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  „Willkommen im Unbekannten” von Ceng   (Emailadresse siehe Autorenseite),   April 2006
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Diese Geschichte ist das Sequel zu „Bis dann im Unbekannten...”. Mesua tritt nun ihre eigene Reise in die ihr fremde Welt an, wobei sie schnell auf die ersten Komplikationen stößt.
Zeitpunkt:  1/2 Jahr vor dem Rollenspiel „Operation Massenorgie”
Charaktere:  Mesua Rikinole, Dyro Sovrano, Professor Plaiz, Alysa Curkl, Carsu Rumyca, Dr. Lukas Brenner, Matt, weitere Straßenbewohner, Frau bei der Taelon-Botschaft, DRA-Wachmann
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2005 geschrieben.
 

 

WILLKOMMEN IM UNBEKANNTEN...

 

Welt D71 84CE, Planet Vedia

Eine junge Frau kam zielstrebig über den Campus geschritten. Sie wirkte glücklich, aber auch nervös. Langsam aber sicher näherte sie sich einem kleinen Gebäudeblock.
Etwas wehmütig musste sie jedoch daran denken, wie sie vor zwei Jahren zum ersten Mal hier gewesen war. Damals hatte sie die Ehre gehabt schon an ihrem ersten Tag an dieser Akademie der Dimensional Research Agency bei einer Abreise in eine fremde Welt dabei sein zu dürfen. So vieles hatte sich seitdem verändert und ließ sie sich nun bereit fühlen die Reise selbst anzutreten. Allem voran war da ihre Ausbildung gewesen, die sie einerseits dafür trainiert hatte Informationen über eine Welt zu sammeln und andererseits sich möglichst unauffällig unter die Menschen zu mischen. Dazu gehörte vor allem ihr Implantat, das ihre Haarfarbe mittlerweile gänzlich in ein hellbraun verwandelt hatte. Zunächst hatte sie nicht sehr viel davon mitbekommen, denn ihre Haare wuchsen nun einfach braun anstatt rot nach. Das hatte zwar etwas seltsam gewirkt, jedoch traf man hier an der Akademie logischerweise viele mit gemischten Haartönen. Richtig merkwürdig war es allerdings erst geworden, als die Haare an den Spitzen nicht mehr grün wurden. Auf einmal war sie nicht mehr fähig gewesen die Sonne auf ihrem Haar zu spüren, denn sie hatte niemals zuvor ihr Haar so weit abgeschnitten, dass es keine grünen Spitzen mehr bildete. Kein Vedian tat so etwas ohne Grund und deshalb hatte sie ehrliches Mitleid mit ihren männlichen Kollegen gehabt, denn sie wurden meist direkt zu Anfang darauf verwiesen ihr Haar kurz zu schneiden, da das offensichtlich bei Menschen so üblich sein sollte.
Ein weiterer wichtiger Punkt war ihr Name gewesen. Ihren Vornamen ‚Mesua’ hatte sie wie die meisten anderen auch behalten, jedoch war sie darauf vorbereitet worden ‚Patrey’ anstatt ‚Rikinole’ als ihren Nachnamen anzusehen, ihn aber bis zu ihrer Abreise geheim zu halten. Hierfür gab es eigentlich zwei Gründe. Der eine war, dass ihre richtigen Namen meist zu sonderbar in den Welten klangen, in die sie gingen und der andere, dass es sicherer war, wenn möglichst wenige Forscher in derselben Welt ihre gegenseitigen Tarnnamen wussten. Bekannt gegeben wurde jedoch stets der Name desjenigen, der sich schon am längsten in der entsprechenden Welt aufhielt. So wusste Mesua, dass sie nach einem Dyro Estorn suchen musste, falls er sie nicht fand.
Dyro - was war nur mittlerweile aus ihm geworden? Wirklich gekannt hatte sie ihn nicht, aber sie war ihm kurz begegnet und hatte dann noch gesehen wie er sich sozusagen aufgelöst hatte und somit für mindestens noch weitere drei Jahre in der parallelen Welt festhing, in die er geschickt worden war.
Vor dem Eingang zum Gebäude blieb sie kurz stehen und sah noch einmal an ihrer Kleidung hinunter. Sie trug jetzt einen mittellangen, dunkelblauen Jeansrock und ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt. Alles in allem fand Mesua eigentlich nicht, dass die Kleidung der Menschen sich besonders von der der Vedians unterschied.
Sie atmete noch einmal tief durch und ging dann durch die Tür, hinter der sie einem der Wachleute begegnete.
„Ich bin Mesua Rikinole.” nannte sie ihren Namen. Der Mann quittierte dies mit einem ausdruckslosen Nicken. Die junge Vedian seufzte leise. Diese Wachleute waren darauf trainiert desinteressiert gegenüber allem zu erscheinen, um Neugierige abzuschrecken, die sich Zugang zu Akademien und anderen Einrichtungen der DRA verschaffen wollten. Mesua fand allerdings, dass das innerhalb des Akademiegeländes überhaupt keinen Sinn ergab, aber es gab nun mal kein anderes Wachpersonal, das Zugang zur DRA hatte.
Mesua betrat den Reisebereich. Dort warteten bereits Professor Plaiz, ihre Zimmergenossin Alysa Curkl und Carsu Rumyca. Er würde Drittforscher werden und somit ihr Nachfolger. Glücklicherweise hatte sie mehr Zeit gehabt ihn kennen zu lernen als Dyro, da Carsu schon einige Monate früher angekommen war. Das lag daran, dass er bereits während seines 16. Lebensjahres mit der Ausbildung begonnen hatte und somit damals auch seinen Erstsprung durchgeführt, dann jedoch nach zwei Jahren eine Pause eingelegt hatte. Seine Ergebnisse waren nicht besonders gut gewesen und er hatte angezweifelt für diese Art Job geeignet zu sein. Er hatte ein Jahr gebraucht, um sich - hauptsächlich durch seine Eltern motiviert - wieder dazu aufzuraffen, weiter zu machen. Doch Mesua war froh darüber, denn Carsu war ihr inzwischen ein guter Freund geworden. In Wahrheit hatte sie nie gedacht, dass sie irgendjemanden von ihrer Heimatwelt vermissen würde. Auf der Akademie waren Freundschaften meist nur temporärer Natur, denn jedes Jahr kamen und gingen Dutzende. Und Mesuas Eltern hatten den Kontakt zu ihr abgebrochen, seit dem Moment, in dem sie ihnen als 18jährige eröffnet hatte, dass sie gegen deren Willen zur DRA gehen würde. Sie könnten es nicht ertragen sich ständig Sorgen um ihre Tochter machen zu müssen, hatten sie gesagt und daraufhin niemals auf einen von Mesuas Briefen geantwortet.
Doch ihr war klar, dass sie Carsu vermissen würde. Deshalb hatte sie auch durchgesetzt, dass er bei ihrer Abreise dabei sein durfte, obwohl dies normalerweise nicht üblich war.
Die Vedian griff wie beiläufig in ihre Rocktasche und tastete nach einem zusammengeknüllten Stück Papier. Vorsichtig zog sie den Zettel aus der Tasche und verbarg ihn in ihrer Hand. Erleichtert stellte sie fest, dass niemand etwas von dieser Bewegung mitbekommen zu haben schien. Es war ihr absolut klar, dass sie im Begriff war, etwas Verbotenes zu tun.
„Mesua, wenn Sie so weit sind...” unterbrach Professor Plaiz ihre Gedanken und wies mit einer Geste freundlich auf den hinteren Teil des Raums, von dem aus sie verschwinden würde. Mesua nickte. Dann wandte sie sich Carsu zu, der ziemlich angespannt wirkte.
„Carsu, auf Wiedersehen. Ich hoffe wir sehen uns in zwei Jahren dann mal.” sagte sie ruhig.
„Ja...” murmelte er abwesend. „Gute Reise, SDR Rikinole.”
Mesua schüttelte leicht den Kopf. Er war der erste, der sie mit ihrem Titel angesprochen hatte, seitdem er ihr vor zwei Wochen verliehen worden war. Er bedeutete Second Dimensional Researcher, aber eigentlich wurde er nur der Vollständigkeit halber verliehen, da in einer fremden Welt sowieso niemand etwas davon wissen würde. Ihr war auch klar, weshalb Carsu nicht besonders überzeugt wirkte. Ohne die Kenntnis ihres Tarnnamens würde er kaum fähig sein sie aufzuspüren. Doch darüber konnte sie sich jetzt keine Gedanken machen. Sie nahm seine Hand wie als wollte sie ihm zum Abschied die Hand schütteln. Sie sah eine kaum merkliche Reaktion in seinem Gesicht, als er das Stück Papier in ihrer Handfläche spürte, nickte ihm noch einmal zu und nahm dann ihre Hand weg, worauf er seine schnell schloss, so dass niemand bemerkte, dass sie ihm etwas gegeben hatte.
Darauf wandte sich Mesua Alysa zu. Auch ihr drückte sie zum Abschied die Hand.
„Mach's gut, Alysa.”
„Viel Erfolg, Mesua.” antwortete die andere Vedian mit einem Lächeln.
Dann machte Mesua einige Schritte zurück. Plaiz trat an sie heran und gab ihr einen für ihre neue Heimatwelt gültigen Ausweis, den sie schnell in die Tasche steckte. Sie stand nun wirklich kurz davor diese Welt zu verlassen. Der Professor trat zurück und ihr war klar, dass sie somit die Erlaubnis erhalten hatte ihre Reise anzutreten. Sie atmete tief durch und benutzte die erlernte Technik, mit der sie sich die Frequenz der neuen Welt ins Bewusstein rufen konnte. Als sie sicher war diese zu haben, begann sie den Transfer, indem sie sich mit ihrer angeborenen Fähigkeit eines jeden Vedian in parallele Welten zu reisen auf die Frequenz zu fallen ließ. Sie begann sich immer leichter zu fühlen und öffnete schließlich die Augen. Der Raum hatte sich nicht verändert, doch aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass von ihr nur noch Konturen übrig waren. Doch dann wurde alles unscharf und ihr Bewusstsein entschwand.

Carsu sah mit unsicherer Miene, wie Mesua sich auflöste und schließlich vor seinen Augen verschwand.
„Okay.” sagte Alysa. „Ich denke die Show ist vorbei.” Mit diesen Worten wandte sie sich ab und verließ das Gebäude. Carsu nickte langsam, bevor er ihr folgte. Er musste hier weg kommen so schnell es ging; musste auf sein Zimmer, wo es keine Videoüberwachung gab. Was hatte Mesua ihm wohl mitteilen wollen, was niemand wissen durfte? Er verlangsamte seinen Schritt, als er bemerkte, dass er diesen beschleunigt hatte. Er kam gerade von einer Abreise, also sollte es keinen Grund für ihn geben hektisch durch die Gegend zu rennen. Schließlich erreichte er jedoch sein Zimmer und stellte zufrieden fest, dass sein Zimmergenosse nicht da war. Er warf sich auf sein Bett und zog dann schnell den Zettel hervor, den er in die Hosentasche gesteckt hatte. Er faltete ihn auseinander und glättete ihn, da Mesua ihn offenbar ziemlich zusammengeknüllt hatte. Darauf war deutlich „M. Patrey” zu lesen.
Aber das konnte nicht sein! Mesua hatte noch nie eine Regel gebrochen, schon gar keine von den wichtigen! Doch es war unmöglich fehl zu deuten - Mesua hatte ihm ihren Tarnnamen verraten.
Der Vedian grinste kopfschüttelnd. Typisch für Mesua, dass sie versucht hatte diesen Verstoß gegen die Regeln so weit wie möglich von sich zu weisen. Deshalb hatte sie auch den Zettel so völlig zerknüllt und ihren Vornamen nur abgekürzt. Sie hatte ihr Initial wahrscheinlich überhaupt nur benutzt, damit sie sichergehen konnte, dass er verstand.
Immer noch lächelnd stand er auf, zerriss den Zettel in winzigkleine Stückchen und verstreute ihn über beide im Raum befindlichen Papierkörbe. Den Zettel brauchte er nicht mehr - Mesuas Namen würde er nie vergessen.

 
* * *
 

Welt D72 21EFC, Planet Erde

Mesua öffnete langsam die Augen. Sie fühlte sich seltsam ausgelaugt und das Zimmer, in dem sie sich befand, war ihr völlig fremd. Es wirkte auf seltsame Weise steril und das Bett, in dem sie lag, war reichlich unbequem. Mit einem Ruck setzte sie sich auf, als ihr wieder bewusst wurde, dass sie sich jetzt in einer fremden Welt befinden musste. Doch was machte sie hier? Was war passiert? Nein - rief sie sich selbst zur Ordnung - durchdrehen war in dieser Situation nicht angebracht. Sie musste ruhig bleiben und alles nacheinander durchgehen. Das letzte, was sie noch wusste, war, dass sie ihre Reise angetreten hatte. Danach war sie offenbar bewusstlos geworden. Damit hatte sie nicht gerechnet, aber sie wusste, dass es bei einer Reise außerhalb der drei Heimatwelten der Vedians nicht ungewöhnlich war - vor allem bei einer ersten solchen Reise. Sie musste jetzt auf jeden Fall die Nerven behalten. Wo war Dyro? Er hatte eigentlich auf ihre Ankunft warten sollen. Oder war dies hier etwa Dyros Unterkunft? Nein, Unsinn - schalt sie sich - dieses Zimmer wirkte alles andere als wohnlich. Hatten sie also Einheimische dieser Welt - Menschen - aufgenommen? Sie musste vermutlich dann schon viel früher als erwartet mit ihnen Kontakt aufnehmen. Die junge Vedian bemerkte, dass ihr Puls raste und sie sich unbedingt beruhigen musste, um einen klaren Kopf zu bewahren.
Sie sah sich nun langsam um, denn Beobachtungen konnten vermutlich weiterhelfen. Doch dieser Raum gab dafür nicht besonders viel her. Die Wände waren weiß gestrichen und überall stand allerlei technisches Gerät herum. Allerdings schien davon nichts eingeschaltet zu sein. Überrascht bemerkte sie, dass auf ihre Hand etwas geklebt worden war. Davon aus führte ein Schlauch zu einem Plastikbeutel, der mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war. Mesua verstand sofort. Eine Kanüle - aber wozu? Sie hatte eine ganz normale Reise hinter sich; danach brauchte man keine Hilfe von irgendetwas.
Die sich plötzlich öffnende Tür riss sie jedoch aus ihren Gedanken und brachte ihr Herz wieder zum Rasen. Was nun?
Ein junger Mann kam schließlich zur Tür herein und lächelte sie freundlich an. Er war komplett in weiß gekleidet und hatte dunkelbraunes kurzes Haar.
Der Mann sagte etwas in freundlichem Tonfall, das sie jedoch nicht verstand. Die Vedian erinnerte sich, dass er vermutlich etwas in seiner Muttersprache gesagt hatte. Ihr Ausweis wies sie nicht als Zugehörige seiner Nationalität aus, jedoch nahm er wohl an, dass sie seine Sprache sprechen müsste, wenn sie sich hier aufhielt. Sie überlegte, ob es vielleicht unhöflich war die landesübliche Sprache nicht sprechen zu können, aber sie hatte keine Wahl.
„Es tut mir leid, aber ich verstehe Sie nicht.” sagte sie also.
Der Mann nickte verstehend, aber immer noch freundlich.
„Natürlich, Sie sind Amerikanerin.” sagte er, wobei seine Worte merkwürdig klangen. Er hat einen Akzent - fiel es ihr ein. In ihrer Welt hörte man so etwas selten, denn fast jeder sprach Standard, was die Einwohner hier ‚Englisch’ nannten. Nur ein sehr geringer Prozentsatz hielt an Vedianu fest und auch dieser sprach zumeist perfekt Standard.
„Ja.” erinnerte sie sich an die Details ihrer Identität.
„Ich bin Dr. Lukas Brenner. Es ist schön zu sehen, dass Sie wach sind.” sagte er dann.
„Danke.” antwortete die Vedian. „Wo bin ich hier eigentlich?”
Sie hoffte, dass diese Frage nicht allzu verfänglich war, jedoch war sie ja bewusstlos gewesen.
„Immer noch in Aachen. Aber vielleicht können Sie mir sagen, was sie an dem See gemacht haben.”
Mesua überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte. Ein See?
„Ich... ich weiß nicht.” stammelte sie schließlich mit nicht gespielter Unsicherheit. „Ich kam hierher, um einen Freund zu besuchen.” sagte sie einer plötzlichen Eingebung folgend. „Mit dem Zug.” fügte sie hinzu, inständig hoffend, dass es hier so etwas gab.
Der Mann zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Sie wissen aber schon, dass es bei uns auch Portale gibt?”
„Ja, aber der Zug war mir lieber.”
Brenner schüttelte achselzuckend den Kopf und murmelte etwas in seiner Muttersprache.
„In Ordnung, Ihre Personalien haben wir, aber was ist mit Ihrer Krankenversicherung? Und wen sollen wir verständigen?” fragte der Mann nun.
Mesua spürte wie ihr Puls sich wieder beschleunigte. Sie hatte keine Ahnung, wovon der Mann sprach. Aber Dyro würde es wissen.
„Bitte finden Sie meinen Freund. Sein Name ist Dyro Estorn.” machte Mesua einen Versuch um das von dem Mann angeschnittene Thema herum zu kommen.
„Sie wissen nicht, wo er wohnt?” fragte Brenner ungläubig. „Haben Sie denn seine Globalnummer?”
„N-nein.” antwortete die Vedian und hoffte, dass ihr Gegenüber nicht bemerken würde, dass sie keinen Schimmer hatte, was das sein sollte.
Brenner rollte mit den Augen und zog dann ein kleines Gerät aus der Tasche, ließ es aufschnappen, so dass in der Mitte eine Art Bildschirm erschien und rief offenbar irgendwelche Daten ab. Kurz darauf nickte er.
„Sie haben Glück, dass Ihr Freund im internationalen Telefonverzeichnis steht.” merkte er dann kurz an, tippte auf das Gerät und fing nach einigen Momenten an mit dem Bildschirm zu sprechen. Wieder konnte Mesua nichts verstehen, bis der Mann sein Gespräch beendet hatte.
„Er wird gleich hier sein.” sagte er kurz, bevor er kopfschüttelnd den Raum verließ.
Mesua ließ sich stöhnend in ihr Kissen sinken. Sie hatte nicht das Gefühl, dass es besonders gut gelaufen war.
Etwa eine halbe Stunde später öffnete sich die Tür erneut und Mesua erkannte Dyro, der soeben den Raum betrat.
„Dyro! Ich bin ja so froh, dass du kommst!” rief sie ihm entgegen
„Ja, solltest du auch.” entgegnete er grimmig.
Mesua sah ihn überrascht an. Was war denn bloß mit dem los?
„Also.” sagte er kurz angebunden. „Die Reise hat dich also umgehauen. Schön, du bist hier in einem Krankenhaus, weil dich ein Pärchen am Weiher gefunden hat. Der Typ hat dich sicher nach deiner Krankenversicherung gefragt. Die Karte stecken sie immer hinten beim Ausweis rein.” sagte er und nahm ihren Ausweis, der auf einem kleinen Tischchen neben ihr lag. Dann zog er eine kleine Plastikkarte daraus hervor, von der man nicht gesehen hatte, dass sie sich auch darin befunden hatte. Dabei hielt er jedoch streng nach den Regeln ihren Ausweis verkehrt herum, so dass er ihren Namen nicht lesen konnte.
„Was ist denn los? Was ist mit dir...” begann Mesua, wurde jedoch von Dyro unterbrochen.
„Ich lebe jetzt hier und habe überhaupt keine Lust wieder zurückzugehen oder irgendwas mit unserer Welt zu tun zu haben. Diese Welt hat so viel mehr zu bieten und deshalb kann ich den ganzen Ärger hier wirklich nicht gebrauchen.” sagte er in aggressivem Tonfall.
„Aber...” versuchte Mesua einzuwenden, doch Dyro unterbrach sie abermals.
„Ich will nicht darüber diskutieren, klar? Ich schicke dich nach Amerika und damit hat sich die Sache.”
„Aber was denn für Ärger?” wollte Mesua nun wissen.
„Ich habe vorhin mit dem Arzt gesprochen. Du kannst noch von Glück reden, dass sie dein Blut nicht richtig analysiert haben, sonst wäre ihnen nämlich aufgefallen, dass die Genstruktur sich mehr als deutlich von der eines Menschen unterscheidet. Aber es ist auch so schon schlimm genug, denn Menschen haben einen höheren Hämoglobinwert als Vedians und deiner ist durch die Reise sowie schon abgesunken. Also ist er auf's Höchste alarmiert und hat dich deshalb auch an den Tropf gehängt.” erklärte der jüngere Vedian unwirsch.
„Hämo- was?” fragte Mesua verwirrt.
„Sei still und überlass mir das Reden!” fuhr ihr Kollege sie an, bevor er sich abwandte und das Zimmer verließ.
Mesua jedoch verstand die Welt - oder zumindest diese Welt - nicht mehr. Was war Dyro bloß zugestoßen, dass er derart ungehalten reagierte? Und - er wollte hier bleiben? Was war mit der DRA und seinen Forschungen? Das Ganze war für Mesua völlig unbegreiflich. Jetzt war ihr jedoch klar, dass er nicht auf sie gewartet hatte, sonst hätten nicht irgendwelche Unbekannten ihren bewusstlosen Körper gefunden. Die Vedian spürte, wie langsam die Wut in ihr aufstieg. Wenn er da gewesen wäre, hätte sie den ganzen ‚Ärger’ nicht verursacht. Wie konnte er also ihr die Schuld daran geben und sie dann auch noch so behandeln? Vielleicht war es ganz gut, dass er sie so schnell wie möglich wieder loswerden wollte, wenn er vorhatte sich weiterhin so aufzuführen.

Eine Weile später betrat Dyro gefolgt von dem Arzt wieder das Zimmer.
„In Ordnung, Ihr Freund hier hat alles für Sie geregelt, so dass Sie jetzt gehen können. Versprechen Sie mir nur, dass Sie sofort zu einem Arzt gehen, wenn Sie wieder in den Staaten sind.” begann Brenner ohne Umschweife.
„Ja, natürlich.” versicherte Mesua, obwohl sie das keineswegs vorhatte.
„Gut, dann befreie ich Sie jetzt von dem Ding.” sagte er und machte sich an der Kanüle zu schaffen.
Als sie ihre Hand wieder frei hatte, schwang Mesua ihre Beine über den Rand des Bettes und stand langsam auf. Der Arzt sah sie zwar noch etwas skeptisch an, sagte aber nichts.
„Danke für alles und auf Wiedersehen.” sagte die Vedian an ihn gewandt.
Brenner nickte ihr noch einmal mit einem knappen Lächeln zu. Dann zerrte Dyro sie hinaus auf den Gang und drückte ihr die kleine Plastikkarte samt Ausweis wieder in die Hand ohne eins von beidem anzusehen. Offensichtlich hatte Dyro vor, sich trotz allem an die Regeln zu halten, die besagten, dass er ihren Tarnnamen nur im Notfall erfahren durfte. Aber vielleicht war das auch nur ein weiteres Zeichen dafür, dass er weder mit ihr noch mit der Welt ihrer Herkunft weiterhin irgendetwas zu tun haben wollte.
„Okay, also wir müssen jetzt hier weg, aber wir können das Risiko nicht eingehen ein Portal zu benutzen. Also folg’ mir einfach.” wies der junge Vedian sie an. Mesua beschloss dies einfach zu tun und nichts weiter zu sagen und er schien ebenfalls nicht erpicht auf weitere Konversation zu sein. Also liefen sie den ganzen Weg schweigend hintereinander her. Zuerst führte es sie durch zahllose Gänge an diesem sterilen Ort, bis sie das Gebäude verlassen hatten. Mesua stockte kurz als sie zum ersten Mal ihren Fuß in diese Welt setzte, denn so kam es ihr in diesem Augenblick vor. Doch zu ihrem Bedauern hatte sie jetzt keine Zeit, um sich diese Welt genauer anzusehen, denn Dyro stoppte für keine Sekunde, sondern überquerte den Platz vor dem Ausgang und schlug einen Weg nach links ein. Allerdings war es im Moment sowieso dunkel und die Beleuchtung ermöglichte es nicht das ganze Gelände einzusehen. Mesua beeilte sich ihm zu folgen, konnte jedoch nicht umhin wenigstens einen Blick auf die Straße zu werfen. Was sie sah, wirkte seltsam vertraut. Die Autos waren zwar offensichtlich keine Hover-Fahrzeuge, sondern bewegten sich mittels Rädern fort, aber der Gesamtanblick erinnerte stark an ihre Heimatwelt. Nach einer Viertelstunde erreichten sie schließlich einen Wohnungsblock an der Hauptverkehrsstraße. Dyro zog einen Schlüssel aus der Tasche und betrat das Haus. Danach stiegen sie noch einige Treppen nach oben, bis der Vedian erneut einen seiner Schlüssel benutzte und sie beide in seine Wohnung einließ.
„In Ordnung, Mesua, du kannst eine Nacht hier bleiben, aber ich will, dass du Morgen verschwindest.” ließ er sie wissen.
Mesua sah ihn böse an. Er wollte anscheinend nicht mehr zurück, aber deswegen musste er ja nicht gleich so unfreundlich zu ihr sein.
„Reg dich doch endlich mal wieder ab!” sagte sie gereizt. Sie war schließlich nicht daran schuld, dass Dyro sich von seiner Heimatwelt abwenden wollte.
Zu ihrer Verwunderung reagierte der jüngere Vedian nicht aggressiv auf ihre Reaktion.
„Okay.” begann er nun ruhig. „Trotzdem ändert das nichts an der Tatsache, dass ich dich Morgen wegschicken werde. Es ist mir zu riskant, dass jemand fragen könnte, wer du bist und warum du dann plötzlich wieder verschwindest.”
„Gut.” sagte Mesua nickend, denn momentan stand ihr der Sinn wirklich nicht nach einer Diskussion und früher oder später würde sie sowieso aufbrechen müssen.
„Du kannst da drüben schlafen.” sagte Dyro auf das Sofa deutend, auf dem eine Decke lag. „Und dort befindet sich die Küche, falls du Hunger hast.” sagte er mit einer Geste in Richtung der entsprechenden Tür. Dann wandte er sich ab und verschwand in einem anderen Zimmer.
Mesua atmete tief durch. Offensichtlich gab es nichts weiter für Dyro zu sagen, so dass sie jetzt wohl allein war. Doch Erkundungen irgendwelcher Art reizten sie momentan nicht besonders, so dass sie beschloss, tatsächlich schlafen zu gehen. Auch wenn sie glaubte jetzt ganz und gar nicht schlafen zu können, war sie innerhalb weniger Minuten eingeschlafen.

Das erste, was Mesua bemerkte, war, dass jemand die Musik ziemlich laut aufgedreht haben musste.
„Stell die Musik leiser, Alysa!” rief sie deshalb im Halbschlaf. Merkwürdigerweise ging daraufhin die Musik tatsächlich aus.
„Alysa?” fragte eine offenbar belustigte Stimme, die definitiv nicht Alysas war.
Mesua schlug die Augen auf.
„Dyro, was ist denn los?” fragte sie, als sie erkannte, wo sie war und wem die Stimme gehört hatte.
„Nichts, aber es ist Zeit aufzustehen. Es ist schon fast Mittag.” bemerkte der Vedian.
Mesua nickte nur. Sie sollte wohl besser aufstehen, bevor ihr Artgenosse noch einen Grund fand sich wieder aufzuregen.
„Okay, du hast den halben Tag geschlafen, also war ich schon mal draußen und hab einige Sachen besorgt.” sagte er, wobei er die angesprochenen Dinge auf den Boden legte. Sie erkannte so etwas wie einen Rucksack und Dyro begann damit die restlichen Sachen aufzuzählen.
„Ich hab dir einige Sachen zum Essen mitgebracht, einen Notizblock und Stifte, eine Jacke, etwas Geld und ein Global.” erläuterte er, wobei er das kleine Gerät in die Hand nahm und es auseinander zog. „Es hat ein englisches Interface und dient zur Kommunikation wie auch zur Datenabfrage und -übermittlung. Ich habe unsere Nummern im jeweils anderen Global gespeichert - nur für den Fall.”
Mesua zog eine Augenbraue nach oben. Dass er ihr die Möglichkeit geben würde Kontakt mit ihm aufnehmen zu können, hatte sie nicht erwartet. Jedoch beschloss sie, dass es das Beste wäre, wenn sie einfach nichts dazu sagte.

Kurze Zeit später waren die beiden Vedians auf dem Weg zum nächsten Portal. Nachdem Mesua gegessen und Dyro ihr die Funktionsweise des Globals erklärt hatte, waren sie praktisch sofort aufgebrochen. Mesua trug jetzt ihren Rucksack mit den neuen Gegenständen über der Schulter und marschierte neben Dyro her.
Sie erreichten schließlich das Portal, an dem es ziemlich belebt zuzugehen schien. Mesua wusste nicht, wie sie reagieren sollte, um hier nicht aufzufallen und außerdem war sie sowieso ziemlich nervös. Dyro hatte gesagt sie sollten Portale nach Möglichkeit meiden, also bestand ein gewisses Risiko, dass sie als Nicht-Mensch aufgegriffen wurde. Doch offensichtlich war alles andere noch verdächtiger.
Es dauerte etwas, bis sie an der Reihe waren.
„Stell dich zwischen die Streben.” hörte sie schließlich Dyro sagen, der offenbar damit begann die Zielkoordinaten einzugeben. Mesua tat wie geheißen und stand schließlich mit wild klopfendem Herzen im Portal. Dyro nickte ihr noch einmal zu und löste dann den Transport aus. Sie fühlte sich hinweggetragen und einen Moment später stand sie an einem anderen Ort in einem Portal, das fast genauso aussah, wie das, aus dem sie gekommen war. Sie verließ es schnellstmöglich. Nicht nur, weil sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, sondern auch, um so schnell wie es ging hier weg zu kommen und ihr Glück mit der Überwachung der Portale nicht zu strapazieren. Womöglich würde jemand später doch noch herausfinden, dass da kein Mensch im Portal gewesen war.
Die Vedian sah sich also zum ersten Mal in ihrer neuen Heimat um und stellte schließlich fest, dass ihr kalt war. Eigentlich war es bisher immer kalt gewesen, seitdem sie in dieser Welt war. Bei ihr zu Hause gab es eine konstante Temperatur von tags etwa 24°C und nachts etwa 10°C. Dass es hier kälter sein könnte, hatte sie nie bedacht. Sie hoffte, dass sie sich irgendwie daran würde gewöhnen können, auch wenn sie sich fragte, wie die Bewohner der Erde diese ewige Kälte aushielten. Jetzt jedoch sollte sie sich erst mal hier umsehen, also packte sie die Jacke aus ihrem Rucksack und zog diese über.

Bald fiel Mesua auf, dass früher Morgen zu sein schien, denn die Sonne ging erst langsam auf und die Anzahl der Menschen auf den Straßen fing erst an zuzunehmen.
Sie lief langsam die Straßen von - Washington, wie ihr Global ihr anzeigte - auf und ab. Dies hier war eine völlig neue Welt und doch sahen ihre Bewohner so gar nicht fremdartig aus. Vor allem in letzter Zeit hatte sie sich auch an deren merkwürdige Haarfarben gewöhnen können und somit hätten sie genauso gut auch Vedians sein können. Doch das waren sie nicht, rief sie sich wieder ins Bewusstsein und sie musste vorsichtig sein mit allem, was sie tat. Doch ihre Sorge schien zunächst erst mal unbegründet zu sein, denn niemand beachtete sie sonderlich.
Schließlich kam sie an ein großes Gebäude, das wohl so etwas wie einen kulturellen Wert haben musste. Das machte die junge Vedian neugierig und so näherte sie sich langsam so weit bis sie die Inschrift auf einer Steintafel erkennen konnte, die ‚St. Michael's Church’ lautete.
Eine Kirche also, fuhr es ihr durch den Kopf. Das war nach ihren Informationen ein Ort, an dem die Menschen ihre Religion auslebten. Sie wusste nicht genau, ob sie tatsächlich dort hineingehen sollte. Doch Religionen waren immer ein heikles Thema, mit dem man vorsichtig umgehen sollte. Also beschloss sie, dass es erst einmal besser war einiges über diese Welt in Erfahrung zu bringen, bevor sie sich wieder diesem Bauwerk zuwenden würde.

Die Vedian erreichte schließlich eine Art Park, in dem sie sich zunächst auf einer Bank niederließ und etwas von dem Essen aus ihrem Rucksack hervorholte. Während sie zu essen begann, dachte sie nach, was sie langfristig tun sollte. Essen kostete hier überall Geld - das war ihr klar und das Geld, das Dyro ihr noch zugesteckt hatte, würde nicht lange reichen, wie auch die Essensvorräte. Sie musste sich also wohl oder übel etwas überlegen.
Sie seufzte, als sie sich daran erinnerte, dass die Erde von vielen als ‚raue Welt’ bezeichnet wurde. Wurde man hier tatsächlich im Stich gelassen, wenn man Essen und Unterkunft nicht bezahlen konnte?
Zu Hause war alles ganz anders. Dort erwirtschafteten sich die einzelnen Gemeinden hauptsächlich autark. Geld existierte nur als virtuelles Zahlungsmittel zwischen den Gemeinden, so dass eine Gemeinde von der anderen im Notfall Dinge kaufen konnte. Außerdem wurden gemeindeübergreifende Bus- und Bahnlinien entsprechend verrechnet.
Aber dass jeder sein eigenes Geld hatte - das war Mesua völlig neu.
Hier arbeiteten die Einwohner offenbar auch nicht, um ihren Platz in der Gemeinschaft einzunehmen, sondern, weil sie auf das Geld angewiesen waren, das sie dabei verdienten. Und so musste sie hier sich wohl auch so bald wie möglich einen Job verschaffen. Doch wie sollte sie das machen? Vielleicht sollte sie jemanden fragen, aber wen?
Sie stand wieder auf und schlug einen anderen Weg ein. Irgendwann bemerkte sie, dass die Häuser allesamt immer hässlicher wurden und es schmutzig zu sein schien. Warum sah es hier nur so aus? Hier musste doch jemand leben, dem das sicher nicht gefallen konnte.
Nach einer Weile traf sie auf ein paar Menschen, die ebenso schmutzig wirkten wie die Umgebung. Erschrocken blieb sie stehen, als sich eine Gruppe der Menschen näherte.
„Was tus du'n hier, Mädel?” fragte einer. Doch ein anderer scheuchte seine Kumpane ein Stück zurück und trat vor.
„Schon gut, wir wollen dir keine Angst machen.” sagte er beschwichtigend.
„Also, haste dich verlaufen, oder so?”
Mesua sah ihn immer noch mit schreckgeweiteten Augen an. Der Mann wirkte nicht sehr alt, aber er sah nicht so aus, als würde es ihm besonders gut gehen. Seine Kleidung war abgenutzt und schmutzig, außerdem verbreitete er keinen sehr angenehmen Geruch.
„Was ist mit Ihnen...?” begann Sie zittrig.
Der Mann seufzte. „Was mit mir is? Naja, kannst du dir sicher denken. Also, biste von zu Hause weggelaufen, oder was?”
„Naja, irgendwie schon.” sagte Mesua, da sie ja hier tatsächlich niemanden hatte.
„Ich weiß nicht wohin.” fügte sie dann noch leise hinzu.
Der Mann schüttelte den Kopf. „Du hast hier doch gar nix verloren. Kannst du nich irgendwen fragen? Du musst hier doch wen kennen.” meinte er dann etwas skeptisch.
Mesua dachte nach. Nein, sie kannte hier niemanden. Der Einzige auf dieser ganzen Welt, den sie kannte, war Dyro und dorthin konnte sie jetzt nicht zurück. Sie beschloss jedoch möglichst nahe an der Wahrheit zu bleiben. Sie würde so nicht Gefahr laufen sich in ihren Aussagen zu verstricken.
„Mein... Freund hat mich rausgeschmissen und sonst hab ich niemanden auf dieser Welt.” antwortete sie fast völlig wahrheitsgetreu. Dass Dyro nur ein Bekannter und Kollege war, würde für diesen Mann wohl nur noch verwirrender klingen.
Der Mann schüttelte erneut den Kopf.
„Niemanden, he? Deine Eltern sind also tot?” sagte er immer noch etwas skeptisch.
„Ja.” log Mesua schnell, denn auf dieser Welt gab es ihre Eltern ja nun wirklich nicht.
„Und was is mit Geschwistern? Entfernte Verwandte?” hakte der Mann nach.
„Nein, nichts davon.”
„Bist du sicher? Du musste doch dann zumindest irgendeinen Bekannten haben. Irgendeinen Bekannten von deinem Freund vielleicht?” meinte der Mann.
„Ich bin völlig sicher und die Bekannten von... meinem Freund kenne ich nicht.” antwortete Mesua wahrheitsgemäß.
Der Mann rollte nun verzweifelt mit den Augen.
„Also, Mädel, mir is total schleierhaft wie du bisher überlebt hast. Aber ein junges Ding wie du - da muss man doch was machen können.”
Mesua zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber könnt ihr mir vielleicht helfen?”
Der Mann sah sie nun etwas verärgert an, so dass Mesua schon einen Schritt zurückwich.
„Das kommt überhaupt nich in Frage! Wir könn’ dich hier nicht aufnehmen! Ich werd’ nich zulassen, dass du hier verrottest wie wir!” schimpfte der Mann nun.
„Du gehörst nich hierhin. Die Welt da draußen wird dich wieder aufnehmen, da bin ich mir sicher.” fügte er dann noch hinzu.
„Wirklich?” fragte Mesua, wobei ihr nicht ganz klar war, wovon der Mann eigentlich sprach. Dieser seufzte erneut.
„Na klar, mein Name is übrigens Matt.” sagte er dann.
„Freut mich. Ich heiße Mesua.”
„Mesua? Komischer Name.” meinte Matt brummend.
„Aber komm doch erst mal her.” sagte er dann und führte die Vedian schließlich zu einigen Kartons, die an einer Hauswand standen.
„Danke.” brachte Mesua nur hervor, auch wenn sie sich nicht besonders wohl fühlte.
„Komm, setz dich.” forderte Matt sie schließlich auf, worauf Mesua dieser Bitte auch nachkam. Der Mann setzte sich neben sie und begann dann aus einer Kanne Flüssigkeit in zwei Becher zu füllen.
„Ich sollte dir das zwar nich geben, aber das is wenigstens sauber.” meinte er, bevor er ihr einen der Becher hinhielt. Mesua nahm ihn schweigend entgegen, wobei sie sofort bemerkte, dass dieser nach starkem Alkohol roch. Sie beschloss davon lieber nichts zu trinken und wartete darauf, dass Matt sich ihr wieder zuwenden würde. Das tat er schließlich auch.
„Also, Musie...”
„Mesua.” verbesserte die Vedian.
„Ja, schon gut, aber Musie is einfacher. Ich hoffe du bestehs’ nich drauf.”
Mesua schüttelte den Kopf.
„Na, wenn Sie wollen, nennen Sie mich ruhig Musie.” versicherte sie.
Der Mann grinste.
„Gut, Musie, also du musst dir ers’ mal ‚nen Job besorgen.” begann er. Als sie dazu nur nickte, fuhr er fort.
„Was hast du denn bisher gemacht? Irgendeine Ausbildung?”
Mesua zögerte. Natürlich war sie ausgebildete Dimensionsforscherin, aber das konnte sie ihm schlecht erzählen. Gab es vielleicht irgendein Äquivalent? Nein, sie sollte lieber nicht versuchen irgendetwas von ihrer Arbeit zu erwähnen.
„Nein, gar nichts.” behauptete sie also.
Matt schien jedoch ihr Zögern bemerkt zu haben und beäugte sie skeptisch.
„Is’ schon gut, wenn es nicht das beste Gewerbe war, aber von solchen Jobs solltest dich lieber fernhalten.” meinte er.
Die Vedian verstand zwar nicht, wovon er sprach, nickte aber zustimmend.
Matt warf ihr kurz einen flüchtigen, irgendwie sehnsüchtig wirkenden Blick zu, schüttelte aber dann bestimmt den Kopf.
„Okay, also wenn de den Umgang mit Kunden gewohnt bist, versuch's doch mal in ‚ner Bar als Kellnerin. Du wirkst sehr freundlich und das wär sicher ‚n Versuch wert.” schlug der Mann ihr vor.
Mesua überlegte einen Moment, denn Umgang mit Menschen hatte seine Vor- und Nachteile. Wenn sie jetzt direkt mit ihnen in Kontakt kam, ging sie zwar ein Risiko ein, dass sie enttarnt werden könnte, doch hatte sie so auch eine grundlegende Basis für Erforschungen.
„Vielleicht haben Sie Recht. Ich werde mich dann wohl auf die Suche machen müssen.” sagte sie.
Matt nickte, offenbar erleichtert, dass sie seinen Vorschlag für gut befand.
„Okay, dann mach dich auf!” sagte er nun lächelnd.
Mesua erwiderte das Lächeln und stand dann auf, wobei sie Matt den Becher zurückgab.
„Ich komm Sie mal besuchen.” sagte sie.
Doch Matt schüttelte immer noch lächelnd den Kopf.
„Nee, ich zieh bald um. Die Gegend gefällt mir nich mehr besonders, weil die hier sich alle zu den Taelons verpissen. Überall wird schon gefragt, ob man auch da hingehen will. Is ja gut und schön, dass die einem was zu essen geben, aber ich will meine Ruhe haben. Also zieh ich woanders hin. Wird da wohl auch nich besser sein, als hier, aber das is schon in Ordnung.” erklärte Matt.
Mesua überlegte zwar, ob sie ihn nicht fragen sollte, was es genau mit den Taelons auf sich hatte, beschloss aber, dass das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war und sie noch später darauf zurückkommen könnte.
„Dann leben Sie wohl.” sagte Mesua und streckte ihm ihre Hand hin.
Matt sah sie zwar verwundert an, schüttelte ihr aber dann doch die Hand.
„Leb wohl, kleine Musie.”
Die Vedian nickte lächelnd, bevor sie sich abwandte und das Stadtviertel verließ.

Mesua streifte durch die Straßen, wobei sie kaum bemerkte wie die Zeit verging. Sie hatte auf ihrem Weg schon einige Bars gesehen, sich aber bis jetzt noch nicht dazu durchringen können eine davon zu betreten. Dafür fehlte ihr momentan noch der nötige Überblick über die Stadt und die Art der Menschen hier zu leben. Ihr erster Kontakt mit einem Menschen war zwar positiv, aber dafür auch etwas seltsam gewesen. Warum lebte Matt bloß in dieser schlechten Gegend, aber glaubte, dass sie nicht so leben musste? Sie seufzte, als ihr auffiel wie wenig sie diese Welt doch bisher verstand.
Schließlich gelangte sie an ein Gebäude, das sich rein äußerlich schon deutlich von den anderen abhob. Es war blau bis violett und ragte eigenartig verwunden in den Himmel. Hinzu kam noch, dass sich eine große Menge Menschen davor versammelt hatte. Sie bemerkte jedoch auch, dass es niemandem gelang wirklich nah an das Gebäude heranzukommen, da dies von einer Absperrung verhindert wurde. Weil sie nicht genau wusste, was sie davon halten sollte, beschloss sie einen der Anwesenden zu fragen. Doch in dem Moment wurde sie von der Seite angerempelt, was sie ein Stück zur Seite taumeln ließ, so dass sie einer Frau beinahe auf den Fuß trat.
„Entschuldigen Sie!” murmelte die Vedian hastig. Als die Frau nur nickte, entschloss Mesua sich diese auch direkt zu fragen, was sie wissen wollte.
„Ähm, was ist hier eigentlich los?”
Die Frau wirkte überrascht, aber auch ein wenig belustigt.
„Das wissen Sie nicht? Der nordamerikanische Companion Da'an hat gerade eine Rede gehalten.”
Mesua war verwirrt. Musste sie diesen Menschen kennen, der hier offenbar eine Rede gehalten hatte?
„Ähm, wer? Ich... ich war lange nicht hier.” improvisierte sie.
Die Frau begann nun zu grinsen.
„Wo haben Sie denn gelebt? Im Dschungel? Da'an ist der zuständige Taelon für Nordamerika. Das da vorn ist die Botschaft.” sagte sie dann achselzuckend, als wüsste sie nicht, was sie ihr sonst noch erklären sollte.
„Außerdem muss ich jetzt gehen.” fügte sie noch hinzu, bevor sie hastig im Gewühl der Menge verschwand.
Mesua dagegen versuchte die Informationen in ihrem Kopf zu verarbeiten. Es gab diese außerirdische Rasse hier, die man Taelons nannte. Da'an war demnach einer von ihnen, der offenbar hier in Nordamerika stationiert war. Und wenn die Frau das eigenartige Gebäude als ‚Botschaft’ bezeichnete, dann war dies sicher die Botschaft der Taelons hier in diesem Land. Doch über die Taelons wusste Mesua noch weniger, als über die Menschen. Offenbar gab es so gut wie gar keine Informationen über diese auch hier fremde Rasse. Bis jetzt hatte noch niemand von ihrer Welt jemals etwas von ihnen gehört, was bedeuten musste, dass sie einen gewissen Seltenheitsgrad haben mussten.
Welten mit Menschen gab es jede Menge. Um genau zu sein, gab es so gut wie gar keine ohne sie. Es gab natürlich einige, in denen sie nicht die dominante Spezies darstellten, aber merkwürdigerweise fand man sie fast immer irgendwo.
Eigenartig war es eigentlich, dass Vedians nur auf drei Welten existierten und dass es genau dort keine Menschen gab. Daher gab es auch die allgemein anerkannte Theorie, dass die Vedians sich aus Menschen entwickelt hatten. Dass es auf einer der drei Welten dennoch Menschen gab, war außerdem nur darauf zurückzuführen, dass aufgrund von Kontakt zu anderen Welten sich Angehörige dieser Spezies dort angesiedelt hatten. Auf den anderen beiden Welten der Vedians fand man Menschen dagegen nur vereinzelt vor.
Doch jetzt war Mesua hier und hatte es neben den Menschen noch mit einer höchst seltenen Spezies zu tun. Doch offenbar gab es hier bei der Botschaft keine Möglichkeit näher heranzukommen und die Anwesenden wandten sich bereits zum Gehen. Also musste sie wohl ein anderes Mal wieder herkommen, wenn sie auch nur einen Blick auf einen Taelon erhaschen wollte.
Die Vedian machte sich ebenfalls auf den Weg, um sich vom Gebäude zu entfernen. Dabei bemerkte sie erstaunt, dass es schon anfing dunkel zu werden. War sie den ganzen Tag schon hier herumgelaufen? Es half jedoch nichts, dass sie noch immer keinen Job hatte. Sie wusste noch immer nicht, wo sie genau fragen sollte und was man ihr wohl antworten würde, aber eine Bar war hier relativ leicht zu finden. Doch wohin sollte sie gehen? Und würde sie sich jemals an diese Welt hier gewöhnen können?
Die Vedian blieb schließlich vor einer Nachtbar stehen, die den Namen ‚Jeanne's’ trug. Am Eingang stand ein Mann, der offenbar die hereinkommenden Leute kontrollierte, aber irgendetwas an dieser Bar schien Mesua sympathisch zu sein. Doch würde sie an diesem Mann vorbeikommen oder entsprach sie jemandem, der hier nicht erwünscht war?
Sie beschloss schließlich einen ihrer wenigen Vorteile hier zu nutzen. Sie ging an der Bar vorbei und schlug den Weg in die nächste Seitenstraße ein. Dort verbarg sie sich vorsichtig in einer relativ dunklen nicht einsehbaren Ecke. Sie musste sich unsichtbar machen. So hatte sie Gewissheit, dass sie unentdeckt blieb. Leider hatte sie sich nie besonders viel aus Phasenverschiebung gemacht, so dass sie das nicht lange würde beibehalten können. Sie musste also schnell rein, sich umsehen und sich dann entweder irgendwo sichtbar machen, wo sie niemand sehen konnte oder wenn das nicht möglich war, schnell wieder hinauslaufen. Die Vedian war nervös, versuchte sich aber zu entspannen. Drinnen gab es sicher Toiletten und da gab es sicher eine Möglichkeit. Also begann sie langsam unsichtbar zu werden, achtete darauf, dass sie wirklich komplett phasenverschoben war, löste sich dann aus der Ecke, in der sie sich versteckt hatte und trat wieder auf die Straße, bei der sich die Nachtbar befand.
Sie atmete tief durch, straffte sich und ging dann auf den Eingang zu. Sie schlüpfte an dem Mann vorbei und stand dann schließlich im Inneren der Bar. Sie stieß einen leisen Seufzer der Erleichterung aus. Dies hier war der Anfang eines Lebens in einer neuen Welt. Auf seltsame Weise war ihr bewusst, dass es hier eigentlich erst wirklich begann. Mit diesem Gedanken setzte sie sich schließlich langsam in Bewegung.

 

ENDE

 

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