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Als sich das Schweigen zwischen ihr und dem sich ihr als Liam vorgestellt habenden Mann in die Länge zog und weder sie noch er wohl etwas zu sagen vermochten, wurde ihre Aufmerksamkeit plötzlich auf den laut werdenden Streit hinter ihr gelenkt, welcher zwischen - als sie sich in Richtung des Lärms auf ihrem Hocker umwandte - der Bedienung und einem anderen Mann stattfand. Wer dieser war, konnte sie nicht genau erkennen, da die schwarzhaarige Frau vor ihm stand und ihr so einen genaueren Blick auf ihn verwehrte. So stand sie also auf, ohne sich noch einmal umzublicken, und folgte der Bedienung, hinein in einen Raum, den sie als einen Bereich zur persönlichen Reinlichkeit wieder erkannte. Aufmerksam wanderte ihr suchender Blick durch selbigen, und, indem sie sich leicht bückte, um etwas an ihren Schuhen zu kontrollieren, auch durch die Türspalten in die einzelnen Kabinen. Als sie sich sicher war, dass sie und die andere Frau ganz allein waren, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf diese. Nicht nur um mehr zu erfahren über das, was ihr fehlte, sondern ebenso, um zu heraus zu bekommen, wie viel diese von ihrem Gespräch mit Liam aufgefangen hatte und dann entsprechend handeln zu können. So trat sie näher an die sich im hintersten Bereich an einem der Waschbecken abstützende schwarzhaarige Frau heran und fragte das Erstbeste, das ihr dazu geeignet schien, eine Konversation zu beginnen, nachdem sie Andere ob ihrer zuvor gehörten Worte kurz mit ihren Sinnen abgetastet hatte. „Ich kann nichts bei Ihnen spüren, das darauf schließen läßt, dass Sie krank oder gar todkrank sind, wie es Ihr - Bekannter offenbar befürchtet. Aber dennoch sind Sie diesen Taelons wohl sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie sie derart in Schutz nehmen”, begann Leandra also schließlich leise mit, wie sie hoffte, ihre Neugierde nicht zu deutlich aufzeigenden Worten zu sprechen, dabei noch etwas näher an die Frau herantretend und ihre rechte Hand so unverfänglich wie möglich leicht auf den weiß glänzenden Rand des Waschbeckens legend. Erschrocken blickte Lili auf, als sie die Stimme hörte und dann auch die junge Frau erkannte, welche es Liam offenkundig derart angetan hatte. Hastig schüttelte sie den Kopf, ihren Blick dabei nach einem Taschentuch oder etwas Ähnlichem umherschweifen lassend, womit sie sich die Tränen aus dem Gesicht würde wischen können. „Nein ... Nein, es geht mir gut. Ich ... Es ist nichts”, versuchte Lili die Neugierde der jungen Frau zurückzuweisen, welche wohl weitaus mehr von ihrem vorhergegangenen Streit mit Augur mitbekommen zu haben schien, als es für sie wünschenswert war. ”Nach ‚nichts' hat sich das aber nicht angehört. Ich kann Ihnen helfen, wenn Sie wollen”, bot Leandra abermals an, nicht begreifend, warum ein Wesen, das so deutlich Hilfe benötigte, diese von ihr nicht annehmen wollte. Bei den Pflanzen und auch den kleinen Tieren im Wald war ihr das noch nie passiert. Diese hatten ihre angebotenen Fähigkeiten immer ohne Widerspruch angenommen und waren bis auf wenige Ausnahmen stets auch wieder vollkommen von ihrem Siechtum genesen. Die Wenigen, die sie nicht hatte heilen können, hatten auch dieses akzeptiert und waren wieder zurückgekehrt in den ewigen Kreislauf ihrer jeweiligen Umgebung. Schließlich nicht wirklich das von ihr Gesuchte findend, aber eine Alternative wählend, nahm Lili eines der zum Händetrocknen bereit liegenden Tücher, um sich anschließend die Nase zu schneuzen und mit einem anderen Ende des Tuches die Augen abzutupfen, nur um es nach Gebrauch in einen der unter den Waschbecken bereit stehenden und allmorgendlich von der Putzkolonne geleert werdenden Mülleimer zu werfen. Erst dann blickte sie ihrem Gegenüber wieder ins Gesicht, sich abermals fragend, was die Weißblonde wirklich von Liam gewollt haben könnte. Doch wartete diese wohl immer noch auf eine Antwort von ihr, und so rang sich Lili schließlich dazu durch, wenigstens etwas mehr als nur die zuvor geäußerten Worte von sich zu geben: ”ich verstehe das nicht”, erklärte Leandra offen, als die Frau abermals abstritt, dass sie unter etwas litt. Etwas, das diese doch zuvor deutlich zum Ausdruck gebracht hatte. Aber vielleicht hatte sie sich in dem, was sie zu hören geglaubt hatte, nur getäuscht und die Bedienung hatte tatsächlich Recht mit dem, was sie meinte? Schließlich konnte sie nichts an ihr spüren, das irgendwie ‚krank' auf sie wirkte. Nicht so, wie sie es tat, wenn sie die Pflanzen und Tiere betrachtete und allein schon aus deren Verhalten und Äußerem erkennen konnte, dass etwas nicht in Ordnung war. Genau diese Instinkte waren es aber auch, die ihr versicherten, dass tatsächlich etwas nicht so wirklich stimmen wollte, auch wenn das, was sie fühlte, ihr etwas anderes zu sagen versuchte. Auch wenn sie sich eingestehen musste, das alles, was sie diesbezüglich annahm, auch gänzlich falsch sein konnte. Dafür kannte sie die Menschen einfach noch viel zu wenig. Nun so langsam doch etwas ärgerlich ob dieser andauernden Belästigung ihrer Person, zwang sich Lili, mehrmals tief durchzuatmen, was sie nur zu einem weiteren Niesen veranlasste und, sich in ein zweites Tuch schnäuzend, fragte sie mit nur halb so abweisender Stimme wie ursprünglich gewollt nach: Leandra zuckte nicht so sehr vor den Worten, die sie wieder einmal nicht wirklich verstand, zurück, sondern viel mehr vor dem, was ihr mit diesen an Emotionen von der schwarzhaarigen Frau entgegenschlug. Fast schon schien es, als würde diese heftig um sich schlagen und beißen, wie eine in einer Falle gefangene Wildkatze. Ein Gedanke, der sie an einen Morgen vor vielen Monden erinnerte, an welchem sie kurz vor Sonnenaufgang im Wald in einer der von Andrej aufgestellten Fallen einen Luchs vorgefunden hatte. Es war ein Weibchen gewesen, welches sich darin mit seinem rechten Hinterbein verfangen hatte, und auch dieses hatte, ebenso wie die Frau hier, wild um sich geschlagen. Nur, dass das Luchsweibchen seinen Schmerz und seine Angst körperlich gezeigt hatte - etwas, das die vor ihr Stehende wohl noch nicht konnte. Entweder das, woran sie litt, war noch zu frisch, als dass sie richtig mit ihrem Schmerz umzugehen gelernt hatte, oder es war etwas, das eine weitere Eigenart der Menschen war, welche sie so rein gar nicht verstehen konnte. Denn wie sonst sollte man Hilfe bekommen, wenn man nicht mitteilte, was man als eben diese benötigte? Kein lebendes vernunftbegabtes Wesen würde absichtlich darauf verzichten, um sein Überleben zu kämpfen. Dann kam ihr ein weiterer Gedanke, den sie auch sofort aussprach: Nun mehr und mehr verwirrt von dem merkwürdigen Benehmen der vor ihr stehenden Frau schüttelte Lili leicht den Kopf und seufzte leise. ”Ist es nicht normal, dass sich gegenseitig geholfen wird, wenn jemand leidet und Hilfe möglich ist?”, erwiderte Leandra mit nur leicht angespannter Stimme, sich fragend, was sie wohl falsch machte, wenn sie jetzt schon auffiel. In einer Art und Weise auffiel, die sie nun überhaupt nicht gebrauchen konnte. Ein Gedanke, der ihr so ganz und gar nicht gefiel. ”Das ist vielleicht unter Freunden so, aber nicht unter Menschen, die sich nicht einmal kennen - und wir kennen uns ganz bestimmt nicht”, versuchte Lili mit möglichst höflich gehaltener Stimme zu erklären, während sie sich fragte, aus welchem tiefsten gesellschaftlichen Urwald ihre unwillkommene Gesprächspartnerin wohl käme. Leandra begriff nicht was das bedeuten sollte, und das war es auch, was sie auszusprechen gedachte, ehe sie sich darüber klar wurde, das auch dies wiederum unpassend und seltsam erscheinen könnte. Abermals dachte sie daran, dass sie wohl jetzt schon bereits mehr als einmal der schwarzhaarigen Frau gegenüber aufgefallen war und das in einer Art und Weise, welche sie sich einfach nicht leisten durfte. Auffallen bedeutete, jemandem in Erinnerung zu bleiben, und das etwas, das sie auf gar keinen Fall geschehen lassen durfte. Denn wer sich an sie erinnerte, konnte sie identifizieren und sie aufspüren, und nicht gefunden zu werden, war eines der Dinge, für die unbedingt gesorgt werden musste. Dann kam ihr ein weiterer Gedanke - einer, welcher sowohl ihren als auch den Bedürfnissen der für sie so deutlich leidenden Frau entgegen kommen würde. Es gab nicht nur die Möglichkeit, jemandem zu helfen, indem man ihn heilte, sondern auch, indem man ihn auf anderem Wege von seinen Schmerzen befreite. Und das war ebenso selbstverständlich wie das vom Baum Fallen eines Blattes, wenn es ob der auf es einwirkenden Umwelteinflüsse nicht mehr genügend versorgt wurde - einfach wie der natürliche Lauf des Lebens selbst. |
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