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  „Der gespiegelte Blick” von Emma   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Frühjahr 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Der Arzt Frank Stratton findet sich in Gefangenschaft der Taelon wieder, aber auch deren Leben ist nicht frei von Problemen.
Zeitpunkt:  einige Monate nach der Ankunft der Taelons auf der Erde, kurz nach dem Unfall bei Silent Falls
Charaktere:  Frank Stratton, Stella Morel, Sa'el [Frederik Cockburn, Da'an]
 

 

DER GESPIEGELTE BLICK

Kapitel 1: Ankunft im Unbekannten

 

Teil 1

Mittlerweile hatte Frank es aufgegeben hin und her zu laufen und nach einem Ausweg zu suchen. Nun saß er auf der blau-violetten Bahre, auf der er aufgewacht war, und beobachtete die Zeiger seiner Uhr. 17 Uhr 31 und 45 Sekunden, 46 Sekunden, 47 Sekunden...
Verdammt! Seine Geduld war lange genug strapaziert worden! Wütend sah er wieder auf und ließ den Blick auf ein Neues über die Wände streifen. Blau, violett, weiß und pink in den unterschiedlichsten Schattierungen. Und nirgendwo ein Fenster oder eine Tür. Selbst der Tisch, auf dem er saß - das einzige, was sich außer ihm in diesem seltsamen Raum befand - war kein richtiges Möbelstück, sondern schien fest mit dem Boden verwachsen zu sein. Alles hier war aus einem Guss...
Beklemmung kroch in ihm hoch, doch er unterdrückte das Gefühl sofort wieder. Was sollten sie ihm schon tun? Er war ein angesehener Wissenschaftler und sie konnten ihn nicht einfach so verschwinden lassen. Er hatte einflussreiche Freunde! Und er hatte nichts wirklich Ungesetzliches getan. Zumindest nichts wirklich Dramatisches. Er hatte ein paar unbedeutende Dienstgeheimnisse ausgeplaudert. Gut, das würde ihm vermutlich einigen Ärger bereiten und er würde einiges an Strafe zahlen müssen, aber er fand sicher wieder eine interessante Stelle. Mit seinen Qualifikationen war das überhaupt kein Problem und die Umstände seiner Verfehlungen waren ja auch keine gewöhnlichen. Schließlich waren seine Dienstherren Aliens gewesen! Es gab genug Biotechnologiefirmen, die sich einen Topwissenschaftler wie ihn normalerweise nicht leisten konnten und ihn trotz des Vorfalls mit Freuden einstellen würden. Und nach einigen Jahren, wenn Gras über die Sache gewachsen war, dann würden ihm auch sonst wieder alle Türen offen stehen.
Verärgert sah er wieder auf seine Uhr. Wie lange würden sie ihn denn noch warten lassen? Es waren jetzt schon bald 24 Stunden um. Wollten sie die voll ausnützen und ihn so lange festhalten, wie sie es vom Gesetz her durften? Vermutlich dachten sie, sie könnten ihn so einschüchtern, damit er nichts über die Experimente erzählte. Nun, das würde er nicht. Bestimmt nicht! Er war schließlich nicht bescheuert. Nein, diese Angelegenheit, in die dieser Teufel von Alien ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hineingezogen hatte, vergaß er am besten so schnell wie möglich. Er wäre erledigt, wenn das publik würde! Das mussten diese Aliens doch auch erkennen und folglich wussten sie, dass ihr kleines, schmutziges Geheimnis bei ihm sicher war...

Frank seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Nein, er war kein Dummkopf.
Aus der Perspektive der Taelons war es das Sicherste, ihn endgültig loszuwerden. Tote konnten nicht reden und auch nicht zum Reden gezwungen werden. Doch einfach umbringen konnten sie ihn doch auch nicht. Er war ein angesehener Wissenschaftler und hatte einflussreiche Freunde. Aber ein Unfall...
Frank schloss die Augen. Er hatte das Gefühl, als drehe sich alles. Ihm wurde schlecht.
Der Mediziner in ihm hieß ihn, sich auf der Bahre zurück zu lehnen und die Beine aufzustellen. Einatmen und tief ausatmen. Ganz ruhig. Es brachte gar nichts, wenn er anfing zu hyperventilieren.
Einen Moment später öffnete er wieder die Augen und sah über sich die hellblau-violette Musterung der Decke.
Was genau war denn eigentlich geschehen, fragte er sich in der Hoffnung den Kreis aus Gedanken, in dem er sich im Verlauf der letzten Stunde wieder und wieder gedreht hatte, nun vielleicht endlich durchbrechen zu können.
Kurz nach halb fünf war er aufgewacht, aus einem tiefen, und so weit er sich erinnern konnte, traumlosen Schlaf. Er hatte sich erholt gefühlt, bis er sich an die Ereignisse der letzten Tage erinnerte.
Doch seine Erinnerungen waren seltsam wirr und unzusammenhängend und ihn beschlich das unangenehme Gefühl, dass er nicht ganz Herr seiner Selbst gewesen war. Übermäßiger Stress konnte einen Verlust an Selbstkontrolle verursachen, doch er war nun wirklich nicht der Typ, der sich in etwas hineinsteigerte. Die Ursache dieser Verwirrung musste in dem Mittel liegen, mit dem sie ihn betäubt hatten.
Er versuchte sich zu konzentrieren und systematisch vorzugehen. Das Letzte, woran er sich erinnerte, waren die gespenstischen Augen eines Taelon. Sa'el vermutlich. Er versuchte, sich an Sa'el zu erinnern. Nein, es war nicht Sa'el gewesen. Da'an. Ja, es musste Da'an gewesen sein. Frank war im Vorraum von Sa'els Labor gewesen, allein, und mit einem Mal hatte Da'an vor ihm gestanden. Doch woher war der Taelon so plötzlich gekommen? Er hatte doch unmöglich an ihm vorbeilaufen können, ohne das er es gemerkt hätte...
Sein Magen krampfte sich zusammen und ohne es zu wollen, setzte sich Frank auf.
Es war zum verrückt werden! Er schüttelte den Kopf. Er musste endlich damit aufhören! Er drehte sich im Kreis und im Kreis und im Kreis und seine Gedanken fanden genauso wenig einen Ausweg aus diesem Wirrwarr, wie sein Körper aus diesem Raum. Und, verdammt noch mal, er konnte diese Farben nicht mehr sehen! In einem Reflex presste er die Hände auf die Augen. Wenn nur dieses Blau nicht wäre, es raubte ihm noch den Verstand...

Durch das Rauschen in seinen Ohren hörte er ein Geräusch. Unwillkürlich nahm er die Hände von seinem Gesicht und drehte sich danach um.
In einem plötzlich vorhandenen Eingang stand Sa'el. Dünn und blass und mit der üblichen Miene, die zugleich Gleichgültigkeit und Spott auszudrücken schien.
„Sie!”, fuhr er den Taelon an und sprang auf. Von allen Wesen auf dieser Welt wollte er am wenigstens vor diesem hier Schwäche zeigen. „Was fällt Ihnen ein, mich hier fest zu halten? Ich habe Rechte! Ich will hier raus. Ich will telefonieren!”
Doch der Taelon zuckte nicht einmal zurück, als Frank drohend einen Schritt auf ihn zu ging. Statt dessen legte er ruhig den Kopf zur Seite und musterte ihn nachdenklich, als wäre er eines seiner Experimente.
„Eigentlich ging ich davon aus, dass diese kurze Besinnungspause Ihnen die Gelegenheit geben würde, sich zu beruhigen.”
Für einen Moment war Frank einfach nur verblüfft, doch dann kam der Ärger zurück.
„Sie wollen mir allen Ernstes weiß machen, dass Sie mich eingesperrt haben, um mich zu beruhigen? Für wie dumm halten Sie mich eigentlich!”
„Offensichtlich ist das Gegenteil eingetreten und Sie sind nun noch aufgebrachter als zuvor. Ich hätte wohl auf Da'an hören sollen. - Wie bedauerlich.”
Der Taelon sah ihn mit einem abschätzenden Blick an, der ihm den einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er hoffte, dass man die Angst in seinem Blick nicht sah, als er möglichst bestimmt seine Forderung wiederholte.
„Was ist nun? Kann ich jetzt endlich gehen?” Das Zittern in seiner Stimme machte seine Intention zunichte.
„Gehen?” Der Taelon machte eine weitläufige Geste, die Frank nicht zu deuten wusste. „Nein, so sehr ich es auch bedaure, aber ich kann Sie nicht aus unserer Zusammenarbeit entlassen.”
Er konnte nicht gehen. Frank spürte, wie Angst über ihn schwappte und die Übelkeit wieder stärker wurde. Vor seinen Augen begann es zu flimmern, so dass er hinter sich griff, um sich an der Bahre festzuhalten.
„Was ist mit Ihnen?”, fragte eine Stimme durch den Nebel und sie klang fast ein wenig besorgt. Eine Hand, die stützend seinen Arm griff, brachte ihn wieder zur Besinnung. Seine Augen sahen wieder klar und zeigten ihm, dass Sa'el unangenehm nah neben ihm stand.
„Nichts!”, keuchte er und zog seinen Arm zurück. Schnell brachte er etwas Abstand zwischen sich und den Taelon.
Was sollte er bloß tun? Versuchen an Sa'el vorbeizurennen und zu fliehen? Nein, das würde nichts bringen. Er hatte keine Chance. Er musste... er musste...
Eine Erinnerung tauchte plötzlich wie aus dem Nichts auf. Was hatte Da'an gesagt? ‚Ich verspreche Ihnen, dass Ihnen nichts geschehen wird. Sie müssen wissen, dass wir Ihre Fähigkeiten zu würdigen verstehen und Sie nicht verlieren wollen.’
Misstrauisch, aber nicht mehr panisch richtete Frank seinen Blick wieder auf Sa'el.
„Was haben Sie mit mir vor?”
„Ah, wie schön. Sie fangen an Vernunft anzunehmen.” Ein zufriedenes Lächeln glitt über Sa'els Lippen. Frank fand, es hätte einen sadistischen Zug haben müssen, doch davon war keine Spur zu erkennen. „Sind Sie nun kooperationsbereit?”
„Was haben Sie mit mir vor?”, insistierte Frank und versuchte, sich nicht von Sa'els Benehmen irritieren zu lassen.
Tatsächlich trübte sich Sa'els Miene etwas. „Zunächst einmal etwas nicht sehr Erfreuliches, befürchte ich. Wir werden Sie mit einem CVI implantieren müssen.”
„Was...?” Frank konnte den Taelon nur entsetzt anstarren. Was er von diesen Implantaten gehört hatte, war tatsächlich ‚nicht sehr erfreulich’. Die Implantation selbst sollte höllisch schmerzen, und an seinem Hirn rumpfuschen lassen war das Letzte, was er wollte. Es war sein Kapital. „Nein!”
„Ich bedaure, es ist unumgänglich. Und letztendlich auch zu Ihrem eigenen Schutz notwendig.”
„Zu meinem eigenen Schutz...”, wiederholte Frank fassungslos und konnte, obwohl er es bemerkte, nichts dagegen tun, dass er sich wie ein Idiot anhörte.
„Ja, das Implantat wird verhindern, dass Sie Uneingeweihten von unseren Geheimnissen erzählen.”
Unvermutet keimte Hoffnung in ihm auf. „Dann lassen Sie mich danach laufen?”
„Nein, wie ich schon sagte, ich kann Sie nicht aus unserer Zusammenarbeit entlassen.”
Enttäuschung drohte ihm abermals den Boden unter den Füßen zu entziehen, aber dann sickerte das Gehörte langsam in sein Bewusstsein. „Sie wollen weiterhin mit mir zusammenarbeiten?” Ungläubig sah Frank den Taelon an.
„Von wollen kann keine Rede sein. Am liebsten würde ich Sie sofort gehen lassen und nie wieder auch nur an Sie denken.” Wieder machte Sa'el diese Handbewegung. „Doch auch wir haben Regeln des Zusammenlebens. Sie haben mein Vertrauen missbraucht und nun kann von einer rein professionellen Verbindung zwischen uns keine Rede mehr sein. Wir werden diesen Konflikt austragen müssen, bis er beigelegt ist.”
„Bitte?”
„Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie das verstehen.” Sa'el legte den Kopf zurück und in seinem Blick blitzte eine Spur Herablassung, ja Ablehnung auf. Doch es war so schnell vorbei, wie es gekommen war. „Würden Sie mir jetzt bitte in mein Labor folgen, damit wir die Implantation hinter uns bringen können?”
Instinktiv krallten sich Franks Finger um den Rand des Tisches. „Und wenn ich mich weigere...”
„Ich sehe keinen Sinn in einer solchen Weigerung. Wenn Sie jedoch darauf bestehen, so muss ich die Implantation ohne Ihre Kooperation durchführen, was für Sie deutlich unangenehmer wäre.”
Frank sah verunsichert in Sa'els Augen und der Blick, den er zurück erhielt, war gleichgültig und ruhig. Sa'el meinte, was er sagte, und es kümmerte ihn nicht, wie es ihm ergehen würde. Sollte er sich wehren? Was brachte es? Oder sollte er nicht besser einwilligen. Vielleicht war es gar nicht so schlimm? Ein CVI brachte auch Vorteile. Wer weiß, was er damit zu leisten im Stande wäre? Zögernd ging Frank einige Schritte vorwärts und mit einem fragenden Blick an dem Taelon vorbei, der ihn jedoch nur weiterhin mit unbewegter Miene ansah.

Überrascht stellte Frank fest, dass er direkt in den Vorraum zu Sa'els Labor in Silent Falls trat. Nie hätte er gedacht, dass es dahinter noch weitere Räume gab, von denen er nichts wusste. Auf ein Handzeichen Sa'els hin ging er weiter in das eigentliche Labor. Ein Schauer überlief ihn, als er die bereits vorbereitete Bahre sah. Er konnte den Blick nicht von dem Arm wenden, an dem die Kanüle befestigt war, die bei der Implantation durch den Hals dringen sollte.
„Bitte legen Sie sich hin und entspannen Sie sich.”
Entgeistert sah Frank auf, doch in Sa'els Mimik lag genauso wenig Sarkasmus wie im Ton seiner Stimme. Überaus sachlich wandte er sich den Kontrollen zu, um daran einige Einstellungen vorzunehmen.
Ein Blick über die Schulter zeigte Frank, dass dort, wo eben noch der Eingang des Labors gewesen war, nun nur noch eine geschlossene Wand zu sehen war.
„Bitte legen Sie sich auf die Bahre”, wiederholte Sa'el. „Wir haben nicht viel Zeit.”
Frank wollte es nicht, aber er gehorchte. Der Untersuchungstisch fühlte sich seltsam warm an, glatt war er und fest, ohne dabei richtig hart zu sein. Er hatte diesem Material bislang noch nie Beachtung geschenkt, doch jetzt, wo er sich zögernd darauf ausstreckte, beschlich ihn das sonderbare Gefühl, als schärfe sich seine Wahrnehmung, während sich gleichzeitig die Zeit zu dehnen schien. Es kam ihm vor als sei eine Ewigkeit vergangen, bis er schließlich den Blick auf den Taelon am Fußende der Bahre richtete, doch Sa'el erwiderte seinen Blick so geduldig, als warte er auf etwas. Darauf, dass er Angst zeigte? Zu betteln begann? Nein, nie im Leben würde er diesem Ungeheuer solch eine Genugtuung gönnen! Er legte so viel Verachtung, wie ihm möglich war, in seinen Blick und richtete ihn dann entschlossen zur Decke. Wie nicht anders zu erwarten, war auch sie gemustert in den unterschiedlichsten Blautönen...
Ohne jede Vorwarnung schlang sich etwas um seine Gliedmaßen, seinen Rumpf und seine Stirn. Bänder, die sich so fest zurrten, dass sie sogar sein erschrecktes Zusammenzucken unterbanden. Woher waren sie gekommen? Panik ergriff ihn, doch die Halterung verhinderten, dass er um sich schlug. Er konnte sich nicht bewegen. Er bekam keine Luft mehr...
„Dr. Stratton, Sie sollten sich entspannen. Die Halterung ist notwendig zur Fixierung Ihres Körpers. Sie müssen sich konzentrieren, sonst...”
Doch er wollte nicht hören, er wollte von diesem Tisch runter, er wollte weg aus diesem Raum, von diesem Blau, er...
Plötzlich spürte er einen Stich in seinem Hals. Es schmerzte und der Schmerz nahm zu, als sich langsam etwas in seinem Hals nach oben bewegte, unaufhaltsam, immer weiter in seinen Kopf hinein. Nein! Es sollte aufhören, es brannte wie Feuer, es brachte ihn um!

Frank merkte nicht, wie er schrie und versuchte, sich gegen die Bänder, die ihn festhielten, zu wehren. Er sah nicht, wie der Taelon am Fußende der Bahre mit Unverständnis auf ihn herunter sah, ohne den eingeleiteten Prozess der Implantierung abzubrechen. Für den Mann gab es nur unbenennbaren Schmerz und dunkles Chaos, Agonie, während sich in seinem Gehirn das Virus seinen Weg suchte und schließlich an einem geeigneten Platz einnistete, um sich zu entfalten. Erst danach gelang es Franks Geist in Bewusstlosigkeit abzugleiten.


Sein Kopf war zur Seite gefallen und er spürte eine glatte Oberfläche an seinem Ohr. Mit dem Aufwachen öffnete er die Augen und sah das nun schon wohlbekannte Blau. Er blinzelte und erst als er versuchte, sich zu bewegen, und nicht daran gehindert wurde, kehrte die Erinnerung wieder. Mit einem Mal hellwach setzte er sich auf und sah sich hastig um. Er war nicht allein. Sa'el kam vom anderen Ende des Raumes zu ihm herüber.
„Wie geht es Ihnen?”, fragte er ohne jede Besorgnis in der Stimme.
Wie ging es ihm? Frank fühlte in sich hinein. Das einzig Sonderbare, das ihm auffiel, war, dass er keine Kopfschmerzen hatte. Nichts deutete darauf hin, dass er ein Implantat im Kopf trug. Nichts darauf, dass er eben noch die grauenvollsten, unvorstellbarsten Schmerzen erlitten hatte. Irritiert sah er Sa'el an.
„Ich spüre gar nichts. Ich meine, es hat sich nichts verändert.”
Sa'el machte eine ungeduldige Handbewegung.
„Natürlich nicht. Was haben Sie gedacht? Das Implantat hat nur die Aufgabe zu verhindern, dass Sie mit Unbefugten über unsere Geheimnisse reden.”
Das war alles?! „Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt!”, fuhr Frank den Taelon aufgebracht an. Er kam sich betrogen vor und... enttäuscht...? Nein! Er war ärgerlich, weil dieser Taelon ihm schon wieder etwas vorgemacht hatte! „Macht es Ihnen eigentlich Spaß, mich leiden zu sehen?”
„An Ihnen macht mir überhaupt nichts Spaß!”, lautete Sa'els kühle Antwort. „Und ich habe es Ihnen gesagt. Geben Sie mir nicht die Schuld dafür, dass Sie nicht nachfragen, wenn Ihnen etwas nicht klar ist.” Unüberhörbar schwang nun Ungeduld, ja, Verärgerung in seinem Tonfall mit. „Kommen Sie, wir gehen.”
Sa'el wandte sich ab und verließ, ohne ihn weiter zu beachten, das Labor durch den nun auf mysteriöse Weise wieder vorhandenen Durchgang.
Zögernd blieb Frank auf dem Tisch sitzen. Er hatte das schale Gefühl betrogen, ja lächerlich gemacht worden zu sein. Er hatte Todesangst gehabt und nun schien nichts, aber auch gar nichts geschehen zu sein. Ja, Sa'el hatte geradezu getan, als wäre es eine Lappalie!
Aufgebracht spielte Frank mit dem Gedanken, die Aufforderung des Taelons, ihm zu folgen, zu ignorieren. Er hatte nicht vor, sich von diesem Taelon herumkommandieren zu lassen. Offensichtlich konnte dieser ihn nicht einfach loswerden, obwohl er seine Gesellschaft anscheinend genauso wenig schätzte wie er die seine. Was also hatte er zu verlieren, wenn er ihm zeigte, dass man so nicht mit ihm umsprang!
Entschlossen stand er von dem Untersuchungstisch auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Vielleicht fand sich ja etwas, dass ihm zur Flucht verhelfen konnte. Alles sah aus wie am Tag zuvor: Die Bahre, die Kontrollpulte, die sonderbaren Geräte, die Energiephiolen... Er spürte, wie ein Schauer seine Wirbelsäule empor kroch und sich ein Gesicht, das er nicht sehen wollte, in seine Erinnerung drängte.
Nein, hier war nichts, was ihm helfen konnte. Im Labor in New York würde er doch die größeren Möglichkeiten haben, Sa'els ‚Obhut’ zu entfliehen. Schnell drehte er sich um und folgte dem Taelon.

Beim Eintritt in den Vorraum wurde Frank abermals überrascht. Der momentan einzige Ausgang führte nicht in die Richtung, in die der Gang zu den menschlichen Laboren hätte liegen müssen, sondern er lag an der rückwärtigen Front. Halb verwirrt, halb neugierig trat Frank durch den neuen Durchgang und fand sich in einem Raum wieder, der nicht viel größer war als der, in dem er zuvor eingesperrt gewesen war. Hierin befand sich jedoch keine Plattform, sondern vier aufrechte, leicht gebogene Streben, die im Abstand von vielleicht zwei mal drei Meter rechteckig angeordnet waren. An einem zu dieser über zwei Meter hohen Konstruktion gehören Kontrollpult machte sich Sa'el zu schaffen.
„Bitte stellen Sie sich dort in die Mitte”, wies er ihn ohne auf zu sehen an.
Frank dachte nicht daran. „Was ist das?”
„Ein Interdimensionsportal”, lautete die Antwort.
„Ein was?”, fragte er nach. Es war absurd von Sa'el gewesen, zu behaupten, er hätte nur genauer nachfragen sollen, doch ein zweites Mal würde er sich das - gerechtfertigt oder ungerechtfertigt - nicht vorwerfen lassen. Doch Sa'el ignorierte ihn. Er beendete, was immer er an Einstellungen eingegeben hatte und stellte sich selbst in das Karree, dass die vier Stangen bildeten.
„Würden Sie sich jetzt bitte neben mich stellen”, forderte ihn der Taelon abermals auf und er klang nun, was Frank mit einer gewissen Schadenfreude registrierte, nicht mehr sehr geduldig. Das reichte ihm zur Befriedigung. Er würde auch so herausfinden, was das war, und gefährlich würde es schon nicht sein...
Kaum war er in den Bereich zwischen den Streben getreten, da blendete ihn ein greller, weißer Lichtschein. Er hatte das Gefühl fortgerissen zu werden und taumelte orientierungslos nach vorne. Er konnte sich gerade noch auffangen und als er wieder aufsah, war der Lichtblitz verschwunden und alles wieder wie gehabt.
Doch jetzt war es Sa'el, der ihn schadenfroh anblickte. „Sie sollten zuvorkommender sein, solange ich es bin, der das Aktivierungssignal des Interdimensionsportals kontrolliert.”
Damit ließ er ihn stehen und erst als Frank ihm verblüfft nachsah, stellte er fest, dass er sich nicht mehr in dem gleichen Raum wie zuvor befand. Dieser hier war definitiv größer, anders geformt und es schloss sich ein Gang daran an statt des sattsam bekannten Vorraums zu Sa'els Labor in Silent Falls.
Was um alles in der Welt... Doch warum wunderte er sich überhaupt noch? Es war unwichtig, wie er hier her gekommen war und dass er diesen Raum nicht kannte. Wenn es in Silent Falls Räume gab, die er nicht kannte, warum nicht auch in New York? Wichtig war, dass er hier heraus kam. Ergeben folgte er also der Richtung, in die Sa'el gegangen war.
Doch als er um die Ecke bog, stellte er erstaunt fest, dass der Taelon nicht mehr zu sehen war. Wie konnte das sein bei der faultierartigen Geschwindigkeit, die den Taelons zueigen war? Anscheinend hatte er länger als vermutet gebraucht, um sich zu orientieren.
Er folgte dem Korridor, der sich eine erstaunlich lange Zeit in Kurven und Bogen wand, ohne auch nur eine einzige Abzweigung zu machen. Frank erwog, dass Sa'el ihn aus Rache absichtlich im Kreis gehen ließ, doch seinem Gefühl nach ging es trotz der Windungen immer in die gleiche Richtung. Und er glaubte seinem Gefühl! Schon immer war er stolz auf seinen hervorragenden Orientierungssinn gewesen.
Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass langsam das mittlerweile gut bekannte Gefühl der Beklemmung in ihm aufstieg und er merkte, wie sich seine Schritte, ohne dass er es wollte, mehr und mehr beschleunigten. Doch dann hörte er mit einem Mal Stimmen und als er um eine weitere Kurve bog, sah er, wie sich der Gang zehn Meter voraus in einen größeren Raum weitete. Erleichtert blieb er stehen und atmete einige Male tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
Er kam sich albern vor. Wie ein kleines Kind hatte er sich benommen! Er musste sich besser zusammennehmen, um nicht bei jeder Kleinigkeit in Panik zu geraten. Dieser Taelon schien alles daran zu setzen, ihn zu zermürben. Doch nicht mit ihm! Er setzte eine möglichst unbewegte Miene auf und ging festen Schritts auf das Ende des Ganges zu.

Der Raum, in den er kam, war wieder einmal ein Taelon-Labor, allerdings sehr viel größer und höher als die ihm bekannten. Es blieb ihm nicht viel Zeit, um sich umzusehen, denn Sa'el drehte sich zu ihm um und gab den Blick auf den Mann frei, mit dem er anscheinend gesprochen hatte.
„Wie schön, dass Sie es auch noch geschafft haben, Dr. Stratton. Ich denke, ich muss Sie nicht mit Dr. Cockburn bekannt machen.”
Frank ignorierte die gehässige Bemerkung und musterte den Mann. Entgegen Sa'els Unterstellung brauchte er einen Moment, um sich zu erinnern, wen er vor sich hatte. Bemüht, seinem Gesichtsausdruck eine gewisse Arroganz zu geben, trat er näher.
Der Mann sah nicht gut aus. Seine Gesichtszüge waren abgespannt und seine Augen gerötet, als hätte er seit längerem nicht mehr richtig gegessen und geschlafen. Sein Blick richtete sich stechend auf Frank und dann fiel bei diesem der Groschen. Dr. Frederic Cockburn war Sa'els Mitarbeiter in Boston und ebenfalls Mitglied in diesem verfluchten Gemeinprojekt zu Erforschung der Taelons gewesen. Und er war seit Wochen mit der Erklärung, er habe sich nun ganz in den Dienst der Taelons gestellt, verschwunden!
Während Frank ihn noch anstarrte, fand Cockburn schneller Worte. „Es wäre wohl zynisch, Sie hier willkommen zu heißen, Dr. Stratton.”
In Cockburns Augen glimmte Wut auf und er richtete seinen Blick hasserfüllt auf den neben ihnen stehenden Taelon, woraufhin Sa'els Züge zu Franks Erstaunen beinahe transparent wurden. Für einen kurzen Moment flackerten blau-violette Linien in seinem Inneren auf, doch dann war es auch schon wieder vorbei und der Taelon sah aus wie zuvor. Abweisend sah Sa'el von Cockburn zu Frank und wieder zurück.
„Ich denke, Sie kommen jetzt auch ohne mich zurecht.”
Ohne weitere Erklärung drehte er sich um und ging, weit schneller als Frank es für möglich gehalten hatte, aus dem Raum. Verblüfft verfolgte Frank ihn mit seinen Blicken.
„Geben Sie sich keine Mühe, ihm zu folgen”, meinte Cockburn mit zornerfüllter Stimme. „Für ihn gibt es hier Ausgänge, für uns jedoch nicht.”

 

 

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