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  „Wo Mohnblumen blüh'n....” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Herbst 2000
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Das zitierte Lied ist „Es ist an der Zeit” von Hannes Wader. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Ein junges Mädchen besucht ein Freiwilligenrekrutierungszentrum
Zeitpunkt:  Ende der zweiten Staffel
Charaktere:  kein bekannter Charakter aus der Serie (okay, einer, aber nur ein ganz kurzer Auftritt), ansonsten: Katja, Lisa, Kevin, Te'lar [Anna, Yvonne, Tilo, Mike]
 
Anmerkung:  Diese Geschichte gehört zu einem Board-Spiel, bei dem man in seiner Geschichte drei vorher ausgewählte Begriffe unterbringen mußte. Die vorgegebenen Begriffe waren...
 

 

WO MOHNBLUMEN BLÜH'N....

 

Teil 1
 

„Du weißt, ich hasse dieses labbrige Zeug!” Katja, stieß die durchsichtige Plastikschüssel mit dem durchweichten Gurkensalat von sich. Sie segelte über den Tisch, stieß gegen einen dreckigen Topf und kippte um. Der Inhalt sickerte über die alte Zeitung und sah nun noch unansehnlicher aus als zuvor.
„Undankbares Ding! Da geh ich extra für dich in den Supermarkt...”
„Extra, pah! Du hast neuen Schnaps gebraucht, dass ist alles!”
„Du kleines Miststück. Mach, dass du hier rauskommst.”
Katja beobachtet gelassen wie ihre Mutter ein Frühstücksbrett nahm und nach ihr warf. Sie musste nicht einmal ausweichen. Ihre Mutter traf nie etwas, heute weniger als früher.
„Ok, ich gehe.”
„Und du brauchst gar nicht mehr wieder zu kommen!”
Das Mädchen machte ein verächtliches Gesicht. Grob stieß sie die ältere Frau beiseite und schlug die Tür hinter sich zu.

Kurze Zeit später fand sie sich auf der nächtlichen Straße wieder. Sie war nicht richtig wütend, nicht einmal aufgebracht oder gar traurig. Das alles war schon so oft vorgekommen. Es war wie ein Ritual, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholte. Sie würde die Nacht mit Freunden verbringen. Naja, Freunde war nicht das richtige Wort, Leute halt, die wie sie zeitweise oder auch ganz auf der Straße wohnten. Katja wusste, sie gehörte zur Elite. Sie schlief normalerweise in einem Bett, ging ab und zu zur Schule und war weder Alkoholikerin noch sonst drogenabhängig. Warum, wusste sie nicht. Es machte sie einfach nicht an. Vermutlich die Gene von ihrem Vater, wer auch immer das sein mochte. Zum Glück war sie aus dem Alter raus, in dem sie sich romantische Vorstellungen über den Kerl gemacht hatte.

Doch heute fand sie kaum jemanden an den üblichen Stellen. Weder in der Unterführung, noch am Bahnhof und noch beim Pavillon im Park war jemand den sie halbwegs ausstehen konnte. Irgendein Trottel murmelte im Vollrausch was von „Party”. Wo, war leider nicht aus ihn herauszubekommen. Also begann sie ziellos durch die Stadt zu irren.
Doch irgendwann wurde ihr kalt, dann ließ der aufziehende Nebel ihre Kleidung klamm werden und schließlich würde ihr langweilig. Frustriert lehnte sich sie gegen eine Schaufensterscheibe und starrte auf die Auslage. Blöder Laden, verkaufte Tischtücher und so ein Scheiß.

Es gab jetzt genau zwei Möglichkeiten: Entweder sie ging doch wieder heim oder in diese verdammte Taeloneinrichtung. Sie war schon zwei, drei Mal da gewesen, aus Neugierde und um sich aufzuwärmen und was zu trinken und zu essen. Aber alle waren sich einig: Das alles war nur Nepp, um irgendwelche Volltrottel dazu zu bringen, sich als Freiwillige zu melden. Allein war sie noch nie hingegangen. Immer nur mit anderen, um sich über die doofe Propaganda lustig zu machen. ‚Wir sind ja so gut zu Euch dummen Menschen!’
Verarschen konnte sie sich selbst!

Aber es gab dort heiße Schokolade und Kekse und es war auch nicht so weit wie nach Hause. Mit einem Schaudern erinnerte sich Katja an die labbrigen Gurkenstückchen auf der schmuddeligen Zeitung. Das lag mit hundertprozentiger Sicherheit immer noch da rum. Nee, dann lieber bescheuerte Werbesprüche an der Wand, außerdem taten ihr vom vielen Herumlatschen die Füße weh.

Als Katja eintrat, schlug ihr warme, aber angenehm klare Luft entgegen. Der Raum erstreckte sich über das gesamte Erdgeschoss des Gebäudes, war aber so gestaltet, dass Abtrennungen, Pflanzen und Möbel kleine Nischen schafften, die ihn gemütlich machten. Katja hatte Bilder von Taelonbotschaften und Schiffen gesehen, die allesamt blau und pink waren. Hier herrschen jedoch warme Farben vor. Es wirkte gemütlich, mehr als die anderen Male als sie da gewesen war. Sonst waren sie immer in einer ganzen Horde eingefallen, aber jetzt war kaum jemand da. Ein paar Leute, die hier arbeiten liefen umher, aber bis auf ein freundliches Nicken ließen sie sie glücklicherweise in Friede.

Katja schlenderte ein wenig herum. An einem Automaten, den sie schon kannte, ließ sie sich die erträumte heiße Schokolade heraus. Schmeckte prima, nicht so wie Automatenzeugs sonst. Und sie hatten richtigen Becher hier, keine aus Plastik. Scheinbar hatten sie hier keine Angst vor Scherben und es machte ihnen auch nichts aus, wenn etwas wegkam. Mit einem dieser Becher in der Hand wanderte sie durch den Raum und betrachtete sie sich die Bilder. Sie waren einfach nur schön. Landschaften, Blumen, Wasser, Steine und schließlich Sterne. Katja stellte erstaunt fest, dass es überhaupt keine Werbung darauf gab. Es lagen auch keine Prospekte herum. Als sie mit den anderen da gewesen war, hatten sie alle den Eindruck gehabt, die ganze Einrichtung wäre voll damit gewesen.

Katja war einmal durch den ganzen Raum geschlendert. Von einem kleinen Tisch hatte sie sich ein paar Kekse genommen und hatte damit ihren aufkommenden Hunger bekämpft. Ein paar Leute hatten sie freundlich angesehen, hatten aber, als sie weggeschaut hatte, keinen Versuch gemacht sich ihr zu nähern. Jetzt stand sie vor einer kleinen Wendeltreppe im hintersten Winkel des Raumes. Sie war von Stellwänden und hohen Pflanzen verdeckt, so dass man sie von den anderen Winkeln der Einrichtung nicht sehen konnte. Ein kleines Schild erklärte ihr, dass es hier zum „Freiwilligen-Informationscenter” ging. Katja sah sich um: Niemand war in der Nähe und auch oben war es völlig still. Sie kicherte ein wenig und kam sich sehr abenteuerlich vor, als sie wie eine Diebin nach oben schlich. Die Treppe machte eine Biegung und ging dann in einem Gang nach oben. Es war recht dunkel hier, die Wände und die Stufen schimmerten schwarz. Die einzigen Lichtquellen waren zwei weiß leuchtende Röhre, die das Geländer bildeten. Nichts erinnerte hier daran, wie es im Erdgeschoss aussah.

Von oben schimmerte Licht und Katja ergriff eine unglaubliche Neugierde. Was befand sich dort oben? Ohne Angst zu haben, war sie sehr gespannt und zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte sie das Gefühl etwas Neues, etwas Großartiges zu erleben.

Oben angekommen stockte ihr der Atem. Sie befand sich in einem ovalen Raum, der keine Wände hatte, sondern direkt im Weltall zu schweben schien. Der Boden leuchtete weiß und in der Mitte befand sich etwas erhöht eine Art Stufenpyramide aus einem glänzenden schwarzen Material. Eine Weile stand Katja nur staunend am Eingang, bevor sie ein paar Schritte in den Raum ging. Zögernd ging sie auf den Sternenhimmel zu. Sie hatte den Eindruck, dass sie, wenn sie ihre Hand ausstreckte, ins Leere greifen würde.
Vorsichtig tastete sie sich nach der Wand. Nichts, da war nichts! Katja wurde schwindelig und sie ging schnell einen Schritt zurück. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Du scheinst mutig zu sein!”
Katja schrak herum. Ein paar Schritte hinter ihr stand eine Frau in einem Taelonanzug und lächelte sie an. In ihrer Stimme war keinerlei Spott. Sie schien es erst zu meinen.

„Die meisten setzen sich erst einmal auf die unterste Stufe der Pyramide und staunen die Wände an. Kaum jemand ist so zielstrebig und untersucht sie sofort.”
Katja fühlte sich geschmeichelt und spürte wie sie rot zu werden drohte.
„Wie kommt der Effekt zustande? Ist es eine Projektion?”, fragte sie schnell, um davon abzulenken.
„Du stellst kluge Fragen.” Die Frau lächelte geheimnisvoll.
„Was ist es nun?”
„Um dir die Wahrheit zu sagen: Ich weiß es nicht. Es ist Taelontechnik.”
„Taelons...”, murmelte Katja und betrachtete die Wände. Eine Frage drängte sich ihr auf. „Warum arbeiten Sie für die Taelons?”
„Oh, das ist eine lange Geschichte. Wie sieht's aus? Hast du Hunger? Lass uns zusammen was essen, dann erzähl ich sie dir.”

Katja spürte, wie hungrig sie war und folgte der Frau. Überrascht stellte sie fest, dass sich am anderen Ende des „Raumes”, denn das war es ja wohl, ein weiterer Eingang befand. Ein dunkler Gang, der im dunklen Sternenhimmel kaum auffiel.
Sie gingen um eine Ecke und standen plötzlich in einem ganz anders gestalteten Teil des Gebäudes. Dies hier war offensichtlich taelonisch. Blau, weiß und etwas rosa waren die vorherrschenden Töne. Die Wände waren nicht mehr rechtwinklig, sondern voller Einbuchtungen, Streben und Rippen und leuchteten teilweise. Die Frau achtete nicht darauf, doch Katja staunte mit offenem Mund. Gerade noch rechtzeitig machte sie ihren Mund wieder zu, als sie in einen größeren Raum traten und ihre Begleiterin sich zu ihr umdrehte. Sie wies auf einen der Tische und Katja setze sich.
„Was willst du essen? Magst du Pilaw oder lieber einen Hamburger mit Pommes?”
„Pilaw? Was ist das?”
„Reis mit Gemüse und Fleisch und vielen exotischen Gewürzen. - Ist nicht jedermanns Geschmack”, fügte die Frau mit einem Achselzucken hinzu.
„Ich probiere es.” Katja fand, dass Pommes einfach nicht in diese Umgebung passten.
„Gut, dann nehme ich es auch. Aber auf deine Verantwortung!”, meinte die Frau mit einem Augenzwinkern.

Während ihre Gastgeberin sich an einigen Automaten zu schaffen machte und erst einmal Cola brachte, sah Katja sich um. Der Raum schien so etwas wie eine Cafeteria zu sein. Etwas entfernt an einem Tisch saßen zwei Männer in Freiwilligenuniformen. Sie nickten ihr freundlich zu, als sie ihren Blick bemerkten.
„Ich heiße übrigens Lisa”, meinte die Frau als sie schließlich mit zwei dampfenden Tellern wiederkam. „Eigentlich natürlich Elisabeth, aber wer ruft einen schon bei einem so langen Namen.”
Sie ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen und begann zu essen. So aus der Nähe sah sie älter aus, als Katja sie zuerst geschätzt hatte. Sie hatte schon leichte Fältchen um die Augen, die man auch sah, wenn sie nicht lächelte.
„Schmeckt es?”, fragte Lisa neugierig.
Katja nahm die Gabel und musterte die Füllung ihres Tellers. Reis war darauf, vermischt mit anderen Zutaten, die sie nicht erkennen konnte.
„Was ist da drin?”
Lisa lachte über ihre Skepsis.
„Das Rote, Gelbe und Grüne ist Paprika. Dann ist etwas Lammfleisch drin und getrocknete Aprikosen. Aber das Wichtigste sind die Gewürze.”
Vorsichtig nahm Katja etwas davon in den Mund. Es schmeckte ganz anders als alles, was sie bislang gegessen hatte.
„Was für Gewürze sind das? Wenn ich ehrlich sein soll, kenne ich nur Pfeffer.”
„Das ging mir bis vor ein paar Jahren auch so. Die Gewürze sind Cumin oder auch Kreuzkümmel, Curcuma, Nelke und Koriander.”
„Bis vor ein paar Jahren? Bis du zu den Freiwilligen gegangen bist?”
„Ja, genau.”
„Warum?”
„Warum ich zu den Freiwilligen gegangen bin?”
Katja nickte nur, während sie weiter aß.
„Nun, wie gesagt, es ist eine lange Geschichte. Ich war nicht immer so nett, wie ich es heute bin. Ganz im Gegenteil. Ich komme aus einer Familie, in der das ‚Nicht-Nett-Sein’ Tradition hat. Mein Vater war ein Choleriker. Er hat viel und oft geschrieen. Und meine Mutter hat zurückgeschrieen und irgendwann hatte es sich ausgeschrieen und sie haben sich getrennt. Ich und meine drei Geschwister sind bei meiner Mutter geblieben. Mit 17 hab ich dann, genau wie meine Mutter, mein erstes Kind bekommen. Dani. Er hat auch immer geschrieen. Ich hab gedacht, er macht das nur, um mich zu ärgern. Meine Mutter hat gesagt, ich müsse arbeiten gehen, wenn ich schon ein Balg anschleppe. Also, hab ich meine Lehre abgebrochen und hab im Supermarkt als Kassiererin angefangen. Langweilig! Das kannst du dir gar nicht vorstellen!”
„Meine Mutter hat das auch mal gemacht. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt leben wir von Sozialhilfe.”
„Ja, das hätten wir auch müssen, aber meine Mutter hatte Rheuma und daher eine Erwerbsunfähigenrente. Irgendwann hatte ich genug von ihrem ewigen Genörgel, ich sei doch die Älteste und solle dies und das und jenes im Haushalt machen. Also bin ich mit Dani nach Hamburg gezogen, wo ich einen Job in einer Kneipe bekommen habe. Das war keine so gute Idee. Ich bin sehr schnell in - naja, wie sagt man? - in ‚schlechte Gesellschaft’ gekommen. Ich will dir die Einzelheiten ersparen, aber es kursierten damals wie heute eine Menge Drogen. Nicht, dass ich viel von dem Zeug nahm, aber wenn man es verkaufte, konnte man damit ordentlich Kohle machen. Es dauerte nur ein knappes Jahr, bis ich mit einer Menge geschnappt wurde, die man selbst beim besten Willen nicht mehr, als ‚für den Eigenbedarf bestimmt’, bezeichnen konnte. Aber der Richter war gnädig, denn ich hatte ja einen fünf Jahre alten Sohn und war zudem im vierten Monat schwanger. Ich kam mit einer Bewährung davon, obwohl ich schon einige Jugendstrafen wegen Diebstahl im Register hatte. Man kann eine Menge anstellen, bis man ins Gefängnis muss. Besonders als Frau. Ein halbes Jahr später kam Lena zur Welt und nun konnte ich nicht mehr in der Kneipe arbeiten. Ich war aufs Dealen angewiesen, denn das konnte ich auch mit einem Kind auf dem Arm tun. Das war sogar besser, da schauen die Bullen lieber weg, denn so eine zu verhaften bringt nichts als Scherereien. Lang ging es trotzdem nicht gut. Ich will es kurz machen, aber schließlich kam ich doch in den Knast und als ich wieder raus kam, waren beide Kinder in Heimen untergebracht und ich hatte keine Chance, sie wieder zu bekommen, wenn ich nicht endlich ‚ein anständiges Leben führen würde’, wie es die Tussi vom Jugendheim ausgedrückt hat. Nur darin hatte ich überhaupt keine Übung. Ich schlug mich so durch und wurde zunehmend depressiv und in Folge dessen tabletteabhängig. Das hat sich schnell, wenn man sich an den ‚richtigen’ Arzt wendet.”
Lisa stocherte gedankenverloren in ihrem Pilaw herum. Sie sah traurig aus und Katja wollte sie aus ihren Erinnerungen reißen.
„Und dann bist du zu den Taelons gegangen.”
Lisa schenkte ihr ein schräges Lächeln.
„Nein, so klug war ich nicht. Es war vielmehr so, dass die Taelons zu mir gekommen sind. Irgendwann bin ich krank geworden. Lungenentzündung - ein typisches Zeichen von Entkräftung. Ich kam ins Krankenhaus und dort besuchte mich ein Mann in einer Freiwilligenuniform. Er fragte mich, ob ich in einem Experiment teilnehmen würde, das die Taelons an Suchtkranken durchführen würde, um ihre Krankheit zu heilen. Da er mir Geld dafür versprach, sagte ich zu. Ich hatte keine Ahnung, aber das war das Beste, was ich in meinem Leben getan habe. Ich wurde in eine Taelon-Einrichtung verlegt und nach kurzer Zeit war ich gesund. Doch es gefiel mir so gut dort, dass ich blieb und meinerseits den Patienten half. Kurze Zeit später hab ich einen Vertrag als Freiwillige unterzeichnet. Das ist jetzt fünf Jahre her.”
Katja dachte eine Weile nach.
„Dann haben dich die Taelons wieder gesund gemacht?”
„Ja, aber nicht nur das. Sie haben mir auch eine Perspektive gegeben, weil sie mich nicht sofort wieder weggeschickt haben, als es mir besser ging.”
„Und was ist mit deinen Kindern?”
„Die sind jetzt auch bei den Taelons. Ich habe sie aus dem Heim holen dürfen, als ich den Vertrag unterschrieben habe. Die Taelons haben Kindergärten und Schulen, die viel besser ausgestattet sind als alle menschlichen Schulen. Man kümmert sich dort um sie und ich sehe sie oft.”
„Das ist schön.”
Katja fühlte sich angenehm schläfrig, als hätte ihr jemand eine aufregende Gutenachtgeschichte mit einem schönen Ende erzählt. Sie schob ihren Teller von sich und stützte ihren Kopf in ihre Hände.
„Mädchen, meine Geschichte hat dich müde gemacht!”
„Nein, nein, es geht schon. Ich will noch nicht gehen.”
„Das ist auch gar nicht nötig. Komm, ich bring dich in eines unserer Zimmer und da kannst du dich erst mal ausschlafen.”
Katja ließ sich von der älteren Frau bei der Hand nehmen und aus dem Raum führen. Die Gänge, durch die sie kamen, sahen alle gleich aus und sie versuchte gar nicht erst die Orientierung zu behalten. Kurze Zeit später traten sie in ein kleines Zimmer mit einem Bett. Katja ließ sich einfach darauf fallen und merkte kaum noch wie ihr die Kleidung ausgezogen und sie zugedeckt wurde.

Als sie wieder aufwachte, fühlte sie sich wunderbar erholt. Sie wusste sofort, wo sie war und sie fühlte sich geborgen. Eine Zeitlang blieb sie einfach im Bett liegen und betrachtete die Wände. Sie waren auch hier so sonderbar geformt und schimmerten in blau und violett. Katja stich vorsichtig mit der Hand über die Oberfläche neben ihrem Bett. Sie war warm und gab ein wenig nach, wenn sie dagegen drückte. Es fühlte sich gut an.
Schließlich setzte sich Katja auf und bemerkte erst jetzt, dass sie nicht ihre eigenen Sachen, sondern einen Schlafanzug trug. Doch bevor sie sich aufzuregen begann, entdeckte sie diese auf einem kleinen Hocker. Gleich daneben war eine Öffnung in der Wand. Neugierig ging sie hindurch und fand dahinter ein Bad. Ein eigenes Bad! Mit Badewanne! Alles darin war ebenfalls aus dem sonderbaren Material, aus dem auch die Wände waren. Katja brauchte dennoch nicht lange, bis sie herausgefunden hatte, wie man - indem man über eine bestimmte Erhebung in der Wand sticht - Wasser in die Wanne laufen lassen konnte und wie man es dosierte. Nach einem ausgiebigen Bad, etwas was sie schon sehr lange nicht mehr genossen hatte, ging sie wieder in das Zimmer. Unschlüssig hob sie ihre Kleidungsstücke hoch. Irgendwie konnte sie sich nicht überwinden, sauber wie sie war, in die dreckigen, muffeligen Sachen zu steigen. Vielleicht konnte Lisa ihr ja was leihen. Sie schlüpfte wieder in den Schlafanzug. Auf einem kleinen Tisch entdeckte sie so etwas einen Monitor, wobei Tisch und Monitor fest miteinander verwachsen zu sein schienen. Wieder musste sie ein wenig probieren, denn sie fand nirgendwo einen Knopf, um ihn einzuschalten. Doch als sie mit der Hand auf eine bestimmte Weise über den Bildschirm strich, erschien ein Bild. Sie war hochzufrieden mit sich. Nicht einmal eine Stunde wach und schon hatte sie zwei Erfolgserlebnisse gehabt. Soviel schaffte sie sonst nicht in einem Monat!

Solcherart angespornt begann sie zu untersuchen, was sie mit diesem Bildschirm anfangen konnte. Die Startseite informierte sie darüber, dass sie sich im Datennetz der Taeloneinrichtung befand. Von hier aus hatte sie sowohl Zugriff zu deren offizieller Homepage und zum Internet, wie auch zum internen Netz. Aufgeregt wählte sie letzteres. Mit wachsendem Erstaunen sah sie, was hier alles gemacht wurde. Natürlich gab es einen Bereich in dem neue Freiwillige angeworben wurde. Zu Katjas großer Erleichterung war keine Lisa oder Elisabeth unter den dort Arbeitenden. Sie fand sie unter den Mitarbeitern der medizinischen Abteilung. So etwas hatten sie hier also auch. Und dann gab es die Leute, die sich unten um die hilfesuchende oder einfach nur neugierigen Gäste kümmerten. Die hatten wieder nichts mit der Abteilung zu tun, die Freiwillige anwarben. Außerdem gab es eine psychologische Beratungsabteilung und eine Abteilung, die sich mit rechtlichen Fragen beschäftigten. Es sah ganz so aus, als würden hier mehr Leute Hilfe suchen, als nur besoffene Punks und Junkies wie die, mit denen sie immer hier gewesen war. Und schließlich gab es noch eine technische Abteilung und den Sicherheitsdienst. Das war schon interessanter. Das Ganze erinnerte Katja ein wenig an Star Trek. Sie hatte die alten Folgen immer gerne gesehen. Was man wohl tun musste, um Freiwillige zu werden. Ob das so schwierig war, wie zur Sternenflotte zu kommen? Sicher nicht, aber wie fand sie das raus? Im internen Bereich gab es nur Statistiken und Auflistungen, wohin die neuen Freiwilligen geschickt wurden. Also kehrte Katja auf die Startseite zurück und ging auf die offizielle Homepage. Sie erfuhr, dass jeder genommen wurde, aber die Bereitschaft mitbringen müsse etwas zu lernen und etwas Neues zu erleben. Es würde die speziellen Begabungen jedes einzelnen ermittelt und entwickelt. Man müsse nur einen Vertrag unterschreiben.

In dem Moment hörte Katja, wie jemand an den Bereich der Wand klopfte, in dem Katja die Tür vermutete. Schnell fuhr sie mit der gleichen Bewegung über den Bildschirm, mit der sie diesen zuvor eingeschaltet hatte. Es funktionierte, das Bild verschwand.
„Herein.”
Wie erwartet, war es Lisa.

„Gut geschlafen?”
„Ja, wunderbar. Nur, tja...” Katja zeigte auf ihre Kleidung und traute sich plötzlich nicht mehr zu fragen. Lisa war so nett. Sie wollte nicht, dass sie sie für unverschämt hielt.
„Du willst etwas anderes zum Anziehen?”
Katja nickte nur.
„Kein Problem. Warte, ich hole was.”

Kurze Zeit später saß Katja in einer schwarzen Freiwilligenuniform mit Lisa in der Cafeteria und frühstückte. Sie hatte schon jede Menge Fragen gestellt. Darüber, was Freiwillige taten und wie sie lebten. Was sie erfahren hatte, klang spannend. Viel spannender als das, was sie bislang in ihrem Leben gemacht hatte. Zur Schule gehen war grauenhaft und sie war sowieso sehr schlecht und ging kaum hin. Sie wollte etwas erleben.
Bedrückt rührte sie in ihrer heißen Schokolade.
„Lisa...”
„Ja?”
„Was ist, wenn jemand zu den Freiwilligen gehen will, aber noch nicht volljährig ist?”
„Du willst zu den Freiwilligen?”
„Mhm, weiß nicht. Ich überleg nur so...”
„Warte mal.”
Lisa winkte einen Freiwilligen herüber, der an einem der Nachbartische saß.
„Thomas, wie macht ihr das, wenn Bewerber noch nicht volljährig sind?”
Der Angesprochene zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen.
„Naja, wir lassen sie ganz normal das Formular ausfüllen und gehen dann zu den Eltern. Meistens sind die schnell bereit, ihn zu unterschreiben.”
„Meine Mutter sicher nicht”, platzte Katja heraus. „Sie hasst die Taelons!” Als sie realisierte was sie gesagt hatte, wurde sie rot. „Tut mir leid...”
„Das muss dir nicht leid tun. Deine Mutter weiß wohl nicht viel von den Taelons?”
„Nein, sie hat überhaupt keine Ahnung von irgendwas. Aber sie würde niemals zustimmen.”
„Doch, dass würde sie bestimmt!”
„Wetten, dass nicht?” Katja sah den Mann herausfordernd an.
Er lachte und hielt ihr die Hand hin.
„Wetten, das doch?”
Katja schlug ein.

 

 

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