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  „Im Dämmern des neuen Tages” von Alraune   (Emailadresse siehe Autorenseite), 2002
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Sequel zu „Gleichklang”. Das Mutterschiff wird unerwartet in eine andere Dimension gezogen, in der Märchen wahr zu sein scheinen.
Zeitpunkt:  Jenseits der fünften Staffel. AU, Semi-Crossover mit „Die Nebel von Avalon”
Charaktere:  Zo'or, Liam Kincaid, Renée Palmer, Lord Arloin, Gilcon, Aislinn/Da'an, Tassin/Ta'sin, Morgane
 

 

IM DÄMMERN DES NEUEN TAGES

 

Schlanke, schimmernde Finger glitten mit geisterhafter Leichtigkeit über die anmutig geformten Gesichtszüge des schlafenden Kimeras, brannten ihre Form unauslöschlich in das Gedächtnis der über ihm lehnenden Gestalt. Die einzige Lichtquelle war das perlschimmernde Licht des letzten noch am Himmel stehenden Mondes, dunkle Schatten lagen auf dem Gesicht des Taelons. Er war völlig in seine Aufgabe vertieft. Nichts schien in diesem Moment wichtiger zu sein, nichts bedeutender als sein Tun. Dann ein hauchfeines Lächeln, als er sich das Antlitz seines Gefährten erneut zu seiner Zufriedenheit eingeprägt hatte. Er tat das jede Nacht, als habe er Angst zu vergessen. Oder um es sich neu in Erinnerung zu rufen?
Behutsam schmiegte die zierliche Gestalt sich dann zurück in die Arme des anderen und schlief ein. Es dauerte nicht lange und er begann zu träumen.

 
* * *
 

Major Kincaid wanderte mit einem vergnügten Schmunzeln den Gang des Mutterschiffes entlang. Er hatte sich wieder einmal mit Zo'or gestritten und versöhnt. Allmählich war das wirklich nur noch zum lachen, sie stritten über die unsinnigsten Sachen, einfach um des Streitens willen.
Und um sich anschließend wieder zu versöhnen.
Damals, vor drei Jahren, als er den Taelon in seinem Raum vorgefunden hatte, war ihm nicht einmal im Traum der Gedanke gekommen, dass sie beide eines Tages Liebhaber werden könnten. Und Liebhaber waren sie, seit mehr als zwei Jahren. Gott, diese Vorstellung hatte noch immer etwas unglaubliches an sich. Würde sie wohl immer haben. Ihre Trauer um Da'an hatte sie zusammengeführt und ineinander hatten sie neue Hoffnung und Vertrauen gefunden.
Da'an. Er verdankte dem Taelon so viel und doch würde er nie die Möglichkeit haben es ihm zu danken, außer in seinen Handlungen. In seinem Leben und in dem was er daraus machte. Liam war sicher, dass Da'an die Beziehung zwischen seinem Beschützer und seinem Kind gutgeheißen hätte.

Eine leichte Erschütterung lief durch das Schiff und ließ den Major im Schritt innehalten. Erneut dieses schwache fast unmerkliche Zittern. Liam nahm seine Bewegung wieder auf, beschleunigte sein Tempo, er musste zur Brücke.

Dort angekommen, fand er Zo'or und Rene Palmer vor, die beiden waren in ein erhitztes Gespräch verstrickt und schenkten dem Geschehen um sie herum keine Aufmerksamkeit. Noch immer liefen leichte Stöße durch das Schiff. Täuschte er sich oder wurden sie stärker?
Nein er täuschte sich nicht.
Ein besonders heftige Ruck bestätigte das. Und er weckte auch die Aufmerksamkeit der beiden Streitenden.
Unruhige Blicke flogen umher.
Jedoch nicht für lange.
Von einem Moment zum anderen, endete jede Bewegung des Schiffes und noch ehe jemand reagieren konnte, waren sie von einem sonderbaren Licht umgeben und ihre Sinne schwanden.

 
* * *
 

Ein paar kristallblauer Augen öffnete sich ruckartig.

 
* * *
 

Sonnenschein grüßte Liam als er schließlich mühsam seine Augen öffnete. Ein wenig verwirrt blickte er um sich. Sollten sie sich nicht im Weltraum befinden? Stattdessen blickte er auf eine schier unendlich erscheinende Graslandschaft. Nicht der Anblick den er auf der Brücke des Mutterschiffes erwartete. Liam zweifelte aufrichtig an seinem Verstand.
Ein leises Keuchen neben ihm verriet, dass noch jemand die Aussicht bemerkt hatte. Vielleicht war mit seinem Verstand ja doch alles in Ordnung.
Wenn das aber der Fall war wo waren sie dann? Und wieso befand sich das Mutterschiff auf einem Planeten? Und auf welchem Planeten?
Dem ersten Eindruck nach unterschied er sich nicht sehr von der Erde, aber das mochte Täuschung sein.
Was sollten sie jetzt tun?

 
* * *
 

Unsicherheit begleitete Zo'ors Erwachen.
Was war geschehen?
Irgendetwas hatte sie ergriffen und fortgerissen.
Er spürte den Aufruhr der an Bord befindlichen Taelons.
Aber wo waren die Anderen?
Die Taelons die sich nicht auf dem Mutterschiff befunden hatten, ihre Präsenz war verschwunden.
Doch vor dem Erwachen hatte Zo'or noch etwas anderes gespürt.
Da'an.
Seine Anwesenheit war für Sekundenbruchteile fühlbar gewesen, sein Geist strahlend hell wie ein Leuchtfeuer in tiefer Dunkelheit.
Und dann ...
War er einfach verschwunden.
Zo'or hätte am liebsten geschrieen so weh tat ihm der erneute Verlust.
Für diesen kurzen Moment hatte er sich wieder ganz gefühlt, der fehlende Teil seiner Seele war ihm zurückgegeben worden, doch nur um ihm ebenso schnell wieder entrissen zu werden.
Sollte er denn niemals Frieden finden?
Mühsam raffte Zo'or sich auf und nahm seine Umgebung in Augenschein.
Er musste etwas tun um sich abzulenken, irgendetwas das ihn vergessen ließ.
Ein Blick über die Brücke überzeugte ihn, dass die Anwesenden zumindest äußerlich unverletzt waren. Obwohl die meisten wie hypnotisiert nach draußen starrten.
Der Taelon folgte dem Blick und keuchte auf.
Was sollten sie jetzt tun? Unbewusst echote er die Worte seines Gefährten, während er auf die Ebene und den Horizont starrte.

 
* * *
 

Renée Palmer erging es nicht besser.
Ihre Verwirrung hielt sich in Grenzen.
Schön, sie waren also nicht mehr in Kansas.
Dann mussten sie eben herausfinden wo sie waren und wie sie wieder nach Hause kamen.
Etwas gab ihr aber doch zu denken, der Himmel, oder besser gesagt was dahinter war.
Sie konnte deutlich drei kleine Monde erkennen die sich auf verschiedener Höhe ihrer Bahn befanden und dahinter ...
Ja was war das?
Etwas kaum sichtbares. Es schimmerte ab und zu regenbogenartig auf, doch war es mit nichts vergleichbar das sie je gesehen hatte.
„Wo zum Teufel sind wir hier?” fragte sie schließlich ohne jedoch eine Antwort zu erwarten. Und sie erhielt auch keine, nur hilflose Blicke.

 
* * *
 

Äste und Zweige wurden behutsam beiseite geschoben, während die beiden Wesen sich behutsam ihren Weg bahnten.
Nicht ein Blatt wurde beschädigt, kein Grashalm geknickt.
Niemand der hier vorbeikam hätte gewusst, dass sie hier gewesen waren.
Die Menschen bezeichneten ihresgleichen als Elben oder holdes Volk. Eine Bezeichnung die sie aus ihrer Welt mitgebracht hatten, als die Tore nach Avalon für sie noch offen waren.
Avalon.
Auch dieser Name stammte von den Menschen.
Vor ihnen war diese Welt namenlos gewesen.
Die Menschen hatten sie sicher interessanter gestaltet, mit ihren Mythen und Sagen, ihren abergläubischen Vorstellungen und Träumen.
Durch die Menschen war Avalon jedoch auch ein gefährlicherer Ort geworden.
Viele der ersten Völker zogen es vor ihnen aus dem Wege zu gehen, obwohl einzelne den Kontakt sogar suchten.
An diesem Tag war das Gleichgewicht gestört worden, wie jedes Mal wenn ein Übergang erfolgte. Die Konsequenzen dieses Geschehens waren unabsehbar und würden das Leben hier auf lange und auf kurze Sicht sehr viel interessanter gestalten.
Die beiden Reisenden hatten sich entschieden den Neuankömmlingen aus dem Wege zu gehen. Sie wollten nicht in deren Angelegenheiten verstrickt werden, auch wenn sie beide das Gefühl hatten, dass ihnen letztlich gar nichts anderes übrig bleiben würde.

 
* * *
 

Ratlos betrachtete Zo'or den zornig vor seinem Gesicht herumfuchtelnden Mann.
Er verstand kein einziges Wort von seinem Geschrei und konnte sich nur wundern worum es dem Menschen eigentlich ging. Die lebhafte Gestik deutete darauf hin, dass es irgendetwas mit dem Mutterschiff sowie den Dutzenden von Taelons und Freiwilligen die hier herumwanderten zu tun hatte.
„Ich glaube der will uns hier weghaben,” ertönte Renée Palmers Stimme von seiner linken Seite.
„Ich fürchte sie hat recht,” kam es von rechts wo Liam stand.
„Und wie mache ich ihm klar, dass das völlig unmöglich ist? Oder spricht hier zufällig jemand seine Sprache?” zischte Zo'or verärgert zurück. Das Getobe des Fremden ging allmählich an seine ohnehin schon arg angekratzten Nerven.
„Ich glaube er spricht irgendeine Form von Gälisch, aber sie ist so verzerrt, dass ich kaum ein Wort verstehe.” Liam klang ein wenig zögernd. Zo'or mochte zwar sein Liebhaber sein und hing sicher auch an ihm, aber das schützte den Hybriden nicht vor dem Zorn des Taelons. Der wurde lediglich kreativ in der Art der Strafe.

 
* * *
 

Lord Harren Arloin war kein glücklicher Mann.
Von einer Erkundung seiner Gebietsgrenzen zurückgekehrt, hatte er gerade beim Frühstück gesessen, dem ersten seit Wochen, als er durch die Nachrichten aufgeschreckt wurde.
Der Bote hatte zwar etwas wirr geklungen war aber fähig gewesen ihm eine recht detailreiche Beschreibung der sich bietenden Szene zu liefern.
Er wusste aus alten Geschichten, dass ab und zu solche Dinge vom Himmel fielen und an und für sich wäre das ja auch kein Problem gewesen... Nur dass es mitten in seinem Getreide gelandet war, passte ihm gar nicht.
Es wäre die beste Ernte seit Jahren geworden.
Der Gipfel war allerdings, dass die Besitzer des Raumschiffes - ja er wusste sehr genau was er da vor sich hatte - ihn nur dümmlich anstarrten und offenbar kein Wort verstanden.
„Gilcon,” brüllte er nach seinem Verwalter „schaff mir ein paar Elben her. Aber sei höflich, ich will nicht, dass die mir aus Ärger auch noch den Rest der Ernte ruinieren.”

 
* * *
 

„Was machen die denn jetzt?” murmelte Renée während sie mit einem wachsenden Haufen Taelons und Freiwilliger zusah wie zwei der, mit dem Schreihals eingetroffenen, Männer davon ritten.
Liam zuckte nur mit den Schultern.

 
* * *
 

Der tiefe hallende Ruf eines Horns tönte durch den Wald.
Wieder und wieder.
Die beiden Elben hatten ihre Reise unterbrochen und lauschten, während sie gleichzeitig versuchten zu einer Entscheidung zu kommen.
°Sollen wir darauf reagieren, Esche?° (Esche auch als Kosewort gebraucht meint Partner oder Liebster; ist eine Ableitung von Essiente tarache = geliebter Gefährte) erklang die Stimme des Größeren.
°Du weißt was geschieht wenn wir das tun. Zo'or hat meine Anwesenheit hier bereits gespürt. Er wird unweigerlich herausfinden wer ich bin. Er kennt mich zu gut.° die Stimme des zweiten Elben, ein sanfter Alt mit einem melodischen Akzent, antwortete leise wie ein Windhauch.
°Du weichst einer Herausforderung aus?° Klare grüne Augen blickten in Kristallblaue, lautloses Lachen tanzte zwischen ihnen.
°Gehen wir, Esche. Ehe die Menschen ungeduldig werden.° Der kleinere Elb wandte sich in Richtung der Hornstöße.

Ta'sin blickte seiner Gefährtin hinterher.
Sie wirkte glücklich, doch waren diese Momente des Übermutes und ungetrübter Fröhlichkeit sehr selten. Ihre Vergangenheit belastete sie noch immer, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Sie musste damit abschließen, doch war er sich nicht sicher ob Da'an dazu jetzt schon bereit war. Diese Konfrontation mochte sich als schlimmer Fehler erweisen, oder als Segen. Wer wusste das schon.

 
* * *
 

Die Sonne war schon vor mehreren Stunden untergegangen und mehrere große Lagerfeuer brannten.
Einheimische sowie Angehörige der Schiffsbesatzung hatten sich gemeinsam daran niedergelassen. Man verständigte sich so gut es ging durch Gesten, doch eine wirkliche Verständigung kam nicht zustande.
Es fehlte an den Grundlagen um darauf aufzubauen.

Renée Palmer döste an einem der Feuer sitzend vor sich hin, sie hatte ihre elegante Businesskleidung kurzfristig gegen einen Freiwilligenoverall eingetauscht, da der sich hier wohl als praktischer erweisen würde, er wärmte auch besser.
Plötzlich bemerkte sie eine Art Tumult am anderen Ende ihrer Notgemeinschaft. Jemand war angekommen. Vermutlich die Männer von vorhin und sie hatten jemanden mitgebracht. Wegen des ungünstigen Lichtes konnte sie die beiden nur schemenhaft erkennen, auch trugen beide lange Mäntel, die Gesichter durch Kapuzen verhüllt.
Beide wirkten sie als stünden sie im vollen Mondlicht, obwohl direkt neben ihnen ein Feuer brannte.
Das sind keine Menschen, teilte ihr Unterbewusstes Renée mit. Abwesend langte sie mit einer Hand neben sich und schüttelte Liam wach, Zo'or, der an dessen Schulter gedöst hatte, wurde gleichfalls aufgeschreckt. Gemeinsam blickten sie den sonderbaren Gestalten entgegen, die nun in Begleitung des Beschwerdeführers auf sie zuhielten.

 
* * *
 

Müden Blickes beobachtete Zo'or wie die drei sich am Feuer niederließen. Mehrere Freiwillige rutschten eilig beiseite um Platz zu schaffen.
Er wusste nicht was er von der jüngsten Entwicklung der Ereignisse halten sollte. Warum waren diese beiden Fremden hier?
Er hatte nicht damit gerechnet eine Antwort zu erhalten, doch er bekam sie, wenn auch in anderer Form als erwartet. Einer der beiden Fremden richtete das Wort an sie.
„Guten Abend. Ich hoffe wir stören Sie nicht allzu sehr?”
Plötzlich hellwach richtete der Taelon sich auf. „Sie sprechen Englisch?”
„Unter anderem.” Im Schatten der Kapuze war ein Lächeln zu erkennen.
Die Stimme verriet den Fremden als Frau, ein sonderbar vertrauter Akzent begleitete ihre Worte. Es kam Zo'or so vor als sei er ihr schon einmal begegnet, aber das konnte nicht sein.
„Wer sind Sie?” Der Taelon lehnte sich der Fremden entgegen, beobachtete genau ihre Reaktion.
„Mein Name ist Aislinn, der meines Gefährten lautet Tassin.”
°Sehr phantasievoll, Esche.°
Es war dem jungen Synodenführer nicht möglich zu verstehen was der Fremde gesagt hatte, er benutzte eine Sprache die er noch nie gehört hatte, die auch nicht in seiner genetischen Erinnerung enthalten war. Sirrende, klingende Töne, die dem Fremden über die Lippen geflossen waren, geformt in einem fremden Rhythmus.
Aislinn hingegen schien sehr gut zu verstehen und sah Tassin scharf an, unterließ es jedoch zu antworten und konzentrierte sich stattdessen auf Zo'or.
„Wir wurden von Lord Arloin,” sie deutete auf den Mann in dessen Begleitung sie erschienen waren „gebeten für ihn zu übersetzten, da es ihm nicht möglich war sich in seiner Sprache mit Ihnen oder Ihren Leuten zu verständigen.”
„Woher kenne sie unsere Sprache?” Bisher hatte Zo'or das Gespräch allein bestritten, doch hatte sich nun auch die Doors-Repräsentantin eingeschaltet.
„Ich habe einige Zeit auf der Erde verbracht,” lautete die gleichmütig klingende Antwort. Doch da war noch ein Unterton von etwas anderem das Zo'or nicht identifizieren konnte, er bedauerte in diesem Moment wirklich die Gesichtszüge der Frau nicht sehen zu können. Vielleicht hätte er auf diese Weise mehr erfahren. Was er sah waren ein paar Augen die wie die eines wilden Tieres aufschimmerten, als sie ihre Haltung leicht veränderte um ihn besser ins Auge zu fassen. Vielleicht war sie kein Mensch, es wäre sicher interessant diese Frage zu klären. Seine Priorität musste im Moment jedoch bei der Klärung der gegenwärtigen Situation liegen.
„Was wünscht seine Lordschaft von uns?”
„Lord Arloin wünscht, dass Sie Ihr Raumschiff aus seinem Getreidefeld entfernen. Zudem fordert er Ersatz für den angerichteten Schaden.”
Sprachlos starrte Zo'or erst Aislinn und dann den Lord an, beide erwiderten seinen Blick ungerührt.

 
* * *
 

„Hat er das wirklich gesagt?” erkundigte sich Renée Palmer schließlich verblüfft.
„Nicht exakt. Er hat sich, wie soll ich sagen, farbiger ausgedrückt. Obwohl ich persönlich nicht finde, dass Ihr Schiff aussieht wie eine Mischung aus Qualle und einem Tannenzapfen. Ich hätte beim zweiten Elternteil eher auf einen Tintenfisch getippt.”
Zum zweiten Mal in weniger als fünf Minuten verschlug es Zo'or die Sprache. Diesen Effekt hatte nicht einmal Da'an in seinen besten Zeiten erzielen können.
„Was also ist die Antwort die ich Lord Arloin geben darf?”
Es war Liam der das Wort ergriff.
„Wir können hier nicht weg. Sämtliche Antriebseinheiten sind ausgefallen, ebenso die Energieversorgung. Das Mutterschiff funktioniert zur Zeit nur mit Hilfe von Notaggregaten und die können gerade die notwendigsten Systeme versorgen.”
Aislinn legte den Kopf in einer sonderbar vertrauten Geste schräg und übersetzte dann die Worte des Hybriden.
Die Erwiderung war zweifellos ebenso farbig durchsetzt wie schon zuvor seine Erläuterung.

 
* * *
 

Beide Elben starrten den Lord fasziniert an, schließlich hob Da'an im Schatten der Kapuze verblüfft die Augenbrauen.
°Er hat sich bis jetzt noch nicht einmal wiederholt und einige dieser Verwünschungen habe selbst ich noch nie gehört.°
°Menschen legen hin und wieder einen erstaunlichen Einfallsreichtum an den Tag.° kommentierte Ta'sin trocken.
Schließlich kam seine Lordschaft zu einem Ende und Da'an machte sich daran das Gesagte auf das Wesentliche zu reduzieren.
„Lord Arloin fordert eine Nutzungsgebühr solange Sie sein Land blockieren zusätzlich zum Ersatz der Ernte. Auch rät er Ihnen nach Kathredin zu gehen. Dort sollte man fähig sein Ihnen bei Ihrem Problem zu helfen.” Sie lächelte innerlich als sie den allzu vertrauten sturen Ausdruck auf Zo'ors Gesicht bemerkte, er würde Widerstand leisten.
Und tatsächlich, sie sollte echt behalten.
„Wieso sind Sie sich da so sicher?”
Manchmal waren die Reaktionen des jungen Synodenführers wirklich zu einfach vorhersagbar.
„Ihr Schiff ist bei weitem nicht das erste das auf diese Welt gestürzt ist. Die, die vor Ihnen kamen wollten hier auch wieder weg und waren daher gezwungen ihre gesamte technische Entwicklung erneut zu durchlaufen um sie auf diese Welt abzustimmen. Avalon duldet keine fremde Technik und zerstört sie gewöhnlich.”
„Ich habe nicht viel von Technik bemerkt,” kam die sture Antwort.
„Ja, weil die meisten dieses technikfreie Leben bevorzugen. Wer immer an Wissenschaft interessiert ist begibt sich nach Kathredin, es ist der einzige Platz wo man sich mit so etwas befasst. Auf dem Rest des Planeten werden sie nur finden, was man auf der Erde wohl als mittelalterliche Kultur bezeichnen würde, zudem umherziehende Stämme verschiedenster Rassen.” Da'an hielt ihren Tonfall absichtlich neutral.
„Gut. Und wo finden wir diese Stadt?” knurrte Zo'or schließlich mit Verdruss.
„Im Hochgebirge. In dieser Richtung” Sie deutete auf die weit entfernten Berggipfel.
„Das soll wohl ein Witz sein,” entfuhr es Renée Palmer „Es würde Monate dauern dorthin zu kommen.”
„Nicht wenn sie sich ein paar Pferde von Lord Arloin leihen und sich damit zum nächsten Transportportal begeben.” Es klang ungewollt spitz, doch sie hatte die Geschäftsfrau nie besonders leiden können.

Zo'or war absolut verblüfft. Es steckte offenbar sehr viel mehr hinter dieser Welt als man auf den ersten Blick wahrnahm.
Darüber würde er sich später Gedanken machen müssen.
Zuerst würde er die Höhe der Entschädigungen aushandeln müssen. Natürlich zu seinen Gunsten.

Zwei Tage später befanden sie sich auf dem Weg nach Feréngar.
Die kleine Gruppe setzte sich aus zwei von Lord Arloins Männern, Aislin und Tassin, die aus welchen Gründen auch immer bereit gewesen waren sich ihnen anzuschließen, Liam und Zo'or, sowie Renée Palmer, die sich diese Reise nicht hatte entgehen lassen wollen, zusammen.
Die drei Fremdweltler hatten sich überzeugen lassen einheimische Kleidung zu tragen, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Überraschenderweise fanden sich Sachen die auch Renées Geschmack entsprachen.
Im Moment beobachtete die Doors-Mitarbeiterin mit mühsam verhülltem Vergnügen, das Schauspiel welches der mürrische Synodenführer und sein unbehaglich wirkender Gefährte boten.
Da weder der Taelon noch der junge Mann irgendwelche Reiterfahrung besaßen, hatte man nach kurzem hin und her beschlossen die beiden gemeinsam auf ein besonders zahmes Tier zu setzen und nur im Schritttempo zu reisen.
Zo'or schien die ganze Situation durchaus zu genießen und beschwerte sich offenbar nur der Form halber, während Liam inzwischen ernsthafte Probleme mit dem Sitzen hatte. Sein Mangel an einer Reitausbildung führte auch zu einem unkorrekten Sitz im Sattel, er hatte sich wundgeritten und würde die Nacht wohl auf dem Bauch verbringen; und, gemessen an seinem Gemurmel, am nächsten Tage wohl zu Fuß gehen.
Innerlich lachend wandte Renée sich schließlich von der Show ab und beobachtete stattdessen ihre beiden rätselhaften Führer. Auf eine direkte Frage hin, hatte Aislinn erklärt, dass die Menschen ihresgleichen als Elben bezeichneten, hatte mehr aber nicht verraten wollen. Mehrere Versuche Informationen darüber hinaus zu bekommen, waren kläglich gescheitert, die Elbin war einfach dazu übergegangen alle Fragen zu ignorieren.

Etwa gegen Mittag hatte ihre Gruppe in einen frühlingshaft grünen Wald eingeschwenkt. Es war recht hell hier, zartgrünes Licht filterte durch die Blätter, Vögel sangen. Der Weg war zugewachsen, als sei er schon lange nicht mehr benutzt worden. Es schien auf alle Fälle kein regulärer Pfad zu sein. Renée scheute sich zu fragen weshalb sie ihn benutzten, doch mochte es einen Sinn haben.

In diesem Moment geschah etwas unerwartetes. Einer der Männer hatte im vorbeireiten einen Ast umgebogen und dann losgelassen. Der Zweig schnellte zurück und verfing sich in der Kapuze Aislinns. Das Stück Stoff wurde gewaltsam von ihrem Gesicht gerissen.
Voller Verblüffung und Faszination starrte Renée sie an. Wer hätte das gedacht.

Offenen Mundes starrte Liam Aislinn an. Der Zweig hatte sich in ihrer Kapuze verfangen und nun bemühte sie sich das Kleidungsstück daraus zu befreien, ohne eines von beidem zu zerstören.
Sie war von wahrhaft verheerender Schönheit. In früheren Zeiten hätten Menschen Kriege geführt um ein solches Geschöpf in ihren Besitz zu bringen. Und noch früher hätte man zu ihren Ehren Altäre errichtet und die Elbin als Gottheit verehrt.
Sie hatte die Art von Aussehen die sie unwiderstehlich für jeden Menschen ob männlich oder weiblich machte. Mit einem simplen Blick wäre sie fähig die menschliche Rasse zu versklaven.
Kein Wunder, dass sie ihr Äußeres verbarg.

Haselnussfarbenes Haar, durchsetzt mit goldenen und roten Strähnen, fiel auf ihre Schultern, umrahmte anmutig das herzförmige Gesicht. Schräge kristallblaue Augen funkelten voller Intelligenz und einer sonderbar süßen Melancholie, sprachen von vergangenem Leid. Volle Lippen, jetzt zu einem verärgerten Strich zusammengepresst, eine schmale, leicht nach oben gewölbte Nase und zart geschwungene spitze Ohren die ihr ein fast verschmitztes Aussehen verliehen. Es schien als lachte sie lautlos über die Welt. Ein vertrauter Eindruck. Da'an hatte genau dasselbe ewige Lächeln besessen.

Liam spürte einen Stich, wie jedes Mal wenn er an seinen toten Freund und Mentor dachte. Auch nach mehreren Jahren hatte er den Verlust nicht völlig akzeptieren können. Vielleicht würde er das niemals, es war so sinnlos.

Aislinn hatte den Kampf mit dem Ast gewonnen und befreite nun die Kapuze von Blättern und kleinen Zweigen, ehe sie sie erneut über ihren Kopf zog. Dann gab sie das Signal weiter zu reiten.
Der Hybrid verstärkte seinen Griff um Zo'ors Hüfte und trieb sein Pferd erneut an, während er versuchte sein wundes Hinterteil zu ignorieren.

 
* * *
 

Auch Zo'or starrte die Elbin an.
Die Legenden über die Schönheit dieses Volkes entsprachen der Wahrheit.
In welcher Hinsicht mochte das noch der Fall sein?
Er hatte viel über die rätselhaften Bemerkungen nachgegrübelt die sie drei Aislinn im Verlauf der letzten zwei Tage abgerungen hatten.
Sie enthielten ein Rätsel, doch es fehlten zu viele Teile zwischen den Antworten um ein einheitliches Bild zu erstellen und es zu lösen.
Er musste sich noch einmal mit ihr unterhalten und versuchen klarere Auskunft zu erhalten, vielleicht auch darüber warum sie ihm so vertraut erschien.

Aus dem Nichts heraus kam ein Pfeil geschossen und bohrte sich in die Schulter eines der Wachmänner. Dieser schrie auf als die Wucht des Aufpralles ihn beinahe aus dem Sattel warf.
Noch ehe einer von ihnen fähig war zu reagieren kam der Angriff. Ein gutes Dutzend Männer stürmte unter den Bäumen hervor. Wilde Schreie flogen durch die Luft und versetzten die Pferde in Panik. Die Tiere begannen wild zu bocken. Es dauerte nicht lange bis die drei Außenweltler abgeworfen wurden.
Mit fassungsloser Faszination starrten sie auf das Geschehen.
Angreifer kümmerten sich gar nicht um die am Boden liegenden sondern attackierten die beiden Elben und die bewaffneten Männer. Es war erstaunlich, dass es ihnen gelang sich der Männer zu erwehren. Zwei Schwerter und zwei Dolche schienen nicht genug um sich gegen eine Übermacht zu verteidigen.

Plötzlich gelang es einem der Banditen Aislinn zu greifen und sie vom Pferd zu schleudern. Ihr Aufprall war hart und raubte ihr halb die Besinnung. Schmerz schoss durch ihren Oberkörper, ein paar Rippen schienen gebrochen zu sein. Keuchend vor Schmerz wandte sie sich rechtzeitig genug um, um zu sehen wie der Mann der sie heruntergezerrt hatte das Schwert zum tödlichen Schlag erhob. Ohne nachzudenken, ohne zu zögern, hob sie die Hände, ihre Shakarava erwachten machtvoll zum Leben. Ein gewaltiger Energiestoß schleuderte den Mann, gleich einer Lumpenpuppe, über die anderen hinweg auf die gegenüberliegende Seite des Weges wo er krachend gegen einen Baum schlug und leblos liegen blieb.
Keinerlei Zögern war in ihren Bewegungen als sie sich erhob und sich gegen die anderen Angreifer wandte. Das unheilvolle Glühen in ihren Handflächen ließ sie einer jener Göttinnen gleichen, von denen nur noch die alten Sagen zu berichten wussten, die aber noch immer die Menschenvölker in Furcht versetzten.

Minuten später wandten sich die Banditen zur Flucht, ließen die kleine Reisegruppe mit mehreren Verwundeten zurück.

 
* * *
 

Zo'or las sich etwas unbeholfen vom Boden auf, klopfte den Staub von den ungewohnten Kleidern während er Aislinn scharf beobachtete. Sie war zu dem vom Pfeil getroffenen Mann geeilt und hatte begonnen seine Wunde zu versorgen. Ihr Gebaren machte deutlich, dass sie Einmischung oder Widerrede nicht dulden würde. Behutsam entfernte sie unter Zuhilfenahme ihres Messers sein Hemd und legte den Pfeilschaft frei. Offenbar zögerte sie das Geschoss zu entfernen und schließlich enthob der Verwundete sie dieser Entscheidung indem er zupackte und den Pfeil einfach herausriss. Zwar wirkte die Elbin etwas geschockt, doch ließ sie sich nicht davon abhalten ihre Arbeit zu tun. Binnen kurzer Zeit war die Wunde gereinigt, doch sie machte keinerlei Anstalten einen Verband anzubringen, stattdessen legte sie ihre Handfläche auf die blutende Stelle. Ein leichtes Aufleuchten war zusehen. Der behandelte Mann zuckte zusammen und fluchte leise. Als Aislinn ihre Hand wieder wegnahm war statt des zerfetzten Fleisches, sauberes rosiges Narbengewebe zu sehen.
Zo'or stellte fest, dass er nicht der einzige war der während dieses Geschehens nähergetreten war. Aislinn war die erste Person, außer ihm selbst und seinem Gefährten, die er mit Shakarava sah. Das mochte bedeuten, dass sie auf irgendeine Weise mit den Taelons oder Kimera verwandt war. Aber wie?
Die Elbin machte sich nun daran, auch Renée und Liam zu versorgen. Beide hatten sich beim Sturz vom Pferd Verletzungen zugezogen, ebenso der zweite der Schwertmänner.
Erst als er ihre sehr behutsamen Bewegungen und das bleiche Gesicht sah ging dem Taelon auf, dass Aislinn sich ebenfalls verletzt haben musste.

 

 

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