da'an jemals kennengelernt?”, fragte er, um das Thema zu wechseln.
Sie senkte den Blick und ballte die Hände zu Fäusten. „Ja, Sandoval hat mich ihm vorgestellt, kurz nachdem ich meinen Skrill erhielt.”
„Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?”, Er trat einen Schritt auf sie zu und sah ihr forschend ins Gesicht. Das Thema schien ihr unangenehm zu sein.
„Er wirkte ... freundlich, sanft, warmherzig ... ich weiß nicht.”
„Glauben Sie wirklich, dass er einen Mord begehen könnte?”
Sie hob den Blick und sah ihm direkt in die Augen. „Unter normalen Umständen: Nein, wahrscheinlich nicht. Aber er ist krank, Commander ... er hat sich verändert.”
„Woher wollen Sie das wissen? Haben Sie ihn gesehen, während er krank war?”
„Nein”, erwiderte sie leise.
„Dann verlassen Sie sich nur auf die Aussage Zo'ors?”
Schweigend starrte sie ihn an.
„Hören Sie, ich glaube nicht, dass Da'an etwas mit diesem Mord zu tun hat. Aber ich brauche Hilfe, um seine Unschuld zu beweisen.”
„Und Sie bitten mich, Ihnen zu helfen?”, fragte sie mit einem spöttischen Lächeln.
„Wir dienen beide den Taelons. Wenn einer von ihnen in Gefahr ist, müssen wir ihn beschützen. Das bestimmt unser Motivations-Imperativ. Jemand versucht, Da'an diesen Mord anzuhängen, damit die Synode ihn verurteilt, und vielleicht wird er nicht der letzte sein. Eine interessante Methode, die Taelons zu bekämpfen: Lasst sie sich gegenseitig töten. Vielleicht hat das Ganze größere Ausmaße als wir bisher angenommen haben.” Er streckte ihr die Hand hin. „Wollen Sie mir helfen?”
Sie starrte auf seine dargebotene Hand, ging dann langsam einige Schritte auf ihn zu und nahm sie.

 
* * *
 

Der Wagen hielt vor einem Haus mit kleiner Rasenfläche davor. Eine penibel geschnittene Hecke säumte die Garagenauffahrt und sorgfältig gepflegte Ziersträucher überschatteten den Kiesweg, der zur Haustür führte.
Seine Beifahrerin wandte sich zu ihm um. „Was suchen wir hier?”, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
„Hier wohnt Josey Fielding, die Assistentin von Dr. Reed.”
„Und?”
„Nun, in erster Linie hat ihre Aussage den Verdacht auf Da'an gelenkt.”
Melanie verengte die Augen ein wenig und nickte. „Sie wollen versuchen aus ihr heraus zu bekommen, ob jemand sie bestochen hat?”
„Ganz genau.” Damit stieg er aus dem Wagen und machte sich auf den Weg zur Haustür. Sie folgte seinem Beispiel und erreichte die Tür in dem Moment, als sie geöffnet wurde. Ein kleiner Junge, vielleicht fünf Jahre alt, sah mit großen Augen zu ihnen auf. Boone lächelte. „Hallo, ist deine Mutter zu Hause?”
Der Knirps starrte seine Begleiterin an und rief nur über die Schulter zurück ins Haus: „Mum, kommst du mal?” Dann musterte er sie wieder stumm und verschwand ohne ein Wort im Haus, als seine Mutter an die Tür kam.
„Ja, bitte?”
„Guten Tag, ich bin Commander William Boone und das ist Agent Harris. Wir möchten Ihnen noch einige Fragen stellen.” Dabei zeigte er ihr seinen Ausweis.
Sie machte keine Anstalten sie hereinzubitten. „Ich habe bereits alles ausgesagt!”
„Vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas Wichtiges ein, wenn Sie uns die Geschichte noch einmal erzählen”, meinte er mit einem freundlichen Lächeln.
Seufzend öffnete Josey die Tür ganz und trat einen Schritt zur Seite. „Meinetwegen. Kommen Sie herein.”
Sie führte sie in ein ordentliches, helles Wohnzimmer und bot ihnen Plätze auf einem Sofa an, während sie sich in einem Sessel niederließ.
„Hören Sie, es wäre mir ganz lieb, wenn wir das schnell hinter uns brächten.”
„Ich werde mich bemühen. Sie haben ausgesagt, dass Dr. Reed nach dem Gespräch mit Da'an aufgeregt war. In welcher Weise aufgeregt?”
„Ich weiß nicht ... als ich, nachdem der Companion gegangen war, in sein Büro kam wirkte er etwas aufgebracht. Er fand einige Akten nicht mehr und wühlte wie wild in seinen Schubladen, obwohl sie auf dem Schreibtisch lagen ...”
„Vielleicht war er auch einfach überarbeitet?”
Sie schwieg und starrte auf die Obstschale auf dem Couchtisch.
„Sie müssen verstehen, Ihre Aussage lenkt die Aufmerksamkeit der Polizei auf das Gespräch zwischen ihrem Chef und dem nordamerikanischen Companion.”
Sie schwieg weiterhin.
Melanie, die bis jetzt still auf dem Sofa gesessen und zugehört hatte, stand auf und begann durch den Raum zu wandern. Vor einer Vitrine mit feinem Porzellan blieb sie stehen. „Sie scheinen ganz gut zu verdienen, Mrs. Fielding.”
Verwirrt durch den Themenwechsel drehte die Angesprochene sich in dem Sessel um. „Nun ja, mein Job war gut bezahlt und auch mein Mann verdient nicht schlecht.”
„Ihr Mann ist Anwalt, richtig?” Sie wartete die Antwort nicht ab. „Es muss schwierig sein ein so großes Haus zu erhalten und gleichzeitig eine anstrengende Arbeit wie die der Assistentin eines Wissenschaftlers auszuführen. Nicht zu vergessen: Ein Kind zu versorgen.”
„Worauf wollen Sie hinaus?”, fragte Josey misstrauisch.
„Auf gar nichts”, meinte die Companion-Agentin mit freundlichem Lächeln und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder, wobei die Ärmel ihrer Jacke wie unbeabsichtigt etwas hochrutschten.
Es entging der Frau nicht und auch Boone warf einen skeptischen Seitenblick auf ihren Skrill.
„Ich glaube, es ist besser, wenn Sie jetzt wieder gehen!”, meinte Josey scharf und erhob sich. Sie führte sie zur Haustür und schloss sie so schnell sie konnte, ohne unhöflich zu wirken.
„Fehlte nur noch, dass Sie ihr den Skrill an den Kopf gehalten hätten!”
„Ganz ruhig, Boone. Ich habe sie doch nicht bedroht!”
„Aber es fehlte nicht mehr viel!”
Ärgerlich wandte sie sich zu ihm um. „Wenn Ihnen meine Methoden nicht passen, dann hätten Sie nicht um meine Hilfe bitten sollen.”
„Schon gut, schon gut. Aber das nächste Mal halten Sie sich raus, ja?”
„Das nächste Mal durchsuche ich die Daten der Bank dieser Frau nach ungewöhnlich hohen Einzahlungen auf ihr Konto und unterhalte mich nicht mit ihr!”
„Und woher wollen Sie wissen, dass es dabei um Geld geht? Vielleicht wird sie auch erpresst? Sie hat immerhin ein kleines Kind.”
„Und warum, Commander, haben Sie dann noch keine Leute abgestellt, um sie überwachen zu lassen?”
Ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Genau das habe ich vor.”

 
* * *
 

Ein wunderbar warmes Gefühl durchströmte sie. Es war wie ein langes Gespräch zwischen alten Freunden, nur dass sie keine Worte benutzten, um Erinnerungen und Gedanken zu beschreiben, sondern sie direkt vermitteln konnten. Außerdem hatte es den angenehmen Nebeneffekt, dass es sie von ihren Alpträumen ablenkte. Sie hatte sie aus ihrem Geist verbannt, solange sie geistig mit ihm verbunden war. So schlecht, wie es ihm ging, sollte er sich nicht auch noch um sie Sorgen machen müssen. Statt dessen zeigte sie ihm ihre Erinnerung an die glücklicheren Phasen ihrer Jugend, erzählte ihm in Gedanken von Freunden, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Er schien ihre Gegenwart zu genießen, lauschte ihren Gedanken, nahm dankbar jede Erinnerung von ihr auf ... Wie Wasser für einen Verdurstenden, dachte sie.
An ihren Sabotageakt auf dem Mutterschiff verschwendeten sie beide dieses Mal keinen Gedanken.
Doch er zeigte relativ wenig von sich, deutete im Geiste nur einige Ereignisse aus seiner Jugend an. Nur eine Erinnerung war sehr deutlich.
Sie sah die Bilder vor ihrem geistigen Auge. *Ist das Taelon?*, fragte sie.
*Ja*, erwiderte er traurig. *Oder vielmehr: Das war es.*
Sie spürte den Schmerz über den Verlust in ihm. Der Krieg hatte so viel Schönes zerstört und doch gelang es den beiden Spezies nicht, Frieden zu schließen. *Ihr könnt nicht mehr nach Hause*, stellte sie verbittert fest.
Er war verwirrt über diese Formulierung, bestätigte es jedoch.
*Habt ihr nie daran gedacht, eine neue Heimat zu suchen?*
*Warum? Damit die Jaridians auch diese zerstören? Nein, ohne Frieden wird mein Volk keine Ruhe finden:*
*Also betrachtet ihr die Erde wirklich nur als militärischen Stützpunkt und die Menschen als potentielle Krieger für euer Heer.*
*Nein, Lili. Es ist mehr ... viel mehr.*
Sie wartete, doch er hatte den Gedankengang abgebrochen. So beschloss sie, das Thema zu wechseln.
*Was werden Sie...* Sie brach ab. Die förmliche Anrede wirkte in der geistigen Verbindung so fehl am Platze, dass sie noch einmal begann: *Was wirst du tun, wenn Boone die Synode nicht überzeugen kann?*
*Ich weiß nicht. Ich werde mich der neuen Situation wohl anpassen müssen.*
*Und wie wirst du die Stille ertragen?*, fragte sie besorgt.
Er sah sie sanft an. *Ich hoffe doch, dass das nicht die letzte geistige Verbindung ist, die du mit mir eingehst.*
*Natürlich nicht, aber wir können schlecht händchenhaltend überall herumlaufen.*
Der Gedanke schien ihn zu amüsieren. *Du machst dir Sorgen, was Augur und Boone denken könnten?*
*Ja, das auch.* Sie konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. *Aber es gibt so gewisse Orte, an die geht selbst der Kaiser allein.*
Irritiert sah er sie an. Bei diesem Anblick fing sie an zu lachen. Er las ihre Gedanken und fing nun ebenfalls an zu lächeln. *Keine Sorge, es gibt auch die Möglichkeit eine geistige Verbindung ohne direkten Kontakt zu erhalten. Allerdings ...* Er brach ab und sie fühlte eine unbestimmte Sorge in ihm.
*Was?*, fragte sie sanft.
*Es ... es würde dir weh tun. Zumindest im ersten Moment.* Er spürte ihre Furcht und bereute seinen Vorschlag. Sie hatte selbst genug gelitten. *Schon gut, Lili. Für einige Stunden ertrage ich die Stille. Und unsere Verbindung muss auch nicht jedes Mal so lange andauern.*
*Da'an ... ich ...*
Sanft löste er seine Hände von den ihren und stand auf. „Schon gut, Lili”, sagte er noch einmal laut. Damit verließ er ihr Zimmer und kehrte in seines zurück.

 

 

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