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Etwas warf sich gegen Da'an und stieß ihn durch die rettende Öffnung in der Wand. Noch bevor er reagieren konnte, lag er bereits auf dem Boden. Fast automatisch richtete er seinen Blick über die Schulter zurück, so als befürchtete er, die reinigende Energiekugel könnte plötzlich einen Haken schlagen und auch in diesen Bereich eindringen. Doch alles, was er von ihr noch zu Gesicht bekam, waren Energieschlieren, die unkontrolliert hin und herzuckten. Auch jetzt noch, ohne unmittelbaren Kontakt, ließ ihn die fremde Energiefrequenz schaudern. Jemand atmete neben ihm hörbar aus. „Das ist noch einmal gutgegangen.” Da'an setzte sich auf und musterte seinen jungen Beschützer mit ruhiger Miene. „Liam. Ich hätte mir denken können, dass Sie es nicht lange allein in der Kammer aushalten.” „Nun, diesmal werden Sie mir meine Paranoia wohl verzeihen”, erwiderte der junge Mann und sprang auf die Beine. Dann streckte er dem Taelon die Hand entgegen und half ihm ebenfalls hoch. „Wie könnte ich anders. Sie haben mir wieder einmal das Leben gerettet.” „Und das war mehr als knapp.” Mit gerunzelter Stirn betrachtete Liam seinen Companion. „Da'an, Sie haben dagestanden und die Energiekugel angestarrt, beinahe so ... so als hätten Sie nicht gewusst, was Sie tun sollen”, ereiferte er sich. Ihm war völlig unbegreiflich, wie sich jemand so wissentlich einer Gefahr aussetzte. „Dabei hätten Sie wirklich nur einen einzigen Schritt tun brauchen und Sie wären in Sicherheit gewesen. Sie waren wie gelähmt...” Und das war ich tatsächlich, dachte Da'an und schauderte erneut. „Es tut mir leid, Liam. Ich weiß, ich mache es Ihnen wirklich nicht leicht.” Er sah sich außerstande, über das zu berichten, was er zuvor erlebt hatte. Etwas hatte auf zellulärer Ebene Zugriff auf seine Matrix genommen und angefangen, die Struktur seiner Moleküle ... zu verschieben. Es war so schnell gegangen, dass er lediglich die Wirkung zu spüren bekam, nicht aber nach der Ursache Ausschau halten konnte. In seinem bisherigen Leben war Da'an den seltsamsten Energiestörungen begegnet. Nicht immer waren sie zufallsbedingt entstanden, manchmal waren es auch die Bewohner jener Welten, die von den Taelons annektiert worden waren, die ihnen mit sehr ausgeklügelten Waffen zu Leibe rückten, hatten sie erst einmal begriffen, dass auch ein Energiewesen vernichtet werden konnte. Aber ein derartiges Phänomen war ihm gänzlich unbekannt. Da'ans Aufmerksamkeit wurde auf Liam gelenkt, der sich gerade hastig die Jacke auszog und seine Schultern abtastete. Feine Rauchsäulen stiegen von dem Kleidungsstück auf, das er auf den Boden geworfen hatte. Offensichtlich hatten ihn einige der Energieschlieren getroffen. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Liam?” fragte er besorgt. Der junge Beschützer schnaufte kurz und nickte dann. Sein Ärger über das seltsame Verhalten seines Companion verflog, als er sich umsah. Der Hangar war überraschend groß und besaß eine ovale Form. An den Wänden befanden sich in einem Abstand von jeweils zwei Metern kleine Leuchtquellen. Auch hier gab es die seltsamen röhrenähnlichen Auswüchse, die Wände und Decke miteinander verbanden. Liam ließ seinen Blick routinemäßig wandern, bevor er den Focus seiner Aufmerksamkeit auf die Mitte des Raumes richtete. Dort befand sich etwas, das wie ein Kraftfeld aussah, nur dass dieses hier lila schimmerte und irgendwie an eine riesige, in die Länge gezogene Blase erinnerte. Erzeugt wurde es offensichtlich von zwei kegelförmigen Säulen, die sich am Kopf- und am Fußende befanden. Ein merkwürdiges Gebilde aus zwei gleichmäßigen Strängen umfassten jede Säule. Unterhalb der Kegelspitze mündeten sie in ein Gestänge, an deren Ausläufer sich jeweils eine große Scheibe befand. Das Ganze wirkte sehr mechanisch und fremdartig. „Was ist das?” fragte er, während er sich dem Gebilde mit raschen Schritten näherte, um es genauer zu betrachten. Doch Da'an schien genauso überrascht wie er. Das Kraftfeld hatte eine Länge von über zehn Metern - ausreichend um ein Shuttle zu bergen. Doch warum wurde es auf diese Weise gesichert? Eine Weile spielte Liam mit dem Gedanken, dass hier überhaupt kein Schiff stationiert war, sondern etwas völlig anderes. Als er jedoch die Haltevorrichtung etwas gründlicher studierte, bemerkte er einige Details, die darauf schließen ließen, dass die Stränge, die die Säulen umliefen, keineswegs starr waren, sondern sich auf und abwärtsbewegen konnten. Der Boden unterhalb des Kraftfeldes war glatt und gleichmäßig wie der Rest im Hangar. Aber dann entdeckte er einen kleinen Spalt am Fuße der linken Säulen, und das überzeugte ihn, dass es hier offensichtlich eine Rampe gab, um das Schiff oder was auch immer es war, in eine untere Ebene herabzulassen. Was immer sich hinter dem Kraftfeld verbarg ... es war nur vage als dunkler Fleck zu erkennen. Doch Liams Neugierde war jetzt geweckt. Er trat dicht an das bläuliche Wabern und Schimmern heran, um sein Geheimnis zu ergründen. „Seien Sie bitte vorsichtig”, vernahm er Da'ans besorgte Stimme hinter sich. „Wollen Sie etwa nicht wissen, womit wir es hier zutun haben?” Der Taelon gab so etwas wie ein Seufzen von sich. „Selbstverständlich. Aber...” „Da'an”, Liam drehte sich nach seinem Companion um und sah ihn mit einem Blick an, den dieser nur allzu gut kannte und auch fürchtete, „wir kommen nur mit einem Shuttle von hier weg. Und deshalb müssen wir herausfinden, was sich hinter dem Kraftfeld verbirgt. Allerdings macht es wenig Sinn, wenn wir beide uns darauf konzentrieren. Ich schlage vor, dass Sie Ausschau nach einer Konsole halten. Irgendwie muss diese Vorrichtung ja zu bedienen sein.” Während sich Da'an auf die Suche machte, widmete sich Liam wieder dem Kraftfeld. Er hatte das Gefühl, als würde es sich langsam, aber kontinuierlich drehen. Auch deshalb war es so schwierig, die genauen Konturen des Objektes, das sich in seinem Inneren befand, zu erkennen. Einer plötzlichen Eingebung folgend, benutzte er den gleichen indirekten Blick, den er schon bei dem Kraftfeld, das die Station umschloss, angewandt hatte. Auf diese Weise konnte er das Wabbern und Schimmern ignorieren, praktisch ausschließen. Dafür nahm er ein netzartiges Muster aus unterschiedlich dicken Energiesträngen wahr. Aber auch diese konnte er ausschalten, indem er sein Blick auf einen Punkt dahinter konzentrierte. Und schließlich offenbarte sich ihm das geheimnisvolle Objekt... „Liam?” Jemand rüttelte energisch an seiner Schulter. Widerwillig löste Liam seinen Blick und wandte sich Da'an zu. Dieser musterte ihn überaus besorgt. „Liam. Was ist mit Ihnen?” „Was soll mit mir sein? Ich habe lediglich das Kraftfeld angesehen.” „Nein. Sie waren mehrere Minuten lang nicht ansprechbar. Als wäre Ihr Geist an einem weit entfernten Ort.” „Ich habe das Kraftfeld angesehen”, wiederholte der junge Beschützer langsam, während er danach trachtete, zu begreifen, was mit ihm geschehen war. Er hatte gesehen ... und da war nichts als Schwärze gewesen, eine schimmernde Fläche, ein schwarzer See mit einer sanften Dünung... „Zeit und Raum bedingen sich gegenseitig”, murmelte er. „Ein Ort ohne Dauer ist undenkbar. Die Zeit braucht einen Raum...” Da'ans Gesichtsausdruck war jetzt nicht nur besorgt, sondern alarmiert. Entschlossen zog er seinen Beschützer von dem Kraftfeld weg. „Ich weiß nicht, was Sie da gesehen haben, Liam”, sagte er, „aber Sie sollten vorerst auf Abstand bleiben.” Liam gehorchte sofort. Er wirkte noch immer so, als wäre er nicht ganz bei sich. Tatsächlich hatte er das Gefühl, sein Gehirn wäre momentan nichts anderes als eine schwerfällige, zähe Masse, die sich nur widerwillig mit dem beschäftigen wollte, was er zuvor erlebt hatte. Während sich Da'an mit dem Kraftfeld befasste, zog sich der junge Beschützer immer mehr zurück ... bis er die gegenüberliegende Wand im Rücken spürte. Dort wartete er einfach ab. Der Taelon antwortete nicht sofort. Er wirkte wie jemand, der sehr angestrengt darüber nachdachte, ob das, was er zuvor gesehen hatte, auch tatsächlich möglich wäre. „Ich glaube, ich weiß, womit wir es hier zutun haben”, sagte er schließlich, „auch wenn ich keine Erklärung dafür habe, welchem Zweck es dient und warum es gerade auf dieser Station zu finden ist.” „Nun, dann sollten Sie mich nicht länger auf die Folter spannen, Da'an. Ist es ein Raumschiff, mit dem wir von hier wegkommen?” „Ein Raumschiff ist es”, sagte Da'an bedächtig. „Ob wir es allerdings benutzen können, kann ich Ihnen nicht sagen.” „Wie meinen Sie das? Liegt das am Kraftfeld? Glauben Sie, dass wir es nicht außer Funktion setzen können? Oder ist das Schiff vielleicht beschädigt?” „Das Kraftfeld wird kein Problem darstellen, sofern es über eine externe Steuerung verfügt - und das nehme ich an. Es ist weiterhin nicht anzunehmen, dass das Schiff beschädigt ist...” „Da'an, man könnte wirklich meinen, es macht Ihnen Spaß, so um den heißen Brei zu reden”, fiel ihm Liam ungeduldig ins Wort. „Vergessen Sie dabei nur bitte nicht, dass wir nicht alle Zeit der Welt haben. Also, was ist es, dass uns Probleme bereiten könnte?” Je schneller sie von der Station kamen, um so besser. Er hatte noch immer die seltsame schwarze Fläche vor Augen, und irgendwie machte ihn die Vorstellung, dass sie es hier mit einer unbekannten Variablen zutun hatten, nervös. „Es ist der Antrieb”, sagte der Taelon und kam nun ziemlich schnell auf den Punkt. „Wir haben es hier mit einem tachyonischen Raumschiff zutun.” „Ein tachyonisches Raumschiff?” echote Liam verblüfft. Er hatte von Tachyonen gehört, deren Existenz sehr umstritten war. Im Grunde waren es nur hypothetische Teilchen, für dessen Existenz es noch keine Hinweise gab. „Sind Sie sicher?” „Was Sie vorhin erlebt haben, waren die Auswirkungen, die Tachyonen auf ihre Umgebung haben. Ich hätte allerdings erwartet, dass ein Mensch weniger empfindlich reagiert.” „Nun, ein Raumschiff ist ein Raumschiff”, sagte Liam. „Wir müssen jetzt eigentlich nur herausfinden, wie es geflogen wird. Ich sehe da eigentlich keine große Probleme. Ich bin ein guter Pilot und Sie ein Taelon - das sind die besten Voraussetzungen.” Da'an konnte diesen Optimismus allerdings nicht teilen. „Liam, bis vor wenigen Minuten habe ich nicht einmal gewusst, dass ein derartiger Antrieb überhaupt realisierbar ist. Ich habe einmal entsprechende Entwürfe gesehen, als es darum ging, die Verwendbarkeit der vorhandenen Daten zu prüfen, da sie für ein anderweitiges Projekt von Nutzen sein konnten ... ein ausschließlich friedliches Projekt”, fügte er hinzu, bevor sein Beschützer den obligatorischen Einwand brachte. „Wir haben es hier offensichtlich mit dem Prototypen zutun.” „Glauben Sie, dass er bereits getestet wurde?” „Das vermute ich. Es würde auch das starke Kraftfeld erklären. - Sehen Sie, Tachyonen zu kontrollieren, ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Die Konsequenzen einer unkontrollierten ... Ausbreitung wären sehr fatal. Wir wissen noch immer nicht, was genau Ma'el mit dieser Raumstation beabsichtigte...” „Nun, das liegt doch auf der Hand. Er wollte eine friedliche Verständigung zwischen Taelons und Menschen und eine ebenso friedliche Nutzung dieser Station.” „Doch wie passt ein Raumschiff mit einer komplizierten Technik in das Bild? Wir Taelons besitzen bereits die Interdimensionstechnologie. Wenn wir nicht bereit wären, sie mit den Menschen zu teilen, dann würden wir dies auch bei der Tachyontechnologie zu verhindern wissen.” Eine plötzlicher Erschütterung brachte Da'an fast aus dem Gleichgewicht. Mehr gewohnheitsmäßig griff Liam nach seinem Arm, um ihn zu stützen. Dabei hatte er ebenfalls Mühe, auf den Beinen zu bleiben. „Wir sollten besser unsere Diskussion auf später verschieben, Da'an. Ob wir das Raumschiff fliegen können oder nicht, werden wir erst wissen, wenn wir es ausprobiert haben. Und dazu müssen wir das Kraftfeld ausschalten. Haben Sie irgendeine Idee, wo wir die Steuerung finden können?” „Liam, das könnte sehr gefährlich werden...” „Gefährlicher als es jetzt schon für uns ist?” rief Liam bereits auf dem Weg zu dem linken Kegel der Kraftfeldeinrichtung. Jetzt, da er glaubte, zu wissen, womit sie es zutun hatten, gab es keinen Grund mehr für ihn, sich zu fürchten. „Tachyonen verändern das Zeit-Raum-Gefüge. Sie haben selbst vorhin die Auswirkungen erlebt. Und wir wissen nicht, was passiert, wenn Sie sich weiterhin dieser Strahlung aussetzen.” „Sie sind immer viel zu besorgt, Da'an. Manchmal muss man einfach etwas riskieren. Und ich denke, wir haben gar keine andere Wahl.” Aufmerksam hielt der junge Mann Ausschau nach etwas, dass auf eine Steuerung oder Kontrolleinheit hinwies. Die Kraftfeldvorrichtung war so gänzlich anders als alles, was er bisher bei den Taelons gesehen hatte, dass er sich insgeheim fragte, ob es sich hierbei vielleicht sogar um eine fremde Technologie handelte. „Dann lassen Sie mich nach der Steuerung suchen”, schlug der Taelon. Liam drehte sich nach ihm um. „Warum tun wir es nicht gemeinsam? - Hören Sie, Da'an”, fuhr er etwas eindringlicher fort. „Wir wissen nicht genau, warum Ma'el diese Station errichten ließ. Aber vielleicht war es wirklich sein Wunschdenken, dass Menschen und Taelon gemeinsam diese Einrichtung nutzen. Bisher haben Sie die meiste Arbeit allein verrichtet. Zugegeben, meine mangelnde Erfahrung und auch meine geringen Kenntnisse konnten Ihnen bisher keine Hilfe sein. Dennoch sollten Sie mich nicht gänzlich ausschließen.” „Ich will Sie ganz bestimmt nicht ausschließen”, sagte Da'an. „So wie Sie als mein Beschützer für meine Sicherheit verantwortlich sind, so bin ich doch auch verantwortlich für Sie. Ich darf mein Wissen über mögliche Gefahren nicht einfach ignorieren, nur einer Gefälligkeit wegen.” „Aber überlegen Sie doch mal, Da'an”, erwiderte sein Beschützer aufgeregt. „Dieses Kraftfeld verbraucht ein enormes Potential an Energie. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es kollabiert, genauso, wie das Schutzfeld um diese Station herum. Die Anzeichen sind mehr als deutlich. Welche Gefahr ist nun größer? Dass es kontrolliert abgeschaltet wird? Oder zusammenbricht? Und überlegen Sie weiter. Wäre der Tachyonenfluss instabil, müsste das System dies erkennen. Ma'el oder wer auch immer dieses Kraftfeld errichtet hat, wird Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben.” Der Taelon wurde nachdenklich, wenn auch gänzlich andere Gedanken durch seinen Sinn gingen. „Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Sie ein wenig zu schützen”, sagte er plötzlich. „Sie sind zum Teil Kimera und tragen deren Energie in sich...” Liam betrachtete seine Handflächen. „Das Shaqarava? - Das funktioniert längst nicht mehr, Da'an. Diese Fähigkeit habe ich verloren.” In seiner Stimme schwang all die Enttäuschung und Frustration mit, die er empfand, weil er etwas verloren hatte, dass zu begreifen ihm versagt geblieben war. „Nicht das Shaqarava”, sagte Da'an und trat rasch auf ihn zu. „Sie haben weit mehr in sich. Sie haben es bisher nur nie richtig wahrgenommen. - Wenn ich nun ... einen Teil meiner Energie dazu verwende, die Ihre zu beleben, könnte Sie das vielleicht vor den Auswirkungen der Tachyonen schützen. Ich habe allerdings keine Garantie, dass es funktioniert. Es ist nur eine Möglichkeit. Betrachten Sie es als Kompromiss, um auf Ihren Wunsch der Zusammenarbeit einzugehen. Ich würde mich damit bedeutend wohl fühlen.” Liam atmete tief durch. So viele Fragen schossen ihm mit einem Male durch den Kopf. Sein Kimeraerbe... Es war ihm bisher mehr Last und Qual als von Nutzen gewesen. Zu wissen, dass man anders war und doch nicht begreifen können, was es bedeutete, ein Kimera zu sein. Und der Einzige, der ihm die Furcht vor diesem Unbekannten nehmen konnte, hatte es bisher vorgezogen, sich bedeckt zu halten - aus welchen Gründen auch immer. „Einverstanden”, sagte er schließlich. Vielleicht, schoss es ihm durch den Sinn, war er die ganze Sache nur von der falschen Seite angegangen. Vielleicht konnte ihm Da'an gar nicht erklären, was es mit seinen Fähigkeiten auf sich hatte, solange er nicht wirklich bereit war, sich darauf einzulassen. Hatte ihm Da'an nicht auch erst dann von dem Shaqarava erzählt, als er ihn direkt danach fragte? „Reichen Sie mir Ihre Hände”, forderte ihn der Taelon auf. Liam fragte sich unwillkürlich, ob etwas ähnliches geschehen würde, wie Lili damals erlebt hatte. Etwas in seinem Inneren versteifte sich, und da war ein Gefühl ... er konnte es nicht genau benennen, aber er war plötzlich davon überzeugt, dass sich Geist verschloss. So als hätte jemand in ihm eine Tür zugeworfen, von der er bisher noch gar nichts gewusst hatte. Da'an sah ihn völlig ruhig an. Seine Hände hatte ihr menschliches Aussehen verloren, nur ihre Konturen waren noch vorhanden. Bläulichweißes Licht strömte aus seinen Fingern und krochen langsam Liams Arme empor. Liam wappnete sich innerlich gegen einen mentalen Ansturm, doch nichts dergleichen geschah. Statt dessen verspürte er nur ein leichtes Kribbeln, das bald seinen ganzen Körper erfasste ... und dann war da nur noch Wärme und Wohlbehagen, so als würde er in eine flauschige Decke sinken. Er hatte die Augen geschlossen und gab sich ganz der Behaglichkeit hin. Tief in seinem Inneren fühlte er Ruhe und Zufriedenheit. „Was geschieht mit mir?” fragte er voller Staunen und sah seinen Companion an. Da'an lächelte. „Sagen Sie es mir.” Liam horchte in sich hinein. „Ich fühle Kraft. Kommt sie von Ihnen?” „Nein, Sie allein sind dafür verantwortlich. Was Sie da spüren, ist Ihre Kimeraenergie.” „Warum habe ich sie nie zuvor wahrgenommen?” „Haben Sie denn jemals nach ihr Ausschau gehalten?” „Wie kann ich nach etwas Ausschau halten, von dem ich gar nicht weiß, dass es vorhanden ist?” „Das zu lernen, wird wohl Ihre schwierigste Aufgabe sein, Liam.” Da'an zog seine Hände zurück, und mit ihm ging auch ein Teil der Wärme und Geborgenheit. Aber die Kraft verspürte Liam auch weiterhin. Um seinen Körper hatte sich eine schwache Aura weißlichen Lichtes gebildet. „Hoffen wir, dass es genügt”, sagte der Taelon. „Wir sollten es gleich ausprobieren.” Liam fühlte sich so stark und kräftig wie noch nie zuvor. Er trat dicht an das Kraftfeld und starrte hinein. Wieder sah er absolute Schwärze, aber diesmal berührte sie seinen Geist nicht und er konnte mehr sehen. Zum ersten Mal konnte er das Schiff als solches richtig wahrnehmen. Selten hatte er so etwas Schönes und Elegantes gesehen. Seine Außenhaut schien flüssig, so als wäre es von schwarzem Wasser übergossen, das sich in langsamen Bahnen über seinen Rumpf ergoss. Es war nicht so kompakt wie die Shuttles, mit denen er bisher geflogen war, sondern langgestreckt wie ein Rennboot, das allein auf Schnelligkeit zugeschnitten war. „Es muss phantastisch sein, damit zu fliegen, Da'an”, flüsterte er. „Aber wie öffnet man es? Ich kann keinerlei Schotts erkennen, keine Fenster. Es sieht aus, als wäre es eine Flüssigkeit, die in Form gehalten wird.” „Das ist der Tachyonenfluss”, erklärte Da'an. „Vermute ich zumindest. Wie gesagt, ich kenne nur die Konstruktionspläne und die befanden sich damals noch im Anfangsstadium. Die Außenhaut basiert auf eine biopolymere Verbindung. Sobald das Kraftfeld abgeschaltet wird, müsste der Tachyonenfluss unterbrochen werden. Ich habe keine Erklärung dafür, warum er sich überhaupt in einem aktivierten Zustand befindet.” „Vielleicht war das Schiff für einen Start vorgesehen”, überlegte Liam. „Möglicherweise musste die Besatzung die Station sehr überstürzt verlassen und benutzte dafür das Portal.” „Dann hätten sie es erst recht deaktivieren müssen...” „Nicht, wenn sie davon ausgegangen sind, in kürze wieder zurückzukehren.” Fasziniert starrte er auf die schwarze, wogende Masse. Ein Meer von Schwärze ... Ein Ort, jenseits von Zeit und Raum ... Ein Kribbeln auf der Haut riss Liam aus seiner Betrachtung, und er sah an sich herab. Die Aura, die seinen Körper umschloss, hatte zu leuchten begonnen. Offensichtlich reagierte seine Energie auf die Tachyonenstrahlung. „Sie spüren die Auswirkung noch immer, nicht wahr?” fragte Da'an, der ihn aufmerksam beobachtet hatte. Liam nickte und trat einen Schritt zurück. „Ich habe das Gefühl, als würde es mich anziehen.” Ein erneutes Beben erfasste die Station und erinnerte sie an die vordringlichste Arbeit: dem Suchen nach der Kontrolleinheit. „Teilen wir uns auf”, schlug der Taelon vor. „Ich übernehme die linke Seite der Halterung, Sie die rechte.” Obwohl sich Liam auf seine Aufgabe konzentrierte, konnte er nicht verhindern, dass er immer wieder auf das weiße Licht schaute, das seinen Körper umgab und das nun wieder deutlich schwächer wurde. War das wirklich seine Energie? Die seines Kimeraerbes? Oder überwog Da'ans Anteil? Liam konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Aura zu berühren und spürte einen sehr schwachen Widerstand, beinahe so, als würde auch ihn eine Art Kraftfeld umgehen. Es fühlte sich seltsam an, aber auch sehr aufregend und faszinierend. Trotz intensivster Bemühungen verlief ihre Suche ergebnislos. Da'an hatte seinen Kegel bereits aufgegeben und den Raum durchwandert. Er ließ seine Hände über die Wände gleiten, suchte nach verborgenen Mechanismen und Datenströme. Liam verließ nun ebenfalls seinen Platz und stellte sich mittig vor das Kraftfeld. „Kann es sein, dass sich die Kontrolleinheit in der Schaltzentrale befindet?” „Jede Vorrichtung kann von der Schaltzentrale aus gesteuert werden”, erklärte der Taelon. „Aber die manuelle Bedieneinheit befindet sich hier im Hangar.” Liam ließ seinen Blick schweifen und betrachtete schließlich den Boden. Es gab einige Linien, die den Bereich um das Kraftfeld markierten. Rechts und links befanden sich jeweils zwei Kreise mit einem Durchmesser von etwas zwanzig Zentimetern. Einem unbestimmten Gefühl folgend, wies er Da'an an, sich vor die Kreise zu seiner Linken zu stellen, während er das gleiche auf der anderen Seite tat. „Was denken Sie?” fragte der Taelon gespannt. „Es ist nur so eine Idee”, murmelte der junge Mann. „Die Vorrichtung könnte gesichert sein, um es vor einem unbefugten Zugriff zu schützen. - Da'an, wie würde ein Taelon so ein geschütztes System aktivieren?” „Nun, im allgemeinen reicht ein indirekter Befehl.” Er ließ seine Hand durch die Luft gleiten, die gleiche Bewegung, die er anwandte, um einen Datenstrom zu aktivieren. Liam tat es ihm gleich. Doch nichts geschah. Enttäuscht seufzte er auf. „Na ja, es war ein Versuch wert.” „Warten Sie”, sagte der Companion. „Der Ansatz könnte richtig sein ... nur ist vielleicht die Ausführung falsch. Wir sollten die Eröffnungssequenz synchron ausführen.” Er hob erneut seinen Arm und Liam tat es ihm gleich. Als wäre er ein Spiegelbild seines Taelons fuhr seine Hand durch die Luft. Sekundenlang geschah gar nichts, doch ein schwaches Vibrieren unter ihren Füssen zeigte an, dass irgend etwas in Bewegung geraten war. Aufgeregt sahen sie sich an und richtete dann wieder ihren Blick auf den Boden. Die Kreise veränderten ihr Aussehen, verfärbten sich in ein tiefes Blau, aus dem plötzlich mit rasanter Geschwindigkeit jeweils zwei organisch anmutende Stränge wuchsen, die sich in einer Höhe von fast hundertdreißig Zentimetern zu einer kleinen Plattform vereinten. Liam war instinktiv einen Schritt zurückgewichen, während Da'an an seinem Platz verharrte und erfreut verkündete: „Wir haben es geschafft, Liam.” Seine Hand fuhr in der typischen Bewegung durch die Luft, und ein Datenstrom öffnete sich. Sein Beschützer tat es ihm gleich, wusste mit den graphischen Bildern, die sich anschließend zeigten, allerdings nicht viel anzufangen. Es schien, als würde in dem Datenstrom ein Intro abgespielt werden, das die spezifischen Merkmale und Funktionsweisen der technischen Komponente des Schiffes zeigte. Da'an unternahm den nächsten Schritt, indem er versuchte, Zugriff auf die Steuerung zu erlangen. Jedoch ohne Erfolg. In beiden Datenströme erschien das Symbol einer unerlaubten Eingabe. „Es wäre auch zu schön gewesen”, murmelte Liam frustriert. Er ging zu seinem Companion hinüber und sah ihn wenig hoffnungsvoll an. „Irgendeine Idee?” „Das Konzept einer gemeinsamen Aktivität hat uns bis an diesen Punkt gebracht”, überlegte dieser. „Wir müssen wahrscheinlich in der gleichen Weise weiter vorgehen.” „Aber wie? Glauben Sie, es macht Sinn, wenn Sie mir die einzelnen Schritte angeben?” „Ein Versuch ist es allemal wert, Liam.” Liam kehrte zu seiner Kontrolleinheit zurück. Obwohl sie anschließend synchron vorgingen, war das Resultat gleich null. „Vielleicht haben wir etwas übersehen. Könnte das System ein Passwort verlangen, Da'an?” „Dann gäbe es die entsprechende Aufforderung.” Der Taelon klang ratlos. Liam ging erneut zu ihm hinüber und betrachtete gemeinsam mit ihm das sich ständig wiederholende Intro. „Vielleicht liegt der Schlüssel in einen dieser Zeichnungen. - Was bedeutet diese Form?” Er deutete auf etwas, das wie ein in sich gewundener Streifen aussah. „Haben Sie schon einmal etwas von dem Möbius-Band gehört?” fragte Da'an. „Möglich, aber im Moment sagt es mir gar nichts.” „Ein Möbius-Band hat augenscheinlich nur eine Seite und auch nur eine Kante. Aber wenn man versucht, nur eine Seite dieses Bandes anzumalen, dann wird das nicht gelingen. Man kehrt irgendwann an den Ausgangspunkt zurück und hat zwei bemalte Seiten. Tachyonen zu erzeugen, ist weit weniger schwierig, als sie anschließend zu kontrollieren. Unsere Wissenschaftler haben sie zunächst in ein Kraftfeld eingeschlossen und dieses um das zu bewegende Objekt gelegt. Das hat aber nicht den erwünschten Erfolg gebracht, da sich die Tachyonen nicht einheitlich in eine Richtung bewegten. Also versuchte man sie in einen einzigen Strahl zu bündeln. Verzeihen Sie mir, Liam, wenn ich Ihnen das nur sehr allgemein beschreibe. Ich kenne nur einige der theoretischen Grundlagen. - Nun, damals war der innerhalb des Kraftfeldes angelegte kreisförmige Tachyonenstrahl sehr instabil und erzeugte zu starke Störungen innerhalb des Zeit-Raum-Kontinuums. Das war mit ein Grund, warum diese Forschung zugunsten der Interdimensionstechnologie zurückgestellt wurde.” „Aber offensichtlich ist es einigen Forschern gelungen, das Problem zu lösen, indem sie die besondere Form des Möbius-Bandes für sich nutzten”, sagte Liam beeindruckt. „Ma'el hat sie vermutlich unterstützt, weil er dieses Schiff wollte. Doch wozu?” „Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber glauben Sie mir, ich wüsste es wirklich gern.” Nachdenklich starrte der Taelon auf die Grafik. „Denken Sie, dass Sie dieses Schiff steuern können, vorausgesetzt wir finden eine Zugriffsmöglichkeit?” fragte Liam zweifelnd. Da'an hob den Kopf und sah ihn amüsiert an. „Hatten Sie vorhin nicht davon gesprochen, es selbst fliegen zu wollen?” „Tja, da wusste ich noch nicht, wie kompliziert das Ganze ist”, sagte Liam und rieb sich verlegen den Nacken. „Nicht, dass ich es mir nicht zutrauen würde...” „Selbstverständlich”, erwiderte Da'an und bemühte sich um einen neutralen Blick. „Konzentrieren wir uns wieder auf die Darstellungen.” „Das wollte ich auch gerade vorschlagen.” |
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