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  „Li'en” von Se'la   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Mittwoch, 26. März 2003
Alle hier vorkommenden Charaktere gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine Flucht von der Basis und ein ungeklärter Mord halten die Taelons in Atem.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, „Blutsverwandte” (die Episode, in der Da'an Liam verrät)
Charaktere:  Li'en, Ji'tal, Se'la, Rafaella, Mörder, Zo'or, Mit'gai
 

 

LI'EN

Kapitel 1

 

Sie lag auf einem Tisch und spürte das Fesselnetz. Sie hatte dies schon so oft erlebt, dass sie die Regeln kannte. Am Kopfende des Tisches, außerhalb ihres Gesichtsfeldes, spürte sie einen Taelon. Se'la wie sie erkannte. Auf sie zu, kam ein anderer Taelon, Ji'tal. Sie wusste was jetzt kommen würde, aber irgendetwas sträubte sich in ihr dagegen. Es würde wieder Schmerzen geben. Zum ersten Mal spürte sie Angst. Sie wand sich leicht in dem Netz. Die Taelons waren gleichermaßen, wie sie es auch selber war, überrascht ob ihrer Reaktion.
‚Hatten sie wirklich gedacht sie könnten mit mir machen was sie wollen? Dass ich nicht weiß wer ich bin und was ich für sie bin?’, dachte sie bitter.
Als Ji'tal näher kam, steigerte sich ihre anfängliche Angst in Panik. Sie sah, dass er verwirrt war und nicht recht wusste, was er mit dieser, für ihn Neuen, Situation umzugehen hatte. Sie wollte nur noch weg.
Da spürte sie eine kühle Hand auf ihrer Stirn. ‚Se'la!’ Sie spürte die sanfte Berührung in ihrem Geist, die beruhigenden Wellen, die sie aussandte. Aber sie wollte nicht beruhigt, manipuliert werden. Sie wand sich noch mehr. Se'la drang weiter in ihren Geist ein, als Ji'tal die Spritze ansetzte. ‚Nein!’, schrie sie ihn an und verstärkte ihre Barrieren. Aber sie war noch jung, der Taelon zerstörte sie ohne Mühe. Erschreckt stieß sie einen kleinen Schmerzensschrei aus. Sie nahm ein leises Bedauern wahr. Als sie weiter ihren Geist auswich, spürte sie Se'las Ungeduld.
‚Warum wehrst du dich so? Du weißt doch dass es nötig ist! Bitte hör auf, ich möchte dir nicht noch mehr wehtun!’
Hörte sie so etwas wie Besorgnis heraus? Wieso sollte ein Taelon um sie besorgt sein, sie war ersetzbar! Im gleichen Moment erkannte sie, dass er sie nur insoweit beruhigen wollte, dass sie den Versuch nicht mehr gefährden konnte. Als Antwort wich sie weiter ihrem Geist aus. Sie spürte wie Se'la mental seufzte. ‚Dann habe ich keine andere Wahl!’
Bald hatte Se'la ihr jeden Fluchtweg abgeschnitten. Sie spürte wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Aber Se'la drang weiter in ihren Geist vor, zerstörte nicht nur ihre Barrieren, sondern auch ihren Willen zur Rebellion.
Es war ein unangenehmes Gefühl sie in ihren Geist zu spüren, fast wie Schmerzen. Wenn sie mit den anderen eine Verbindung eingegangen war, war das immer schön für sie gewesen. Aber Se'la machte diese Verbindung zu etwas unerträglichem und dafür hasste sie diese.
Die Nadel stach in ihre Haut ein und das wohlbekannte Brennen in ihrem Arm machte sich breit. Verzweifelt versuchte sie sich gegen den Taelon zu wehren, wand sich sowohl in ihrem Griff, als auch in dem Netz. Die Schmerzen wurden schlimmer, breiteten sich in ihrem ganzen Körper aus, bis sie meinte, die Welt würde nur noch aus Schmerzen bestehen. Was sie aber als viel schlimmer empfand, war die Kontrolle Se'las über ihren Geist. Sie konnte sich gegen den physischen Schmerz schützen, nicht aber vor dem psychischen. Es wurde dunkel um sie herum. Eine willkommene, beruhigende Schwärze, die sie langsam aufnahm, um zu vergessen. Noch bevor sie vollends in Ohnmacht versank, hörte sie die Stimme Se'las in ihrem Geist. ‚Du bist ein Teil von uns!’ Und tief in ihrem Inneren hatte sie sich einen Rest ihres Willens zu rebellieren bewahrt, der darauf wartete dass sie wieder erwachte.


Beunruhigt sah sich die junge Frau um. Sie stand am Rande eines langen Ganges, der nur matt beleuchtet war. Schon lange spürte sie, dass ihr jemand folgte. Auch wenn sich ihr Verfolger Mühe gab leise zu sein, hörte sie seine Schritte dennoch. Außer Schatten konnte sie nichts sehen, sie glaubte aber die Schritte rechts hinter sich zu hören, in einem Nebengang. ‚Warum müssen solche Komplexe am Abend immer so ungenügend beleuchtet sein? Es ist einfach zu dunkel’, beschwerte sie sich im Geist, eigentlich nur um sich von ihrer augenblicklichen Situation abzulenken.
Langsam drückte sie sich an der Wand entlang, immer versuchend übermäßig laute Geräusche zu vermeiden. Eigentlich war diese Vorsichtsmaßnahme nutzlos, er wusste doch sowieso schon, wo sie war.
Hektisch einen Fluchtweg suchend schlich sie weiter. Aber ihr war klar, dass alle Türen verschlossen waren. Ihre Hand tastete nach dem Gegenstand in ihrer Tasche. Dafür hatte sie so viel aufs Spiel gesetzt. Aber er war „Ihre” Rettung. Wenn sie schon nicht überlebte, dann musste sie es wenigstens in Sicherheit bringen. Um die Ecke angelangt suchten ihre Augen nach einem geeigneten Versteck. Es musste klein sein, aber gleichzeitig auch schnell als Versteck zu erkennen sein. Nur für ihren Verfolger in diesem Licht nicht. Plötzlich fanden ihre Finger, die an der Wand entlang tasteten, ein Gitter.
‚Ein Lüftungsschacht’ dachte sie erfreut.
Schnell versuchte sie den flachen Gegenstand durch eine Lücke zwischen Wand und Gitter zu zwängen. Sie war den Tränen nahe, als sie es nicht sofort schaffte. Sie hatte doch keine Zeit mehr!
Nach einer ihr endlos erscheinenden Zeitspanne, hatte sie es doch noch geschafft. Die ganze Zeit über, hatte sie damit gerechnet, eine Waffe in ihrem Nacken zu spüren. Aber es war nichts dergleichen geschehen. Wieso brachte er sie nicht einfach sofort um? Die einzige Erklärung die sie dafür fand war, dass er sich ihrer vollkommen sicher war und nun Gefallen an der Jagd gefunden hatte.
Sie hetzte weiter, nun nicht mehr darauf bedacht ihre Schritte zu dämpfen. Ihr Verfolger machte sich jetzt ebenfalls keine Mühe mehr, seine Anwesenheit zu verheimlichen.
Vor lauter Panik, übersah sie beinahe die halboffene Tür. Sie ging einen Teil des Weges zurück und zwängte sich durch den Spalt. Sie traute sich nicht die Türe weiter zu öffnen, er hätte sie sonst hören können. Aus demselben Grund lehnte sie die Türe auch nur an und schloss sie nicht ganz.

Der Raum war dunkel und klein. Sie wich bis zu einem Regal zurück. Ihres Wissens nach war dieser Raum, eine Art Abstellkammer. Sie ließ sich langsam an den Regalen hinunter sinken, bis sie in einer hockenden Position saß. So blieb sie sitzen und lauschte. Sie konnte nichts mehr von ihrem Verfolger hören.
Dass er sie verloren hatte war nicht möglich.
‚Entweder ist er noch da, oder er ist verwirrt, weil er nichts mehr von mir hört.’
Sie gestattete sich etwas Hoffnung aufkeimen zu lassen. Nach ein paar Minuten hörte sie jedoch näher kommende Schritte. Sie spürte wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. In ihrer Vorstellung war das Pochen, noch bis auf den Gang hinaus zu hören. Das Blut rauschte in ihren Ohren und sie fing leicht an zu zittern. Zum ersten Mal seit Stunden spürte sie, wie erschöpft sie war.
Sie legte den Kopf schief. Auch wenn sie meinte, eigentlich gar nichts hören zu können, bemerkte sie dennoch wie sich die Schritte von ihrem Versteck entfernten.
‚Bitte, bitte geh weiter!’, flehte sie in Gedanken.
Plötzlich waren die Schritte verstummt. War er stehen geblieben? War er um die Ecke gegangen? Gab es überhaupt in näherer Umgebung eine Abbiegung? Sie wusste es nicht mehr, sie war viel zu panisch gewesen, um darauf zu achten. Wenn sie sich doch nur erinnern könnte! Sie war doch schon so oft hier gewesen! Aber sie war einfach nicht in der Lage, ihre Gedanken zu ordnen, geschweige denn sich an die Zeit vor dieser Jagd zu erinnern. Verzweifelt barg sie das Gesicht in den Händen und blieb weiterhin unschlüssig sitzen.

Warum musste sie es ihm so schwer machen? Es würde doch eh schnell gehen! Als er sie eine Weile verfolgt hatte, gewann er mehr und mehr Respekt vor ihr. Sie hatte wahrscheinlich schon lange gewusst, dass er sie verfolgte, aber sich nichts davon anmerken lassen. Ein paar Mal hätte er sie fast verloren. Aber jetzt war es vorbei, auch wenn er zugeben musste, dass es ihm langsam Spaß gemacht hatte. Sie zu sehen, wie sie versuchte die Ruhe zu bewahren und doch so voller Angst war. Er war nun um die Ecke gekommen und sah sofort die angelehnte Tür, die noch leicht in Bewegung war. Ein Trick konnte es nicht sein, am Ende des Ganges war nur eine verschlossene Glastüre und er war sich sicher, dass sie das auch wusste. Ein schadenfrohes Lächeln umspielte seine Lippen. Wenn er jetzt vorsichtig war, konnte er seinen Auftrag schnell erledigen. Betont langsam und bemüht seine Schritte laut genug klingen zu lassen, dass sie es hören musste, gleichzeitig aber keinen Verdacht schöpfte, ging er an ihrem „Versteck” vorbei. Dann ging er fast geräuschlos wieder zurück. Sie würde zuerst in die falsche Richtung sehen. Die Überraschung war auf seiner Seite.

Nachdem sie ein paar Minuten gewartet hatte, traf sie eine Entscheidung. Mit feuchten Fingern und klopfendem Herzen berührte sie leicht die Türe und begann sie langsam zu öffnen. Durch den Spalt sah sie einen Teil des Ganges in einem dämmrigen Licht. Von ihrem Verfolger war nichts zu sehen. Langsam stand sie auf, merkte wie ihre Gelenke wehtaten und ging schließlich, sich eng an die Wand gedrückt haltend, aus dem kleinen Raum hinaus. Sie sah in die Richtung, von der sie vermutete, dass ihr Verfolger sie genommen hatte. Alles war leer. Und zu ihrem nicht geringen Schrecken war in dieser Richtung auch keine Biegung wie sie es zuvor vermutet hatte, sondern nur eine verschlossene Glastüre. Aber wo war er dann hin? Ihre Frage beantwortete sich mit einem leisen Geräusch hinter ihrem Rücken. Sie hatte gerade noch Zeit sich umzudrehen und in das Gesicht und die kalt funkelnden Augen zu blicken. In den paar Sekunden versuchte sie sich das Gesicht einzuprägen. Sie hatte gehört, dass sich auf der Netzhaut eines ermordeten Menschen, der Anblick des Mörders einbrennen würde. Fast schon hoffte sie, dass es so war.

Er richtete die Waffe auf einen Punkt zwischen ihren Augen, danach fühlte sie nur noch einen kurzen Schmerz. Sie versank in Dunkelheit, noch ehe sie auf dem Boden aufschlug.
Der Mann kniete sich sofort neben sie und begann hektisch ihre Taschen zu durchsuchen. Als er augenscheinlich nichts fand, begann sich Panik in seinem Blick breit zumachen. Schnell ging er zum Abstellraum, in der Hoffnung dort das Erwünschte zu finden. Aber selbst wenn es dort war, konnte er es ohne Taschenlampe, in dieser Dunkelheit, nicht ausfindig machen. Frustriert und wütend betrachtete er die Leiche. Er war sich bewusst, dass er trotz allem zu unüberlegt gehandelt hatte und hätte warten müssen. Vielleicht hätte er noch etwas aus ihr herauskriegen können. Aber nun war es dafür zu spät. Er war sich sicher, dass sie es schon vor ihrer Flucht in den Abstellraum, vor ihm versteckt haben musste.

Ein zufriedener Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Sie allein hatte es gewusst und konnte es nun nicht mehr weiter sagen. Und selbst wenn sie es versteckt hätte, niemand würde es finden, denn es gab nichts wonach man suchen musste. Das Problem war nur die Leiche. Würde man sie am nächsten Tag erschossen auffinden, wäre die logische Schlussfolgerung, dass sie zu viel wusste, oder ähnliches. Und dann würden sie anfangen nachzuforschen und die Spur bis zu ihm selber und seinem Auftraggeber zurückverfolgen. Das konnte er nicht riskieren. Aber er hatte schon eine Idee wie er das Problem lösen wollte. Er nahm seine Waffe und wischte sie mit einem Tuch ab. Dann legte er sie ihr in die Hand, dass es aussah wie Selbstmord. Vielleicht konnte er noch dafür sorgen, dass im Laufe der Ermittlungen ein Abschiedsbrief auftauchte.
Ruhig und gelassen verließ er das Forschungszentrum, obwohl das auch unnötig gewesen wäre. Die Straßen waren leer. ‚Nur zur Vorsicht’, dachte er.

Aus dem Schatten eines Baumes löste sich eine groß gewachsene Gestalt. Sie hatte eine Art Umhang mit Kapuze als Kleidung an. Als sie sah, wie der Mann mit scheinbarer Ruhe, das Gebäude verließ, wusste sie, dass er seinen Auftrag erledigt hatte. Bevor sie sich umwandte und in der Dunkelheit verschwand, konnte man noch ein leichtes, blaues aufleuchten unter ihrem Umhang erkennen. Sie sah nicht mehr, wie eine zweite Gestalt in Umhang und mit heruntergezogener Kapuze das Gebäude betrat. Nach kurzer Zeit kam diese mit etwas Großem wieder zurück. Sie erreichte dass Shuttle, das im Schatten stand und startete es.


Ein paar Stunden zuvor...

Sie drückte sich an einer Wand, hinter eine Strebe. Ihr Herz klopfe schnell, in einem unregelmäßigen Rhythmus. Sie musste es zwingen, im Takt zu bleiben. Sie hatte Angst. Angst davor, dass man sie erwischen könnte, vor der Bestrafung. Gleichzeitig war sie aber auch aufgeregt. Sie konnte die Stimmen von Ji'tal und Se'la hören. Bevor diese nicht weggegangen waren, konnte sie nicht weitergehen. Die Taelons schienen besorgt.
‚Geschieht ihnen recht’, dachte sie schadenfroh. Ihr tat es nur um die Anderen Leid.
„Wo ist sie?”
„Ich habe keine Ahnung, Se'la. Sie dürfte eigentlich noch gar nicht stark genug sein um zu stehen!”
„Wenigstens zeigt es, dass die Experimente erfolgreich verlaufen sind. Und das hättest du voraussehen müssen! Du warst für sie verantwortlich!”
‚Wir waren beide für sie verantwortlich, vergiss das nicht. Ich konnte ebenso wenig wie du voraussehen, dass sie einen so starken Willen hat.’
Gegen seinen Willen durchlief Se'la ein Gefühl des Stolzes. Sie fühlte sich in ihren Forschungen bestätigt und sie war der Grund dafür. Gegenüber Ji'tal achtete sie darauf diese Gefühle nicht durchblicken zu lassen, er hatte keine hohe Meinung von den Hybriden und würde es Se'la übel nehmen. Das einzige Gefühl, was er Ji'tal auffangen ließ war Besorgnis. Weder Mit'gai noch Zo'or würden darüber erfreut sein.
‚Wir können versuchen sie zu rufen.’
‚Und du denkst sie würde kommen, Se'la? So dumm wird sie nicht sein!’
Manchmal verstand Se'la nicht, wie Ji'tal die Führung dieses Projektes bekommen konnte. Er war augenscheinlich nicht in der Lage mit solchen Situationen zurechtzukommen.
‚Es hängt aber auch von ihrer Widerstandskraft ab. Zudem wird sich Zo'or mit dieser Aussage nicht zufrieden geben, sollte er dich fragen! Wir müssen alles versuchen, bevor wir Mit'gai Bescheid sagen.’
Se'la versuchte möglichst geduldig zu bleiben, während Ji'tal dankbar seine Zustimmung übermittelte.
‚Du hast eine bessere Beziehung zu den Hybriden.’
‚Im Falle von Li'en wäre es nicht klug, wenn ich sie rufen würde. Du vergisst meine Handlungsweise beim Experiment!’
Ji'tal nickte nur.

Li'en war enttäuscht. Die beiden Taelons hatten nur wenig gesprochen, sie vermutete, dass sie meistens in Gedanken miteinander geredet hatten.
‚Wie soll ich denn so wissen, was sie vorhaben?’
Sie zuckte die Schultern. Sie wussten sowieso viel zu wenig über sie. Das entlockte ihr ein leises, schadenfrohes Lächeln.
Dieses erstarb aber sofort wieder, als sie spürte, wie sie kraftvoll gerufen wurde. Es war ein leises, aber kraftvolles Wispern, das nicht direkt in ihren Geist eindrang, aber in ihm widerhallte. Alles in ihr wollte diesem Ruf nachkommen, sie wusste es war Ji'tal der sie rief. Sie war schon im Begriff, auf die beiden zuzugehen. ‚Nein!’
Sie dürfte dem nicht nachgeben! Mit aller Kraft hielt sie sich zurück. Ein kleiner Seufzer entrang sich ihr, als der Ruf drängender, fordernder wurde. Langsam sank sie zu Boden, sie spürte, wie ihre durch das Experiment gemehrte Energie, weniger wurde, wie sie schwächer wurde. Sie bekam heftige Kopfschmerzen und wimmerte leise.
Dann plötzlich war es vorbei. Ji'tal hatte aufgegeben. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie beide den Raum verließen. Ji'tal offensichtlich bestätigt, Se'la ein wenig enttäuscht. Aber bei beiden spürte sie diese Unruhe. Li'en verstand nicht, warum Se'la sie nicht gerufen hatte. Sie wäre bestimmt in der Lage gewesen, sie zu zwingen zu kommen. Nun müssten sie es Mit'gai sagen. Bis dahin müsste sie auf der Erde sein. Sie wollte aufstehen, aber es war ihr noch nicht möglich.
‚Nur eine kleine Pause ’ dachte sie schwer atmend.
Nach ein paar Minuten, stand sie mit zitternden Knien auf. Sie sah nicht, wie blass und geschafft sie aussah. Ihr ganzer Körper sah, trotz ihrer Jugend, fast alt aus.
Langsam durchquerte sie den Raum und den darauf folgenden Gang, bis sie an eine Gabelung ankam.
‚Das Portal müsste in dieser Richtung liegen’, dachte sie mit einem Blick nach rechts, dort werden sie mich nicht suchen. Sie denken alle, ich wäre nicht in der Lage ein Portal zu bedienen. Wenn ich erst einmal hier runter bin, werden sie sich ganz schön wundern!’
Sie fühlte sich beschwingt. Mit schnellen Schritten ging sie den Gang entlang. Sie sah nur selten Freiwillige. Das nahm sie als Zeichen, dass Sie alle im hinteren Teil der Basis nach ihr suchten.
‚Jetzt wird mich niemand mehr benutzen können!’
Vorsichtig lugte sie um die Ecke.
‚Es ist niemand zu sehen’, jubelte sie innerlich.
‚Ich und ein Teil von ihnen! Ich war niemals ein Teil von ihnen. Niemand ist das. Sie gaben uns immer nur das Gefühl dankbar sein zu müssen, dass sie uns erschaffen hatten. In Wirklichkeit hätte es umgekehrt sein müssen. Ich weiß, dass wir wichtig für sie sind... wir haben es nur vergessen.’

So in Gedanken versunken prallte sie mit einer Gestalt zusammen. Als sie in das Gesicht blickte, erkannte sie eine der Wissenschaftlerinnen, die sie auch immer untersucht hatte. Sie war sich sicher, dass es Rafaella war. Sie war die Einzige, die ihnen jemals ihren Namen genannt hatte und sie wenigstens wie etwas lebendiges behandelt hatte. Und sie war ihre Betreuerin. Aber sie wusste auch, dass sie loyal sein würde und sie zurückbringen würde. Hinter sich hörte sie die Schritte näher kommender Menschen. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie fühlte Verzweiflung in sich aufsteigen und wie Schwäche sie zu übermannen drohte. Vielleicht konnte sie sich rausreden. Aber Li'en wusste, es gab keine Entschuldigung dafür, dass sie den Ruf ignoriert hatte. Sie konnte nur noch matt ‚Es ist vorbei’, denken. Für vernünftige Gedanken war kein Platz mehr in ihrem Geist. Alles war leer. Plötzlich wurde sie hart am Arm gepackt und in einen Nebengang gestoßen. Rafaella schloss mit ein paar Befehlen in den Computer, an der Wand, den Eingang. Von Li'ens Standpunkt aus, war diese durchsichtig, so dass sie noch sehen konnte wie die Freiwilligen nun um die Ecke kamen. Kurz bevor sie Rafaella erreichten, ließ diese eine Diskette in ihrer Jackentasche verschwinden. Verwirrt verfolgte Li'en den kurzen Wortwechsel.

Rafaella stand nervös vor den Freiwilligen. Das war gerade noch einmal gut gegangen. Sie stellte fest, dass die drei Männer die vor ihr standen, nicht wirklich zu wissen schienen, wen sie eigentlich suchen sollten. Demnach mussten sie neu sein, die Älteren waren loyal und wussten auch dementsprechend viel. Sie gaben eine kurze Beschreibung von Li'en ab. Groß und schlank, in einem taelon-ähnlichen Anzug, schwarze, lockige Haare und blaue Augen. Man hatte den beiden offensichtlich gesagt, sie wäre vom Widerstand, demnach eine Gefahr für die Taelons und dass sie so schnell wie möglich zu fangen wäre. Die Taelons hatten sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, Li'ens Namen zu erwähnen! Rafaella spürte gleichzeitig Trauer und Wut. Man sagte doch selbst von Gegenständen den Namen! Aber für die meisten waren die Hybriden weniger als Objekte. Rafaella schickte beide in den hinteren Teil der Basis, Li'en hätte so noch genügend Zeit sich in Sicherheit zu bringen. Sie selber würde zum Forschungszentrum und danach nach Hause fliegen.

Als die Freiwilligen endlich gegangen waren, zog sie eine völlig verwirrte Li'en aus dem Gang heraus. Diese blieb stehen und versuchte zu verstehen was vorgefallen war. Noch konnte sie fliehen, sie konnte zur Erde und frei sein. Es dauerte eine Weile, bis sie wirklich begriff, was das für sie bedeutete. Sie würde allein sein, ohne Je'na und Me'lan und das erste Mal fühlte sie Angst. Was sollte sie denn alleine machen? Sie wusste doch gar nicht, wie sie auf der Erde leben konnte! Li'en hatte doch gar keine Freunde, wie Rafaella einmal erzählt hatte. Rafaellas Erzählung davon, beinhaltete nur wenige Informationen, immerhin aber so viel, dass sie wusste, dass Je'na und Me'lan Freunde waren. Sie spürte eine plötzliche Wehmut. Ihr kam der Gedanke, dass sie diese Basis trotz allem vermissen würde, was wiederum etwas war das sie absolut nicht verstand. Wie konnte man nur etwas - einen Ort und die sich darin befindlichen Taelons - vermissen, der einem bisher immer nur wieder aufs Neue Schmerzen zugefügt hatte?

Sie hatte keine Zeit mehr ihre Gedanken zu beenden. Rafaella ließ ihr zum Glück keine Chance, noch weiter über dieses Thema nachzudenken. Sonst hätte sie ihre Meinung vielleicht doch noch geändert. Sie stieß Li'en in Richtung Portal, so dass sie vorwärts taumelte. Verwundert drehte sich Li'en noch einmal um. Rafaella stand noch immer an ihren Platz. Li'en konnte nicht verstehen, warum sie das getan hatte.
Erst als Rafaella: „Lauf los, Kleines”, flüsterte, setzte sie sich in Bewegung, erst zögernd, dann immer schneller und schließlich rannte sie.

’Kleines’ Sie fand es unpassend, von einer äußerlich erwachsenen Hybridin von „Kleines” zu sprechen. Aber in diesem Moment tat es ihr gut. Rafaella war die einzige Wissenschaftlerin, die sah was sie im Wesen darstellten. Dieser Gedanke, erfüllte sie mit Dankbarkeit und Wärme ihr gegenüber. Warum hatte sie das nicht eher erkannt, dass sie vielleicht doch nicht nur ihre Feindin war, sondern auch eine andere Seite hatte?
Sie erreichte das Portal. Schnell gab sie die Koordinaten ein, wie sie es schon so oft, bei all den Freiwilligen beobachtet hatte. Li'en hatte sich alles in ihren Erinnerungen behalten, wenn alle auch dachten, sie würde nicht aufpassen, was um sie herum geschah. Aber sie war wach, sie war nicht mehr am schlafen und sie wollte es auch nie wieder. Glücklich stellte sie sich in das Portal. Die Energie erfasste sie und Li'en verschwand. Kurz danach wurde ein Alarm ausgelöst.


Kurz nach Li'ens Flucht, auf dem Mutterschiff

Langsam ging er den Gang zum Kommandodeck entlang. Er war jetzt schon nervös. Zo'or würde über die Nachrichten die er brachte, nicht sehr erbaut sein. Er konnte nur hoffen, dass es heute nicht so schlimm werden würde. Sich zu wünschen, dass er „gute” Laune hätte, würde wohl doch das Schicksal überfordern.
Als er schließlich die Brücke betrat war diese leer. Nur Zo'or saß in der Mitte des Raumes auf seinem Stuhl, selbst Sandoval war nicht anwesend.
‚Er weiß demnach nichts von diesem Projekt. Vertraut Zo'or ihm nicht mehr?’
Er rief sich zur Ordnung. Es lag nicht an ihm, sich darüber Gedanken zu machen. Das Einzige worum er sich Gedanken machen musste, war, dass er verhindern musste, dass Zo'or die Leitung des Projekts auf jemand anderen übertrug. Dies würde ihn in seiner Kaste erniedrigen und das wusste Zo'or auch. Dieser begrüßte ihn kurz und ließ ihm dann auch keine Zeit mehr für einleitende Worte.
„Du sagtest, du müsstest mit mir über mein Projekt sprechen? Gibt es Probleme?”
Seiner Meinung nach, schwang bereits im zweiten Teil der Frage ein drohender Unterton mit.
„Es verläuft nicht ganz nach Zeitplan, aber das ist nicht der Grund meines Kommens.”
„Nein? Das alleine finde ich schon einen ausreichenden Grund hierher zu kommen!”
‚Er weiß etwas. Hat es ihm jemand erzählt?’
‚Denkt er wirklich er könnte hier auftauchen und ich würde nicht wissen, dass etwas passiert ist?’ Zo'or wusste, dass Mit'gai ihm so oft wie möglich versuchte aus dem Weg zu gehen.
Mit'gai begann sich unbehaglich zu fühlen. Das Projekt unterlag seinem Verantwortungsbereich.
„Es gibt Probleme mit einen der Hybriden. Sie hatte offensichtlich die Chance zu fliehen.”
Das erstaunte Zo'or jetzt doch. Er hatte vieles erwartet, aber so etwas...
„Wie war das möglich? Sie versicherten mir, die Hybriden wären vollkommen unter Kontrolle!” Seine Stimme klang jetzt leicht ungehalten, die Bewegungen seiner Hände waren hektischer geworden.
„Das dachten wir ursprünglich auch. Sie ist offensichtlich mit dem Portal zur...”
„Woher wusste sie wie man ein Portal bedient? Dieses Wissen dürfte nicht in ihr gespeichert sein!”
Wieso musste Zo'or ihn immer unterbrechen? Er würde sich nicht so aufregen, wenn er ihn endlich mal ausreden lassen würde! Aber jetzt sah er ihn nur mit wütend blitzenden Augen an. ‚Wie wird er erst beim zweiten Problem reagieren? ’
Geduldig sprach er weiter. „Diese Frage ist noch nicht geklärt. Wir konnten das Signal zurückverfolgen, bis zum Zielportal. Sie hat den Code der Freiwilligen eingegeben. Zum Glück springen diese nur zwischen der Basis und dem Zentrum hin und her. So dürften sie nicht allzu viele Menschen gesehen haben. Sie wird sich wahrscheinlich noch in der näheren Umgebung aufhalten.” Diese Nachricht schien ihn auch nicht gerade zu beruhigen.
„Sie muss zurückgebracht werden. Egal ob tot oder lebendig!”
‚Und gerade in Da'ans Nähe. Wenn er sie findet...’
„Ich habe bereits vertrauenswürdige Freiwillige mit der Aufgabe betraut sie zu suchen, die aber nicht über die genaue Sachlage aufgeklärt sind.”
‚Wenigstens etwas macht er richtig!’
‚Hätte mich Zo'or ausreden lassen, hätte er sich auch nicht so aufregen müssen!’
„Sollte auch nur ein Wort hiervon an die Öffentlichkeit dringen, wird es mir eine persönliche Freude sein, dich an eine unserer Fronten zu schicken. So weit ich informiert bin, braucht man dort viele Heiler.” Er lächelte zufrieden-boshaft.
Mit einer Handbewegung entließ er Mit'gai. Dieser wusste, dass dies ein ungünstiger Zeitpunkt war, aber er hatte es sich ja nicht ausgesucht. Er spürte wie Zo'or ungeduldig wurde. Ohne sich weitere einführende Worte zurechtzulegen, kam er nun direkt auf den Punkt seines eigentlichen hier Seins zu sprechen. Zo'or hätte ihm anders auch gar nicht zugehört.
„Einer der Wissenschaftlerinnen ist es gelungen einige wichtige Informationen von der Basis zu entwenden...”
Zo'ors Aufmerksamkeit war wieder vollkommen auf Mit'gai gerichtet. Schon die zweite schlechte Nachricht. War es denn so schwer ein Projekt zu führen?
„Gab es dort oben keine Sicherheitsmaßnahmen? Normalerweise wäre sie dort niemals heruntergekommen, wenn du genügend vorgesorgt hättest!”
„Sie war...” Zo'or unterbrach ihn mit einer unwilligen Geste.
„Mir ist egal wer sie war. Es dürfen keine Informationen nach außen dringen! Du bist für das Projekt verantwortlich. Ich bin geneigt, dir die Organisation ihrer Elimination zu übertragen.”
„Ich werde mich nicht an so etwas beteiligen!”
Zo'or sah ihn ruhig an und ließ ihn durch das Gemeinwesen seinen Spott fühlen.
„Das verlange ich auch gar nicht von dir. Wenn du noch nicht einmal in der Lage bist deine Arbeit zu meiner Zufriedenheit auszuführen, wirst du diese auch nicht bewältigen. Bringe mir Ji'tal. Ich werde mit ihm reden müssen! Du kannst gehen!”
Mit'gai verließ so schnell wie möglich die Brücke. Der heutige Tag war relativ gut verlaufen. Es war nur eine Drohung gefallen!

 

Ende von Kapitel 1

 

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