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  „Phönix” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Februar 2017
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema: Ohne Wort aus der Höhle des Löwen müssen andere Wege gefunden werden, schließlich kommt die Nachricht doch noch.
Zeitpunkt: zugleich und direkt anschließend
Charaktere: Ronald, Liam, Harmony, Farrell, Caedra, (General Wood, Street, Gren, Zoriel, [Vorjak, Da'an, Mabel, Licau, Frank, Alice, Damien, diverse Atavus, deren Gefangene])
 

 

PHÖNIX

Kapitel 7: Reflexion I

 

Ronald Martínez war hochoffiziell fürchterlich besorgt. Er war damit beileibe nicht der einzige und Lili, Vorjak und Da'an sorgten sich noch viel mehr, denn Zoriel war weg. Das letzte Signal der Atavus war aus einem Vulkan auf Kamtschatka gekommen, aber die vier, die sich dort umsehen sollten (unter anderem Harmony - oha, eine Schiffsladung Sorgenfalten für Opa!) hatten nur krallentragende Menschen gefunden.
Und waren von ihnen angegriffen worden.
Gut, das war eigentlich nicht sehr überraschend gewesen, denn dass die erweckten Atavus sich grundenergieresistente Truppen besorgen würden war nur absolut logisch. Nur eben die Krallen waren unerwartet gewesen.
Carlisle lieferte die Erklärung: Die Gene, die die Atavus den Menschen vor über sieben Millionen Jahren eingebaut hatten, waren bei diesen Menschen aktiv. Es stand also zu vermuten, dass die Atavus das durchaus ungefähr so geplant hatten.
Ein Grund mehr, hochoffiziell fürchterlich besorgt zu sein. Und das ließ Ron durchaus an seinem Umfeld aus, denn er trieb eine Ehefrau, vier Söhne, zwei Schwiegertöchter und eine Enkelin in den Wahnsinn - was er, leider, von eben jenen gründlich zurückbekam.

Da war sie also, die vor Sorge wahnsinnige Familie, nur Farrell (Jack Green) blieb relativ unbehelligt.

Gut, Familie Marquette war im selben Zustand, sogar die kleine Claire schrie nur noch Terror, dass sogar Hannah wahnsinnig wurde. Bestimmt bereute Hannah nun, in diese Familie eingeheiratet zu haben, zumal sie zweifellos deutlich spürte, wie unwillkommen sie mit ihrem Baby-Trick war - obwohl Scharfzunge Zoriel weg war.
Hannahs Ehe mit Cedrik würde bestimmt nicht sehr lange halten und danach würden sie sich garantiert heftig um das Sorgerecht zoffen. Arme Claire.
Ron blickte auf die Uhr - Liam verspätete sich reichlich, es musste etwas Wichtiges passiert sein. Ein Signal von Zoriel womöglich? Es war schon eine Woche her, dass sie Licaus Identität angenommen hatte und mit ihrem Vater zu den anderen Atavus geflogen war, und wenn sie noch länger nichts von sich hören ließ, musste man wirklich bald davon ausgehen, dass Licau aufgeflogen und tot war.

Als Liam schließlich ankam, verstärkte sich Rons Sorge sofort: Die helle Gestalt des Kimera wirkte bedrückt! „Was ist passiert?”, fragte Ronald alarmiert.
„Also, ähm ... das Eheleben wird sich in nächster Zeit schwierig gestalten.”
„Ach sooo, und ich dachte schon, die Atavus hätten irgendetwas Übles gemacht.” Er schenkte zwei Gläser Birnensaft ein und trug sie zum Tisch - dann schlug er sich vor den Kopf und setzte an, eines der Gläser wieder in die Küche zu bringen.
„Nein, lass hier, ich habe eine materielle Gestalt”, seufzte Liam.
Ron tat wie gewünscht und setzte sich dann seinem Sohn gegenüber. „Du hast sie also doch noch irgendwo tief in deinen Genen gefunden”, sagte er erleichtert, „Das freut mich sehr. Nimm doch die materielle ...”
„Nein.” Liam schüttelte energisch den Kopf. „Es ist nicht meine, es war ein Unfall. Ich ... ich habe Aby in einen Kokon gepackt und weiß nicht, wie ich sie wieder rauskriege.”
Das war natürlich unpraktisch.
„Sieh ins Gedächtnis, Ha'gel hatte Erfahrung darin”, schlug Ron vor, „schließlich sitze ich ohne meinen Kokon vor dir.”
Der Kimera zog eine Grimasse, schemenhaft folgten die hinter der Fassade hervorschimmernden, dünnen Energiefäden weiblichen Kurven. „Ich habe alles versucht, was ich tun kann, ohne einen anderen braun einzupacken oder draufzugehen. Es klappt nicht.”
„Wie ist das überhaupt passiert?”
„Ähm ... Eheleben, du weißt schon.”
Ah, klar. Ron nippte am Birnensaft und seufzte leise. „Weiß Harmony vielleicht etwas?”
„Weiß nicht”, Liam zuckte mit den Schultern, „Sie ist bei Farrell und macht mit ihm den Shaqarava-Kurs.”
„Ich halte es für dringend”, sagte Ron. Sein Sohn rollte mit den blassgrünen Augen. „Nein, im Ernst!”, bekräftigte der Implantant, „Wenn du dich mit deinen eigenen Fähigkeiten nicht auskennst, können dich die Atavus leicht in die Patsche setzen. Sohn, du bist der große Joker der Menschheit! Immer noch!”

„Du übertreibst, Vater.”
„Nein.”
Liam rollte wieder mit den Augen, festigte seine (Abys) innere Organe und trank sein Glas leer.

„Andere Frage: Wie ernährst du dich nun als Kimera?”, wechselte Ronald das Thema, „Und ich meine nicht, ob du in Abys Gestalt Franks Spanferkel verdrückst.”
Der Kimera zog einen Mundwinkel hoch. „War das Glas teuer?”
„Ähm ... nein ...”
„Gut”, er grinste und löste es auf, „Kimera absorbieren die Materie einfach direkt.”
„Du, sag mal, Liam”, Ronald runzelte die Stirn und kehrte wieder zum vorigen Thema zurück, „bist du jetzt weiblich oder wie soll ich das verstehen?”
Der (die?) Kimera ließ den Kopf in die Hände fallen. „Das hat mich vorhin schon Kural gefragt ... muss das wirklich jeder fragen?”
„Du musst zugeben, die Frage liegt nahe.”

Liam seufzte theatralisch, stand auf und stapfte in die Küche. Etwas später kam Aby mit einem Schinkensandwich zurück. „Vater, jetzt bin ich weiblich - okay?”
Ron musterte seine Tochter (das war neu - bisher hatte er nur vier Söhne gehabt) im engen, weißglänzenden Anzug mit Spaghettiträgern - Liam hatte zweifellos von Harmonys Fassadenmode abgeguckt.
Aber die fremde Gestalt des Kimera löste sich wieder völlig auf, als es an der Tür klingelte und Neville die Treppe herunter polterte, um Vorjak, Da'an und dem frischbeförderten General Carson Wood zu öffnen.

„Nichts von Zoriel”, der Jaridian schüttelte bedrückt den Kopf, als alle saßen, „keine Nachricht, kein Signal, gar nichts.”
„Ich habe mit meinen Leuten die Atavus-Kammer getarnt untersucht”, ergriff der General das Wort, „definitiv überwachen die Atavus die Kammer und definitiv haben sie Kontrolle über das Portal. An den Energiepool haben wir uns auf Anweisung von Miss Beckett nicht herangewagt.” Er zückte sein Global. „Aber wir haben alles aufgezeichnet und das hier”, er drehte den Bildschirm zu den anderen, „das ist zweifellos eine Halterung für irgendetwas.”
Da'an leuchtete prompt überrascht auf und sagte: „Ma'els Relikt! Ich bin überzeugt davon, dass es passt.”
„Dann hat tatsächlich Ma'el diesen Pool eingebaut, wie Major Blanchet vermutet?”
„Sie dürfen Major Blanchet gerne glauben, dass er Ma'el einschätzen kann, er ist schließlich sein Kind”, warf Liam trocken ein.
Der General war gebührend verblüfft, während sich auf Da'ans Gesicht ein Lächeln stahl. Kein Wunder: Da'an war schließlich ebenso Ma'els Kind. Nach einem Moment festigte der Taelon seine Fassade wieder und ergriff wieder das Wort: „Ich habe versucht, Hilfe von Präsident Federov zu erhalten, allerdings wollte er mir nichts zusagen, ohne zu erfahren, in welcher Situation wir sind.”
„Sie haben ihm doch hoffentlich nichts gesagt!”, war Ron entsetzt.
„Nein, Ronald, wie sollte ich ihm trauen?” Da'an flackerte schaudernd blau auf - zweifellos erinnerte er sich gerade sehr plastisch an seine tatkräftig durch Federov unterstützte Kryss-Sucht.
„An Präsident Federov vorbei mehr zu unternehmen wäre ... undiplomatisch”, brachte sich Carson Wood wieder ein, „Mrs. MacDougal ist innerhalb der Grenzen von Rostok gelandet.”
„Ist sie, General”, bestätigte Liam, „aber wenn der Leiter der planetaren Verteidigung mir zustimmt, was er mit Sicherheit tun wird, dann hat selbst der Präsident nichts dagegen zu sagen.”
„Ich weiß, Ga'hil, Sie sind es gewöhnt, dass General Kincaid Ihnen stets zustimmte ... aber er ist tot”, sagte Carson, „General Tsvangirai teilt Ihre ... Entschlossenheit nicht in demselben Ausmaß.” Kurz schimmerten weiße Linien durch die Fassade des Kimera, dann neigte dieser den Kopf. „Sehen Sie”, seufzte der General, „wenn wir Federov sagen, was wir über die Atavus wissen ...”
„Er weiß alles, was er wissen muss”, fiel Vorjak ihm ins Wort, „Es geht ihn nichts an, dass Zoriel bei den Erweckten ist! Das weiß nicht einmal Ihr Präsident!”
„Also können wir nichts tun”, fasste Ronald unzufrieden zusammen.
„Mrs. Street Devereaux ist der Meinung, dass sie die Spuren der chiffrierten Energien, die der Vulkanausbruch in die Atavus übertragen hat, verfolgen kann”, ergriff Da'an wieder das Wort, „Sie und Marcus ... sie und mein Bruder Marcus vermuten, dass dies genau nach Ma'els Voraussicht geschieht, wenngleich Marcus sich an einen solchen Plan leider nicht erinnern kann.”

Ron hakte sein Global vom Gürtel und ließ es aufschnappen. „Devereaux, Juliet.”
Einige Momente lang geschah nichts, dann erschien das strahlende Grinsen einer jungen Schwarzen. „Hi, Ron. Mum meditiert gerade, tut mir leid.”
„Sie meditiert?”
„Guckt in neun Dimensionen”, Lil zuckte mit den Schultern, „jedenfalls sitzt sie da und tut nichts weiter. Das verstehst du eh nicht - soll ich es deiner werten Enkelin erklären?”
„Und sie findet die Energiespuren im Appartment?”, fragte Ron sicherheitshalber nach.
Die Mathematikerin rollte mit den Augen. „Nein, Ron, natürlich nicht. Sie blickt durch gefaltete Strukturen der Dimensionen ungefähr ... achttausend Kilometer weit. Cool, oder?”
Cool - das konnte sie laut sagen! Und bei cool blieb es nicht, es wurde informativ.
„Ronald! Ich habe etwas!”, erklang Streets euphorische Stimme, „England! Es hat sich gerade eben ein ... Ding aktiviert! Auf Kamtschatka ist auch eines, aber genau in der Kammer. Und ... warte ...”
„Atavus-Kammern?”, fragte Liam alarmiert nach.
„Weiß ich nicht”, rief sie, „In Südamerika ist aber auch so ein Ding.”
Ron blickte kurz in die illustre Runde, dann sprangen schon alle energisch auf und stürmten aus dem Haus.

* * *

Kaum eine Stunde später landete Jae'yal ihr Shuttle in Wiltshire und grinste ihre Passagiere an. „Es regnet - habt ihr etwas anderes erwartet?”
„Vielleicht Nebel?” Ron zog eine Grimasse, spannte seinen gelben Regenschirm auf und sprang aufs Gras, Street drängte sich zu ihm ins Trockene, während Carson mit einem tarngemusterten Knirps mehr schlecht als recht Harmony vor dem Sauwetter zu schützen versuchte. „Wo ist es, Street?”
Die personifizierte Genialität strich ihre roten (gefärbten, obwohl sie es nicht zugeben mochte) Locken aus dem Gesicht. „Da.” Ihr Finger wies genau dorthin, wo Ron das Ziel befürchtet hatte: Stonehenge.

Es würde vom Tourismusverband Beschwerden hageln ...

Es half nichts, Ron hatte Tsvangirais Zusage auf dem Global und damit beendete er den Besuchstag und ließ das Gelände auch für die Angestellten abriegeln. Eine halbe Stunde nach der Landung hatte Street dann die genaue Position - und Harmony sah das dimensionale Signal offensichtlich auch.
„Ich nehme an, ich darf nichts kaputtmachen?”, fragte die Kimera.
Das gäbe erst Beschwerden ...
Ron hob lieber mit Carsons Hilfe einen schweren (im Vergleich allerdings sehr leichten) Stein an. „Eine Ahnung, warum das nie zuvor entdeckt wurde?”, fragte er.
„Wurde es”, murmelte Harmony und spähte in die Tiefe, „da unten liegt ein Ritterskelett. Für moderne Zeiten lautet die Erklärung: Abschirmung.”
„Ja”, sagte Street und fuchtelte mit ihrem Global, „Hier waren definitiv virtuelles Glas, ein Hologramm und ein Schirmfeld.”
„Wie kam der Ritter denn da durch?”, wunderte sich Ron - aber er beschloss, sich nicht zu sehr zu wundern, sondern stieg die Leiter hinunter. „Sechzehntes Jahrhundert, vermute ich ...”
„Ja, spätes sechzehntes”, bestätigte Street und kletterte ihm nach, dann folgte Carson und Harmony machte den Schluss. „Das da”, murmelte die Mathematikerin und nahm einen grünen Kristall in die Hände, „Das sendet das Signal.”
„Es sieht aus wie die Halterung in der Kammer”, bemerkte Carson, „nur kaputt.”
„Dann kommt das Signal aus Kamtschatka von der Halterung”, verstand Ron, „und da hier auch Atavus-Kapseln sind ... sind in Südamerika vermutlich auch welche.” Er musterte die erste Kapsel. „Beschädigt.”

Harmony legte ihre Hände dagegen und löste den Öffnungsmechanismus aus - es folgten allgemeine verzogene Gesichter, als eine Atavus-Mumie herauspurzelte.
„Besser so als gleich angegriffen werden”, kommentierte Carson, „Was ist das für ein Loch im Boden?”
„Kaputt”, sagte Harmony, „Es sollte wohl ein Energiepool wie auf Kamtschatka sein, aber ich bezweifle, dass er jemals chiffriert war, und jetzt ist das Trägerwasser weg.” Sie drang vorsichtig weiter in die Höhle vor. „Viele Kapseln sind es hier auch nicht ... wir könnten eine öffnen, wenn ihr in Deckung geht. Licau war ... hilfreich.”
„Ernsthaft?”, Ron sah sie fassungslos an, „Du bist die Tochter deines Vaters, definitiv.”

Street duckte sich eilig hinter einen Stein, Carson hob seine Waffe, Ron selbst hielt seinen Skrill ebenfalls bereit - Harmony öffnete die nächste Kapsel und wich einen Schritt zurück. Die Kimera war eindrucksvoll, denn der erwachende Atavus rührte sich keinen Schritt, er musterte sie und die drei Menschen allerdings misstrauisch, bevor er sich fasste und ... verneigte?
Ronald senkte überrascht seinen Skrill. Warum zum Henker verneigte sich der Atavus?

„Gren ist mein Name, Mylady. Verzeiht meine Unhöflichkeit.” Etwas antiquiert, aber verständlich. Ende sechzehntes Jahrhundert eben.
„Jae'yal Beckett”, sagte Harmony, „Weißt du, was das ist?” Sie wies auf den beschädigten grünen Kristall.
„Schwarm ... Netz ...” Er suchte sichtlich nach dem richtigen Wort, schließlich benutzte er seine Muttersprache.
„Ein Verstärker für einen mentalen Verbund”, übersetzte die Kimera für die drei Menschen, „aber ich spüre keinen ... es ist kaputt, darum ...” Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein, das Ding auf Kamtschatka ist intakt und dort habe ich auch keinen Verbund gespürt.”
„Es war ein Geschenk”, fügte Gren hinzu, „aber Euer Krieger hat es zerstört.”
„Er war nicht mein Krieger!”
„Bitte verzeiht, Mylady!” Wieder verneigte er sich. Das war doch nicht zu fassen! Die einen Atavus bekamen Panik und flüchteten, die anderen führten Attentate aus und dann kam einer, der sich verneigte!

Das reichte jetzt aber! „Bitte, wenn ich mal stören darf”, Ron trat zu seiner Enkelin und dem Atavus, „Wer hat Ihnen das geschenkt?”
Gren sah ihn gelinde gesagt irritiert an. „Sir Ma'el natürlich!”

Ah, das erklärte natürlich einiges. Mentaler Verbund, Energiepool, Ähnlichkeit zur Halterung auf Kamtschatka - alles Ma'el. Dieser Taelon hatte offensichtlich einiges an der Technologie der Atavus verändert - fragte sich zu welchem Zweck.
Ron trieb sein CVI an, darüber ein bisschen nachzudenken, und musterte derweil den Atavus. Gren hatte einen Heidenrespekt vor Harmony und machte kaum eine größere Bewegung. Ewig hierbleiben konnten sie natürlich nicht alle, also schlug Ron den Aufbruch vor und erntete ausnahmslos Zustimmung.
Street packte den Kristall ein und holte sogar den abgebrochenen Teil aus dem ausgetrockneten Energiepool, dann kletterten alle die Leiter hoch - und Ron und Carson durften auch wieder den Stein über den Eingang wuchten.

Beim Shuttle angekommen verschränkte Harmony die Arme. „Street, du fliegst.”
„Was, ich?”
„Klar, ich muss ja auf ihn aufpassen.”
„Ich kann ja fliegen”, mischte sich Ronald ein und fing dafür eine Wagenladung missbilligender Blicke ein. „Was ist? Ich bin schon geflogen!”
Schlussendlich durfte er tatsächlich fliegen - was so ein Dackelblick so alles konnte!
Ron brauchte dafür natürlich sein CVI, denn trotz jahrzehntelanger Erfahrung als Passagier und viel Pilotenwissen per Sharing war ein einzelner Lernflug unter Liams Aufsicht nicht genug, um fliegen zu können. Er würde es wohl auch nicht mehr wirklich lernen, aber er musste ja nicht in der Höhle unter Clearwater ankommen, was einen weitaus fähigeren Piloten erforderte - er würde eben auf dem Hubschrauberlandeplatz (gut, Basketballplatz) landen.
Tat er dann auch, und das ohne Ruckeln. Er war stolz auf sich - und freute sich wirklich wie ein Suppenhuhn über Harmonys anerkennendes Lächeln.
Gren war deutlich verunsichert und Ron wusste den Grund: Kinder. Niemand rannte und zog die Kinder weg, sie hatten jetzt zwar nur noch einen Korb für ihr Basketballspiel, aber sie spielten weiter, jedenfalls soweit es ihnen gelang, während sie den Atavus musterten.

Harmony zog Gren mit über die Straße und in die Arztpraxis, Ron blieb bei ihr, während Carson und Street Richtung Rathaus liefen. Der Implantant prallte schließlich gegen die Schulter seiner Enkelin, während jene entsetzt ausrief: „Ni'jeg, was machst du nur!”
Was machte Ni'jeg denn?
Ronald drängte sich an Harmony vorbei und huschte durch die Türe. Licau hatte sich hinter ihr Krankenbett geduckt, Farrell stand mit knallrotem Gesicht davor.
„Es ist ... ganz anders, wirklich”, stotterte der Kimera, „Sie ... ist anders. Ich schwör's!”
„Du bist hier, um sie zu heilen und auf sie aufzupassen”, gab Harmony erstaunlich kühl zurück, „Du hast gesagt, du kannst das, du kannst deine Fähigkeiten kontrollieren, du bist jetzt erwachsen - ja, dass du erwachsen bist habe ich gerade gesehen, aber so war es nicht gemeint!”
Sein Gesicht wurde noch leuchtender rot, als auch Ron ihn sehr missbilligend ansah - zumindest hoffte der Implantant, dass es wirklich missbilligend war und nicht irgendwie so, wie er sich fühlte: Er platzte beinahe vor Lachen. Vermutlich war es absolut nicht angemessen.

Auf Harmonys strengen Finger machte Farrell eilig die Fliege, Ron wechselte kurz einen Blick mit der Hybridin, dann lief er dem Jugendlichen nach. „Ni'jeg, warte!”
„Ronny, ich hab keine Lust, mich auslachen zu lassen ...”
„Wieso auslachen?”
„Das passiert doch immer bei der ersten Freundin, deine Mum hat dich bei deiner ersten Freundin auch ausgelacht. Du weißt schon, sie passt nicht zu dir, du hast Besseres verdient ...”
Ron unterbrach ihn: „Du bist acht! Ordne erst mal deine Hormone.”
„Denen geht es gut!”, widersprach der Hybrid eilig, „Ich habe Dads Fortplanzungstrieb nicht geerbt!”
„Die Menschheit ist auch ohne so einen nicht ausgestorben, weißt du?” Ronald legte ihm einen Arm um die Schultern und lächelte ihn an. „Wie wäre es, wenn du mir einfach mal sagst, was genau passiert ist? Ich habe nämlich nichts davon gesehen.”
Farrell schrumpfte trotz seiner Ron überragenden Größe zu einem kleinen Häufchen Elend zusammen und seufzte: „Eh nichts ...” Ronald zog ein schiefes Grinsen und wuschelte ihm durch die dunkle Frisur. „Also nicht viel ... wir haben halt geredet und ich habe ihr Energie gegeben ... und dann ist das Gespräch auf ein Sharing gekommen ...”
„Und deswegen ist Harmony so ausgeflippt? Weil du ein Sharing mit Licau gemacht hast?”
„Nein. Ausgeflippt ist sie, weil ich Licau geküsst habe! Ronny, das ist nicht fair - immerhin hatten wir ein Sharing!” Farrell gebrauchte den familientypischen Dackelblick und fügte hinzu: „Sie ist keine von den Bösen ...”
„Das hoffe ich”, Ron zwinkerte, „aber du solltest es lockerer angehen - deine Aufgabe war es, auf Licau aufzupassen, weil ihre Artgenossen uns Ärger machen. Das hat nichts mit ihr zu tun, es ist nur einfach so.”
„Das ist diskriminierend, Ronny!”, protestierte Farrell, „Das war mal früher, dachte ich! Schämen sollte sich die schöne neue Welt!” Damit stapfte er grummelnd davon.
Ja, verflixt, er hatte recht! Andererseits hatte Licau durchaus Dr. Carlisle angegriffen und verletzt und Licaus Vater hatte sogar getötet - wobei letzteres natürlich wieder nichts mit Licau zu tun hatte.

Farrell hatte recht.

Ron seufzte laut auf und ging auf die Suche nach Ex-Sheriff Mike - den er wie üblich im Büro von Sheriff Kaylee Chapman vorfand. Das Ergebnis dieses Treffens war ausgezeichnet: Es war absolut kein Problem, die Atavus frei herumlaufen zu lassen und trotzdem ein Auge auf sie zu haben. Das war zwar immer noch diskriminierend, aber doch besser, als sie weiterhin einzusperren. - Es blieb ja auch nicht bei zwei Atavus, Liam brachte aus Südamerika auch einen mit.
Eine um genau zu sein - und das war nicht alles: Die Atavus war nach menschlichen Maßstäben bestenfalls fünf Jahre alt.

Und was passierte? Ron wurde als Babysitter eingespannt! Dabei konnte er sich mit der Kleinen nicht einmal vernünftig verständigen mit seinem fürchterlichen Bruchstück-Eunoia und ihrem archaischen Uralt-Eunoia. Allerdings radebrechte er sich doch erfolgreich zu einem Memory-Spiel durch und spielte kindfreundlich ohne CVI-Unterstützung - was bedeutete, dass die kleine Caedra gewann. Mehrmals. Ständig. Den ganzen Tag lang.
Und dann bekam sie Hunger und streckte ihm mit treuem Blick aus tiefschwarzen Augen auffordernd ihre leuchtenden Krallen hin - so eilig hatte Ronald selten nach Liam gerufen.
Schließlich durfte Caedra sogar im Ehebett schlafen. Mabel war zwar zunächst nicht allzu begeistert davon, aber als Ron am nächsten Morgen erwachte hielt sie die Kleine fest im Arm. Doch, das Atavus-Mädchen war ein Alien-Goldstück.
Abgesehen natürlich davon, dass Caedra am Frühstückstisch plärrte, weil sie auch Cornflakes wollte, und dann doch lieber Erdbeermilch, oder vielleicht eher Toast. Ihr Vater gab ihr angeblich immer alles, was sie haben wollte. Verwöhnte Göre.
Einen winzigen Moment lang tat ihr Vater Ronald leid - bis er erfuhr, dass es Howlyn war.
Sie beruhigte sich wieder, immerhin bekam sie, was sie wollte - und auch, was sie nicht wollte: Es ging ihr fürchterlich elend und sie musste mit der Ausdauer eines Marathonläufers getröstet und umsorgt werden. Ihr gesamtes reichliches Frühstück kam innerhalb einer Stunde auf demselben Weg wieder heraus und zeitweise vermutete Ronald sogar, da kämen auch sämtliche Innereien mit, aber ihr Zustand besserte sich dann glücklicherweise auch wieder.
Liams Energie half dabei am meisten, das Im-Arm-Halten ziemlich - und der Kamillentee überhaupt nicht. Gegen Abend war Caedra dann wieder putzmunter und panierte sich und zwei menschliche Kinder im Sandkasten.

Ron war froh, dass sie sich so integrierte. Weniger froh war er darüber, sie baden zu müssen, weil es da ein unvorhergesehenes Hindernis gab: Ihr Anzug war angewachsen. Wie legten die Atavus den bloß ab? Ronald schickte Mabel los, Licau und Gren danach zu fragen, und bekam dann eine Phiole in die Hand gedrückt.
Einfach auf den Anzug träufeln ... und es klappte sogar. Ron steckte den Alien-Nackapatz in die Badewanne und Mabel schrubbte die Panade ab, danach bekam Caedra einen Schlafanzug übergestreift und wurde ins Bett gesteckt.
Als friedlichen Ausklang gönnten sich Ron und Mabel eine sehr verdiente Flasche Rotwein im Garten. Wie waren sie nur damals mit drei Zwergen klargekommen, wo nur ein Zwerg schon so schaffen konnte?

Oder wurde Ronald etwa alt? (Mabel natürlich nicht.)
So musste es wohl sein: Er fiel um zehn schon halbtot ins Bett und wachte morgens erst auf, als Caedra ihn definitiv schon eine ganze Weile lang geschüttelt hatte.

Noch einmal machte er den Fehler nicht mehr, sie an einen Frühstückstisch zu setzen - er brachte sie gleich zu Liam, der ihr eine passable Menge Energie übertrug und sie dann zum Spielen hinausschickte, was nicht so leicht war, weil das Atavus-Mädchen von den weißen Strängen im ganzen Haus unglaublich fasziniert war. Aber da die Stränge sich bis in den Garten zogen, schaffte der Kimera es schließlich doch.
„Zoriel hat sich gestern Abend gemeldet”, sagte Liam dann.
„Ist das Team schon ...”
„Nein”, er schüttelte den Kopf und ließ sich von den Strängen in einer halb liegenden Position auffangen, „Sie sitzt im Funkloch und musste das Atavus-Kommunikationssystem benutzen. Lil hat beim Anpeilen nur ein Funkrelais in Sibirien gefunden. Wir wissen nicht, wo die Atavus sind. Tut mir leid.”
„Aber es geht ihr gut?” Ronald setzte sich besorgt.
„Laurie hat kurz mit ihr gesprochen”, sagte Liam, „Sie sagt, es klang dringend, aber Zoriel scheint nicht in unmittelbarer Gefahr zu sein.”
Ron machte ein dummes Gesicht. „Mit Laurie? Warum ruft sie Laurie an und nicht Lil?”
„Nicht mal Laurie.” Der Kimera deutete ein Grinsen an und erklärte: „Zoriel ist bei Chris rausgekommen - und Frank hat fleißig rumgedruckst, als ich ihn gefragt habe, warum.” Ronalds Gesicht wurde mit Sicherheit gerade noch eine Ecke dümmer - und entgleiste völlig, als Liam die Bombe platzen ließ: „Chris ist der Caldwell-Sprössling.”
„Doch kein Enkel für Frankie? Nur Cover?”
„Nein, kein Cover”, Liam schüttelte den Kopf, „Franks ältere Tochter war Mrs. Morena Caldwell - und die Caldwells wollten offenbar aus irgendeinem lukrativen, menschenverachtenden Geschäftsvertrag mit den Atavus raus und zum FBI gehen, wofür sie umgebracht wurden.”
„Und dann ging die Großmutter zum FBI?”
„Nein, Vater, sie ging zu Frank, weil sie glaubt, dass beim FBI ein Verräter sitzt.”

Ein Verräter beim FBI - kinofilmverdächtig. Ron lehnte sich matt zurück und runzelte die Stirn. Warum nicht? Was war er selbst denn damals gewesen, wenn nicht ein Verräter? „Ich sollte Director Patrichio einen Besuch abstatten”, beschloss er schließlich und sprang auf, aber Liam stellte sich ihm in den Weg, „Was ist? Ich kenne ihn, wir haben zusammengearbeitet.”
„Er weiß es, Vater, ich habe ihn vorhin gerade informiert. Es läuft jetzt eine Untersuchung und ohne dich ist sie unauffälliger.” Er schmunzelte etwas. „Du hast mit der Kleinen ohnehin genug zu tun.”
„Was ist mit den beiden anderen Atavus?”, fragte Ron.
„Benehmen sich.” Liam streckte einen Finger nach oben. „Er duscht. Sie hat meine Star-Trek-Box gefunden und findet die Vulkanier offenbar recht interessant.”
Die Vulkanier? Nicht doch eher die Romulaner? Ronald musterte seinen Sohn irritiert - aber Liam irrte sich nicht, er kannte doch den Unterschied zwischen Vulkaniern und Romulanern genauso wie Ron selbst.
„Wenn sie Gefallen an Suraks Philosophie findet ...”
„Wäre keine schlechte Sache.”
Ja, wäre wirklich keine schlechte Sache - wenngleich ungewöhnlich, Aliens mit Science-Fiction zu zähmen. Allerdings wurde das Gespräch vehement unterbrochen: Licau polterte in einem dunkelblauen Sommerkleidchen die Treppe herunter. „Ga'hil, wieso kommen da überhaupt keine Taelons und Jaridians vor?”, fragte sie.
Liam und Ronald grinsten einander breit an, dann erklärte der Kimera: „Diese Serie wurde gedreht, bevor die Taelons ankamen - und die Jaridians kamen ja noch ein paar Jahre später.”
„Ah”, sagte Licau und runzelte ihre Stirn, „Darf ich weiterschauen?”
Der Kimera nickte. „Nur zu.” Damit war die Atavus wieder weg und Ron sah seinen Sohn fragend an. „Ich glaube, Howlyn und seine Leute sind das radikale Ende der atavanischen Kulturbandbreite”, stellte Liam fest, „Gut, Licaus Vater war auch nicht zu menschenfreundlich und in Gefangenschaft würde ich mich auch anständig benehmen ... ach, vergiss es, ich habe keinen blassen Schimmer.”
Ron rollte mit den Augen. „Sohn, vergleiche Da'an und T'than oder Vorjak und Niral und du weißt, dass es nicht nur Howlyn gibt.”
„Jaaa ...” Liam lehnte sich zurück, breitete die Arme aus und löste seine Gestalt in weißes Funkeln auf.
„Ich gehe dann mal”, kündigte Ronald an und stand auf, „aufpassen, dass die Kleine keinen Ärger macht.”
„He, Vater”, Liam formte ein gerade so zu erkennendes Schmunzeln mitten im Leuchten, „Wenn sie Hunger bekommt - Paizhat sagt, er füttert sie gerne.”
„Okay.” Der Implantant nickte langsam - es kam nicht oft vor, dass Paizhat mehr tat, als nur in Haus und Garten herumzuhängen und das Mobiliar zu mimen. Allerdings war es praktisch, denn Caedra fand es ganz besonders faszinierend, ihre Energie durch einen weißen Haustierpflanzententakelstrang zu erhalten statt durch die Hand eines Kimera.

Das Atavus-Mädchen hatte inzwischen so einige Spielkameraden, mit denen es sich auch verständigen konnte. Während Ronald ja übel radebrechte, beherrschten die Taelonhybriden Eunoia natürlich - und Henry genauso. Der Atavus-Taelon-Mensch-Hybrid grub gemeinsam mit Caedra, Lonnie und Julian den Sandkasten um, wobei die beiden Atavus ihre Krallen (Henry hatte also auch welche!) und die Taelonhybriden gelbe Plastikschaufeln benutzten und Ron mit Eistee und einem dicken Krimi aus einem Liegestuhl aus zusah.
Fast der ganze Tag verging auf die Art - und dann wurde Ron plötzlich von der Kleinen angesprungen. „Schütze mich, Onkel!”

Wie bitte?
Wovor denn bitte?

Aber Caedra hatte Panik! Wovor? Ronald sah sich um und fand nichts Bedrohliches - es sei denn, man hieß Julian und hatte kürzlich ein elterliches Labor verwüstet: Der Hybrid machte sich sehr sehr klein, während seine Schwester Lonnie Mit'gai ungeniert ansprang, ihm die Tafel Schokolade aus den Händen riss und ihm ein dickes Bussi auf die blau aufleuchtende Nase drückte.
Caedra hatte Angst vor Mit'gai! Sie vertrug keine Grundenergie und wusste es!
„Er tut dir nichts”, sagte Ron und lächelte sie an, „Ja?”
„Ron!” Frank kam um die Hausecke gewetzt, verschnaufte kurz, grüßte den Taelon: „Hallo, Mit'gai”, und taumelte dann an den Bretterzaun. „Ron ... Zoriel hat sich gemeldet und Ga'hil sagt, er will dich als Chef der zweiten Gruppe. Mabel holt gerade Alice und Thomas.”
Der Implantant sprang auf und warf dabei seinen Eistee um. „Und Team eins?”
„Ga'hil, Jae'yal, Vorjak und meine Wenigkeit.”
„Was? Du klingst wie eine Dampflokomotive und willst mit?” Ron bedachte den mehr als untersetzten Koch mit einem kritischen Blick. „Du willst doch nicht den fetten Köder spielen, oder?”
Frank japste entrüstet und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Hör mal, die haben Morena auf dem Gewissen! Die mische ich so was von auf, du wirst staunen!” Er beugte sich etwas näher zum Asiaten. „Außerdem hat dein werter Sohn angekündigt, mir eine Ladung Energie zu geben, damit ich nicht den Köder spielen muss ... den fetten Köder, also wirklich ...” Er zog theatralisch den Bauch ein.

Na dann ...

Ron sah sich hektisch um, dann klemmte er sich Caedra unter den Arm, brachte sie im Vorbeilaufen zu Kural und trug selbigem auf, Ni'jeg herbeizurufen.
Kaum später trafen sich dann beide Teams in voller Kampfmontur beim Portal - Thomas war nicht da, dafür sein Bruder Damien, der unbedingt statt diesem mitwollte, Zoriel zu retten.
Liam gab nicht nur Frank eine eindrucksvolle Ladung Kimeraenergie, sondern auch Ron, und Harmony bedachte währenddessen Mabel mit einer ähnlich eindrucksvollen Menge - und zwar wirklich eindrucksvoll viel, denn es schimmerte grün in den Händen der Menschen. Ronald würde dennoch seinen Skrill benutzen, denn darin hatte er nun einmal mehr Übung als mit Shaqarava, das er ja noch nie gehabt hatte. Mabel und Frank hielten es genauso und überprüften schnell ihre Waffen.
Dann traten Liam, Vorjak, Harmony und Frank ins Portal und verschwanden - Mabel, Alice, Damien und Ron folgten ihnen zwischen die Streben und wurden von der Energie erfasst.

Es ging definitiv schief. Resonanzwellen zogen durch den Dimensionaltunnel, die Geräuschkulisse war von unheimlichen Dissonanzen geprägt. Was war da los? Eine Falle? Hatten die Atavus Zoriel dazu benutzt, die beiden Gruppen in diese Falle zu locken? Wenn sich der Dimensionaltunnel auflöste, bevor die Personen darin das Ziel erreichten ... oje.
Ron wurde schlecht. Sicher musste jeder irgendwann sterben - aber einfach durch die Interdimension davonzudiffundieren? Das war bestimmt absolut kein schöner Tod ... Ronald musste an William denken - wie lange diffundierte man, bis man nicht mehr zusammengesetzt werden konnte?
Bei einem Portalunfall sicher nicht sehr lange, immerhin verstreuten sich die Atome da ja über die ganze Strecke.
Verdammt, war ihm schlecht ... vielleicht sollte er über etwas anderes nachdenken.

Vielleicht über die aktuelle Situation! Er stand in einem Portal, das das Ende seiner Lebenserwartung soeben überschritt, sah Licau, einen sehr grau und reichlich fertig aussehenden Atavus (Skrill auf ihn richten!) - und einen toten Atavus am Boden.
Kein Liam, keine Harmony, kein Frank, kein Vorjak.
Damien stellte die Frage, bevor Ron es konnte: „Zoriel, wo sind die anderen?”
„Nicht angekommen - bitte sag mir, dass dort Jae'yal dabei ist!”
„Ja, ist sie”, bestätigte Ron - mit der Elfdimensionalen dabei war ein Portalunfall ja nicht gefährlich, sie würde das schon richten (hoffentlich!). Er sah sich noch einmal im Raum um, während Zoriel (jetzt sie selbst) nach einem Gegenmittel fragte - aber der Kimera war natürlich nicht hier.
„Warum leuchtet er blau?”, überlegte Mabel.
Ron musterte den toten Atavus - er leuchtete tatsächlich blau! Und dann sprang ein Taelon aus dem Atavus, stürzte sich auf den zweiten, jetzt wie am Spieß schreienden Atavus - und zerplatzte unter heftigem Shaqarava-Beschuss.
Ronald war baff: „Ihr habt gerade einen Taelon getötet?”
„Verurteilter taelonischer Usurpator”, sagte Alice, „Ra'jel ist abgehauen, als es ans Bestrafen ging, vor über sieben Millionen Jahren.”

Was es nicht alles gab ...

Allemal aber keinen Empfang, kein Portal, keinen Plan. Ungut.

Zoriel packte den vergifteten Atavus am Oberarm und wies ihn an, einen anderen Weg zu zeigen. Er fügte sich nach einem Hinweis auf das Gegenmittel und wankte, von ihr gestützt, voran. Als Ron die gefangenen Menschen sah, zog er an Mabels Ärmel und selbigen samt Besitzerin die Treppe hinunter. Alle Gefangenen wurden geweckt - und sehr leise ging es dem Fremdenführer hinterher.
Mabel machte ein Fenster kaputt und bekam schließlich Empfang, während die ersten Menschen durch das zweite Portal geschickt wurden.
„Ich muss zurück.” Damit war Zoriel schon einige Schritte weit, bis Ron ihr seine Bedenken nachrufen konnte, und sie erklärte es ihm: „Die Kontaminierten sind noch da, Ron, die ich mit Grundenergie versetzt habe.”
Gut, das war ein Argument. Mabel und Alice blieben, Ron lief mit Damien der Atavus hinterher - und stand schließlich alleine mit ihr vor der schweren Türe, da Zoriel ihren Gatten vehement in Sicherheit gescheucht hatte.
Ronald hob seinen Skrill und schoss den Riegel durch.
Zoriel druckste einen Moment. „Ich sollte dir was sagen ...”
Er sah sie verdutzt an. „Was?”
Sie biss sich auf die Lippen und murmelte: „Liams menschliche Seite ist da drin. Und Will lebt auch noch.”
Liams menschliche Seite? William? Die Waffe hatte niemanden getötet, sondern nur entzweigespaltet? Ron spürte, dass er strahlte wie eine Sonnenbank.

„Also los.”

Er trat mit voller Wucht gegen einen Türflügel und schoss den mit ausgefahrenen Krallen herbeistürmenden Atavus frontal nieder. Es genügte nicht, Zoriel musste den Angreifer noch mit einer Portion Grundenergie beehren, bevor er Ruhe gab. Eilig huschten vereinigte Atavus und Implantant weiter und schleiften dabei einen ächzenden Atavus an je einem Arm ziehend mit.
„Meine Güte!” Ein junges Mädchen sprang aus ihrer unbequemen knienden Position neben einem Bett und machte große Augen. „Agent Martínez! Was für ein Glück!” Sie wetzte durch die Bettreihen und weckte die anderen, bevor sie zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrte und das zitternde, blasse Bündel Mensch sanft schüttelte. „He, es ist alles gut! Ja?”

Liam?

Ronald ließ den Atavus fallen und flog förmlich dem Mädchen hinterher, er kniete wie sie neben dem Bett nieder. „Sohn ... verdammt, was machst du nur?”, flüsterte er.
Liam öffnete seine dunklen Augen und fixierte seinen Vater. „Sterben ... so fühlt es sich also an ...”
„Wie ... was ... wieso sterben?” Sehr vorsichtig übertrug Ron ihm Kimeraenergie - es half kaum, die Energie fand sich nur als blassgrünes Schimmern in den Augen wieder. „Was haben die nur mit dir gemacht ...”
„Er ist krank”, ergriff das Mädchen das Wort, „Andere haben dasselbe durchgemacht, nur er klappt so zusammen. Ohnmacht, Herzrasen, weiß wie eine Wand, Schwindel, Übelkeit, das volle Programm ... aber dem Heiler war das egal.”
Krank! Ein Ruck ging durch Rons Verstand, als ihm das CVI die Symptome mit einer Liste von Krankheiten verglich ... „Natürlich!”, begriff er, „Sohn, du hast meine Blutkrankheit!”
„Ich hole was für Bluttransfusionen ...”, kündigte Zoriel an, aber Ronald hielt sie fest.
„Es geht nicht”, sagte er, „Ich habe Blutgruppe AB positiv und keine Ahnung, welche er als Mensch hat! Es könnte ihn sofort umbringen!”
„Oh!”
„Wir nehmen ihn, führen die ganze Gruppe zum Portal und schlagen einen Großalarm, Ni'jeg oder Jae'yal mögen doch bitte antanzen - dann haben wir den passenden Blutspender.” Ron schob einen Arm unter Liams Körper und zog seinen Sohn hoch. „Keine Sorge, Ga'hil, das wird schon wieder, so schnell stirbt man da nicht - ich spreche aus Erfahrung.” William schob das Mädchen beiseite und stützte den Kranken von der anderen Seite.
Zoriel wies auf den Atavus-Heiler. „Was machen wir mit Draanim?”
„Liegenlassen - Mabel hat das Signal an Lil durchgekriegt, hier ist eh bald die Hölle los”, sagte Ron und schleppte mit William Liam durch die Türe - die Atavus lief voraus und sicherte den Weg ab.

Sie lotste die Kontaminierten voran, kam auch immer wieder zurück, um zu melden, dass nur mehr ganz wenige übrig waren.
Es waren wirklich nur mehr ganz wenige übrig, als Zoriel während ihrer Meldung ihre Augen erschrocken weit aufriss und ihre blau glühenden Hände hob - und dann frontal getroffen rückwärts umkippte.
Ron wandte sich um, hob seinen Skrill. Wo? Da guckte eine Mündung aus einem Türspalt! - Ronald schoss ... auf Federov? „Los, lauft!” Janie (so hieß das junge Mädchen) packte Zoriel unter den Achseln und zog sie mit, William klemmte sich Liam quasi unter den Arm und rannte ihr nach.

Mikhail Federov war nicht beeindruckt (seine verbrannte Hand, jetzt ohne Waffe, heilte soeben im Eiltempo) und fuhr weiß leuchtende Krallen aus. Was sollte das? Menschen hatten die üblicherweise nicht ...
Unechter Atavus-Hybrid! Von der Sorte, wie Harmony sie aus der Kammer mit dem Energiepool mitgebracht hatte.
Ron schoss weiter, doch der ehemalige Mensch wich aus, flink wie eine Raubkatze, und sprang dann Krallen voran auf den Implantanten zu, der es gerade noch schaffte, in einen Durchgang zu taumeln (links Türen, rechts ein Geländer und unten eine vollgestellte Halle) und sich tatsächlich vor allen acht in Sicherheit zu bringen. Er gönnte Federov ein Treffen mit einem Kampfstiefel, brachte eilig wieder seinen Skrill in Position und schoss mit aller Kraft, die er aufbrachte.
Na sauber ... Ronald hatte gerade ein Staatsoberhaupt umgebracht. Er mochte sich lieber nicht vorstellen, was ihm dafür blühte.

Neeeiiin!”

Er hob eilig seinen Skrill und schoss, aber die Krallenträgerin war schon in Deckung. Er war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, sie zu erkennen - wenngleich ein Schrei es der Stimmerkennung nicht gerade leicht machte.
Ein weiterer Fall für die Stimmerkennung: „Au ...”, und ein Plumpsen - das war William gewesen.
„Ronald Martínez ...” Vier leuchtende Krallen griffen um den Türrahmen. „Was für ein Glück im Unglück, dass ausgerechnet Sie hier sind. Und glauben Sie mir, es wird mir eine Freude sein - wie Sie zweifellos wissen, können Witwen außerordentlich wütend werden!”

Renee Federova, tatsächlich.

„Es war Notwehr!”
„Das ist mir gleich. Ihn habe ich geliebt und Sie wollte ich immer schon tot sehen. Letzteres werde ich jetzt erledigen.” Sie sprang aus ihrer Deckung, stieß sich an der Wand ab - Ronald streckte ihr seinen rechten Arm entgegen und schrie mehr verdutzt als vor Schmerz auf, als Renee sämtliche acht Krallen quer über den Skrill zog, bevor dieser sich entladen konnte. „So gewöhnlich menschlich ...”, spottete sie.
„Und Sie sind zum Feind übergelaufen”, gab er zurück und suchte einen guten Stand.
Feind ist relativ, Martínez. Wessen Feind? Warum Feind? Aber das werde ich mit Ihnen ganz sicher nicht diskutieren.” Sie setzte an, ihm die Krallen quer über den Oberkörper zu ziehen, doch er wich zurück. „Für Sie ist nur wichtig, dass heute der letzte verdammte Tag Ihres Lebens ist!” Noch ein Kratzversuch.
„Wessen Feind? Auf wen haben die denn die üble Waffe abgefeuert? Auf meinen Sohn!”, wurde Ron lauter (zur Kompensation - er wich weiterhin zurück), „Sie kollaborieren mit Attentätern! Sie ...”
„Ja, tut mir ja leid - das hab ich ihnen jetzt aber abgewöhnt, keine Attentate mehr. Howlyn hatte Nerven, Josh auf die Abschussliste zu setzen ...” Kurz huschte ein trauriger Schatten über ihr Gesicht und Ronald nahm die Gelegenheit wahr und drosch auf Renee ein - jedenfalls, bis er sich zwei tiefe Schnitte im linken Oberarm einfing. „Martínez, könnten Sie sich vielleicht einfach in Ihr Schicksal fügen und sterben?”
„Sie können mich mal kreuzweise! Womit habe ich mir Ihren Hass verdient?”
Sie sprang vor und brachte ihm einen Schnitt bei, allerdings konterte er mit einem Kinnhaken. „Allein durch Ihre Existenz und Liams Familienverbundenheit!”, fauchte sie, „Sie haben mir meinen einzigen Freund genommen!”

Er hatte was? - Aber sie hatte definitiv einen Sprung in der Schüssel.

„Ihr einziger Freund wird sich über meinen Tod nicht freuen!”, versuchte sich Ron an einem Appell an Gefühl und Vernunft zugleich - vergeblich.
Renee grinste künstlich. „Oh, ich gedenke nicht, ihm zu sagen, dass ich es war.” Dann holte sie aus und rammte ihre Krallen in seinen Körper.

Sie trat nach ihm und er fiel tief und schmerzhaft. Seine Brust war durchbohrt und das Atmen fiel ihm so schwer, Blut in der Lunge, definitiv. Er spürte es, sein Leben rauschte ihm davon, er wurde müde. Er war so müde ...
Renee blickte auf ihn herab und
... verschwand, jedenfalls teilweise, und tauchte wieder auf, teilweise. Ihre Krallen waren einen winzigen Augenblick lang inexistent und Ron riss sich los und lehnte sich an der Wand an. Wie damals bei Maiya! Er konzentrierte sich, sammelte die Kimeraenergie in sich, hob seine Hände und schoss.
Das hatte Renee nicht erwartet und sie konnte auch nicht reagieren - noch immer zog das Verschwinden über ihren Körper und sie fiel tief und schmerzhaft von der Galerie durch ein Regal und materialisierte schließlich wieder ganz - teilweise dort, wo schon die Regalfüße waren.
Warum gerade jetzt?”, murmelte sie, „Murphy, ich hasse dich ...” Ihre Krallen verblassten und verschwanden, Ron seinerseits biss die Zähne zusammen, drückte eine Hand gegen seine aufgespießte Brust und kroch Richtung Portal.

Es war weit ... nein, eigentlich war es überhaupt nicht weit, aber im Kriechen sah es dann doch anders aus. Kalte Luft zog durch den Korridor - Mabel hatte ja ein Fenster zerstört und draußen war es verschneit und bitterkalt.
Ronald fror - lag vielleicht aber auch mehr am Blutverlust. Renee hatte ja nur ganz knapp am Herzen vorbei ... nein, lieber nicht daran denken. Der Weg, Ron musste sich auf den Weg konzentrieren, einen Meter nach dem anderen.

Ach was ... einen Zentimeter nach dem anderen!

Immer weiter, die Hand nach vorne, das linke Bein anziehen und den Körper ein kleines bisschen weiterschieben, Hand nach vorne, Bein anziehen ... immer wieder, immer weiter. Nicht aufgeben!
Er war nicht alleine.
Der bewusstlose Rotschopf regte sich, rappelte sich auf und tastete über seine neue zweite Nase auf der Stirn - dann sah er Ron und kam eilig zu ihm. Die Erleichterung schwappte in großen Wellen über Ronald und mit ihr die vor ihm hergeschobene Erschöpfung.
Er spürte noch vage, dass Will ihn mitzog, dann wurde es dunkel um ihn.

 

Ende von Kapitel 7

 

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