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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Februar 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Verletzung und Genesung / Hinter den Schrecken schauen
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Zwei Heilerinnen, Aveena, der aus den Tiefen, der auf dem Weg, das Waffen-Wesen, der Verwalter (drei weitere Jaridians)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 47

 

Die sanften, hellgrünen und zart gelben Farbschleier, die eine unbestimmte Zeit später darin auftauchten und dafür sorgten, daß das Dunkle ihnen schließlich vollständig wich, waren es erst recht ...
„Ich glaube, sie wird wach ...” sagte irgendwo in meiner Nähe eine Stimme, die am ehesten noch einer weiblichen Jaridian gehörte. Aufmerksamkeit war plötzlich um mich und eine Art begeisterter Erwartung.
„Sie versucht, die Augen zu öffnen ...”
Das stimmte nicht - falls ich die Augen geschlossen hatte, sollten sie das auch bleiben ... ich hatte mich lange nicht mehr so gut gefühlt, so leicht und warm und vollkommen entspannt in den sanften Farben ... Ich hatte das Bedürfnis, mich zu strecken, und gab dem nach ... irgend etwas war anders als sonst, aber ...
„Ob wir sie berühren sollten?” fragte eine zweite, etwas hellere, ebenfalls weiblich klingende Stimme. „Er hat uns doch alles über den Kontakt erklärt - wir können nichts falsch machen, auch wenn sie vielleicht doch noch nicht zu Bewußtsein kommt ...”
„Nein, lieber nicht ... sie kennt uns doch gar nicht, nachher fürchtet sie sich noch ...”
Die beiden Stimmen waren jetzt ganz nah, rechts und links neben mir, und ich spürte die erwartungsvolle Stimmung sehr intensiv. Es war offenbar wichtig für die beiden, daß ich die Augen öffnete, sie schienen sich etwas zu versprechen davon ... Vage dämmerte mir, daß ich überhaupt kein Zeitgefühl mehrt hatte - hatte ich geschlafen und darüber versäumt, daß zwanzig Zeiteinheiten vergangen waren und ich für das Waffen-Wesen ...?
Erschrocken fühlte ich um mich - das hier war doch nicht unser Mitte-Lager, und wieso war ich - verschnürt, als läge ich in einem Beschleunigungs-Behältnis?
„Sie wird wach! Sie wird eindeutig wach! Wir haben es richtig gemacht ...” Die hellere der beiden Stimmen, voller Begeisterung.
Jetzt versuchte ich tatsächlich, die Augen zu öffnen, und beim dritten Mal gelang mir das auch. Ich mußte wirklich tief geschlafen haben ...
Zwei weibliche Jaridians in der Kleidung der Heilenden waren da, die mich strahlend und voller Neugier anstarrten - und offenbar darauf brannten, in Kontakt gehen zu dürfen ... Ich versuchte, ihnen zu sagen, daß ich das auch wünschte, brachte aber nur ein merkwürdiges Geräusch zustande und hob statt dessen beide Flügelhände. Es bewegte sich allerdings nur die linke, die sofort von der Jaridian, die links von mir stand, ergriffen wurde. Die zweite Heilerin legte mir mit fragendem Gesichtsausdruck ihre Rechte auf die Brust, eine sehr warme, aber angenehme Berührung.
„Du hast Ramaz' Krankheit”, stellte ich fest, etwas verwirrt. Ich war leider außerstande, im Moment für jemanden zu singen ... „Später”, gab ich in die Berührung. „Später, wenn Du willst ...”
Zuwendung, Wärme und Annahme strömten mir zu von den beiden Jaridians. „Du bist hier, damit wir für Dich da sind, nicht umgekehrt”, sang mir die mit der tiefen Stimme. „Du bist auf der medizinischen Station des Hauptkommandos, und wir haben es geschafft ... Wir haben uns strikt an die Aufzeichnungen über Euch und an die Erklärungen dessen, der sich auf Euch spezialisiert hat, gehalten, und wir haben es geschafft ... Deinen rechten Flügel wirst Du in etwa drei Zeiteinheiten wieder bewegen können, und in zehn Einheiten sind die Verbrennungen geheilt, die Regenerationsfolie fällt dann von allein ab ...”
„Was ist da oben eigentlich genau passiert?” fragte die andere Heilerin dazwischen, vibrierend vor Neugier. „Hast Du Dich mit der Außenwache angelegt? Ich dachte, Ihr laßt Euch auf keinerlei Kampfhandlungen ein? Die Beiden haben uns gesagt, Du wärest einfach umgefallen, aber ausgesehen hat es für mich ganz anders - Deine Verletzungen hat Dir jemand mit Shaqarava beigebracht, sie trugen die typischen zellulären Signaturen ...
Die mit ihren Worten verbundene Bilderflut half mir, zu verstehen, was in der vergangenen Zeitspanne geschehen war. In dem immer noch unklaren Konflikt mit den beiden Eingangswachen war ich tatsächlich einfach irgendwann ohne ein Wort zusammengesackt und liegen geblieben, ohne Bewußtsein. Einer der Beiden hatte die medizinische Station verständigt und veranlaßt, daß ich dort hin gebracht wurde, und die beiden diensthabenden Heilerinnen waren nicht etwa verärgert über die zusätzliche Arbeit, die ich ihnen machte, sondern begeistert, eine so ungewöhnliche Verletzte versorgen zu dürfen - jetzt war ich der - wirklich dankbare - genesende Beweis ihres Könnens ...

Sie hatten mir etwas gegen Schmerzen injiziert, die tiefen Verbrennungen mit etwas versorgt, das aussah wie ein dicker grünlicher Fell-Ersatz, dem jemand die Haare entfernt hatte, hatten die energetische Verletzung, die zur Lähmung des Flügels geführt hatte, mit ihrem Shaqarava behandelt und mir immer wieder von der Medizin gegeben, von der hier offenbar ein Vorrat bereit stand, indem sie mir diese auf die Schnabelzunge getropft hatten ... „Daß Du den Flügel nicht spürst, liegt an dem Analgetikum”, erklärte die Jaridian, die meine Flügelhand hielt. „Wenn die Wirkung abklingt ...”
Das kannte ich noch, von der Begebenheit damals in dem Beschleunigungs-Simulator.
Mein Brustkasten wurde losgelassen und ich wurde gescannt, und die, die das tat, schaute unzufrieden auf ihr Gerät. „Du hast immer noch schlechte Werte - aber jetzt, wo Du wach bist, können wir etwas unternehmen dagegen ...” Sie verließ den Raum, in dem ich, wie ich inzwischen verstanden hatte, angegurtet auf einer Antigrav-Trage lag, um sofort zurückzukehren mit zwei Ph'taalfrüchten, einem Konzentratriegel und einem vollen Wasser-Behältnis.
Mit Hilfe der beiden trank ich das Behältnis leer, aber nach anderthalb Früchten rebellierte mein Magen. „Ich brauche eine Pause ... den Rest schaffe ich später auf jeden Fall ...”
Sie akzeptierten das.
„Was war denn da oben nun wirklich los?” fragte erneut die Heilerin mit der hellen Stimme, und ich fühlte einmal mehr ihre funkelnde Neugier. „Wenn ich das wüßte ...” sang ich ihr. „Ich habe die beiden Außenwachen furchtbar verärgert ... ich würde sie so gerne wissen lassen, daß sie nichts damit zu schaffen haben, was immer da schiefgelaufen ist ... daß ich für meine Verfehlung, egal, worin sie besteht, selbst vor dem Anführer einstehen werde ...”
Jetzt berührte mich auch die andere wieder, und ich mußte aufpassen, nicht in ihren Atemrhythmus zu verfallen, der mehr als doppelt so schnell war als der meine - und die Erinnerung an die Jaridian auf dem Platz mit ihrem Jungen war wieder da. „Das hat sich in der Tat herumgesprochen, hier im Gebäude und unter allen, die hier Dienst tun”, meinte die Heilerin mit der tiefen Stimme, „daß Ihr solche, die sind wie ich, heilen könnt ...” „Wenn Du es wünschst, singe ich für Dich”, ließ ich sie wissen, „sobald ich das wieder kann ...” „Denk jetzt nicht einmal daran”, antwortete sie - im gleichen Tonfall, den der Heiler auf dem Schiff uns gegenüber so oft gebraucht hatte. „Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich das überhaupt will ... aber das gehört nicht hierher. Du hast das Junge dieser Kämpferin geheilt, die Dich auf dem Platz darum gebeten hat?”
Ich ließ den Heilerinnen die ganze Geschichte zufließen, so, wie ich sie erlebt hatte. Und begriff, gemeinsam mit ihnen, endlich, was die beiden Eingangswachen so verärgert hatte ... die Aussicht darauf, daß in naher Zukunft Hunderte und Tausende ihres Volkes Einlaß suchen würden in das Gebäude, das das Höchste des Imperiums in seinem Inneren barg und das zu sichern sie verantwortlich waren, nur, um uns aufzusuchen und sich oder ihre Jungen gesund singen zu lassen ... und die Furcht davor, einen solchen Ansturm nicht bewältigen zu können, und die Führenden Jaridias gerieten dadurch in Gefahr ... In ihren Augen, vor allem in dessen, der mich kampfunfähig gehalten hatte, träfe die Schuld daran dann allein mich - mich, die gehandelt hatte, ohne auch nur den Bruchteil einer Zeiteinheit über mögliche Folgen dessen nachzudenken, was ich tat ...
„Aber wieso sollten die, die uns aufsuchen, um Heilung zu erfahren, eine Gefahr für die Führenden sein? Wenn sie direkt zu uns in die Höhle kämen und danach einfach wieder gingen - wen sollten sie auch nur stören, geschweige denn gefährden?” Ich verstand zwar, daß den beiden Wachhabenden etwas daran Angst machte, aber was?
„Das ist das eine”, meinte die Heilerin mit dem beschleunigten Stoffwechsel, und die plötzliche tiefe Bitterkeit in ihr schmerzte. „Das andere ist - setze Dich in Eure Höhle, laß den Eingang offen und sei bereit, zu singen, Hell- und Dunkelphasen hindurch, notfalls, bis Deine Stimmbänder versagen - wenn Du jeweils drei von zwanzig Zeiteinheiten zu tun hast, dann hast Du sehr gut zu tun ...”
Durch ihren Geist zogen, über etwas hinweg, das nicht deutlich war im Kontakt, Fetzen von Gesprächen mit Ihresgleichen, die sie zugleich mit Verwirrung und tiefem Bedauern erfüllten. Die meisten derer, die von der Möglichkeit der Heilung von Ramaz' Krankheit erfuhren, lehnten ihr gegenüber dies strikt ab, sogar für ihre Jungen. Stark sein für Jaridia, stark sein gegen die Taelon, das war, was zählte ... „Das, was Du die neuen Wege nennst, hat hier keinen leichten Stand ...” Ich mußte an die junge Jaridian denken, die uns gesagt hatte, bezüglich der Taelons unterlägen wir alle einem fatalen Mißverständnis.
„Ich kenne sie”, ließ mich die wissen, die meine Brust berührte. „Und ich bewundere sie wirklich ...Sie hat bereits so viel geleistet für das Imperium, obwohl sie erst halb so alt ist wie ich ...”
Es schnürte mir den Kehlkopf zu. „Sie wird nicht mehr lange etwas leisten können ...” Ich war bereit, für diese zu singen, jetzt sofort, aber was nutzte das ...
Die, die meine linke Flügelhand gehalten hatte, ließ mich los und schloß meine Kralle einmal mehr um das Medizinbehältnis. „Du brauchst Deine übliche Dosis ab jetzt einmal in jeder Zeiteinheit, bis sich die Regenerationsfolie ablöst”, erklärte sie mir und half mir, davon zu trinken, während ich einmal mehr auszurechnen versuchte, wieviel Zeit seit dem Ende des Rathaltens vergangen war - sollten es zwanzig Zeiteinheiten sein, mußte ich jetzt in der Höhle bereit sein, um ... „Warte, das kläre ich für Dich ...” Die Jaridian mit der hellen Stimme nahm mir den Becher wieder ab und verschwand damit im Raum nebenan. Sie benutzte offenbar eine Kommunikationseinheit, und als sie wiederkam, wirkte sie noch begeisterter als zuvor. „Es dauert noch elf Zeiteinheiten, bis Du und die Deinen mit Eurem Projekt beginnen könnt; der Verwalter läßt Dir ausrichten, er bestehe darauf, daß die Wände der Testkammer, in der Ihr arbeiten werdet, mit einem Spezialabsorber ausgekleidet werden, er will das Risiko einer Kontamination von allen Seiten her ausschalten, Du müßtest also die Verzögerung akzeptieren, sonst wäre die Absprache gebrochen. Das heißt, Du bleibst in unserer Überwachung, bis sich die Regenerationsfolie gelöst hat - besser konnte es gar nicht auskommen ...” Sie nahm meine Flügelhand wieder.
Mir war es recht ... ich war erleichtert, keine Zeitabsprache verpaßt zu haben, und unendlich dankbar für die Freundlichkeit und Hilfe, die ich hier erfuhr, und ließ das beide über die Berührung wissen. Wärme und Begeisterung und behutsames Weiß-Violett waren als Antwort da, und das war unendlich angenehm ...

Nach acht weiteren Zeiteinheiten - ich hatte einfach die Dosen meiner Medizin gezählt - stand ich aufrecht im Raum und führte vorsichtig meine Übungen durch, was die beiden Heilerinnen aufzeichneten, und nach, wie vorhergesagt, zwei weiteren Einheiten fingen die beiden Stellen, über die sich das Ersatzfell spannte, die Regenerationsfolie, sehr an zu jucken ... Die Jaridian mit der tiefen Stimme löste die Folie, und was sich darunter befand, sah aus wie immer, zwar noch kahl wie der Fellersatz, aber es fühlte sich gut an ...
Es wurde darauf bestanden, daß ich den Konzentratriegel und eine weitere Frucht aß, und schließlich, nachdem ich mich noch einmal bedankt und jede Heilerin zwischen die Flügel genommen hatte, verließ ich die medizinische Station und machte mich auf den Weg in die Höhle.
Die Vibrationen des sich öffnenden runden Steins veranlaßten den Hüter der Gesänge derer in den Tiefen, der entspannt in der warmen Quelle trieb, den Kopf zu heben, und als er mich sah, stieg er aus dem Wasser, kam mir entgegen und hüllte mich in die nassen Flossen und in seine große Freude über die mit den Dindaei verbrachte Zeit, bevor er sanft meine Gedanken berührte, die ich ihm sofort öffnete. Er strich mit einer Flossenspitze über die noch kahlen Stellen auf meinem rechten Flügelarm, und Besorgnis trübte blau-grünes Leuchten, die jedoch rasch dem Erstaunen darüber wich, wie schnell und vollständig die Regenerationsfolie mein Gewebe hatte neu entstehen lassen ... Dann wob sich helle, klare Präsenz in den Kontakt - der auf dem Weg, der von dem, was ich in die Berührung gab, der Bemerkung der Heilerin mit dem gestörten Stoffwechsel das meiste Gewicht zumaß. „Ich habe ähnliches in den Feuern gesehen ... Wenn der Kreuzer, mit dem wir heimfliegen werden, startet, wird nicht einmal die Hälfte der Besatzung ausgetauscht sein - es wird dem Anführer noch große Anstrengung sein, den Seinen klar zu machen, daß nach so langer Zeit des Kampfes Zukunft nur sein kann, wenn man dafür lebt, anstatt dafür sterben zu müssen glaubt ...
Dröhnend öffnete sich die Höhle einmal mehr, und zwei männliche Jaridians betraten sie - die, die mir unter etwas ungewöhnlichen Umständen beigebracht hatten, wie man ihr Archiv benutzte. Die Augen des Jüngeren der Beiden strahlten, und er war mit ein paar Schritten bei uns und legte mir sehr behutsam eine Hand auf die Schulter. „Wir sind hier, um Euch zu begleiten ... der Verwalter will Euch sehen, wegen der Arbeit, die Ihr vorhabt ... Habe ich das richtig verstanden - Ihr werdet versuchen, herauszufinden, wie man eine bestimmte Sorte Taelon-Waffen sabotiert?” „So kann man das auch nennen ...” Ich zeigte ihm ein Bild des Waffen-Wesens in Berührung mit mir, das durch meinen Gesang erschlafft und in traumähnlichem Zustand da hing. „Es ist keine Waffe, wie Ihr sie herstellt, es ist etwas Lebendiges, ein Wesen mit einem eigenen, wenn auch winzigen Bewußtsein - dessen einziges Lebensziel es ist, durch Zerfetzen des eigenen Leibes alles in den Abschied zu schicken, was nicht Taelon oder von ihnen Versklavtes ist ...” Der junge Wachhabende schauderte. „Und so etwas willst Du nicht zerstören, sondern Ihr wollt - Ihr wollt ihm helfen?”
„Es lebt, und es hat ein Recht darauf - auf sein ureigenes Leben, in dem es mehr und Besseres geben muß, als es zu beenden um derentwillen, die es erschaffen haben ...”
„Aber ich, ich bin doch auch ein Wesen mit Bewußtsein”, meinte der Jaridian verwirrt. „Und auch ich lebe doch dafür, für die Meinen zu kämpfen gegen die Taelons ... und gegebenenfalls für sie zu sterben ...”
„Nur dafür? Ist das das Einzige, was Du willst? Sterben im Kampf gegen die Taelons?” Sehr sanft berührte ich seine Gedanken.
„Würdet Ihr bitte Eure müßigen Betrachtungen außerhalb der Dienstzeit weiter führen? Ihr wollt doch wohl einen der Ranghöchsten des Imperiums nicht warten lassen ...” Eine ungeduldige Berührung an der Schulter dessen auf dem Weg - der Übergeordnete der beiden Wachhabenden. „Laßt uns gehen - der Weg wird einige Zeit in Anspruch nehmen ...”
Wir lösten den Kontakt, und er trieb uns eilig aus der Höhle, von dem, was er über unser Vorhaben erfahren hatte, sichtlich ebenso wenig überzeugt wie sein Untergebener. Und er behielt Recht - es dauerte, bis wir diese Testkammer, in der wir arbeiten würden, erreicht hatten ... ich hatte auf dem Weg dorthin schließlich ebenso die Orientierung verloren wie der aus den Tiefen, und ich hätte mir jeden einzelnen Knochen von innen zerkratzen mögen, so oft waren wir gescannt worden ... Die beiden Wachen übergaben uns, in einer Art Vorraum der eigentlichen Arbeitskammer, drei anderen Jaridians, die ihre Kleidung als Trevak untergeordnet auswies, und dem Verwalter, der sofort mit uns in Kontakt ging.
„Es ist alles so weit vorbereitet, daß Ihr beginnen könnt, sobald Ihr die Schutzkleidung angelegt habt und mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut gemacht worden seid. Ich würde das, was Ihr tut, sehr gern persönlich überwachen, aber der Anführer braucht mich für die Planungen, die anstehen. Diese hier”, er wies auf die drei wartenden Technologiekundigen - „werden jede Eurer Aktionen überwachen und aufzeichnen - und sie sind Euch gegenüber absolut weisungsbefugt. Ihr habt ihren Befehlen Folge zu leisten, oder die Aktion wird sofort abgebrochen - diese drei garantieren Eure Sicherheit, so weit das bei einem derart riskanten Unternehmen überhaupt möglich ist ... Ihr seid tot, wenn auch nur eine Spur dessen, was dieses Wesen in seinem Körper birgt, in den Euren gerät, vergeßt das nicht ... Ihr befolgt jede ihrer Anweisungen, habt Ihr das verstanden?”
Wir hatten - es blieb uns schließlich keine andere Wahl ...

Jeder von uns bekam einen medizinischen Scanner auf die Brust geheftet, einen Sauerstoffkonzentrator umgehängt - der dessen aus den Tiefen wurde durch einen größeren, offenbar leistungsfähigeren ersetzt - und, zu unserer Überraschung, ein Kontaktnetz auf den Kopf und den entsprechenden Zusatzscanner am Leib angebracht. Dann halfen die drei Jaridians uns einzeln in die Schutzanzüge, die der Verwalter während der Beratung erwähnt hatte - sehr leichte, weiche, durchsichtige Gebilde, die einen komplett umhüllten, aber weder Tastsinn noch Gehör behinderten ... „Das ist eine Bimembranoid-Folie”, erklärte mir die Technologiekundige, die mir den meinen anlegte. „Nichts von außen dringt da hindurch, und alles, was innen nicht gebraucht wird, wird über ein Ausleitungssystem fort geschafft und in diesem Reservoir gesammelt ...” Sie strich über eine flache, offenbar dehnfähige Ausbuchtung des Materials auf meinem Rücken. „Die Streifen, die Du hier siehst”, - sie wies auf grashalmdünne silberne Linien, die das Transparente durchzogen - „sorgen dafür, daß Du weder frierst noch Dein Körper sich überhitzt. Die Luft, die der Konzentrator aufbereitet, kommt selbstverständlich von außerhalb der Testkammer - die Zuleitungen hier sind knick-, verdrehungs- und bruchgesichert ...” Über den flüchtigen Kontakt des Bekleidetwerdens - eine Erfahrung, die ich als sehr seltsam, aber nicht unangenehm empfand - strömte mir eine Flut technischer Begriffe und Eindrücke zu, die ich so gut wie nicht verstand, aber als ich den Anzug schließlich wirklich anhatte, spürte ich ihn so gut wie gar nicht ...
Der aus den Tiefen und der auf dem Weg waren ebenfalls vorschriftsgemäß verhüllt, und wir wurden in die eigentliche Testkammer begleitet, in der es drei gleich gekennzeichnete Leitungen gab, mit denen unsere Anzüge verbunden wurden - die Luftzufuhr - sowie eine leere Arbeitsfläche; eine weitere Fläche, auf der das verschlossene Transportbehältnis mit dem Waffen-Wesen darin stand und über der Arbeitsfläche in der Decke eine Öffnung. „Das ist eine Absauganlage”, erklärte die Jaridian, die mir in die Schutzumhüllung geholfen hatte. „Tritt auch nur die molekulare Spur des Kampfstoffes dieser Waffe aus, wird die gesamte Luft aus diesem Raum abgezogen ... Ihr hättet in diesem Fall außer kurzfristigen Beschwerden durch den Unterdruck nichts zu befürchten, da die gesamte Aktion damit auf der Stelle abgebrochen wäre und Ihr evakuiert würdet. Beachtet jetzt aber bitte Folgendes ...”
Wir bekamen die Reihenfolge der einzelnen Schritte des Öffnens und Wiederverschließens des Transportbehältnisses dargelegt sowie die Sicherheitsvorkehrungen beim Betätigen des Zugangs zu unserem Arbeitsraum und des Verhaltens beim Einreißen der Schutzanzüge oder Versagens der Luftzufuhr, und dann verließen die drei uns und verschlossen die Testkammer luft- und partikeldicht hinter sich - und wir waren allein ... allein mit einem Lebewesen, dessen einziger Daseinszweck es war, anderen Abschied durch den eigenen zu bringen ...
Wir schauten einander an und gingen in Kontakt. Singen - ich mußte bereits meinen Gesang angestimmt haben, bevor das Behältnis überhaupt geöffnet war ... das Wesen sollte bereits von Angenehmem empfangen werden ... ich hatte es mit dem Brustfell berührt, damals, als es da im Beratungsraum hing ... wäre es nicht sinnvoll, es hielte sich an meinem Körper, so, wie es an der Wand gehaftet hatte, für den direkten Kontakt mit dem, was ihm Ruhe und Freundliches vermittelt hatte? Ich gab einen entsprechenden Eindruck in die Berührung, den der aus den Tiefen sofort ergänzte, mit seiner linken Flossenspitze auf dem Leib des Wesens, der rechten in gleicher Höhe auf meinem Rücken.
„So machen wir es.” Der aus den Feuern vervollständigte das Bild mit seinen Händen auf der rechten Schulter dessen aus den Tiefen und meiner linken - damit bildeten wir eine Art Kreis um das Wesen herum ...
„Ihr stellt Euch bereit und beginnt zu singen - ich öffne das Behältnis und reiche Dir das Wesen ...” ließ mir der auf dem Weg zufließen.
Und der Wasser-Gesangshüter und ich stellten uns rechts der Arbeitsfläche bereit, und ich stimmte die sanften, tiefen Frequenzen von Annahme, Geborgenheit, Wärme und Ruhe an, die Flosse dessen aus den Tiefen in meinem Rücken spürend und die Ermutigung, die seine Berührung ausdrückte ... Er begann meinen Gesang in den mittleren Lagen zu ergänzen, und dann öffnete der aus den Feuern das Behältnis.
Sobald der Deckel offen war, griff er mit dem gepolsterten Spezialwerkzeug zu, hob das Wesen, das hochfrequent zu zittern begonnen hatte, heraus und hielt es mir sanft gegen den Bauch, so daß es spürte, daß es etwas Solides berührte - und reflexartig tat sich in seinem Leib eine Öffnung auf, und es hatte sich an der Oberfläche meines Anzugs, etwas oberhalb der Oberkante meiner Knochenplatte, festgesaugt. Der aus den Feuern ließ es behutsam los, legte das Werkzeug weg und ging mit in den Kontakt.
Er wob Schutz und Sicherheit um uns alle, wie er es erstmals bei der Zerstörung des CVIs des Zhawis getan hatte, dem wir gesungen hatten.
Es knackte leise in meinen Ohren, und ich vernahm die Stimme der Jaridian, die mir den Anzug angezogen hatte. „Sie haben mit der Aktion begonnen - kein Kampfstoffaustritt feststellbar bisher, ich wiederhole, kein Austritt bisher ...”
Auch die Anderen hatten das gehört, und wir begriffen, daß es auch in dieser Testkammer, so, wie in der, in der die Erdvolk-Gesangshüterin gearbeitet hatte, eine Kommunikationsanlage gab, die momentan in mindestens eine Richtung geöffnet war. Ich intensivierte behutsam meinen Gesang und begann das Lied für die Neuangekommenen dazu zu weben.

„Willkommen
Ihr, die Ihr entschieden habt
mit uns zu wachsen
wir sind da
mit Schutz und Wärme ...”

Das Zittern des Wesens, das sich an mir hielt, verstärkte sich, aber es begann nicht mit dem Druckaufbau - sein Hinterleib hing schlaff und faltig, und nur eine Winzigkeit blassen Gelbs war spürbar darin ...
Verwirrung, es strahlte grenzenlose Verwirrung aus ...
Es hing an einem Anderen, einem Wertlosen, an etwas, was nicht da sein sollte, aber dieses zu Vernichtende war so - angenehm ... es fühlte sich besser an als alles, was es je zuvor gespürt hatte - besser als das Wenige, was es überhaupt erinnerte und das hauptsächlich aus Dunkelheit und einer Art dumpfer Leere bestand - Aufenthalte in diversen Behältnissen, die es gegen Licht, Geräusche und Erschütterung abschotteten, offenbar in einer Art Stasisfeld ... Es war diesem merkwürdigen Anderen schon einmal begegnet - und es hatte es nicht vernichten können ... Aber es mußte doch ...
Das, was ihm ermöglichte, die unglaublich empfindliche Haut seines Hinterleibs aufzuweiten, um eine vermehrte Menge Süßlich-Gelb darin unterbringen zu können, war bereits zu tief entspannt, als daß es noch willkürlich darauf hätte Zugriff nehmen können.

„Willkommen
die Ihr Euch entschieden habt
mit uns zu wachsen
zu werden
was Ihr seid
wir sind da
mit allem, was Ihr braucht ...”

Ich hatte die tiefen Frequenzen bereits verlangsamt und spürte, wie das Waffen-Geschöpf aus seiner Verwirrung in den angenehm traumartigen Zustand glitt, in den ich es bereits einmal hinein gesungen hatte. Rosafarben/Blaßblau trieb davon ... Und mit einem Mal hatte ich das Gefühl, wenn ich finden wollte, was diesem Wesen Heilung war, mußte ich ihm folgen ...
Der aus den Wassern öffnete die Zwischenlider. „Das ist richtig”, bestätigte er über den Kontakt. „Öffne die Tiefensinne, zentriere Dich auf sein Bewußtsein und bewege Dich ihm nach ... Tauche in seine Tiefen ... Ich achte darauf, daß Du nicht verloren gehst ...”
Ich hatte bereits getan, was er gesagt hatte, und schien in die gliederlose, entfernt ph'taalkäferartig aussehende Lebensform einzusinken ... hatte meine Saugöffnung auf etwas Glattes, Nachgiebiges, sich in einem sanften Rhythmus Bewegendes geheftet, vor dem ich keine Abscheu mehr ... Angenehm ... Angenehmes um mich, Wärme ... so warm ...
Ich fokussierte mich wieder im eigenen Bewußtsein, die Tiefensinne jetzt auf die Organebene des Wesens gerichtet. Es gab eine Öffnung vom Oberkörper zum Unterleib, um die in zwei Reihen Hohlkörper angeordnet waren, weich und leicht angeschwollen, deren Ausgänge in die Öffnung wiesen. Gelb-Süßlich klebte darin ... winzige schlaffe Muskeln befanden sich darum herum, und sehr flache Stränge durchzogen die Haut des Unterleibs selbst. Oberhalb der Öffnung gab es das Wahrnehmungsorgan sowie etwas Flirrendes, das die Körperflüssigkeit des Wesens zirkulieren ließ und einen Klumpen Denkgewebe, von dem aus feine Fäden zu allen zuvor berührten Strukturen liefen.
Und es gab eine Reservoir, bläulich leuchtend ... Ich konzentrierte mich darauf und berührte - Taelon-Energie. Das Waffen-Wesen benötigte keinerlei Nahrung oder sonst irgend etwas von außen - sein Leben wurde mit Taelon-Energie erhalten ...
Das erschien nicht einmal ungewöhnlich, für ein Lebewesen, das die Taelons für eine ganz bestimmte Funktion entworfen hatten ... nein, nicht entworfen, fühlte ich - abgewandelt ... abgewandelt wie die Skrills, über die ich durch die Jaridians gelernt hatte ... und ich wußte plötzlich, daß ich nach Heilung auf einer tieferen Ebene würde suchen müssen als dort, wo ich mich befand ...
Ich mußte in sein Innerstes, dort hin, wo sein Sein bestimmt worden war ... Und ich weitete sämtliche Tiefensinne einmal mehr.
Und bündelte meine Aufmerksamkeit auf die Spiralen der Ordnung, die ineinander verschlungen in seinen Zellen pulsierten.
Der Anblick war - Schönheit ... Spiralen der Ordnung haben in jedem einzelnen Geschöpf ihr ureigenes Muster und ihre ureigene Farbe, und so etwas wie das hier hatte ich nie zuvor gesehen ... Sehr zartes Weiß, schimmernd und fast transparent, wechselte sich ab mit blassem Rosa und blassem Blau, wobei die beiden letzten Töne seltsam ...
Sehr behutsam berührte ich, was ich sah.
Und mußte alle Kraft, alle Konzentration zusammennehmen, um nicht schreiend den Kontakt abzubrechen ...
Flüchtig spürte ich klare, warme Präsenz, und schieres Entsetzen und blanke Aversion klangen ab, trotzdem hatte ich Mühe, weiter zu atmen ...
So fühlte es sich also an, wenn Leben - absichtsvoll angetastet wurde ... wenn das Innerste eines Wesens, das die Dindaei nur mit absoluter Ehrfurcht berührten und mit ihren besonderen, das unsere weit übersteigende Wissen um das Ganze berührten, auseinander genommen, verbogen, verletzt und mit etwas vermengt wurde, das mit diesem Wesen nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte - und all dies in der Absicht, zu schaden ... um Leben zu zerstören ...
Um für solches Entsetzen Heilung zu finden - und das Waffen-Wesen war nicht das einzige, das so zugerichtet war - blieb mir nichts übrig, als alles daran zu setzen, es zu verstehen ... es wirklich zu begreifen, zu begreifen, was genau mit dieser Lebensform getan worden war - denn nur dann gab es überhaupt den Hauch einer Hoffnung, das vielleicht rückgängig zu machen oder es zumindest so zu verändern, daß es ihr gut ginge damit, wie immer das aussehen mochte ...
Den Gesang für das Wesen hatte inzwischen der Gesangshüter des Wasser-Volkes allein übernommen, um mir den Verbleib in der Tiefenwahrnehmung zu erleichtern, und ich spürte einmal mehr den auf dem Weg, der meine aversiven Gefühle und die unwillkürlichen heftigen Reaktionen meines Körpers zu unterdrücken schien ... Ich wandte mich dem, worauf meine Krallenspitzen ruhten, wieder zu.
Spiralen der Ordnung, aus winzigsten Bauteilen zusammengesetzt ... „Anderes als wir ist ohne Wert” war das am deutlichsten zu Erkennende, das Komplexschwingungsbruchstück, das immer wieder eingeflochten war, egal, welche Funktion die Zelle, die ich jeweils gerade berührte, ausübte, aber da war noch etwas anderes ... Winzigeres, aber ebenso Gefährliches ... Ich fokussierte alle Aufmerksamkeit auf eine Zelle in einem der kleinen hohlen Organe um die Öffnung in den Unterleib, auf die Spiralen darin, auf eine besondere, wo oberhalb und unterhalb des Komplexschwingungsbruchstücks plötzlich ein gelblicher Farbton aufschien - ein gelblicher - Baustein?
Sämtliche Tiefensinne maximal geweitet, versuchte ich zum ersten Mal in meinem Leben so zu sehen, wie es die aus dem Dunklen getan hatte, als sie Metall, Kristall und ihren Werkstoff zu Einem zusammengesungen hatte. Ich bemühte mich, den Blick scharf zu stellen für die allerfeinsten Strukturen, die so einen Baustein ausmachten ... die unendlich zarten Enden, die ineinander griffen, um genau diesen speziellen ...

Alles verschwamm, verschwamm in sanfte Blicklosigkeit. Ich war Rosa und zartes Blau, dahintreibend ... dahintreibend in unendlich Angenehmem ... bewegungslos, wunschlos ... Ich schwebte auf Silbriges, Glitzerndes zu ... begann mich zu verweben damit ...
Und ein mächtiger Sog riß mich fort durch strudelndes Silber, rückwärts, abwärts, schwindelerregend ...
Süße war um mich, schwere, duftende Süße; ich hockte auf Weichem, Nährendem und nahm durch meine Mundöffnung davon in mich auf, und auch das war süß ... Meinesgleichen, weiß schimmernd und fast durchsichtig wie ich selbst, war irgendwo in der Nähe zu ahnen, aber noch war nicht die Zeit dazu ... jetzt war die Zeit für das Nährende ...
Ein Laut in der Ferne, hinter/über mir, und der scharfe Geruch nach Gefahr ... mein Hinterleib hatte sich gespannt und all das, was ich dem Duftenden um mich, das davon im Übermaß enthielt, bisher entnommen und darin gesammelt hatte, stand jetzt unter Druck, bereit für den Sprung - den Sprung, der mich retten würde, sollte der Laut sich wiederholen ...
Er tat es, nahe bei mir, und der Sprung brachte mich außer Reichweite des Geflügelten, an dem alles scharf und spitz war, das jetzt hinter mir in das Nährende krachte ... Ich hörte, wie es darin herumraschelte und Laute von sich gab, und ein weiterer Sprung brachte mich aus seiner Reich-
weite.
Ich ließ substanzloses Süßes einströmen in mich, dorthin, wo abgeschieden und konzentriert wurde, und überall hin, wo ich es selbst brauchte ... und hätte das flache, rosa-graue, segmentierte Mehrgliedrige, dessen vordere Öffnung, die Leuchtendheiß speien konnte, plötzlich vor mir aufklaffte, beinahe nicht bemerkt ... höchste Spannung, extremer Druck und - Sprung ...der Konzentriertes aus meiner Hinterleibsöffnung austreten ließ und mich weg beförderte, gerade weit genug weg, daß das Rosa-Graue ...

 

Ende von Kapitel 47

 

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