„Da'an, was meinen Sie? Welcher Replikant?” Boone war etwas verwirrt. Normalerweise pflegte sein Arbeitgeber nicht zu fluchen. Rätselhafte Andeutungen ja, Flüche nein. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit, wir müssen hier weg. Bitte!!!” Der Taelon schien nicht geringe Angst zu haben. Verständlich wenn Boone daran dachte, welchen Schaden die Replikanten bereits angerichtet hatten. Doch der einzige Replikant, an den er sich erinnerte, war Rayna und sonst gab es doch keine mehr. Oder? Möglicherweise war noch eine Sonde gelandet. Während seiner Überlegungen hatten die beiden das Quartier des Taelons verlassen. Keiner von ihnen legte Wert darauf, nähere Bekanntschaft mit der Maschine zu schließen. Nur schwer konnte Boone der Versuchung widerstehen, sich Da'an einfach über die Schulter zu werfen und zum nächsten Ausgang zu laufen. Der Companion schien genau zu wissen, was er tat, während er seinem Büro zustrebte. Was wollte er da nur? Die Antwort wurde dem Beschützer gegeben, als Da'an, am Ziel angekommen, einen Datenstrom öffnete und sich die Bewegungsdaten innerhalb des Gebäudes anzeigen ließ. Es war nur erschreckend wenig zu entdecken, ein Teil der Freiwilligen schien verschwunden zu sein. Er bemerkte nur vage, wie Da'an die Augen schloss und tief Luft holte, sichtlich um seine Fassung bemüht, er schien zu dem selben Schluss gekommen zu sein. Doch einer der Punkte auf der Anzeige bewegte sich entschieden auf sie zu. Die Sensoren der Botschaft zeigten deutlich, dass dies kein Mensch war. Ohne hinzusehen griff Boone nach der Hand des Taelons, wollte ihn wegziehen von jenem Anblick und den Dingen, die er implizierte. Doch Da'an entzog sich ihm, wandte sich ab. Ging stattdessen in die Richtung des Einganges, durch welchen der Replikant kommen würde. Er wirkte nachdenklich, abwesend. „Was haben Sie vor?” Der Beschützer war mehr als nur besorgt. Die Gefahr kam näher und näher und Da'an weigerte sich zu gehen. Wieso benahm er sich nur so merkwürdig? Seit dem vorhergehenden Tag war er verändert. Die Frieden war verschwunden, wurde ersetzt durch Angst, Müdigkeit und einer Art von verzweifeltem Mut, wie jemand, der keinen anderen Ausweg mehr sah als die Flucht nach vorn. Ein völlig Fremder schien an die Stelle seines Companions getreten zu sein. „Kommen Sie, Boone, wir sollten uns zur Shuttlerampe begeben. Es wäre nicht ratsam, dem Replikanten zu begegnen, ihr Skrill ist nicht stark genug, ihn zu vernichten, und die Maschine wird nicht ruhen, bis ich tot bin.” Mit den letzten Worten hatte Da'an sich ihm über die Schulter zugewandt und blickte seinen Beschützer nun eindringlich an. „Wie Sie wünschen.” Mit einer Geste bedeutete der Beschützer dem Taelon voranzugehen und folgte ihm dann dichtauf. Schweigend eilten sie beide durch die Gänge, bestrebt vor dem Replikanten an ihr Ziel zu gelangen.
Da'an spürte deutlich Angst. Die selbe Angst wie beim letzten Mal. Erneut jagte er durch die Botschaft auf der Flucht vor jener außerirdischen Kreatur, die Jagd auf ihn machte. Er hätte sich ohrfeigen können, das zu vergessen. Jetzt war nur Boone bei ihm, der ihm leider nicht helfen konnte, wahrscheinlicher war, dass sie beide umkommen würden. Keine erfreuliche Aussicht. Da'an hoffte nur, dass es ihnen gelang, an ein Shuttle zu kommen. Er würde später, wenn die Gefahr vorüber war, für die Installation eines ID-Portals sorgen, es würde auch für sein weiteres Vorhaben von Nutzen sein. Boone lief inzwischen neben ihm, eine starke beruhigende Präsenz. Da'an fühlte sich allein durch die Anwesenheit seines Beschützers sicherer. Die Tatsachen blieben jedoch bestehen. Ihre einzige Chance war die Flucht. Plötzlich wurde er abrupt durch den Arm des Mannes gestoppt. Dann hörte auch er es. Schwere Schritte aus einem der Seitengänge, Schritte die unerbittlich näherkamen. Der Replikant hatte ihre Spur aufgenommen, war schon fast da. Da'an warf Boone einen verunsicherten Blick, zu den dieser erwiderte. Dann jedoch riss der Taelon sich zusammen. Er berührte sanft das Handgelenk seines Beschützers, forderte ihn auf weiterzugehen.
Endlich erreichten sie die Shuttlerampe, das Shuttle war direkt vor ihnen, alles was sie noch tun mussten, war es startklar zu machen, eine Sache von Sekunden. So schnell sie beide konnten rannten sie auf ihre Rettung zu, als plötzlich der Replikant aus dem Nichts vor ihnen auftauchte. Boone packte den Taelon gerade noch rechtzeitig am Arm, sonst hätte dessen eigener Schwung ihn direkt in die Arme seines Jägers getragen. So wurde er jedoch nur ziemlich rau herumgerissen und prallte gegen den Mann. Ein leises Stöhnen verriet, dass es wehgetan haben musste. Boone hob noch während dieser Geschehnisse den anderen Arm und feuerte mit seinem Skrill auf die Maschine, die jedoch keine nennenswerten Schäden erlitt, sie wurde nur zurückgeschleudert, weit genug, dass ihre Opfer sich an ihr vorbeischieben konnten. Boone bemerkte dies und schleifte den wie betäubt erscheinenden Da'an hinter sich her. Der Taelon schien vom Anblick des Replikanten vor ihm förmlich paralysiert worden zu sein. Der Beschützer feuerte weiter auf seinen Gegenüber in dem Bemühen, ihn weiter zurückzudrängen oder wenigstens am Vorankommen zu hindern, er spürte wie seine Kräfte mehr und mehr nachließen, während Condor die Energie für die Schüsse aus ihm heraussaugte. Die Schritte des Mannes wurden taumelig. Hinter ihm begann indessen Da'an langsam zu sich zu kommen und führte sie nun beide auf das Shuttle zu. Kurz vor dem Ziel angekommen, stolperte Boone und stürzte, im Fall ließ er den Taelon los, fest entschlossen wenigstens ihm zur Flucht zu verhelfen, versuchte er das Feuer aufrecht zu erhalten, mit mäßigem Erfolg, die Schüsse wurden schwächer, unkoordinierter. Dann fühlte er wie ihn zwei überraschend starke Hände von hinten packten und ihn in das Shuttle zogen. Dort ließ Da'an ihn recht unzeremoniell auf den Boden fallen und startete den Antrieb. In diesem Moment wurde das Shuttle von einem schweren Stoß erschüttert, die Sonde hatte das Feuer eröffnet. Die halborganische Hülle des Shuttles hatte standgehalten, dieses Mal. In diesem Moment hoben sie ab, ein zweiter noch härterer Stoß, sie gerieten ins Schlingern, doch war der Taelon fähig zu kompensieren. Da'an machte ein paar schnelle Bewegungen, seine Finger tanzten über die Anzeigen, plötzlich eine erneute Erschütterung, doch anders dieses Mal. Boone begriff, Da'an hatte einen Energieausstoß auf den Replikanten gerichtet, die Maschine würde wohl für einige Sekunden außer Gefecht sein, lange genug um zu entkommen. Mühsam rappelte er sich weiter auf, stützte sich auf den Ellenbogen und konnte nun beobachten, wie das Shuttle den Hangar verließ und dem Himmel entgegenstrebte. Wo wollten sie denn jetzt hin?
Die Antwort bekam er schneller als erwartet. Sie verließen die Erdatmosphäre! Überwältigt vom Anblick des offenen Alls vergaß der Beschützer einen Moment lang zu atmen, doch das war längst nicht alles. Das Mutterschiff kam in Sicht, und damit wurde auch das Ziel Da'ans offensichtlich. Sie hielten genau darauf zu. Voller Staunen blickte der Mann das zarte Gebilde an, welches ihn an jene zarten Wesen erinnerte, die in den Tiefen des Ozeans lebten, leuchtend und zerbrechlich erscheinend, und doch hielten sie einem Druck stand, der jeden Menschen umgebracht hätte. Vielleicht war es mit den Taelons ja das gleiche, vielleicht erschienen sie nur so zart. Das mochte sein, Boone hatte schon häufig den Eindruck gewonnen, dass so ein Taelon erheblich widerstandsfähiger war als sie die Menschen wissen ließen.
Inzwischen hatten sie das gigantische Schiff erreicht, es füllte die gesamte Sicht. Sie hielten auf eine Art Schleuse zu, dann waren sie im Schiff, in einem Hangar. Dutzende von Shuttles waren hier, warteten darauf, gebraucht zu werden. Mit einem leichten Stoß setzten sie auf, und jetzt wandte Da'an sich ihm endlich zu. Der Taelon wirkte müde und sehr erschöpft. „Es wird gleich ein Heiler kommen, der sich um Sie kümmert, Sie werden Ruhe benötigen. Ich werde mich zur Brücke begeben und Quo'on über die Ereignisse unterrichten.” „Ja, Da'an.” Mehr zu sagen fühlte Boone sich momentan nicht fähig, er war so müde, er hätte auf der Stelle einschlafen können. Es interessierte ihn im Moment nicht einmal, wie Da'an den Heiler verständigt hatte. Vermutlich über das Gemeinwesen, er wusste nur so wenig über dessen Natur. „Commander?” „Ja?” Mühsam riss er die Augen, die ihm eben zugefallen waren, wieder auf. „Ich möchte Sie und Miss Marquette bitten, heute Abend zu mir zu kommen, ich habe Ihnen einiges zu sagen. Wenig davon wird erfreulich für Sie sein, fürchte ich. Und bringen Sie bitte auch Liam mit, ihn betrifft das ebenso.” Damit verließ der Taelon das Shuttle, wich im Gehen einem anderen Taelon aus und verschwand in einem der Gänge. Der Beschützer starrte ihm nach, völlig verblüfft. Woher wusste Da'an von Liam? Sicher nicht von ihm. Widerspruchslos ließ er sich von dem Taelon, welcher sich als Mit'gai vorstellte fortbringen. Die ganze Situation begann sehr unwirklich zu werden, sein Blick war nur noch verschwommen. Sein letzter Gedanke bevor er auf der Krankenstation in einen tiefen ohnmachtähnlichen Schlaf fiel, war ein recht verwirrter. Wenn ich Morgen früh aufwache, ist das ganze vermutlich nur ein seltsamer Traum gewesen.
Sekunden nach der Flucht in der Botschaft
Der Replikant war durch die Wucht des Energieausstoßes gegen die Wand geschleudert worden und regungslos liegen geblieben. Nun geschah etwas mit ihm. Er veränderte sich, nahm erneut die Gestalt an, die er seit seiner Entstehung inne gehabt hatte, die Programmierung verschwand, wurde durch menschliche Erinnerungen, Gedanken, Gefühle ersetzt.
Verwirrt blickte Rayna sich um. Wie war sie hierher gekommen? Was war überhaupt passiert? Mühsam stand sie auf und beeilte sich die Botschaft zu verlassen, sicher war es nicht gut, wenn sie hier gefunden wurde.
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