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  „Der gespiegelte Blick” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungszeitraum: Herbst 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Elaine führt ein Gespräch mit Belman, während Stella und Sa'el Strattons und Cockburns Sachen durchstöbern. Kurz darauf wird Sa'el von Zo'or „besucht” und Frank Stratton lernt seinen neuen Arbeitsplatz kennen. Wieder allein macht Stella eine unangenehme Erfahrung.
Zeitpunkt:  einige Monate nach der Ankunft der Taelons auf der Erde, kurz nach dem Unfall bei Silent Falls
Charaktere:  Elaine, Stella, Sa'el, Frank Stratton [Belman, Zo'or]
 

 

DER GESPIEGELTE BLICK

Kapitel 4: Zweifelhafte Erfolge

 

Teil 2

Frank schüttelte verächtlich den Kopf, während er noch eine Scheibe Käse auf sein Sandwich warf. Cockburn war ihm seit ihrem Zusammenstoß mehr oder weniger aus dem Weg gegangen. Und wenn sie sich doch einmal trafen, auf dem Gang oder in dem Raum, der ihnen als eine Art Küche diente, dann hatten sie kaum mehr ausgetauscht als einen Gruß.
Auch wenn Frank dieses Verhalten albern fand, war er doch nicht bereit von sich aus auf Cockburn zuzugehen. Er hatte seine Meinung deutlich gesagt und er würde nichts davon zurücknehmen. Wenn Cockburn meinte, stur sein zu müssen und es selbst in ihrer Situation für ein Verbrechen hielt, mit den Taelons zusammenzuarbeiten, so sollte er in seinem Saft schmoren. Immerhin konnte er ihm so keine Vorhaltungen machen...

Frank nahm sein Essen und ging demonstrativ laut in den großen Raum. Wenn Cockburn wusste, dass er sich dort befand, dann würde er in seinem Zimmer bleiben und ihn nicht belästigen. Denn als Belästigung empfand er dessen ewig vorwurfsvollen Blick, der ihn zu einer Erklärung zu nötigen schien.
Unlustig biss er von seinem Brot ab.
Eine Erklärung. Wie sollte er Cockburn etwas erklären, was er selbst nicht ganz verstand. Die Ereignisse in Silent Falls erschienen ihm wie eine Art böser Traum. Unheimlich, beängstigend und seltsam unklar. Er versuchte nicht allzu oft daran zu denken, doch wenn er es tat, musste er feststellen, dass er zwar verstand, wie eins zum anderen gekommen war, doch alles in allem war es ihm ein Rätsel, wie das Ganze hatte passieren können. Wie hatte er nur so dumm sein können, sich überhaupt auf Sa'els Experimente einzulassen? Sicher, der Taelon hatte ihn in bezug auf deren Gefährlichkeit für die Probanten belogen, dennoch hätte er es nicht einmal in Betracht ziehen dürfen, daran mitzuarbeiten.
Aber er hatte es getan. Aus vielerlei Gründen, die vermutlich bei Lichte betrachtet alle nicht sehr gut waren. Eine Portion Angst war dabei gewesen, ebenso wie die unglaubliche Verlockung einen Blick in das Wissen dieser Aliens zu erheischen. Und nun saß er da und musste sich von einem Kollegen als Monster beschimpfen lassen!
War er ein Monster? Er sah wieder die Angst in Stellas Blick und den Abscheu in Elaines...
Unwillig legte er das Sandwich ab und schob den Teller von sich.
Hastig schüttelte er den Kopf. Er musste aufhören darüber nachzudenken! Es brachte ihn nicht weiter und ändern konnte er es doch nicht mehr. Das einzige, was er jetzt noch tun konnte, war das Beste aus dieser Situation zu machen.
Doch bevor er den Teller wieder zu sich ziehen konnte, hörte er Schritte aus dem Gang.

Er drehte sich um und sah Sa'el in den Raum treten.
Frank musterte ihn finster, weniger aus Wut über den Taelon, als über sich selbst, weil er neben Abneigung auch eine gewisse Freude empfand. Er wusste, es lag nur daran, dass das Auftauchen des Alien eine Abwechslung in dieser Eintönigkeit darstellte, dennoch wollte er eigentlich nichts als Ärger spüren, wenn er dieses Wesen sah.
Scheinbar zeigte sein Blick nichts von dieser Ambivalenz, denn der Taelon kam nur ein paar Schritte näher und blieb dann zögernd stehen.
„Ich grüße Sie, Dr. Stratton. Eigentlich wollte ich Ihnen Ihren zukünftigen Arbeitsplatz zeigen und Ihnen erste Informationen über das Projekt geben, doch wie ich sehe, sind Sie beim Essen. Entschuldigen Sie die Störung, ich werde später noch einmal wiederkommen.”
Damit wandte sich der Taelon ab und ging wieder zum Ausgang.
Frank braucht einen Moment, bis er den Mund ob dieser ebenso unangemessenen wie unerwarteten Höflichkeit wieder zu bekam.
„Halt! Warten Sie!”
Frank sprang auf, um notfalls hinter Sa'el her laufen zu können. Doch der Taelon drehte sich bereits wieder um und sah ihn fragend an. Das brachte Frank abermals aus dem Konzept. Er hatte eigentlich nicht vor, das Gespräch zu beginnen, doch was blieb ihm nun anderes übrig?
„Wenn Sie schon mal da sind...”, meinte er mürrisch. Das unangenehme Gefühl der Unbeholfenheit ließ ihn schnell in die gewünschte Schroffheit zurückfallen und so setzte er bissig nach: „Ich kann nicht behaupten, dass mein Terminkalender übervoll wäre. Das Essen kann ich verschieben.”
Sa'el legte den Kopf etwas schief. „In Ordnung. Wenn Sie meinen”, antwortete er ruhig und zeigte mit einer weiteren fließenden Handbewegung in den Gang. „Wenn Sie mir bitte folgen würden.”

Bemüht seine Neugierde nicht offensichtlich werden zu lassen, ging Frank dem Taelon hinterher. Er kannte diesen Gang bereits und war ihn, um sich etwas zu bewegen, schon etliche Male zügig entlang gegangen. Die Kammer mit dem sonderbaren Interdingsbums-Portal hatte er dabei nicht wieder gefunden, aber statt dessen hatte er festgestellt, dass es sich um einen Rundgang handelte. Egal, ob man direkt nach dem Eingang zu ihrem Raum links oder rechts lief, man kam ohne weitere Abzweigung nach einer Weile wieder dort heraus.
Sa'el führte ihn nach rechts in die Richtung, aus der sie von dem Portalraum gekommen waren. Frank fragte sich schon, ob sie wieder dorthin gingen, doch dann zweigte mit einem Mal, wie Frank überrascht feststellte, ein Gang nach rechts ab. Es schien so, als könnten sich in diesem sonderbaren blau-violetten Material nach Belieben Türen, Gänge und Räume bilden, von denen man nichts ahnte, selbst wenn man direkt davor stand. Frank hätte gerne genaueres gewusst, doch er hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als Sa'el neugierige Fragen zu stellen. Also ging er schweigend einen halben Schritt hinter dem Taelon her.
Er konnte sich irren, aber er hatte den Eindruck, als würde dieser sich anders bewegen. Nicht so langsam und steif, sondern irgendwie fließender. Er bewegte seinen ganzen Körper so, wie er zuvor nur seine Hände und seinen Kopf bewegt hatte. Außerdem hatte sich die Haut des Alien verändert. Sie schien ihm weniger ebenmäßig blass als in bläulich schattiert. Doch Frank war nicht sicher. Der Gang war spärlich und mit diffusem Licht beleuchtet. Sicher war er jedoch, dass Sa'el schneller ging als zuvor. In New York und Silent Falls war es ihm immer lästig gewesen, wenn er hinter dem langsam dahin zuckelnden Alien herschleichen musste und nun konnte er ihm nur eben so folgen, ohne in einen Laufschritt zu verfallen.
Was hatte wohl diese sonderbare Veränderung verursacht? Lag es an der Umgebung? Frank wollte Cockburn nicht glauben, dass sie sich auf dem Mond befanden. Diese Vorstellung schien abenteuerlich, doch andererseits waren sie gewiss nicht im Laborgebäude in New York. Zwar mochte es auch dort verborgene Taelonbereiche geben, doch dies hier war bei weitem zu weitläufig, um in die New Yorker Räumlichkeiten hineinzupassen. Also doch der Mond? Noch eine Frage, die er Sa'el gerne gestellt hätte, doch wozu? Er könnte dessen Antwort ja doch nicht überprüfen.

Von vorne fiel nun helleres Licht in den Gang und als Frank aufsah, stellt er fest, dass der Gang dort in einen Raum mündete. Neugierig, wie wohl ein echtes Taelon-Labor aussehen würde, trat er hinter Sa'el ein.
Verblüfft sah er sich um.
„Das soll eines Ihrer Labore sein?”
Frank gelang es nicht seine Enttäuschung aus der Stimme zu halten. Ja, im Grunde hatte er das nicht einmal versucht. Dies hier war... ‚Erbärmlich’ war das richtige Wort. Er hatte einen großen Raum voller technischer Geräte und einer Fülle unbekannter Ingredienzien erwartet. Statt dessen stand er in einem Raum, der nur unwesentlich größer war als jener, in dem er in Silent Falls gearbeitet hatte. Und er enthielt nicht mehr als eine Ablagefläche, die sich an einer der Wände entlang zog, oder besser aus dieser herauswuchs, und einer Art freistehendem Stuhl ebenfalls aus dem Material, aus dem hier alles zu sein schien.
An der gegenüberliegenden Wand öffnete sich ein Durchgang in einen weiteren Raum, doch als Frank hinüberging und hindurchsah, stellte er fest, dass sich auch dort nichts beeindruckendes befand. Neben einer weiteren Ablagefläche stand dort nicht mehr als eine Bahre, wie sie sie in Silent Falls gehabt hatten. Diese hier war jedoch noch nicht einmal mit einem Bediengerät ausgestattet. Von einer Spezies, die in der Lage war durchs All zu reisen, hatte er Imposanteres erwartet.
Empört starrte Frank Sa'el an, der nahe des Eingangs stehen geblieben war.
„Was soll das? Wie soll man denn hier arbeiten können?”
Für einen Moment erwiderte der Taelon einfach nur seinen Blick und Frank hatte das Gefühl, dass dieser sich in seiner Haut nicht eben wohl fühlte. Scheinbar hatte er die Fähigkeit den Alien zu verunsichern, was ihn mit einer gewissen Befriedigung erfüllte.
Der Taelon senkte kurz den Blick und vollführte eine Geste, die Frank ebenfalls schon einmal gesehen hatte, aber nicht zu deuten wusste.
„Dr. Stratton, dies hier ist ein Labor, das allein auf die Bedürfnisse von Taelon ausgerichtet ist. Ihnen mag hier vielleicht etwas fehlen, doch ich versichere Ihnen, es ist voll funktionstüchtig.”
Halb verächtlich, halb irritiert sah Frank sich um. „Funktionstüchtig? Aber hier ist doch überhaupt nichts, was funktionieren könnte.”
„Nur weil Sie es nicht sehen, heißt es nicht, dass es nicht da ist!”
Nun konnte Frank zu seinem Verdruss feststellen, dass Sa'el seinerseits eine gewisse Verachtung in der Stimme trug. Er zog es vor den Mund zu halten und Sa'el nur skeptisch anzusehen, doch der beachtete ihn überhaupt nicht. Mit wenigen Schritten ging er auf den Sitz zu und fuhr einmal mit der Hand durch die Luft, die daraufhin zu flimmern begann und kurz darauf eine Art transparentes Bild zeigte.
Frank konnte nicht verhindern, dass er vor Überraschung scharf die Luft einsog. Er zwang sich wieder unter seine Kontrolle und trat dann seinerseits näher. Er wollte nicht wie ein Tölpel staunen, doch er konnte nicht anders, als irritiert umherzusuchen. Das Bild, eine Ansammlung sonderbarer, sich bewegender Zeichen vor einem flackernden Hintergrund ähnlich einer Fata Morgana, schwebte völlig frei in der Luft. Frank konnte weder an der Decke, noch am Fußboden, noch an den Wänden eine Vorrichtung entdecken, aus der heraus sie projiziert wurde. Dabei kannte er die Vorrichtung, die Sa'el in New York und Silent Falls anstelle eines Computers verwendet hatte.
„Ein Datenstrom?”, fragte er, um nicht ganz so dumm dazustehen.
Sa'el neigte leicht den Kopf. „Ja, ganz recht, nur ist dieser hier nicht durch die Ihnen bereits bekannte Vorrichtung umrahmt.”
„Aber wo wird dann das Hologramm erzeugt?”
Sa'el musterte ihn einen Moment. „Man könnte sagen, die uns umgebende Struktur erzeugt sie.”
Frank schüttelte den Kopf. „Sie meinen der Projektor ist in den Wänden verborgen?”
Wieder eine Geste. „Ja, so ungefähr. Doch ich will Ihnen nicht die Funktionsweise des Datenstroms erklären, sondern wie Sie ihn bedienen.” Sa'el fuhr abermals mit der Hand durch das Bild und es verschwand, dann wies er auf den Stuhl. „Bitte setzen Sie sich.”
Misstrauisch zögerte Frank. Er wusste nicht, womit er es zu tun hatte und die daraus resultierende mangelnde Kontrolle behagte ihm überhaupt nicht. Doch er hatte wohl keine Wahl, als sich wie ein Dummkopf alles zeigen zu lassen. Widerwillig setzte er sich also doch.
„Und nun rufen Sie den Datenstrom auf.”
Frank verbiss sich das ‚Wie?’, das auf seiner Zunge lag. Was hatte Sa'el gemacht? Einfach eine schwungvolle Bewegung mit dem Arm durch die Luft, den Handrücken von sich weg. Zögernd machte Frank es ihm nach, wobei die Bewegung aufgrund seiner Skepsis weit stockender ausfiel als geplant. Das Ganze hatte etwas von Zauberei und er konnte nicht anders, als sich albern dabei vorkommen.
Entgegen seiner Erwartung flimmerte die Luft vor ihm und es erschien ein Bild. Doch es war ein anderes, als das welches Sa'el aufrufen hatte. Was er sah, verursachte bei ihm das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füße weggezogen. Diese Situation war einfach absurd. Sa'el machte sich über ihn lustig! Vor ihm schwebte das wohlbekannte Windows-Startfenster in der Luft!
Frank schluckte zweimal schwer. „Was zum Teufel...?”
Sa'el erwiderte seinen irritierten Blick arglos. „Ich dachte, es wäre das einfachste, eine Ihnen bekannte Bedienung einzurichten”, antwortete er und seine Stimme klang zufrieden. „Von hier aus können Sie alle Ihnen zugänglichen Informationen aufrufen, ganz so, wie Sie es gewohnt sind. Sie müssen die Befehle einfach nur mit dem Finger berühren und wenn Sie fertig sind, so lassen Sie den Datenstrom mit einer Handbewegung einfach wieder verschwinden.”
Für einen Moment starrte Frank wieder das Bild vor sich an, dann folgte er dem Impuls und ließ seine Hand durch die Luft fahren. Tatsächlich verschwand das Hologramm, oder was es auch immer war, und Frank heftete seinen Blick misstrauisch auf Sa'el. War das ein böser Scherz oder war es dem Taelon gar nicht bewusst, wie skurril dieses wohlvertraute Bild in dieser Umgebung wirkte?
Sa'el sah ihn fragend an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch dann blickte er plötzlich an ihm vorbei und legte er den Kopf schief. Vor Franks Augen schien der Taelon an Substanz zu verlieren. Nun war es keine Frage mehr, die Haut des Taelon war definitiv bläulich und wurde zudem transparent. Durch Sa'els Gestalt sah er schemenhaft die Kontur der Ablage auf der anderen Seite des Raumes und gleichzeitig leuchteten blau-violette Muster unter den nach wie vor vorhandenen Umrissen hervor. Es war so schnell vorbei, wie es gekommen war. Sa'el wandte sich ab und entfernte sich einige Schritte von ihm, mit seiner Aufmerksamkeit offensichtlich wo anders.
Verblüfft starrte Frank auf die Rückfront des Alien, die nun wieder so fest und undurchsichtig wirkte wie zu vor. Was war das gewesen? Er hatte dies schon einmal gesehen, aber nur schwach und in der hitzigen Diskussion damals hatte er dem keine Beachtung geschenkt und es sofort wieder vergessen. Doch jetzt... Sa'el war regelrecht durchsichtig geworden!
Frank spürte ein leises Gruseln, das wie ein kalter Schauer seine Wirbelsäule emporkletterte und wendete den Blick unwillkürlich von Sa'els Gestalt ab. Doch die Umgebung half ihm nicht das Gefühl abzuschütteln. Er hatte gedacht, er hätte sich daran gewöhnt und alles als selbstverständlich, alltäglich hingenommen. Nichts war hier alltäglich, nichts gewöhnt. Fremdartig war es und nichts anderes! Er biss die Zähne zusammen und atmete tief ein.
Offensichtlich machte er damit den Taelon wieder auf sich aufmerksam. Sa'el drehte den Kopf und sah ihn irritiert an.
Hastig blinzelte Frank und versuchte die Furcht, aus seinem Blick zu verbannen. Um nichts auf der Welt wollte er diesem Wesen eingestehen, dass er vor ihm Furcht empfand. „Was hat es nun mit diesem Projekt auf sich?”, fragte er so schroff wie nur möglich.
„Das Projekt...” Sa'el regierte nicht auf seinen Tonfall und vollführte lediglich wieder eine seiner ominösen Handbewegungen. „Nun, man könnte sagen, das dieses neue Projekt auf unserem letzten aufbaut, denn...”
Ihrem letzten!”, fiel schroff Frank ein.
Sa'el hielt inne und sah ihn mit leicht geneigtem Kopf an, fuhr dann jedoch ungerührt fort: „...es geht auch hier um die Verbindung zwischen menschlichen Zellen und Taelon-Energie, nur dass wir dieses Mal versuchen werden, menschliche Zellen in eine Energiestruktur einzubinden. Wir...”
„Dann wollen Sie also dieses Mal keinen Menschen mutieren, sondern Taelons!”, unterbrach ihn Frank schnöde. Dieses Mal hatte er mehr Erfolg mit seiner Provokation.
Sa'el sah ihn mit etwas wie Empörung im Blick an. „Was ich will...”
„Ach, sparen Sie sich das!” Frank stand abrupt auf. Er hatte sich gefangen. Das er Sa'el zumindest ansatzweise in die Defensive gedrängt hatte, gab ihm seine Sicherheit zurück oder es half ihm zumindest wieder mit beiden Beinen sicher auf dem Boden zu stehen. „Ihre nächsten Opfer werden also Taelons sein. Darf ich fragen, wozu das Ganze gut sein soll?”
Aus Sa'els Blick wich die neutrale Freundlichkeit. Er antwortete nicht, aber fixierte ihn kalt, was die Frank jedoch sonderbarerweise angenehmer war als die übertriebene Höflichkeit von vorhin. Hiermit konnte er umgehen. Herausfordernd erwiderte er den Blick.
„Ich nehme an, die Antwort lautet: ‚Nein!’ Nun das ist nichts Neues, das kenne ich ja bereits. Und wissen Sie was? Es ist mir auch gleichgültig. Es sind Ihre Artgenossen. Sagen Sie mir einfach, was ich tun muss.”
Die Ablehnung in Sa'els Blick schien sich noch zu vertiefen. „Lesen Sie sich die Informationen auf dem Datenstrom durch. Danach sehen wir weiter.” Ohne ein weiteres Wort drehte sich Sa'el um und verließ den Raum.
Frank konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hatte diesen Taelon doch tatsächlich in die Flucht geschlagen. Das war ein gutes Gefühl. Mit dem würde er fertig werden.

 
* * *
 

Im Garten unter der Kuppel war alles ruhig.
Kopfschüttelnd wand sich Stella ab. Das Ereignis von neulich hatte sich nicht wiederholt, doch der zuvor geliebte Blick hinunter war ihr nun unangenehm. Also ging sie wieder zu der Plattform, die ihr als Schlafplatz diente und setzte sich, unschlüssig was sie tun sollte.
Sie war kurz nachdem Sa'el den Portalraum verlassen hatte, in ihr Quartier gegangen und hatte dort gleich den Datenstrom aktiviert. Tatsächlich hatte Sa'el ihr Daten geschickt. Eine ganze Menge sogar, doch sie konnte sich nicht überwinden, all das systematisch durchzugehen. So hatte sie den Datenstrom gleich wieder geschlossen und war seitdem unruhig in der Gegend herumgewandert, obwohl sie eigentlich müde genug war, um sich einfach hinzulegen und zu schlafen.
Jetzt wo sie auf der Plattform saß, spürte sie noch stärker die Erschöpfung, die immer noch von dem energetischen Anpassungsprozeß herrührte. Ihre Glieder waren schwer und ihre Energie verbraucht, doch sie weigerte sich, sich hinzulegen. Zumal auch die Erschöpfung ihre innere Unruhe nicht beseitigte.

Stella musste sich eingestehen, dass ihr die Konfrontation mit Sa'el nahegegangen war. Es tat ihr leid, ihn verletzt zu haben. Ganz verstand sie selbst nicht, warum sie dennoch hart geblieben war.
Zu erfahren, was geschehen war, war ihr notwendig erschienen, ja, und auch jetzt war sie dieser Ansicht. Sie musste einfach Klarheit in das Wirrwarr ihrer Erinnerungen bringen, doch so ‚einfach’ wie das klang, war es nicht. So sehr sie nämlich diese Notwendigkeit sah, so sehr sträubte sie sich innerlich, sich mit speziell diesem Teil ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen.
Seit sie sich mit zunehmender Klarheit erinnerte - was wohlgemerkt nichts an der Fremdheit änderte, die sie den wieder ins Bewusstsein gerufenen Szenen gegenüber empfand - seitdem stellte sie eine sonderbare Unzugänglichkeit fest, mit der alle ihre Erinnerungen belegt waren, die sich auf ihre Hybridisierung bezogen. Ja, es ging sogar noch weiter. Selbst die Zeit, in der sie für Da'an gearbeitet hatte, blieb weitgehend hinter diesem Schleier verborgen.
Sie konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, doch sie hatte den Verdacht, dass dies durch Da'ans Manipulation ihrer Energie verursacht war. Aber warum sollte er das getan haben? Da'an wollte, dass sie wieder für ihn arbeitete. Warum sollte sie sich dann nicht mehr an ihrer frühere Zusammenarbeit erinnerte? Welchen Sinn machte das? Hatte es etwas damit zu tun, dass sie - wie er gesagt hatte - ihn hintergangen hatte?
Wie auch immer, sobald sie versuchte, nach dem zu greifen, was sich hinter diesem Schleier verbarg, spürte sie Verwirrung, die sich zu einem regelrechten Schwindelgefühl steigerte. Und obwohl sie sich sagte, dass die Durchsicht von Sa'els Daten ihr vielleicht half, diesen Schleier zu lüften, konnte sie sich nicht überwinden. Es war eine Sache gewesen, die Daten zu fordern, aber es war eine andere, sie sich auch wirklich anzusehen. Und es half überhaupt nicht, dass ihr nun auch noch ihr Verhalten gegenüber Sa'el leid tat...

Sie legte sich zurück auf die Plattform und rollte sich zusammen. Sie würde mit Sa'el reden und ihm sagen, dass es ihr leid tat. Und sie würde sich die Daten anschauen. Aber nicht jetzt. Jetzt war sie zu müde...
Stella merkte, wie sie begann wegzudämmern und zwang sich wieder ins Bewusstsein zurück. Sie blinzelte und stützte sich auf den Ellenbogen. Sie wollte nicht schlafen. Sie wollte nicht wieder träumen!
Mit der freien Hand zog sie das Buch zu sich, das sie aus Cockburns Kiste herausgefischt hatte und begann in dem grüngebundenen Wälzer zu blättern. „Träume sind objektive Fakten”, las sie. „Sie erfüllen nicht unsere Erwartungen, und wir haben sie nicht erfunden.”
Nicht erfunden... Was sagten sie ihr dann? Etwas über sich selbst? Wollte sie etwas über sich selbst erfahren? Oder war es nicht vielleicht besser, über alles Vergangene einen Schleier zu legen und ihn dort zu belassen, als ein leichtes und doch kaum durchsichtiges Tuch, das nur hin und wieder matt im Wind flattert ohne je ganz davon zu wehen... ein Tuch, es lag über einem Tisch, einem Schreibtisch und verbarg die Schriftstücke, die darauf lagen. Ein Windstoß blähte den glatten Musselin und strich ihn sanft über ein Gesicht, während die Luft den süßen, warmen Duft eines Sommermorgen herein trug...

Durch die friedliche Dunkelheit spürte sie die Anwesenheit einer fremden Präsenz. Etwas zupfte sie, versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Doch sie wollte nicht gestört werden. Sie hatte geträumt und wollte nicht aufwachen. Aber sie konnte nicht verhindern, dass der Eindruck einer unbekannten Energiesignatur sich in ihre Wahrnehmung drängte. Eine Gestalt blitzte auf. Einen Moment verharrte sie achtsam. Was war das? Unter ihrer Aufmerksamkeit erschien die Gestalt wieder, ein blasser Schemen, der sich zu verdeutlichen begann. Die Gestalt strahlte eine Frequenz aus, die sie beunruhigte. Ihre Barrieren festigten sich und ihre Nackenhaare stellten sich auf, doch gleichzeitig hatte diese Energie eine verlockende Anziehungskraft.
*Wer bist du?*, sendete sie vorsichtig.
Als Antwort spürte sie einen warmen Strom, der leicht ihre Aura berührte. Sie unterdrückte den Fluchtreflex, den dies bei ihr auslöste.
*Wer bist du?*, sendete sie abermals, drängender.
Der Strom der Energie verstärkte sich und die fremde Aura begann sie zu umfließen, langsam einzuhüllen, abzutasten. Stella wollte zurückweichen, doch sie musste feststellen, dass es ihr plötzlich unendliche Mühe machte, sich zu bewegen. Ihre Arme, ihre Beine, ihre Augenlider wurden schwer und ihre Barriere begann zu weichen. Die fremde Energie begann durchzusickern, sanft und beruhigend. Sie spürte, wie sie begann nachzugeben und die Augen schon schloss, um sich ganz der schweren, betörenden Süße hinzugeben. Nur mit ihren energetischen Sinnen nahm sie war, dass sich die Gestalt näherte und ihr bald gegenüber stand. Diese Frequenz war fremd und gleichzeitig vertraut und es überraschte sie nicht, als die Gestalt gleichsam eine Hand hob und ihr entgegenhielt, eine Bewegung, die sie unwillkürlich imitierte. - Und mit einem Mal erinnerte sie sich: Sie war der Gestalt bereits begegnet! Sie wusste nicht mehr wann und wo, aber dies war eine Falle! Erschrocken riss sie die Augen auf und sah -Nichts! Mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft warf sie der sie umgebenden Wärme ihre kalte, harte Energie entgegen. Es gelang ihr sich zu befreien, doch durch ihre gefestigte Barriere hindurch versuchte etwas nach ihr zu greifen.
Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen und sah sich panisch um. In der blauschwarzen Dunkelheit konnte sie Gänge ausmachen, die weiter in die Schwärze führten. Es kümmerte sie nicht. Sie begann zu rannten. Nur weg von hier!
So schnell wie möglich lief sie sich durch die Gänge, die so dunkel waren, dass sie kaum zwei Meter sehen konnte. Abzweigungen bildeten sich, wie sie sie brauchte. Sie rannte immer schneller durch die Dunkelheit, bog wieder und wieder ab und drang so immer tiefer in ein Labyrinth düsterer Gänge, das im Nichts hing.
Es dauerte eine lange Zeit, bis sie merkte, dass ihr Verfolger verschwunden war. Erleichtert blieb sie stehen und merkte, wie sich die Dunkelheit lichtete und sie sich in einem ovalen Raum befand. Die Wände schimmerte rötlich und das Licht flackerte leicht, so dass es an Feuerschein erinnerte. Sie vermeinte Holzrauch zu riechen und hatte das Gefühl von unebenem Fels unter den nackten Fußsohlen. Das Kleid aus rauer ungefärbter Wolle kratzte an ihren Beinen, als sie langsam in die Mitte des Raumes trat.
Sie hob den Arm, ohne recht zu wissen, was sie tat, doch kaum hatte sie die Hand einen halben Meter von sich gestreckt, flimmerte die Luft und es erschien ein Datenstrom. In schneller Abfolge zeigte er Gesichter - menschliche Gesichter, unzählige, ständig neue und neue, doch einige davon immer wieder. Schneller und schneller tauchten sie auf und verschwanden, vermischten sich, verwischten, wurden... Stella schwindelte...

Nach Atem ringend fand sie sich auf ihrer Schlafplattform wieder. Ein überaus angenehmer Strom Energie hüllte sie ein und die Konzentration der Teth'a'dar war besorgt auf sie gerichtet. Ihr Arm fuhr durch die Luft und schaltete den Energieschauer aus, den die Teth'a'dar während ihres Schlafes auf sie hatte nieder gehen lassen. Mit noch klopfendem Herzen stand sie auf und war auf die stabilisierende Energie der Teth'a'dar angewiesen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
*Deine Energie schwingt nicht harmonisch und deine Energiereserven sind nicht wieder aufgefüllt. Du solltest dich ausruhen.*
Ihr Zustand musste wirklich bedenklich sein, wenn die Teth'a'dar so direkt kommunizierte, doch sie war noch zu sehr mit ihrem Traum gefangen, um zu antworten. Es war schon wieder passiert - doch dieses Mal konnte sie sich genau erinnern! Entgegen ihrer Erwartung dämpfte es ihre Beunruhigung nicht.
Was war das gewesen, womit hatte sie es zu tun? Ein Alptraum? Sie träumte hin und wieder seit sie hier war, doch die anderen Träume fühlten sich anders an, verblassen, sobald sie aufwachte und sie waren nicht beängstigend. Waren Alpträumen so vollkommen anderer Natur? So sehr sie es auch versucht hatte, sie konnte sich nicht an das Träumen vor ihrer Hybridisierung erinnern...
Stella beugte sich hinunter und hob das schwere Buch vom Boden auf, das sie anscheinend von der Plattform gestoßen hatte. In Gedanken versunken schlug sie es an der Stelle auf, über der sie eingeschlafen war. „Wir träumen von unseren Fragen, unseren Schwierigkeiten.”
Sie seufzte. Stella hatte eher das Gefühl, das ihre Träume ihr Schwierigkeiten bereiteten und Fragen erst aufwarfen. Aber vielleicht war es eine gute Idee, zu lesen, bis sie wieder etwas ruhiger geworden war. Ruhig genug, um sich gänzlich ins Gemeinwesen zu versenken und wirkliche Erholung zu finden.

 

Ende von Kapitel 4

 

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