Die junge, schlanke Frau ging schnellen Schrittes die Gänge auf dem Mutterschiff entlang. Sie hatte hochgesteckte, braune Haare und tiefgrüne Augen. Sie hieß Jennifer, ihre Freunde, von denen sie nur wenige hatte, nannten sie Jen. Schon als sie auf die Erde kamen, bewunderte sie die Taelons. Jennifer war bei der ersten Ansprache Da'ans dabei gewesen. Von da an stand für sie fest, was sie tun wollte. Sie wollte den Companions dienen. Ihre ganze Haltung, Bewegungen waren grazil. Sie schienen so sanft, so hoheitsvoll. Alles an ihnen strahlte Ruhe und Güte aus. Als sie das erste Mal die Stimme eines Taelon hörte, war sie wie verzaubert gewesen. Sie hätte ihnen stundenlang zuhören können! Am meisten bewunderte sie ihre Augen. Von einen kristallklaren Blau. Man konnte stundenlang in ihnen hineinsehen, ohne dass es einem unangenehm wurde, wie es bei Menschen oft der Fall war. Manchmal hatte man das Gefühl, sie könnten bis auf den Grund der Seele sehen, was ihr aber nicht bedrohlich erschien. Jennifer bewunderte sie, ja fast verehrte sie die Taelons. Sie stimmte den Leuten zu, die sie als Götter ansahen, und sie hätte ihnen gerne auf ihre Art gedient. Aber sie sah ihre Bestimmung in etwas anderem. Sie wollte aktiv den Taelons dienen. Als die ersten Freiwilligen rekrutiert wurden, war sie sofort dabei. Auf die Warnungen ihrer Freundin hörte sie nicht. Jennifer verstand nicht, wie man gegenüber solchen Wesen nur mißtrauisch sein konnte! Sie waren da um ihnen zu helfen, warum hinterfragten das alle? Ihre Gedanken führten unweigerlich zur Widerstandsbewegung. Sie verabscheute sie. Wie konnten sie es wagen, Lügen über die Taelons zu verbreiten und gegen sie zu agieren? Ihre Freundin hatte auch immer so aufständische Gedanken gehabt. Sich selber hatte sie geschworen, den Taelons für immer zu dienen. Sie war bereit alles für sie zu tun, selbst zu sterben. Nun hatte sie sich hochgearbeitet. Sie war jetzt keine einfache Freiwillige mehr. Jennifer arbeitete auf dem Mutterschiff. Darauf war sie stolz. Sie hatte ein äußeres Implantat. Ihre größte Hoffnung war, einmal wirklich den Taelons dienen zu können. Als Beschützerin. Dort könnte sie diesen hohen Wesen ganz nahe sein. Nur wenige bekamen die Chance zu so einer Ehre. Sie kam zu den Arrestzellen. Ihre Aufgabe war es den Gang zu ihnen zu bewachen. Manchmal konnte sie gedämpft Schreie hören. Dann grinste sie immer. Es wurden wieder Widerständler verhört. Es geschah ihnen recht. Wieso hatten sie auch gegen die Taelons gesprochen und gehandelt, wie konnten sie es nur wagen?? Sie hatten doch nur das Beste für die Menschheit gewollt. Aber man hatte ihnen mit Mißtrauen und Widerstand gedankt. Nun mussten die Taelons die Aufgabe übernehmen, sie wieder auf den rechten Weg zu bringen. So wie ein Vater sein Kind bestraft, wenn diese ungehorsam waren. Irgendwann würden sie schon verstehen, dass alles nur zu ihrem Wohl geschehen war. Sie hatten doch viel mehr Erfahrung! Ihre Aufgabe war es die Menschheit zu führen, in ein neues Zeitalter. Manchmal waren dafür auch radikalere Mittel notwendig, die denjenigen, der die Taelons nicht kannte, vielleicht menschenverachtend, oder demütigend erschienen. Aber immer stand doch das Wohl aller im Vordergrund. Jetzt lächelte sie. Bald würden das alle Menschen erkennen. Sie mussten den Taelons dienen, sie würden in ein paar Jahren sicher reifer sein und alles was die Taelons jemals taten verstehen.
Sarah saß an ihrem Schreibtisch, in der Hand eine Tasse. Ihre langen Finger flogen schnell über die Tastatur, um die Daten zu entschlüsseln. Immer wenn ihr ein neuer Schritt einfiel, setzte sie die Tasse ab. Diese Prozedur wiederholte sie jetzt schon seit Stunden. Schließlich sah sie eher zufällig auf die Uhr. Sie hatte wieder einmal die Zeit vergessen. Sarah hatte schon längst Pause machen können und sie spürte auch, wie anstrengend das lange Sitzen gewesen war. Sie speicherte ihre bisherigen Erfolge. Müde lehnte Sarah sich zurück und fuhr sich seufzend durch die Haare. Ihr Blick fiel auf das Photo auf ihrem Schreibtisch * Ich sollte es wegstellen. * Sarah streckte die Hand aus und kippte das Photo so um, dass die Bildseite auf der Tischplatte lag. Es tat weh, Jen so zu sehen und zu wissen, dass es zwischen ihnen niemals wieder so sein würde wie zu der Zeit, als das Photo aufgenommen wurde. Es erinnerte sie an so viele Dinge, die sie gemeinsam erlebt hatten. Sarah hatte immer geglaubt, das würde sie miteinander verbinden. Auf dem Photo waren Jens Haare lang und fielen ihr auf den Rücken. So weit Sarah wußte, hatte Jen sie jetzt meistens hochgesteckt. Sie fühlte eine plötzliche Wut in ihr. Die Taelons waren Schuld! Schon als die Taelons gelandet waren, war Jen vollkommen hingerissen von ihnen gewesen. Schon bald betrachtete Jen sie als Götter, unfehlbar. Sie waren doch auch nur Lebewesen! Um fair zu sein, musste Sarah zugeben, dass sie die Taelons auch bewundert hatte, nur hatte sie sich nicht täuschen lassen. Bald fing sie an, alles zu hinterfragen. Sie konnte einfach nicht alles glauben, was die Taelons erzählten. Irgendwann war sie dann auch zum Widerstand gekommen. Sarah war seit einen halben Jahr Mitglied. Jen wußte nichts davon, sonst würde sie gar nicht mehr mit ihr reden. Sie war früh zu den Taelons gegangen und nichts, was Sarah auch einwandte, konnte sie abhalten oder umstimmen. Selbst als sie ihr von den Experimenten erzählte, war sie nicht umzustimmen. Sie hatte ihr nie wirklich zugehört, wahrscheinlich aus Angst, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Für sie geschah alles zum Wohl der Menschheit und dafür musste es auch den Taelons gut gehen. Sarah kam Jen manchmal fast fanatisch vor. Jennifer arbeitete jetzt schon länger als Freiwillige auf dem Mutterschiff. Sarah wußte, dass Jen den Widerstand so sehr hasste, wie sie die Taelons liebte. Nun herrschten zwischen ihnen beiden Mißtrauen und Vorsicht. Die Taelons hatten einen Keil zwischen sie getrieben und das würde sie nicht akzeptieren. Ihr traten Tränen der Verbitterung in den Augen. Sarah würde nicht aufgeben! Sie würde die Taelons bloß stellen und Jen beweisen, dass sie auf der falschen Seite stand. Sie hatten Jen manipuliert, dessen war sie sich sicher. Nichts anderes konnte es sein, Jen würde doch nicht so unrealistisch sein? Manchmal fragte sich Sarah wirklich, ob alle Menschen blind waren! Sahen sie denn nicht, wie die Taelons wirklich waren? Sie betrachteten sie eher als Retter, einige kamen sogar auf die absurde Idee eine Kirche zu gründen! Wieso ignorierten so viele Menschen das offensichtliche? Warum hielten alle still? Ihre Hand hatte sich unwillkürlich zur Faust geballt. Sie würde nicht zulassen, dass die Taelons die Menschheit mißbrauchten. Sarah schwor sich zu kämpfen, selbst wenn das heißen würde, Taelons oder auch Menschen umzubringen.
Jennifer saß mit anderen Freiwilligen in Shuttle. Heute würde sie eine wichtige Aufgabe erledigen. Sie war einer der wenigen Glücklichen, die mit für die Sicherheit von Zo'or sorgen dürfte, wenn er an diesem Tag eine Ehrung überreicht bekäme. Sie fühlte sich würdig und stolz diese Aufgabe zu erledigen. So aufgeregt war sie schon lange nicht mehr gewesen, Jen hatte sich noch nie so glücklich gefühlt. Endlich konnte sie einen Taelon für einen Tag, mehr oder weniger, aktiv beschützen. Das Shuttle landete auf dem Dach des hohen Gebäudes. In geordneten Reihen stiegen alle aus. Der Kommandant ihrer Einheit wies ihnen ihre Plätze zu. Jen musste einen Notausgang und den dazugehörigen Gang bewachen. Sie war ein wenig enttäuscht. Sie hätte gerne Zo'or gesehen, auch wenn sie sich in seiner Gegenwart nicht wohl fühlte, ja fast Angst hatte. Oder war es nur übermäßiger Respekt? Sie schalt sich undankbar. Dies war der Weg zur Erfüllung all ihrer Träume, sie hatte eine wichtige Aufgabe. Jen musste wachsam sein, sie durfte sich keine Fehler erlauben!
Am Anfang war sie noch sehr aufgeregt gewesen. Aber schon bald wurde Jen langweilig. Es passierte einfach nichts! Sie wünschte sich fast, dass etwas passierte, aber die Rede und Überreichung würden bald zu Ende sein. Sie schlenderte den Gang entlang um die Ecke. Merkwürdig, dort stand kein Freiwilliger. Schnell ging sie auch diesen Gang entlang. Von rechts hinter sich hörte sie Schüsse. Sie brauchte nicht mehr auf das Piepen ihres Globals zu achten, um zu wissen, dass etwas passiert war. Endlich würde es losgehen! Sie wollte in Richtung des Saales gehen, als sie hinter sich Schritte hörte. Jen wirbelte herum und lief der in schwarz gekleideten Gestalt hinterher. Ein befriedigendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Es war demnach schief gelaufen. Die Person vor ihr musste eine schlechte Kondition haben, Jen hatte sie fast eingeholt. Kurze Zeit später stand sie schon im Treppenhaus und richtete ihre Waffe auf die Person. „Sofort stehen bleiben!”, rief sie laut. Langsam hob die Person vor ihr die Arme. Sie hatte schwarze, lockige Haare und sie erkannte, dass es eine junge Frau war. Vorsichtig drehte sich diese um. Es war für beide gleichermaßen ein Schock. „Sarah!”, konnte Jen nur keuchen. Die Angesprochene sagte gar nichts. Sie wirkte nur in einer Art traurig. Jennifers Kopf ruckte herum, als sie Schritte hörte, ließ aber die Waffe weiterhin auf Sarah gerichtet. Sie hörte die Stimme eines Freiwilligen. Er rief nach ihr. Jen sah Sarah unschlüssig an. Schließlich antwortete sie: „Ich bin hier, im Treppenhaus!” „Haben Sie schon einen Widerständler gefunden?” Jennifer zögerte. Sie sah Sarah an. Aber auch ihr Gesichtsausdruck half ihr nicht bei ihrer Entscheidung. Er blieb traurig-gleichgültig. Was sollte sie jetzt nur tun? Sie war eine Verräterin, all das was sie, die Freiwilligen, bekämpften! Aber sie war auch einmal ihre Freundin gewesen, konnte sie das einfach außer acht lassen? Ihre Aufgabe war es die Taelons zu schützen, Sarah war eine Gefahr für die Taelons! Sie dürfte sich nicht von ihren persönlichen Gefühlen leiten lassen. Das Einzige, was zählte, war das Wohlergehen der Taelons. Die Waffe in Jens Hand zitterte leicht. Noch immer unsicher traf sie einen Entschluss. Jen senkte die Waffe. Sie wußte es war falsch sein, sie verriet die Taelons! Aber all die Jahre mit Sarah konnten nicht einfach so ausgelöscht werden! Sie waren sich doch einmal so nahe gewesen! Die Spuren dieser Freundschaft waren tief in ihr eingebrannt. Laut rief sie hoch zum Freiwilligen: „Ich dachte, ich hätte hier etwas gehört! Aber hier ist niemand. Ich komme gleich nach!” Jen hörte die sich entfernenden Schritte des Freiwilligen. Sarah stand noch immer auf der Stelle und das erste Mal seit den vergangenen Minuten konnte sie eine Gefühlsregung auf ihrem Gesicht ablesen. Überraschung, Verwirrung, Unverständnis... Jen senkte vollkommen die Waffe. „Jetzt verschwinde endlich!” Sie versuchte ihrer Stimme einen scharfen Klang zu verleihen, aber es funktionierte nur zum Teil. Es tat zu weh, Sarah vor sich stehen zu sehen und zu wissen, dass sie auf verschiedenen Seiten waren. Aber Sarah rührte sich nicht. „Warum?” Sie hörte sich traurig an. Jen konnte nicht verhindern, dass sie Sympathie für sie empfand. Es war so lange her, dass sie Sarahs friedliche, sanfte Stimme, außerhalb eines Streits gehört hatte. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie, bevor die Taelons kamen, noch Freunde gewesen waren. Geschockt schob sie dies zurück. Das war Sarahs Schuld, sie hatte einen schlechten Einfluss auf sie! Sarah war eine Gefahr für die Taelons, sie musste verhaftet und verhört werden! „Das nächste Mal bringe ich dich um!” Wütend auf sich selbst drehte Jen sich um.
Hatte sie nicht so verhindert, dass Sarah auf die richtige Seite gezogen wurde, bekehrt wurde? Wofür stand das „Warum”? War es der Wunsch nach Antwort auf die Frage, warum ihre Freundschaft in die Brüche gegangen war? Warum sie zu den Taelons gegangen war? Warum Jen sie hatte gehen lassen? Als sie sich noch einmal umdrehte, war Sarah schon weg. Jen ging schnell den Gang entlang sich mit Selbstvorwürfen quälend. Sie hatte den Taelons geschadet! Woher sollte Jen wissen, ob Sarah nicht demnächst einen Taelon umbringen würde? Es war falsch gewesen! Ein solcher Fehler dürfte ihr nicht noch einmal unterlaufen! Jen hatte sich von ihren persönlichen Gefühlen leiten lassen. Wie sollte sie so den Taelons dienen? Aus einem Zimmer hörte sie ein leises Geräusch. Sie riss die Tür auf und sah einen Widerständler, der offenbar durch das Fenster fliehen wollte. Hass wallte in ihr auf. Auch er hatte versucht ihren Herren zu schaden, den Wohltätern der Menschheit! Wütend und frustriert schoss Jennifer ihm ins Knie, ging in das Zimmer und zerrte ihn einfach aus dem Raum den Gang entlang. Auf seine Schmerzensschreie achtete sie nicht. Wenigstens konnte sie ihn hindern, den Taelons zu schaden! Im Grunde war doch alles wie eine Missionierung. Die Menschen mussten einsehen, dass sie den Taelons helfen mussten, von ihrem Wohlergehen hing das aller Menschen ab! Sie müssten lernen alles für sie zu tun. Jen war bereit dazu, selbst ein Experiment würde sie mitmachen, es wäre eine höhere Ehre als die eines Beschützers! In gewisser Weise bemitleidete die Widerständler auch. Sie waren vom rechten Weg abgekommen, man musste sie vor sich selber schützen, sie hatten keinen Anspruch mehr auf ihre Rechte! Jen verstand nicht, warum das niemand sah!?
3 Monate später...
Jennifer war befördert worden. Sie blieb nun die meiste Zeit auf dem Mutterschiff. Kontakt mit anderen Menschen hatte sie nur noch selten, sie ging vollkommen in ihrer Arbeit auf, konzentrierte sich nur noch auf sie. So wie es aussah, würde sie nicht in absehbarer Zeit Beschützerin werden! Aber Zo'or war durch ihren letzten Einsatz vor 3 Monaten auf sie aufmerksam geworden. Ihm gefiel ihre Vorgehensweise, sie hatte keinen Skrupel, das zu tun, was notwendig war, wie er es ausgedrückt hatte. Deshalb war sie auch gerade zu dieser Station geschickt worden. Jen lernte, wie man Gefangene verhörte, ohne dass sie das Bewusstsein verloren. Sie brauchte noch etwas Übung, aber Jen war schon nicht schlecht. Ihrer Meinung nach. Sie machte gute Fortschritte, das sagte ihr sogar Sandoval, worauf sie besonders stolz war. Man schenkte ihr besonders viel Aufmerksamkeit, weil es nur selten jemanden gab, der so ohne Zweifel zu den Taelons stand. Man wollte auch dafür sorgen, dass ihr Wunsch einen Taelon zu beschützen, erfüllt würde. Auch hatte sie ein neues Implantat bekommen, was dem CVI doch sehr ähnlich war. An diesem Tag stand sie wieder vor der Liege und wartete auf ihren nächsten Widerständler an diesem Tag. Sie fühlte noch immer die gleiche Befriedigung, wie am ersten Tag als sie das tat. Sie war der Grund für all ihr Leiden, für ihre Schmerzen und ihre Verzweiflung. Aber auch dafür, dass die Taelons wichtige Informationen für ihr Überleben bekamen. Sie durfte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sie diese Informationen nicht bekämen! Die Widerständler könnten nicht mehr gefasst werden und würden den Taelons schaden. Aber das würde Jen niemals zulassen! Die Gefangene wurde hereingeführt. Jennifer erkannte sie sofort. Wieso musste gerade ihr immer so etwas passieren? Vor ihr stand Sarah. Nur im Unterschied zu ihrer letzten Begegnung, sah Sarah sie flehend an. Noch vor ein paar Sekunden, war sie fest entschlossen gewesen, jeden Widerständler so gut wie möglich zu verhören und zu verhindern, dass sie den Taelons schaden konnten. Jen dachte an ihre letzte Entscheidung. So etwas durfte sie nicht wieder tun. Sarah durfte das Mutterschiff nicht wieder verlassen. Aber konnte sie ihre Freundin verhören, ihr so viel Schmerz zufügen? Jen war sich dessen nicht sicher. Am liebsten wäre sie geflohen, hätte es jemandem anderen überlassen. Aber sie hatte keine andere Wahl. Jen hätte Sarah vor 3 Monaten umbringen sollen. Aber wer sagte, dass es dafür zu spät war? Jen wollte nicht, dass Sarah leiden musste, dieses Wissen konnte sie nicht ertragen! Aber sie selber konnte Sarah nicht umbringen. Ihre Karriere wäre zerstört, sie wollte doch den Taelons dienen! Diese Entscheidung würde nicht falsch sein, Sarah würden den Taelons nicht mehr schaden können!
Jennifer hatte mit dem Verhör angefangen. Es dauerte jetzt schon ein paar Minuten, sie hatte die Belastung stetig ansteigen lassen. Sarah sah sie nun immer in den Pausen mit schmerzerfüllten Augen flehend an. Bis jetzt hatte sie noch nichts gesagt. Aber noch konnte Jennifer nicht aufhören. Es war zu früh, es würde auffallen. Noch musste sie weitermachen. Lange würde Jen die Schreie Sarahs allerdings nicht mehr aushalten können. Ihr tat es jetzt schon fast körperlich weh. * Jetzt! *, entschied sie. Sie steigerte Sarahs Schmerzen in so weit, dass sie ohnmächtig wurde. Die Schreie hörten auf, Jen fühlte sich erleichtert. Sie fühlte sich nicht, wie das letzte Mal nach ihrer Begegnung mit Sarah, diesmal war ihre Entscheidung richtig. Sarah würde weder den Taelons, noch dem Widerstand schaden...es wäre für alle Beteiligten das beste.
Sarah öffnete vorsichtig die Augen. Alles tat ihr weh. Sie versuchte sich zu bewegen, aber selbst die kleinste Bewegung tat ihr weh. Über sich sah sie immer noch die Wände des Mutterschiffs. Wahrscheinlich würde sie diese niemals vergessen. Auch nicht das Gefühl, als sie völlig ausgeliefert auf der Liege lag und ihre beste Freundin Jennifer neben ihr stand. Nur war gerade sie es, die all ihre Schmerzen verursachte. Selbst jetzt konnte sie Jen nicht hassen. Aber sie hatte auch eingesehen, dass es nicht die Taelons waren, die Jen zu dem gemacht hatten, was sie heute war. Das zu glauben, war für Sarah nur einfacher gewesen. Es war Jens Entscheidung gewesen, so wie es ihre gewesen war, dem Widerstand beizutreten. Das hatte sie jetzt endlich begriffen. Vorsichtig setzte sie sich auf. Sie war offensichtlich in einer Arrestzelle, nur nicht mehr auf der Liege gefesselt. Es wunderte sie, dass das Verhör so kurz gewesen war. Sie hatte gehört, es wurde meist sehr lange durchgeführt. Sarah fuhr aus ihren Gedanken hoch, als sie Schritte hörte. Wie es aussah eine Wachablösung. Sie revidierte ihre Vermutung, als sie Jen sah. Eher ein neues Verhör. Sollte Sarah sich zur Wehr setzen? Jen hatte eine Waffe, war aber alleine gekommen. Eigentlich wußte sie schon die Antwort. Sie fühlte sich selbst nach diesen kurzen Verhör elend und schwach. Niemals würde sie Jen besiegen können. Vielleicht könnte Sarah sie bitten...diese Möglichkeit verwarf sie sofort wieder. In Jens Augen war eine wilde Entschlossenheit abzulesen, alles Bitten würde nichts helfen. Resignation machte sich in ihr breit. Sarah gab auf.
Jennifer sah Sarah an. Sie hatte Angst. Mit plötzlichem Entsetzen erkannte sie, dass Sarah vor ihr Angst hatte! Eine Weile standen sich beide reglos gegenüber. Jen hatte schon längst etwas sagen wollen. Sie hatte sich alles vorher so gut zurechtgelegt, aber nun hatte sie alles vergessen. So kam Sarah ihr zuvor. „Bist du hier um dein Versprechen einzulösen?” „Nicht direkt...” Sarah nickte nur, sie hatte so etwas erwartet. „Du musst gehen, Sarah!” Verwirrt sah Sarah sie an. Ihr Unverständnis wuchs noch, als Jen ihr die Waffe hinhielt. Aber als sie in Jens Augen sah, erkannte sie die Wahrheit ob ihrer Flucht. Sarah senkte den Blick. „Bald kommen die Freiwilligen. Ich sage ihnen, dass du mich überwältigt hast und geflohen bist.” Sie stockte. Gerne hätte Jen irgendetwas zum Abschied gesagt, etwas das ihr Gewissen entlasten könnte, oder Sarah zumindest zeigen konnte, dass es ihr leid tat und was Sarah ihr immer noch bedeutete. Sarah nahm die Waffe. Sie hatte verstanden. „Ich danke dir, Jen.” Jen lächelte. Sarah hatte diese Worte mit so viel Wärme ihr gegenüber gesagt, sie hätte es nicht für möglich gehalten, sie noch einmal so zu erleben. Jen hatte sich so sehr nach dieser Zeit zurückgesehnt, nach ihrer Stimme, die immer so verständnisvoll gewesen war. Dies war ihr letztes Geschenk an Jen. Sie konnte den Gedanken, dass sie erst entzweit wurden, als die Taelons kamen, immer noch nicht zulassen. Dafür bewunderte sie die Taelons zu sehr, aber sie war immerhin so weit, Sarah nicht mehr als ihre persönliche Feindin anzusehen. Das war sie niemals gewesen. „Viel Glück!” Sarah zögerte nicht mehr lange und schlug Jen nieder. * Es tut mir leid, Sarah! * Sarah verließ die Arrestzelle. Aber schon ein paar Gänge weiter, standen ihr bewaffnete Freiwillige gegenüber. Sarah kam nicht mehr dazu, auch nur einen Schuss abzugeben. Das war ihr beim Verlassen der Zelle ebenso klar gewesen, wie Jen selber.
Jen erwachte auf der Krankenstation. Nachdem sie alle Fragen Sandovals beantwortet und erfahren hatte, dass Sarah daran gehindert worden war, das Mutterschiff zu verlassen, worüber sie natürlich ihre Erleichterung aussprach, durfte Jen die Krankenstation verlassen. Sie hatte erfahren, dass Sarah erschossen worden war, und wollte sie jetzt noch ein letztes Mal sehen. Nach ein paar Gängen war sie an ihrer Leiche angekommen. Mit zitternden Fingern zog sie den Reißverschluss auf und sah in Sarahs Gesicht. Jen fand sie würde aussehen, als würde sie schlafen. So friedlich. * Ruhe in Frieden. * Als sie ein Geräusch hörte, drehte sie sich erschrocken um. Vor ihr stand ein Freiwilliger... und er richtete seine Waffe auf sie. Geschockt sah Jen ihn an. Sie hatte keine Waffe mit genommen. Er warf einen Blick auf Sarahs Leiche. Kurz blitzte Schmerz in seinen Augen auf. „Du hast sie umgebracht!” Jen war so überrascht, dass sie gar nichts erwidern konnte. „Bist du hier um dich an ihren Tod zu erfreuen, Freiwillige?” Er sprach ihre Bezeichnung mit so viel Abscheu aus, dass sie wie unter einen Hieb zusammenzuckte. Einen Moment lang, war er von ihr abgelenkt, er sah fast qualvoll zu Sarahs Leiche hin. Langsam versuchte Jen von der Leiche weg in Richtung Gang zu gehen, ihn dabei stets im Blick. Aber er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und richtete seine Waffe auf sie. „Du wirst nicht abhauen! Sie ist durch euch gestorben und deswegen wirst du sterben!” Jen hob abwehrend die Hände und rief: „Ich war doch ihre Freundin!” Denn trotz allem empfand sie so. Es war auch der Grund, warum Jen sie hatte weder umbringen, noch den Taelons überlassen können. Aber er hörte sie gar nicht. In seinen Augen war so viel Hass und Trauer, dass Jen fast selber davor erschrak. Als sie die Energieladung getroffen hatte und sie sterbend am Boden lag, erwiderte er dennoch etwas auf ihren Ausruf. „Es ist nicht möglich, dass eine Freiwillige und eine Widerständlerin Freunde sind.” Jens Blick verschwamm langsam. Sie sah noch wie einige Freiwillige in den Raum gestürmt kamen. Der Mann floh. Jen hoffte, sie würden ihn nicht kriegen. Das letzte, was sie dachte, war: * Jetzt wird es möglich sein! * Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
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