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Schnell ging sie durch die Stadt. Ihre Schritte verursachten auf den mit Mosaiksteinchen besetzten Straßen fast keine Echos. Hätte sie gewollt, wäre sie auch fähig gewesen vollkommen lautlos zu gehen. Vorsichtig ging er durch das Gras. Der Regen hatte aufgehört. Die Luft war aber noch von Feuchtigkeit erfüllt. Er hörte immer noch das Tropfen von Regentropfen von den Blättern auf das Laub auf dem Boden. Er selber bewegte sich vollkommen lautlos. Er lief schnell, aber dennoch ohne Hast. Seine Gestalt war durch einen langen Mantel verhüllt. Dieser war dunkel und war in Braun-und Grüntönen gehalten, die sich immer zu verändern schienen, er schillerte je nach Lichteinfall. Er hatte die Kapuze zurück geschlagen, so dass sein fast weißes Haar hell in der Sonne leuchtete. Es war kurz und umfloss seinen Kopf. Seine durchdringenden blauen Augen beobachteten gespannt seine Umgebung, ihnen schien nichts entgehen zu können. Er war jung, aber in seinem Gesicht lag schon eine Weisheit von Jahrhunderten. Er wusste es war riskant gerade in dieser Zeit durch den Wald zu gehen. Fand ihn einer seiner irre geleiteten Brüder, hätte er kein gnädigeres Schicksal zu erwarten, als bei den Menschen. Er lächelte spöttisch, als er daran dachte, wie ähnlich sich beide Gruppen waren und wie sehr sie darauf bestanden Feinde zu sein. Wenn er es sich genau überlegte, hatte er von den Menschen ein besseres Schicksal zu erwarten, als von seinen Brüdern und Schwestern. Die Menschen würden ihn umbringen. Wie konnten sie ihnen und seiner Familie nur die Schuld an das geben was geschehen war? Sie hatten keine Möglichkeit sie wieder zurück zu bringen! Aber nun war keine Zeit gerade über ihre schon seit Jahren andauernden Probleme zu sprechen, es war ein aktuelles Ereignis was die Aufmerksamkeit alles auf sich gezogen hatte. Wie es aussah war tatsächlich ein Shuttle abgestürzt! Nach einer langen Zeit, konnte er sie schon um einiges intensiver spüren. Sie mussten ganz in der Nähe sein. Noch ein paar Mal sah er sich angespannt um, aber sah, genau wie auf den ganzen Weg über, niemanden. Dennoch würde er seine Vorsicht, trotz dieser die ganze Zeit währender Sicherheit, nicht vernachlässigen. Vor einer Höhle blieb er stehen. Sie war nur klein und er wusste, dass es einer dieser war, die hinab in die Erde führten und des öfteren, auch ohne ein Gebirge, oder ähnliches in der Nähe, auftauchten. Sie wurde von Gras und Moos fast vollkommen verdeckt. Der Eingang wurde hauptsächlich von Sträuchern und anderen hoch wuchernden Pflanzen verdeckt, dennoch würde man schnell hindurch kommen, was offensichtlich erst vor Kurzem passiert worden war. Robin konnte eine schmale Schneise zwischen den Bewuchs erkennen, der sich von unten, selbst bis zur Höhlendecke hinauf rankte und sie so noch mehr verdeckte. Um ihn herum waren nur Bäume und dennoch wusste er, dass er eine ungekennzeichnete und eigentlich nur in ihren Köpfen existierende Grenze überschritten hatte. Hier musste er noch mehr aufpassen als vorher, wobei es noch nicht einmal sicher war, dass Robin in ihren Gebiet war. Die Grenzen veränderten sich immer, meistens gehörte denen das Land, die sich dort am meisten blicken ließen, oder wohnten. Oder denen, die einen offenen Kampf gewonnen hatten und das Land beanspruchten, obwohl sie es doch eh nicht brauchen konnten! Es lag oft zu nah an dem Gebiet der „Feinde”. Und dieses Gebiet war dass seiner Brüder und Schwestern, die nicht zu einer friedlichen Lösung bereit waren. Robin wollte lieber nicht daran denken, was passieren würde, wenn sie ihn finden würden. Ohne dass er es verhindern konnte, verlor er seine die ganze Zeit aufrecht gehaltene Selbstbeherrschung und ging schneller auf die Höhle zu. Sein Herz klopfte schneller und seine Hände wurden feucht. Bevor er ihnen in die Hände fallen könnte, würde er liebe sterben, so viel war klar. Er würde es bei ihnen nicht aushalten, alleine ihre Umgebung zu sehen, oder sie sprechen zu hören, über das was sie dachten, was sie vorhatten, war schon für ihn Schmerz. Es erinnerte ihn an das was sie verloren hatten, aber was sie vielleicht mit der Hilfe derer die angekommen waren, wieder bekommen könnten. Wären sie nur in der Lage zu vermitteln. Blass werdend und stehen bleibend sah er sich erschrocken um. Einen Moment lang, hatte er geglaubt jemanden gehört zu haben. Plötzlich erschien ihm alles übermäßig laut, das Rascheln der Blätter im Wind, selbst seine eigenen Schritte! Se'la sah erstaunt auf, als neben ihr plötzlich jemand war. Gerade eben noch, war sie mit Li'en beschäftigt gewesen, hatte versucht sie irgendwie zu beruhigen, da sie offenbar furchtbare Halluzinationen hatte und nun saß ein Mensch neben ihm. Li'en glaubte immer noch, dass Se'la ihr etwas antun wollte und sie konnte nichts dagegen tun, um sie zu überzeugen. Sie war nicht in der Lage Li'en zu erreichen, weder mit Worten, noch mit ihren Geist. Noch wollte sie ihr einfach nicht weh tun. Während sie Li'en weiterhin fest hielt, drehte sie sich etwas nach dem Mann um, der neben ihr saß. Schon bevor sie ihn überhaupt ansah, konnte sie spüren, dass er kein Mensch war. Und Se'la sah auch leichte Abweichungen in seinen Aussehen zu den normalen Menschen. Seine Statur, seine Ausstrahlung, seine Augen... alles schien anders zu sein. Vollkommen war er auf keinen Mensch, auch wenn er es auf jeden Fall zum größten Teil war. Fast war sie sich sicher, dass er ein Hybrid war. Immerhin hatte Se'la lange genug mit Hybriden gearbeitet um die Unterschiede erkennen zu können. Ein verwirrter Blick von Robin folgte dieser Frage. War das nicht offensichtlich? Vielleicht war dieser Taelon auch nur so unfreundlich zu ihm, weil er einfach nach ihm gekommen war, ohne ihn angemessen begrüßt zu haben! Ihm war es peinlich so etwas wichtiges, als Sohn des Vorsitzenden, vergessen zu haben. Schnell stand er wieder auf und begrüßte den vor ihn sitzenden und über ihm stehenden mit der taelonüblichen Geste, welche sie von den Gewohnheiten der Taelons übernommen hatten. Danach ließ er sich wieder neben Se'la nieder. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen! Wir werden ihr helfen, allerdings wäre es besser, wenn wir sie von hier weg bringen könnten...” Robins Verhalten verwirrte Se'la ein wenig. Er tat so, als wäre sein Auftreten selbstverständlich! Er war weder ein Freiwilliger noch ein Implantant, so konnte er ihm gar nicht helfen! „Danke, aber ich werde das alleine regeln können!” war Se'las arrogantes Kommentar. Damit wandte sie sich wieder Li'en zu. Allerdings verlor sie langsam die Geduld. Sie streckt die Hand aus und ergriff Li'ens. Auch wenn ihr klar war, dass Li'en dies nicht gerade gut heißen würde, hatte Se'la doch keine andere Wahl. Sie musste Li?en irgendwie erreichen und das gewaltsame Eindringen, war für sie die einzige Möglichkeit. Entschieden leitete sie das Sharing ein, wobei sie versuchte, Li'en irgendwie zu beruhigen, ihr zu vermitteln, dass sie nicht vorhatte ihr weh zu tun, doch nur helfen wollte. Dennoch verstand Li'en sie einfach nicht. Sie wehrte sich dagegen, versuchte ihre Hand aus Se'las zu winden, um irgendwie den Kontakt zu unterbrechen, den ihr Bewusstsein nicht in der Lage war zu verhindern. Leicht schüttelte Se'la darüber den Kopf. Würde Li'en es denn niemals verstehen? Sie hatte es schon auf der Basis niemals verstanden und jetzt tat sie es noch weniger. Dass sie krank war, konnte Se'la nicht als Entschuldigung gelten lassen. Selbst sie benahm sich da doch etwas umgänglicher. Es musste wohl an ihrer menschlichen Seite liegen. Wieder etwas dass es bei einen eventuellen neuen Projekt zu bedenken gab. Die menschliche Seite nicht so sehr hervortreten zu lassen. Er war doch etwas erstaunt gewesen, als ihn dieser Taelon derart geantwortet hatte, aber eigentlich hätte er ja damit rechnen müssen. Immerhin hatten sie ja die Taelons lange genug auf der Erde beobachtet. Seine Methode war etwas merkwürdig, wieso glaubte er, diese Frau gerade so retten zu können? Sah er denn nicht, wie sehr er sie damit quälte? Dennoch griff Robin nicht ein, obwohl er es kaum aushalten konnte, wie sie sich auf den Boden wand und er es mit ansehen musste, ja es schon fast selber spüren konnte. Ihre Schmerzen und Verzweiflung. Als sie schließlich anfing zu schreien, konnte er sich nicht länger zurückhalten. Selbst ein Taelon, durfte nicht so mit ihnen umgehen. Wenn er doch keine andere Möglichkeit hatte, als ihr zu helfen, indem er ihr Schmerzen zufügte, wäre Robins Methode auf jeden Fall besser. Und sie war erfolgversprechender. Robin konnte sich nur schlecht vorstellen, dass diese Frau, sollte sie noch einmal aufwachen, diesen Taelon dankbar sein würde, dass er sie gerettet hatte. Auf jeden Fall nicht auf diesen Weg. Es kostete ihn viel Überwindung, tatsächlich etwas gegen diese Taelon zu tun. Sie hatten eine hohe Meinung von ihnen, auch wenn sie viele Fehler hatten, waren sie doch ein Teil von ihnen. Es blieb Robin und seinesgleichen nahezu keine Wahl, als sich mit ihnen verbunden zu fühlen. Dennoch wusste er, dass diese Frau einfach wichtig für sie war. Er wusste zwar noch nicht wer sie war, aber es war doch schon verwunderlich, dass sie überhaupt existierte! So wie sie die Taelons gesehen hatten, schienen sie sich nicht gerade so zu benehmen, als dass sie jemals das tun würden, was ER getan hatte. Obwohl dies auch nur einmal das Fall gewesen war, danach ging er zu einer einfacheren Methode über. Wie hatten sie das nur hinbekommen? Robin und die anderen Hybriden hatten zwar vieles gesehen, aber niemals hatten sie ihre Aufmerksamkeit, auf die Mondbasis gelenkt! Sie wussten nur von wenigen Experimenten der Taelons, dennoch sahen sie die Taelons immer noch als hohe Wesen an. Vielleicht nur eben fehlgeleitet. Hätten sie das Wissen, was sie bräuchten und einen geeigneten Führer, wäre alles um einiges einfacher. Von einem weiteren Schrei der Frau wurde er aus seinen Gedanken geschreckt. Entschlossen nahm er die Hand des Taelons und löste sie von der Hand der Frau. Dabei sagte er ruhig: „Ich kenne einen anderen Weg!” und schob Se'la noch etwas zur Seite um mehr Platz zu haben. Diese reagierte empört auf diese Unverschämtheit, dass jemand es wagte sich einzumischen! Dies war ihr Experiment! Wie konnte dieses schiefgelaufene unkontrollierte Experiment neben ihm, es sich heraus nehmen, einfach seine Fähigkeiten anzuzweifeln? Sie würde sich das auf keinen Fall gefallen lassen, so viel stand fest! „Es ist mir egal welchen Weg sie kennen! Sie obliegt meiner Verantwortung!” gab sie etwas gereizt zurück. Sie wusste gerade mal, dass er ein Hybrid war, wobei das nicht mehr als eine Vermutung war, aber sonst war er ihr unbekannt! Er konnte alles mögliche mit Li'en machen und Se'la brauchte sie noch! Für ihre Forschungen war es irrelevant, ob sie ihr nun wohlgesonnen war, oder nicht, obwohl sie das natürlich bevorzugt hätte. Hätte Se'la die Gewissheit, dass dieser Mann neben ihr, tatsächlich Li'en helfen könnte und sie ihm vertrauen könnte, wäre sie niemals auch nur auf die Idee gekommen ihn daran zu hindern. Immerhin wollte sie ja, dass es Li'en wieder besser ging, der Zustand jagte ihr trotz allen etwas Angst ein und sie war nun wirklich kein Heiler, der sich genau damit auskannte! Robins Hand bewegte sich langsam auf Li'en zu, die sich nach der Unterbrechung des Kontaktes zwar beruhigt hatte, aber immer noch um sich schlug und wirklich in ihren Grauen gefangen sein musste, dass er sie jetzt auch mit einer Hand fest halten musste. Es wäre wirklich einfacher gewesen, wenn der Taelon ihm geholfen hätte! So musste er alles etwas umständlich angehen. Eine Hand versuchte er auf ihre Stirn zu legen, was ihm nicht ganz gelang, woran Se'la neben ihm nicht ganz unschuldig war. Deutlich missbilligend sah sie Robin an und hielt seine Hand fest. In diesem Moment fiel ihr ein, dass er doch ebenfalls ein recht passables Experiment abgeben würde, wenn er denn nur nicht so eigensinnig sein würde. Aber das konnte man ihm sicherlich austreiben. „Haben sie mir nicht zugehört? Ich werde dieses Problem alleine regeln und sie werden verschwinden!” Se'la wollte nicht zugeben, wie unwohl sie sich in seiner Gegenwart fühlte und dass sie Angst hatte. Sie wusste doch nicht, ob er nun ihr Feind war und nur zum Schein helfen wollte, oder ob er es wirklich ernst meinte! Robin sah durchaus, dass dieser Taelon alles andere als sicher in dem war, was er tat. Und das verschaffte ihm einen Vorteil. Nur momentan war er einfach nur im Weg und Robin konnte nicht den Taelon und gleichzeitig die Frau vor ihm im Schach halten. So ließ er von Li'en ab und wandte sich Se'la zu. Die Hand hatte er schnell aus der des Taelons befreit und vorsichtshalber, damit dieser unvernünftige Taelon nicht auf die Idee kommen konnte, doch noch sein Vorhaben zu vollenden, hielt er seine beiden Hände fest und ließ nicht mehr zu, dass er sich befreien konnte. Da er ein Hybrid war, konnte er dies durchaus, wenn auch mit einigen Anstrengungen, machen. Und es war wirklich höchste Zeit, dass er ihn irgendwie überzeugen konnte. „Hören Sie, ich bin wirklich nur da um ihr zu helfen!” Er machte eine Kopfbewegung nach Li'en hin. „Mein Name ist Robin, ich weiß dass Ihnen das nicht viel sagt, aber glauben sie mir, ich kann ihr helfen und wir müssen hier weg, bevor sie kommen!” Robin wurde nun langsam ungeduldig, vor allem da er spürte, wie sich ihm jemand näherte. Und dieser war definitiv keiner von ihnen. In ihm spürte er zu viel Hass und Wut, auf alles in seiner Umgebung. Keiner der Hybriden in der Stadt würde jemals so empfinden. Sie selber betrachteten sich als friedlich. Eigentlich kämpften sie auch niemals gerne, aber sie wurden ja auch niemals wirklich angegriffen. Es wurde nur gefährlich sobald sie ihre Stadt zu weit verließen. Se'la konnte seine Nervosität fast spüren und seine Berührung war ihr doch mehr als nur etwas unangenehm. Vor Schreck verlor sie im ersten Moment ihre Fassade. Ein Experiment, dass sie noch nicht einmal unter Kontrolle hatte... und dann auch noch eine Zusammenarbeit zu verlangen! Sie wand leicht ihre Hände um sich wieder zu befreien, hatte aber schließlich keine andere Wahl als tatsächlich mit diesen unterentwickelten Wesen zu sprechen. Deutlich ihren Widerwillen zeigend, aber es ging ja auch um ihr Experiment, rang sie sich schließlich dazu durch zu sagen: „Gut... sie werden mir sagen was sie vorhaben und ich werde über ihren Vorschlag nachdenken. Sollten sie mich allerdings nicht sofort los lassen, werde ich sie von einem Freiwilligen auf das Mutterschiff bringen lassen!” Sofort ließ Robin sie los. Er wollte sich nun wirklich keinen Ärger mit einem Taelon einlassen. Obwohl er nicht genau wusste, was das Mutterschiff nun war. Sicher, es war klar, dass es ein Schiff war, aber es hatte sich wie eine Drohung angehört. Was sollte an einem Schiff denn so bedrohlich sein? Vielleicht sollten sie auch dort ihr Augenmerk drauf lenken. Wobei er sich nicht sicher war, ob dazu überhaupt jemand bereit war. Nach dem was sie bereits jetzt über die Taten der Taelons sahen, musste das Mutterschiff wirklich noch schlimmer sein. Entschlossen, aber etwas unsicher, es war klar, dass dieser Taelon keine Ahnung hatte, wo er überhaupt war, begann er seinen Plan zu erklären. Li'en befand sich in einen Zustand, der nur noch aus Schmerzen bestand. Nicht körperlicher Natur, sondern psychischer. Auf einer tiefen psychischen Ebene, der nicht aufhören wollte, konstant war und sie zu zerreißen drohte. Sie sah Bilder, von denen sie lange geglaubt hatte, sie verloren zu haben. Taelons, Menschen und Hybriden, die ineinander liefen, sich überlagerten, eine ganz neue Bedeutung kamen. Ihre Erlebnisse, die Erinnerungen die sie verdrängt geglaubt hatte, tauchten alle zum selben Zeitpunkt wieder auf. Sie spürte die Schmerzen, als sie die Experimente durchlebt hatte, wie sie getrennt wurden, sie Qual, als nicht nur einmal gewaltsam in ihr eingedrungen wurde. Sie glitt von einer Szene in die andere, bis sie nicht mehr wusste, wo sie war, wer sie überhaupt war und ob sie nun schrie, oder nicht. Konnte nicht mehr zwischen den einzelnen Szenen unterscheiden, war in allen gleichzeitig und schlug um sich. Versuchte diesen Horror zu entkommen, sie sollten aufhören Li?en zu quälen, wer immer sie waren und wo sie selber war. Bald bemerkte sie, dass es nicht nur Erinnerungen waren, dass sie neues erlebte. Selbst ihre Schwestern und Brüder waren gegen sie, verhöhnten das was sie war, was sie tat, forderten Rache an allen. Zeigten ihr in aller Deutlichkeit noch einmal was sie erlebt hatten, bis sie es selber erlebte, ihre Identität verlor und mit zu der Masse gehörte, die etwas von ihr verlangte, was sie einfach nicht geben konnte. Sie versuchte die Hände an ihren Kopf zu führen, glaubte fast Kopfschmerzen zu haben, konnte es aber nicht, etwas hielt sie. Als sie an sich herunter sah, konnte sie erkennen, dass sie verschiedene Leute hielten und einen Taelon der näher kam und behauptete ihr würde nichts geschehen. Einen Moment lang, war es Se'la, Li'en glaubte ihr fast, aber warum all die Leute, die sie so feindselig ansahen und ihr Dinge zuriefen, die sie nicht verstand, sie aber verletzten, tief in ihren Inneren. Im nächsten Moment war es Ji'tal, der sie mit unverhohlener Vorfreude ansah, in den Augen das Versprechen, ihr so viel Qual und Schmerz zu bereiten wie möglich. Sie schrie auf, versuchte sich aus den Händen der Leute zu befreien, hörte aber nur ein höhnisches Lachen, von allen, mit den Worten, dass es eh sinnlos war. Sie sollte sich ihren Schicksal stellen und sich nicht weiter wehren. Welche Chance hatte sie schon, eine Missgeburt, ein Fehler, nichts weiter als ein Experiment! Es gab niemanden, der sich auch nur im entferntesten für ihr Schicksal interessierte! Liam ebenfalls nicht! Er war auch nur jemand, der sie benutzen wollte. Und in ihren Wahn war er ebenfalls anwesend, grinste sie nur an und half mit, sie fest zu halten. Verzweifelt schluchzend fing sie an zu weinen, fühlte aber keine Tränen ihre Wangen hinab laufen, spürte gar nichts, außer diese entsetzliche Angst und die Schmerzen. Es tat so weh, dass selbst Liam nichts weiter als ein Lügner war, noch schlimmer als die Taelons. Dieses Wissen konnte sie kaum ertragen, sie hatte ihm doch vertraut! Was wenn man sie zurück gebracht hatte, dies nur eine neue Methode war? Li'en wollte fort, konnte aber nichts tun! Und als sie gerade glaubte, es würde besser werden, verwirrte sich alles noch viel mehr, stürzte auf sie hinab, als wollte es sie erschlagen, endgültig dem Ende zutreiben. Aber dann spürte sie etwas Neues. Die Gegenwart eines Taelons. Sie kannte ihn nicht, oder konnte ihn nicht erkenne. Wer war es? Was wollte er nun schon wieder von ihr? Es drangen doch schon so viele zum gleichen Zeitpunkt aus unterschiedlichen Gründe in ihr ein, warum er auch noch? Und warum fiel er ihr auf? Dieser drang ebenfalls ein, aber aus irgendeinen Grund wusste sie, dass sie sich ihm zumindest widersetzen konnte. Ein Teil der Stimmen, die aus Hybriden bestanden, riefen ihr zu, dass sie es tun sollte, der beste Zeitpunkt um Rache zu nehmen. Die anderen Stimmen, Taelons und herablassende menschliche Wissenschaftler, verhöhnten sie nur, sie würde es niemals schaffen sich von ihnen zu befreien. Zum schreien glaubte sie keine Luft mehr zu haben, so beschränkte sie sich nur noch darauf im Geist zu schreien und weiterhin um sich zu schlagen, als hoffte Li'en, dadurch endlich alles los zu werden. Es machte sie fast wahnsinnig, dass da noch jemand kam, der sie in ihren Geist berührte, es war ihr unangenehm schmerzhaft. Li'en konnte nicht mehr ihre Barrieren aufrecht erhalten, sie wusste ja gar nicht wo sie diese überall verstärken sollte! Und immer diese Schmerzen, gegen die sie nichts tun konnte. Li'en war nur eine relativ kurze Zeit dagewesen, als sich ihr Empfinden veränderte. In ihr fühlte sie eine Ruhe und Erleichterung, die nahezu sofort dafür sorgte, dass sie sich entspannter fühlte. Sie sah ein, dass all das was sie erlebt hatte, unbedeutend war, denn nun war sie frei. Es war ein wunderbares Gefühl und leise lächelte sie. Vorbei. Es war tatsächlich vorbei. Seufzend ließ sie sich einfach nur fallen. Schon nach relativ kurzer Zeit fühlte sie sich wie unter einen Bann stehend, ihr Bewusstsein wurde nur noch von dieser Stimme ausgefüllt und fasziniert lauschte sie dem was sie zu sprechen schien, sie aber nicht verstehen konnte. Nur eines war klar, dort war Sicherheit. Etwas dass sie sich so lange schmerzlich gewünscht hatte. Waren etwa beide Wege eine Erlösung für sie? Der zweite, nun aufgetretene, gefiel ihr besser. Nun bewegte sie sich sehnsuchtsvoll- und nicht mehr widerwillig weiter auf das, was ihr so unendlich verlockend erschien- auf das was so nah und gleichzeitig so fern war, zu. Irgendwie musste sie es erreichen, das war Li'en klar. Aber es war so schwer! Schon spürte sie, wie ihre Emotionen und Erlebnisse wieder auf sie einzudringen versuchten und trotz, dass ihr klar war, dass wer immer dort auch war, der ihr helfen wollte, zog sie sich wieder zurück. In die trügerische Sicherheit und Einsamkeit, dieses Ortes, der sie schon fast entlassen hatte. Zu ihrem Erstaunen entfernte sich diese Person allerdings nicht von ihr, wie Li'en es im ersten Moment erwartet hätte, sondern blieb in der gleichen Entfernung. War es ihr näher gekommen? Würde jemand so etwas tatsächlich für sie tun, nur um sie zurückzuholen? Langsam, wie als müssten sich ihre Gedanken durch einen tiefen Sumpf kämpfen, begriff sie, dass in dieser Dunkelheit, dass dort wo sie im Begriff war hinzugehen, keine wirkliche Sicherheit auf sie wartete. Ihr wurde ein Gefühl von Gefahr übermittelt und sie verharrte dort wo sie war, unsicher was sie weiterhin tun sollte. Wieder lauschte sie einfach nur, hoffte dass man sie nicht verlassen würde, in ihren Zustand, dass man nicht zuließ, dass sie ging, oder erneut versank. Das Flüstern kam wieder, dieses Mal allerdings konnte sie verstehen, was gesprochen wurde. Ein Name und die Bitte nach Vertrauen wurde immer wiederholt. Diese Person hieß Robin. Der Name war ihr vollkommen unbekannt. Und er kam tatsächlich näher, immer noch diese Ruhe ausstrahlend und sie nahezu schon anflehend. Er versprach ihr, sollte sie der Meinung sein, nachher doch wieder an diesen Ort zu gehen, würde er sie nicht aufhalten, sie sollte ihm aber wenigstens eine Chance geben! Einen Moment zögerte sie noch, dann streckte sie ihre Arme nach ihm aus, ähnlich einem Kind, dass unbedingt in den Arm genommen, getröstet werden wollte. Und Robin kam dieser stummen Aufforderung ohne zu zögern, aber nichtsdestotrotz vorsichtig nach. Langsam und weiterhin auf Li'en einflüsternd zog er sie aus der Dunkelheit und Schwärze und hatte sie am Anfang Angst gehabt, ihr würde das gleiche passieren, wie auch schon vor Kurzem, geschah mit ihr das Gegenteil. Robin schien sie vor ihren eigenen Erinnerungen schützen zu können. Oder doch nur wieder ein Trick? Li'en traute sich kaum, auch nur einen Gedanken daran zu haben, dass er wirklich dort war. Tiefe Trauer befiel sie wieder, da sie sich sicher war, dass man sie zu den Taelons zurückgebracht hatte, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sich das mit den Absturz vereinbaren ließ. Langsam spürte Li'en, dass es ihr in einer Art besser ging. Ihre Gedanken waren in einer Art klarer, fast begriff sie, dass das was ihr passiert war, nicht wirklich körperlich mit ihr passiert war, sondern nur Erinnerungen gewesen sein mussten, oder Wahnvorstellungen. Liam war doch mit Da'an unterwegs, er hatte ihr gar nicht weh tun können! Und von Robin fühlte sie nur Bestätigung und Wärme. Ihr ganzer Geist wurde völlig zwanglos von Wärme eingehüllt. In ihr war das Wissen, wenn sie nur ein Wort dagegen sagen, wenn Robin nur kurz Unbehagen, oder Widerwillen spüren würde, dass er sich zurückzöge. So ließ sie sich erst einmal nur treiben und entspannte sich, bis sie spürte, dass da noch etwas neues war, sie in einer Art aufzutauchen schien. Als wäre sie die gesamte Zeit unter Wasser gewesen und wäre nun in der Lage daraus auszubrechen und wieder zu atmen, wenn auch nicht leben, in dem Sinne, in dem sie es definierte, aber wieder funktionieren. Mühsam öffnete Li'en die Augen. Diese Bewegung war seit den letzten Ereignissen ungewohnt. An ihren Körper hatte sie nicht wirklich einen Gedanken verschwendet, es war doch alles mehr in ihr abgelaufen! Nachdem der Regen aufgehört hatte, kletterten Zo'or und Sandoval aus der Höhle hinaus. Wieder war es Sandoval, der die Führung übernahm. Schließlich hatte er die obere Kante erreicht und zog sich hinauf. Als er den Kopf aufrichtete konnte er vor sich einen Wald erkennen. Er lag auf einen schmalen Streifen wo keine Bäume wuchsen. Schnell stand er auf und drehte sich wieder den Abgrund zu. Von dort sah er, dass sie gar nicht so hoch waren. Er wunderte sich, warum er dafür so lange gebraucht hatte. Vor ihm kam Zo'or hochgeklettert. Sandoval streckte die Hand aus, um ihm zu helfen, aber wieder ignorierte Zo'or sie. Er seufzte. Zo'ors Mühen missachtend, zeigte er mit dem Finger in einer Richtung.
Zo'or ging es indessen besser als Sandoval. Die beiden Männer hatten ihn zu einer Stadt geführt, aber ihm nichts getan. Er wurde nicht gefesselt, oder bedroht. Man behandelte ihn fast ehrfürchtig, niemand hatte ihn bisher berührt. |
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