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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Von Begegnungen, Fluchten, Heilung und neuer Heimat
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Vier aus dem Volk der Elarian, Der auf dem Weg, Aveena, die Gesangshütenden des Erd- und des Wasservolkes, der Heiler, der Sprecher und der Navigator der Jaridians (die übrige Besatzung des Kreuzers, die Zhawi)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 15

 

Teil 1

Elarian. Die Schönen ... und faszinierend schön waren diese Wesen wirklich. Keiner von uns hatte je Geschöpfe gesehen, die ihnen auch nur annähernd glichen. Es gab die Ihren in allen nur denkbaren, zarten, durchscheinenden Farben. Ihre Körper wirkten zerbrechlich leicht, ihre Formen erinnerten noch am ehesten an Ph'taalblätter; es gab keinerlei Gliedmaßen, keinen Kopf, kein Fell, keine Knochen oder unterscheidbare Organe, nur schwingendes, sich sanft anfühlendes Gewebe ... wie mußte eine Welt beschaffen sein, die solches Leben trug? Der auf dem Weg fokussierte sich ganz auf die Präsenz, die sich in seinem Kopf aufhielt - nein, die in seinem Kopf sprach. Ich hatte jetzt erst verstanden, was hier geschah - diese Wesen waren nicht hier bei uns, sie waren unvorstellbar weit fort ... Der Kreuzer passierte den Raumsektor, in dem am anderen Ende die Welt der Elarian lag ... ich konzentrierte mich, um herauszufinden, wie groß die Entfernung zwischen ihnen und uns wirklich war, und wurde von der Schönen, die in meinem Kopf sprach, sanft daran gehindert. „Nein ...” Sie verknüpfte das mit dem Eindruck meiner Erinnerung daran, was geschehen war, als ich während des Rathaltens damals versucht hatte, in Gedanken das Taelon-Mutterschiff zu berühren. „Dein Licht ist zu klein ...”
Wir konnten uns über Gedanken, Gefühle und Schwingungen mit jedem anderen lebenden Wesen verständigen, wenn wir es berührten oder wenn uns etwas Stoffliches, auch über größere Entfernungen, mit ihm verband. Die Elarian konnten sich über Entfernungen, für deren Bewältigung der Kreuzer, auf dem wir uns befanden, einen halben unserer Umlaufzyklen bei konstanter Höchstgeschwindigkeit brauchte, mühelos auf gleichem Wege mit jedem beliebigen Geschöpf in Verbindung setzen ... Ich fühlte mich plötzlich verschwindend winzig. „Kleine Lichter” nannten sie uns, und sie hatten Recht ...
Der Feuervolk-Angehörige neben mir entwarf Gedankenbilder dazu, wie die Welt der Elarian beschaffen sein mochte, mit brennender Neugier. Wieder das Gefühl der Belustigung seitens der Schönen in unseren Köpfen. Der auf dem Weg wandte sich der Präsenz zu, die in ihm sprach. „Bitte ...”, sagte er sehnsüchtig. „Laß mich durch Deine Augen sehen ...” „Ich habe keine Augen”, meinte der Elarian - der sich gleichzeitig darüber amüsierte, daß ich unbewußt die Verschiedenheit zwischen ihm und der Schönen, die in mir sang, als die Verschiedenheit zwischen zweien, die einander während der Feiern begegneten, eingeordnet hatte. „Aber ich weiß, was Ihr meint ...”
Und plötzlich waren wir in kristallklarer, unvorstellbar dünner und kalter Luft ... und dann war jede Form von Wahrnehmung außer Hören und Sehen blockiert. „Ihr könnt hier nicht atmen, und Eure Körper können hier nicht sein ... Ihr würdet erfrieren ...”
Ich schwebte offenbar, unendlich langsam, über eine atemberaubende Landschaft kristalliner Strukturen, die die gleichen zarten, halb transparenten Farben aufwies wie die Elarian. Von Zeit zu Zeit stieg einer der Schönen von den Strukturen her zu uns auf, aber nicht so, als flöge er davon weg, sondern als löse er sich aus dem Gestein, falls das überhaupt Gestein war. Zwischen den riesigen filigranen Felsgebilden lagen offene Seen, einige blank, durchsichtig und ganz still, andere milchig, von Wellen überzogen und hier und da in Nebel gehüllt. In weiter Ferne schien ein glitzerndes Wolkenband vom Grund her in den Himmel hochzusteigen ... Die Luft war erfüllt von Klang, wie von unzähligen singenden Elarian-Stimmen.
Vor meine Wahrnehmung zog sich langsam ein zartfarbener Schleier. Meine ausgebreiteten Flügel schienen sich von den Rändern her allmählich aufzulösen, und das war in Ordnung ...
Einen Augenblick später fand ich mich rücklings im Ph'taal-Laub unseres Mitte-Lagers wieder, jemand zog mich hoch und drückte mich fest an sich, und ich spürte intensive Wärme, kraftvolles Rot, Braun-Grau und Blau-Grün ... Ich blinzelte den Schleier weg und nahm die Unseren wahr, die mich in ihre Energien eingeschnürt hatten wie in ein festes Netz. Die vier Elarian waren spürbar, achtsam und besorgt, mit einer Spur Mißbilligung ... „Es tut mir leid ...”, gab ich ihnen verwirrt über den Kontakt zu verstehen. Hatte ich einen der Ihren verletzt? Was war passiert? „Es tut mir leid ...”
„Ich hatte Dir gesagt, Dein Licht ist zu klein ... Wir sollten dabei bleiben und wirklich keine Kleinen mehr mitnehmen, es ist zu unsicher, selbst wenn wir sie fast vollständig abblocken ...” Ich war ihnen entwischt. Für einen winzigen, gefährlichen Moment hatte sich mein vollkommen faszinierter Geist tatsächlich auf ihrer Welt aufgehalten - und hätte um ein Haar den Weg zurück nicht mehr gefunden ... „Ich habe es nicht absichtlich getan”, brachte ich kläglich heraus. „Das wissen wir ... in Euch steckt mehr, als Ihr selbst wißt, vor allem in diesem ...” Einer der Elarian deutete auf den aus den Feuern. „Aber Eure Lichter werden noch lange Zeit wachsen müssen, bevor Ihr solche Dinge richtig vollbringt ...” Er berührte uns vier gleichzeitig über den Kontakt. „Immer, wenn Ihr Eure Lichter mit denen der Starken zu einer großen Flamme vereint, könnt Ihr weit sehen in deren Schein ...”
Im festen Halt der anderen stieg die Erinnerung an das vierte Lied des gemeinsamen Rathaltens mit den Jaridians in mir auf. Die Schönen hatten Recht - wir hatten weit in die Zukunft geschaut ...Was hatte die Präsenz in mir über die Jaridians gesagt? Sie würden ihr Licht verbergen? Sie waren ohne uns nicht in der Lage, zu teilen ... „Sie verbergen ihr Licht vor dem kalten Blau”, sagte die Elarian in mir. „Das kalte Blau?” Der zugehörige Gedankeneindruck ließ mich heftig zusammenzucken und im selben Moment verstehen.
Das Gemeinwesen der Taelons. Das mächtige geistige Konstrukt, das alle Taelon miteinander verband und eins war durch die Komplexschwingung.
Die Elarian hatten - vor sehr langer Zeit - Kontakt mit den Taelons gehabt. Einmal - und nie mehr wieder.
Eine Taelon-Kampfflotte war durch diesen Sektor hier unterwegs gewesen und hatte die Welt der Schönen auf ihrer Suche nach potentiellen Energiequellen, Ressourcen-Lieferanten und zusätzlichen Implantanten für den Kampf gegen die Jaridians entdeckt. Und die Elarian hatten die sich nähernden Taelons über eine gigantische Entfernung hinweg wahrgenommen als ein langsam größer werdendes, statisches blaues Leuchten, kalt wie der Weltraum selbst ... und dieses Leuchten strahlte klare, deutliche Absichten aus: die Absicht, die Welt der Elarian, wie jede beliebige andere, anzufliegen, die Absicht, dort zu landen und sie genau zu untersuchen, die Absicht, die dort verfügbaren Lebensformen den verschiedensten Experimenten zu unterziehen, um herauszufinden, wozu sie taugten ... und die Absicht, zu prüfen, ob diese Welt, wenn sie denn nicht dem eigenen Nutzen diente, vielleicht den Jaridians Vorteile verschaffte, und sie in diesem Falle einfach zu zerstören.
Die Schönen hatten das kalte Blau geprüft, so wie sie uns geprüft hatten, und die Absichten der vielen Lichter, die dieses Blau bildeten, waren ihnen nicht angenehm. Es war nicht ihr Wunsch, mit den Wesen, von denen das Blau ausging, in Kontakt zu treten. Es war nicht ihr Wunsch, den Absichten dieser Wesen zu entsprechen.
Bei der Prüfung dieser Geschöpfe, beim Durchstreifen ihrer Gedanken, waren sie auf eine Flut von Erinnerungen in jedem einzelnen davon gestoßen - Erinnerungen daran, wie andere Welten vor der der Elarian auf unterschiedliche Weisen eingenommen, benutzt oder zerstört worden waren ... Sie konnten es auf einen Kampf mit den Taelons nicht ankommen lassen - ihre Welt kannte Waffen und Kriege so wenig wie die unsere. Die Flotte durfte sie gar nicht erst erreichen ... Sie hatten nicht nur die Wesen geprüft, von denen das kalte Blau ausging, sondern auch die Lebensformen, derer diese sich bedienten - die dem Kampfverband angehörenden Implantierten, die Skrills, die als Waffen gebraucht wurden, die Shuttles, die Schlachtkreuzer und die riesigen Mutterschiffe, die alle über ein mehr oder weniger ausgeprägtes Bewußtsein und eigene darin befindliche Erinnerungen verfügten ... jedes Wesen der sich nähernden Flotte hatte, absichtlich oder gezwungenermaßen, anderen Geschöpfen im Laufe seines Lebens Schaden zugefügt, sie verletzt oder ihr Leben genommen ...
Die Schönen vertrieben die Taelons aus ihrem Raumsektor, bevor diese noch in der Lage waren, die Anzahl und Ausrichtung der notwendigen Interdimensionssprünge zum Erreichen ihres Planeten zu berechnen, indem sie die einzige mächtige Waffe, über die sie verfügten, gegen sie einsetzten: die unvorstellbare Reichweite ihrer gedanklichen und gefühlsbezogenen Kommunikation.
In jedem einzelnen Taelon und Implantierten riefen sie Erinnerung wach, Erinnerung an Verletzen und Leben nehmen - aber aus der Perspektive des jeweiligen Wesens, dem das angetan worden war. In jedem einzelnen Skrill, in jedem einzelnen Schiff riefen sie Erinnerung wach, Erinnerung an abgefeuerte Energieladungen, Projektile und Kampfstoffbehältnisse - aber aus der Perspektive derer, die davon getroffen wurden ...
Die Mutterschiffe, Kampfkreuzer und Shuttles gerieten in blinde Panik und waren nicht mehr zu steuern. Die Skrills und die, die sie trugen, wanden sich in Agonie. Die meisten der Implantierten verloren den Rest ihres Verstandes, den Teil, der die Befehle der CVIs in Handlung umsetzte.
Den Taelons, die die Flotte befehligten, gelang es mit Hilfe des Gemeinwesens nach einiger Zeit, die in ihnen tobenden Schreckensbilder abzublocken. Aber an weiteres Vordringen in den zu erobernden Raumsektor war nicht zu denken - die Schiffe hatten die Flucht angetreten und waren erst wieder manövrierbar, als heimisches Territorium erreicht war ... Der angerichtete Schaden war immens, der Kampfverband lange nicht einsetzbar. Die Ursache des verheerenden Phänomens blieb ungeklärt, die Aufzeichnungen der beteiligten Schiffe hatten nichts Klares über das, was geschehen war, enthalten.

Die Taelons hatten den Raumsektor, in dem sich die Welt der Elarian befand, nie wieder aufgesucht.
Als lange Zeit später die Jaridians dort auftauchten, hatten deren Sonden und Langstreckensensoren den Planeten der Schönen längst als Leben tragend erkannt - er gehörte zwar jetzt zu ihrem sich rasch ausdehnenden Gebiet, aber die einzigen Gedanken, die sie sich seinetwegen machten, war, mit welcher Art von Schutz sie ihn umgeben könnten, da PDS und die herkömmlichen Schilde aufgrund seiner Beschaffenheit nicht in Frage kamen. Die Elarian entdeckten keine Absichten in den versteckten kleinen Lichtern der Starken, dafür jedoch die furchtbare Geschichte ihres langen und andauernden Kampfes gegen die Taelons aus ihrer Sicht ... Sie nahmen behutsam Kontakt auf mit ihnen, gaben ihnen zu verstehen, daß sie keinen Schutz brauchten und daß die Starken ihnen angenehm seien, wann immer sie sich hier zeigen würden.
Unter der unbarmherzigen Wucht der Eindrücke, die die Schönen in die Berührung gegeben hatten, hatte ich zu zittern begonnen - vor allem beim Anblick der in Panik geratenden Implantierten, weil ich auch an die Zhawi denken mußte, deren Volk so sehr litt ... Was hätten die Elarian tun sollen? Abwarten, bis ihrem Ganzen Schaden zugefügt war? Ich sah mich selbst, in dem Gedankenbild des Sprechers, als wir über das PDS beraten hatten - den Knopf drücken und Leben nehmen oder zögern und unser Ganzes vernichten lassen ... es soll aufhören, bitte, es soll nur aufhören ...
Alle vier Präsenzen strahlten Beruhigung aus, die Meinen hatten zu summen begonnen und dann waren die Bilder des vielfarbigen Geflechtes und der um das Feuer sitzenden Menschen unter einem weiten Himmel im Kontakt. „Deshalb sind wir mit den Starken unterwegs”, gab die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen den Elarian zu verstehen. „Das ist unser Weg für das Ganze ...” Ich konzentrierte mich auf die beiden Eindrücke und auf die wärmende Kraft, die darin lag. Das Zittern ließ nach. Und ein Gedanke stieg in mir auf ...
Wie weit reichte das Licht der Schönen?
Tiefes Bedauern ging von der Präsenz in mir aus. „Nein, nicht bis nach Jaridia ...” Alle vier Elarian prüften die beiden Bilder. „Aber hierin liegt tiefe Wahrheit ...Wir werden zu allen, die zur Besatzung dieses Kreuzers gehören, sprechen, besonders zu denen, mit denen Ihr noch keinen Kontakt hattet. Die Starken haben gelernt, uns zu vertrauen ...”
Meine Dankbarkeit löste sonderbarerweise wieder Belustigung aus. „Es wird uns ein Vergnügen sein ... Ihr seid uns angenehm ...”
Die Präsenz in mir strich einmal mehr ganz sanft über meine Gedanken, schaute sich noch einmal gründlich in mir um, ohne ihre Verwunderung über die Beschaffenheit meines Inneren zu verbergen, und zog sich dann aus mir zurück. Über den Kontakt fühlte ich, daß auch die anderen Elarian uns verließen.
Wir vier blieben in Berührung miteinander, bis der Gesangshüter der Wasser signalisierte, daß er in sein Element zurück müsse.
Es fühlte sich gut an, die Elarian nicht nur auf Seiten der Jaridians, sondern auch auf der Seite unseres Weges für das Ganze zu wissen ...

Zwei Hell- und Dunkelphasen später durchliefen wir eine längere Sprungphase, und als wir aus dem Wurmloch wieder auftauchten, dröhnte Alarm durch das gesamte Schiff. Die Licht- und Klangkombinationen in unserer Unterkunft signalisierten uns, uns unverzüglich in die Beschleunigungsbehältnisse zu begeben. Der Kreuzer hatte sich getarnt und sämtliche Schilde hochgefahren, mühelos das Schiff der Zhawi mit einschließend - die Front hatte sich kurzfristig verlagert und wir würden dem Kampfgeschehen sehr, sehr nahe kommen ...
Ich hatte gerade den letzten Sicherheitsgurtverschluß einrasten lassen, als eine heftige Erschütterung durch den Kreuzer ging. Unmittelbar darauf schaltete sich die Kommunikationseinheit in meinem Behältnis ein, während das Schiff auf Beschleunigung ging. Wir waren dem Kampfgeschehen nicht nur nahe gekommen - wir befanden uns mitten darin ...
„Ihre Sensoren haben uns nicht geortet ...” Die Kommunikationsgeräte auf dem gesamten Schiff wurden in Notsituationen von der Brücke aus aktiviert und offen gehalten, erinnerte ich mich an entsprechende Instruktionen, weil dort alle Informationen zusammen liefen und von da aus Anweisung an die einzelnen Sektionen gegeben wurden, wie jeder zu verfahren habe ... „Warum wurden wir getroffen, wenn sie gar nicht auf uns zielen konnten?” fragte jemand auf der Brücke. „Weil wir beim Verlassen des Wurmlochs genau zwischen sie und ihr anvisiertes Ziel geraten sind”, antwortete der Navigator ruhig. „Und jetzt müssen wir uns wirklich beeilen, weil sie uns jetzt nämlich orten können - die Schilde sind auf Maximum, aber die Tarnung ist ausgefallen.”
Die Trägerwelle des Antriebs hatte sich noch nie so angehört wie jetzt - es wurden offenbar Reserven zugeschaltet, die Situationen wie dieser hier vorbehalten blieben. An Mitsingen war nicht zu denken, der Andruck preßte mich flach gegen die Unterlage, und trotz des zusätzlichen Sauerstoffs war das Atmen bereits mühsam ... und der Kreuzer beschleunigte weiter ... Das nächste heftige Beben durchlief das Schiff. „Schilde weiter auf Maximum”, sagte der Navigator. „Wie weit ist es bis zur nächsten Sprungmöglichkeit?” fragte der Sprecher. Die Antwort darauf ging in einer erneuten Erschütterung unter, die mit dröhnendem Lärm verbunden war. „Wir werden verfolgt ... sie feuern gezielt auf uns ...” „Schilde haben standgehalten.” „Das werden sie nicht mehr lange”, meinte der Sprecher.
Ich unterdrückte verzweifelt das dringende Bedürfnis, die Gurte zu öffnen, um aus dem Behältnis heraus zu springen und irgend etwas zu tun. Angst machte mir das Atmen ebenso schwer wie der unerbittlich zunehmende Andruck. Wie ging es den Meinen, vor allem dem Hüter der Gesänge der Tiefen, der nicht den zusätzlichen Schutz eines Beschleuigungs-Behältnisses um sich hatte? Was war mit den Zhawi? Die Gelassenheit in den Stimmen der Jaridians auf der Brücke war echt - diese lebensgefährliche Situation hier war für sie etwas seit langem Gewohntes ... sie wußten, was sie zu tun hatten, welche Möglichkeiten, zu handeln, offenstanden und welche nicht, während ich mich hilflos fühlte wie nie zuvor in meinem Leben ... ich rang um jeden Atemzug, hätte ich auch nur versucht, mich zu bewegen, hätte ich mir sämtliche Knochen gebrochen, also lag ich nur still da und flehte innerlich, das hier möge endlich aufhören ... „Wir werden das Feuer keinesfalls erwidern”, - das war der Sprecher - „wir müssen aus diesem Sektor heraus, und das, wenn es geht, sofort!” „Es gibt eine Möglichkeit ...” sagte der Navigator zögernd, „aber ...” „Welche?” Wieder wurden wir von irgend etwas heftig getroffen. „Wir befinden uns in unmittelbarer Nähe des instabilen Durchgangs.” „Was?” „Das ist unsere einzige Chance. Der Weg zur nächsten stabilen Sprungpassage ist zu weit, bis dahin haben die Schilde aufgegeben - wir haben seit dem letzten Treffer massiven Leistungsverlust.” „Wieviele folgen uns?” „Zwei Taelon-Kampfschiffe, zwei Kreuzer mit Zhawi-Besatzung, Format dessen, den wir hier haben, und zehn Shuttles, von denen sieben keine Munition mehr haben. Von den vier großen haben zwei noch gar nicht gefeuert.”
Ich kämpfte gegen Übelkeit an und wünschte mir, die Kommunikationseinheit bei den Zhawi hier möge rechtzeitig einen kurzfristigen technischen Defekt erlitten haben. Der Kreuzer hatte jetzt offenbar Maximalgeschwindigkeit erreicht, der Andruck nahm nicht mehr zu ... Dann wurde er regelrecht durchgeschüttelt, und in meinem Behältnis wurde es dunkel. Mit einem lauten Geräusch lösten sich zwei der Sicherheitsgurt-Verschlüsse, am Rande meines Gesichtsfeldes flammten zwei Alarmleuchten auf und ein lästiger Summton setzte ein. „Es bleibt uns keine andere Wahl”, klang die Stimme des Sprechers aus der Kommunikationseinheit. „Wir nehmen den instabilen Durchgang - jetzt!”
Das mächtige Schiff schien zur linken Seite abzukippen, als sei es außer Kontrolle geraten, und beschleunigte erneut, aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern als ziehe ein ungeheurer Sog an ihm. „Sie folgen uns in den Durchgang”, meldete der Navigator. Plötzlich umwirbelten uns die tanzenden Farben der Zwischen-Zeit, mit einer Intensität, die jeden früheren Sprung übertraf. „Wir verschließen den Eingang hinter uns”, - das war der Sprecher - „rückseitige Photonenemitter feuern auf mein Kommando - jetzt!”
Ein unvorstellbares Geschöpf nahm den Kreuzer in seine riesigen Hände und schleuderte ihn samt dem Zhawi-Kampfschiff gegen eine unsichtbare metallene Wand, und das Dröhnen beider ließ die Schiffe und alles darin explodieren. Ich löste mich in Schlieren aus schillernden Farben auf, die zwischen meinen überall verstreuten Organen flimmerten. Ich sah den Gesangshüter derer in den Tiefen, die riesigen Flossen um den Leib geschlungen, mit weit geöffneten, ungeschützten Augen im unvorstellbaren Grellweiß des Antriebs schweben. Auf der Brücke studierten die Jaridians in aller Ruhe ein merkwürdiges, verworrenes Hologramm auf einem der Bildschirme. „Drei von den Shuttles hat es erwischt,” meinte der Navigator mit einem undeutbaren Unterton in der Stimme. Die Gesangshüterin des Erdvolkes wirbelte vorbei, von frühlingsfarbenen Ph'taalblättern umtanzt, und in meiner Kehle brannte der Geschmack von Feuer. Etwas versetzte mich in eine immer schneller werdende Drehbewegung, und dann war ich diejenige, die mit voller Wucht gegen eine unsichtbare Wand geworfen wurde ...

Stille.
Dunkelheit.
Eine vage Ahnung von Schmerz, die jemand beiseite schob.
Die ich beiseite schob.
Keine strahlenden Farben mehr, und was verstreut war, hatte wieder zusammen gefunden ...
Wir hatten die Zwischen-Zeit verlassen.
Es war so still ...
Kein Orange, Braun und Grün mehr. Die Trägerwelle war verstummt.
Kein Andruck gegen die Unterlage - offenbar flogen wir schwerelos ...
Atmen war trotzdem mühsam, obwohl einer der beiden ausgerissenen Gurte der über Brust und Flügel gewesen war. Ich schwebte halbwegs, die Flügel ein Stück ausgebreitet und gegen die Wände des Behältnisses stoßend und die Füße in der Luft, weil auch der unterste Gurt aus der Halterung gesprungen war.
Aus dem Kommunikationsgerät kamen kratzende Geräusche, dann die Stimme des Sprechers: „Statusbericht?” „Keine strukturellen Schäden, auch nicht am Zhawi-Schiff. Antrieb und Steuerung komplett ausgefallen, wahrscheinlich durch Überlastung. Alle Basissysteme intakt bei Nullgravitation. Notbeleuchtung funktioniert in allen Sektoren - mehr Rückmeldung habe ich noch nicht”, antwortete der Navigator. „Was ist eigentlich genau passiert?” fragte eine dritte Stimme. „Wir wissen es noch nicht”, meinte der Sprecher, „genau so wenig, wie wir im Moment wissen, wo wir sind.”
Keine strukturellen Schäden an den Schiffen, und die Basissysteme funktionierten ... das hieß, daß wir im Augenblick in keiner akuten Gefahr waren. Ich faltete die Flügel ein, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, löste die
verbliebenen Gurte, schwebte über der Unterlage, öffnete den Deckel über mir und hangelte mich aus dem Behältnis.

 

 

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