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  „Probleme und Lösungen” von Vj'an   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungszeitraum: Dezember 2005
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Was könnte die Taelon dazu bewegt haben, zu werden, was sie wurden?
Zeitpunkt:  von der Serie unabhängig, Entstehungszeit der Taelon als eigenes Volk
Charaktere:  Völkergruppen, aus denen die Taelon und Jaridian wurden, erste „Urtaelons”
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2005 geschrieben.
 

 

PROBLEME UND LÖSUNGEN

 

Wer die Gegenwart kontrolliert, der kontrolliert die Vergangenheit.
Wer die Vergangenheit kontrolliert, der kontrolliert die Zukunft.
Wer die Zukunft kontrolliert, der zeigt den Weg, dem alle folgen.

Nichts ist vorherbestimmt - nichts ist zufällig.
Leid ist nichts, das notwendig ist. Leid ist keine Strafe.
Konsequenz, Herrschaft, Schicksal ... nicht (nur?) was wir damit verbinden.

Worte sind Bilder. Worte verbinden. Worte trennen. Und manchmal geschieht es, dass die Botschaft auf den Worten reitet, ohne diese zu berühren, ohne von ihnen berührt zu werden, allein durch das erwachsene Verständnis.

Neues bringt immer Veränderungen mit sich. Manche sind tiefgreifender als andere, manche werden kaum registriert. Dies ist nicht nur zwischen den kleinsten Teilen so, nein auch unter weitaus größeren und komplexeren Verbünden findet sich dieses Verhalten wieder.
Und nie lässt sich sagen, wie lange ein System braucht, bis es zu einer neuen Ordnung findet. Schon deswegen nicht, weil Veränderungen diese Phase nie abwarten.
Sie finden statt, wenn sie stattfinden, sind lediglich ein Konstrukt zur Beschreibung eines Ausschnittes, der in Wahrheit nie gesondert existiert.

Bei und nach einer Veränderung jedoch ist es nie wieder wie davor. Dies ist ein essentielles Element einer jeden Veränderung, ja gar ihr deutlichstes und - für linearezeitige Wesen - einzigstes Merkmal.

So war dies auch bei einem Volk der Fall, das sich über Generationen hinweg mehr und mehr mit einer Veränderung auseinander zu setzen hatte, die mehr und mehr ihrer Kinder und Brüder betraf. Es war dies keine technische Neuerung, auch keine wirtschaftliche, nein sie war weitaus essentieller. Essentiell im wahrsten Sinne dieses Wortes, denn es betraf das Innerste von ihnen, das anders war als das der vorangegangenen Generationen. Anfangs noch gab es viele verschiedene, die, obwohl sie sich im Innersten mehr glichen, sich untereinander ebenso unterschieden wie von den Abstammenden.
Erst im Laufe der Jahre, ja Jahrzehnte stabilisierte sich dies und spätere Generationen wurden untereinander so gleich wie es für eine Art typisch und erwartbar ist. Dies ging damit einher, dass sie in ihren eigenen Platz, ihre eigenen Werte nach langem Chaos zu finden vermochten.
Sie waren die neuen, waren geboren aus dem alten. Sie waren die, die vieles vereinen sollten; die, die begleitend aus der einstigen freundschaftlichen Annäherung entstanden sind. Sie waren das Produkt aus Verzweiflung und Hoffnung. Sie waren auch die haltlosen, die hin- und hergerissenen. Die, die sich nirgends zugehörig fühlten.

Man fand sie nicht alle dicht beieinander. Es gab Regionen, Gebiete, in denen sie die Mehrheit ausmachten, doch ebenso gab es Regionen, Gebiete, in denen die einstigen die Mehrheit ausmachten. So war es gewachsen, so war ein Gleichgewicht gegeben, nicht stabil zwar, doch existent. So gab es Kontaktstellen, an denen Verstehen sich entwickeln konnte.
Verstehen, oder auch Angst, oder gar Hass. Es gilt jedoch zu bedenken, dass letztere keiner Kontaktstellen bedürfen, ohne diese wesentlich besser wachsen und sich festigen können.

Inmitten all dessen erwuchs unter denen, die früher noch nicht waren eine Distanz zu dem, dem sie angehörten und zugleich nicht anzugehören schienen. Sie beobachteten die Nachfolgenden der Alten und sahen mehr und mehr, dass sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und „ethisch” unterschied. Sie erkannten nicht die Natur und Natürlichkeit der einstigen Arten. Mit der Zeit definierten sie ihre Art und sich selbst anhand dieser Unterschiede.
Bald setzte eine neue, eine weitere Veränderung an.

Allmählich ging dies gar soweit, dass sie gleiches oder ähnliches Gebaren bei sich selbst nicht mehr wahrnahmen, verkannten oder gar zu unterdrücken suchten. Dies endete damit allerdings nicht, denn mit jedem weiteren Fortschritt, den sie auf diesem Wege erzielten, fanden sie neue, noch kleinere Unterschiede, bis ihr Verhalten gar künstlich und entfremdet wirken mochte, ihr Glaube sich verdrehte. Und in Ansätzen bereits ihre Gesundheit schwand.

Sie begannen in der Art ihrer Nahrungsmittel, durch ihre Ernährungsweise Zustände zu finden, die ihren Werturteilen zuwider waren. Die Aufnahme neuer Kraft wurde zusehends zu etwas peinlichem beschämenden - doch schlimmer als dies: zu etwas entwürdigendem.

Innerhalb ihrer jungen Art waren nicht alle zu den gleichen Schlüssen gekommen, manche - Einzelne und lokale Gruppen - blieben auch bei den Nachkommen ihrer Väter, profitierten von ihrem Unterschied und halfen mit ihrer Einzigartigkeit dem Gemeinwohl. Die meisten anderen, so auch die, die sich zusehends zurückzogen, aber hatten es zunehmend schwer unter solchen zu leben, deren Leben aus dem zu bestehen schien, was sie so verabscheuten. Sie und eine dritte Gruppe sahen bald nur den Ausweg in einer räumlichen Trennung. Erst in Gebieten, die sie allein bevölkerten, später im Wegzug von all denen die nicht wie sie lebten, nicht wie sie leben konnten (wollten).

Und wieder verging Zeit und es dauerte lange, ehe die nächste Veränderung für offene Augen erkennbar wurde.

Es schien als würden die Gruppen der neuen Art nie ihren Platz, ihre Ruhe finden können.

Doch diese Gruppe war nicht klein, sie war riesig, umfasste Tausende, die einander nicht kannten, voneinander nichts (wenig) wussten.
Und inmitten von ihr tauchten Ideen und Lösungen wie Gasblasen aus kochender Lava auf, verschwanden oder verschmolzen, oder wurden mächtig genug um an der Oberfläche zu bestehen.

Eine dieser Ideen fasste Fuß in verschiedenen solchen Gedankenherden, breitete sich in jedem davon (scheinbar?) selbstständig aus und nahm Gestalt an.

Dunkle Spitzen berührten einander. „Ilta'echje ew'aalas'h” - „Ilta'echje” - „rouv'a'ra st'equu'i”, sprachen verunsicherte Stimmen zueinander. Dunkle Spitzen rieben aneinander, wanderten aneinander vorbei. Befühlten. „Illta'Echje”. Andere, gleiche gesellten sich dazu.
Um sie herum war es dunkel. Die Dunkelheit war für sie von symbolischer Bedeutung für ihre selbsterschaffene Zeremonie.
Finger berührten sich. Finger strichen über Haut. Die eigene, die fremde. Finger nahmen wahr, welche Strukturen da waren. Sie waren angenehm, waren glatt und dabei leicht rau. Waren ebenso warm wie sie selbst. Verletzungen der Hautoberfläche fühlten sich fremd, fühlten sich interessant an. Weckten Neugier, doch nur für kurz. Dann ging es weiter. Obwohl sie weich war, fühlte sie sich fest, hart an. Obwohl sie Leben barg, fühlte sie sich wie eine Grenze an.

Sie stimmten sich ein. Spannung lag in der Luft zwischen ihnen. Sie wollten nicht länger die alten Zustände erleben, nicht länger nur darüber reden, darunter leiden.
„To'wha'rel ovla'ahr shi'el.” Ihre Augen schlossen sich. Es war Zeit sich auf sich selbst zu konzentrieren. Tage schon hatte sich ein jeder von ihnen darauf vorbereitet. Wochenlang haben sie darauf hingearbeitet. Sich vorangetastet. Ihre Sinne geschärft. Nicht für den Kampf, nicht zur Verteidigung, sondern einzig hierfür. Ohren hörten Atemzüge. Die eigenen, die der anderen.
Sie alle hatten das Wesen mindestens eines anderen erkunden, abtasten dürfen. Sie alle hatten mindestens einmal sich dafür zur Verfügung stellen müssen. Sie mussten lernen damit umzugehen, einander zu berühren ohne zu vermischen, ohne zu verletzen. Sie lernten auch zu entdecken. Suchten Möglichkeiten, Fähigkeiten.

Es war einst nur ein Spiel gewesen, Teil der allgemeinen mentalen Bildung. Sie hatten es fortgeführt, Informationen gesammelt, sich selbst darin vertiefend geschult. Aneinander, durcheinander und schließlich miteinander. Dabei entdeckten sie Zustände, die sie sehnen, die sie Träumen ließen. Die sie dazu aufforderten weiterzugehen. Es war kein Rausch, keine Droge, es war vielmehr das Fehlen all dessen. das sie so lockte. Denn dort wo nichts war, dort fanden sie mehr als sie sich erhofften. Doch sie konnten es nie alleine erreichen, es erforderte immer wahres zusammenfinden und ausgewogenes Miteinander.
Dies war eine für sie einzigartige Situation. Nichts dass sie sonst kannten erforderte eine derart echte Teamarbeit, es war immer irgendwie auch allein zu bewerkstelligen gewesen. Allenfalls mit der Hilfe dessen, was vergangene erfunden hatten und für die Aufgabe zweckbringend eingesetzt werden konnte.

Sie versuchten still zu sitzen, doch es gelang ihnen nicht so, wie sie es sich vorstellten. Sie saßen still, doch die wachsende Anspannung schien ihre Körper zu zwingen sich zu bewegen. Ließ diesen oder jenen Muskel zucken, bevor er wieder gehorchte. Sie mussten weiter still bleiben, würden erst nach dem dieses Verlangen ihres Körpers nicht mehr drängte, weitergehen können.

Leise begann schließlich eine Melodie zu spielen. Sie war einfach, schien von überall herzukommen. Sie sollte die Geister der Anwesenden von den leisen Geräuschen, die nie zu vermeiden waren, ablenken und ihnen helfen sich weiter auf sich selbst zu fokussieren um aus dieser Haltung heraus mehr Gespür für die anderen zu wecken. Die Klänge waren einzeln, doch nicht abgehackt, leiteten ineinander über. Und es dauerte lange ehe daraus ein komplexeres Klangspiel wurde. Eines dass die Anwesenden nicht nur leitete, sondern ihr Bewusstsein allmählich ausfüllte, es trug und unterstützte.

Ihrer aller Atem war nun gleichmäßig ruhig. Der Rhythmus, nach dem ihr Körper spielte folgte und wurde dem ähnlicher, der der Melodie zugrunde lag.
Sie spürten wie die Idee sich nun die Hände wieder zu reichen sich im Raum, in ihnen allen, ausbreitete und damit von ihnen allen angenommen wurde. Ohne die Augen zu öffnen griff ein jeder von ihnen nach links und nach rechts nach den Händen seiner Nachbarn. Sie fühlten regelrecht wo sich diese befanden je näher sie einander kamen und wussten, dass sie nicht danach zu suchen brauchten. Es genügte zu wissen, dass sie da sein würden, um den Verstand zu beruhigen und die Wahrnehmung ihrer Hände und deren Umfeld zu schärfen.

Die Kreise ihrer Hände war geschlossen. Ihr Atem weiterhin ruhig und gleichmäßig. Ihre Wahrnehmung verstärkt. Wo ihr eigenes Wesen endete, dort begann das des Nachbarn. Sie waren Umgeben von Wesen, die ebenso ruhig waren, wie sie selbst. Die ebenso fokussiert und aus dieser Konzentration heraus auf alles ausgerichtet waren, wie sie selbst. Es trug zur zusätzlichen Beruhigung der verbliebenen Anspannung bei. Einer verständlichen Anspannung, da dass was sie planten eine ungewisse Zukunft hatte. Sicher, sie hatten es oftmals gekostet, erprobt, doch alle ihre Theorien konnten nicht enthüllen, was werden würde wenn sie den Schritt nach vorne endgültig taten.

Die Klänge der Musik drang nun durch ihre Haut in ihre Körper. War spürbar im Gewebe, an den Knochen. Die Frequenzen waren wohlgewählt, so dass es ein angenehmes Gefühl war, während ihre Ohren es gleichsam als wohltuend wahrnahmen.

Und dann begann es. Der innerste Kreis erhob sich wortlos und synchron, die Hände aneinandergelegt belassend, als die Melodie sich wieder zurückzuziehen schien um nur noch den zarten Nebel auszuschmücken, der ihre Wahrnehmung der anderen noch einschränkte. Die Köpfe der beiden innersten neigten sich zur Seite als sie ein letztes Mal das aktivierten, von dem sie sich zu trennen gedachten. Silbernweißlich strahlte ein feiner Schimmer zwischen den sich berührenden Handflächen der beiden Lebewesen hervor, wurde intensiver als beide zugleich begannen sich der Lebenskräfte des anderen zu bedienen, während dieser gleiches mit ihren eigenen Tat.
Ihre Körper schrien während ihre Geister jubelten. Gemeinsam näherten sie sich ein weiteres, letztes Mal endgültig dem gemeinsamen Frieden. Und während ihre Kräfte sich erschöpften folgten die weiteren Kreise ihrem Beispiel.

Überall nun im Raum waren feine helle Strahlen auszumachen. Sie beleuchteten die Handkanten, von denen sie ausgingen, und warfen einen zarten matten Schimmer auf die Leiber der Wesen, die ihre Energie kontrollierten. Warfen Schimmer auf die steinernen Säulen des Raumes, in welchem sie sich versammelt hatten. Und in diesem matten Licht verklang die Melodie allmählich als würde sie nach allen Seiten hin davontreiben. Was sie zurückließ waren Wesen an der Grenze zwischen Werden und Verderben. War der feine Schein, der überall einen Ursprung hatte. War das intensiver werdende Glühen des Lichtes in den Händen.
Die Gestalten schienen zu kämpfen. Nicht gegeneinander, nein, vielmehr fochten sie einen inneren eigenen Kampf mit sich selbst aus.
Ihre Körper fürchteten sich, wehrten sich gegen das was mit ihnen geschehen sollte und leisteten Widerstand. Sie mussten dagegen ankommen wollten sie nicht, dass das was ihre Körper so fürchteten, wirklich geschah. Sie hatten diesen Kampf bereits alle mehrfach erlebt, doch nie waren sie so weit gegangen, noch nie bis an die Grenze zwischen Sein und Vergehen getreten. Noch nie soweit gegangen, dass es kein Zurück mehr gab.
Zitternd, bebend behielten sie die Handflächen aufeinander, den Körper unter Kontrolle bis einer nach dem anderen aufgeben musste. Bis ein Geist nach dem anderen losgerissen wurde von dem letzten an das sie sich gehalten hatten.

Und dann begann es. Dann geschah es. Überall in und auf ihren Körpern brachen die Strukturen auf, wurden zu einem gleißenden Glühen während die Existenz ihrer Körper endete. Doch noch immer nicht lösten sie sich ihre Hände voneinander, noch immer behielten sie ihren Willen aufrecht und damit die Kraft die all dieses vorwärtstrieb. Es war ein gegenseitiges Nehmen, das in ein gegenseitiges Transformieren überging. Sie durften nicht mehr nehmen als ihnen genommen wurde und durften nicht weniger nehmen als ihre Reise verlangte.
Ihre Körper, oder das was davon noch existierte, wanden sich, drückten so auf stumme Weise ihre Verzweiflung, ihren Kampf gegen die Vernichtung aus, während die Handflächen daran kein Anteil hatten. Ein bizarrer Tanz spielte sich ab, als das Leuchten abflaute und in ein Glimmen überging, welches den Raum noch immer zu erhellen vermochte.
Der Anteil an silberweißlichem schwand, ihn ersetzten weißblaue und weißgraue Farbtöne. Und als sich ihre Hände erschöpft und gestärkt zugleich voneinander lösten, zeigten sich auch die Farbtöne der Monde, die den Planeten umkreisten, der später als ihre Heimat gelten sollte.

Als ihre Körper zerfielen, den anderen zuteil wurden, lösten sich ihre Geister allmählich von ihnen, waren wie frei in der Schwebe auf der Suche nach einem Halt. Tastend und rufend weiteten sie sich aus, suchten aus der sie begleitenden Verwirrung Auswege. Fühlten hin zu den anderen, wie sie es trainiert hatten ehe sie sich selbst verlieren würden.
Und dann fanden sie einander, verwoben ihre Gedanken, Gefühle, miteinander als die einzigen Grenzen nicht mehr existierten. Zumindest dort nicht mehr existierten wo sie nun waren. Sie waren sehr wohl noch bei ihren Körpern, ihren Handflächen, fühlten den Körper der anderen dadurch, fühlten das Leben, dass sie aufnahmen und den Sog, der ihnen eigene Lebenskräfte entriss. Doch nun gab es dazu noch etwas anderes. Wo einst nur die feinen Sinne wie in einem Nebel umhertasteten um andere zu erspüren, dort war nun eine Klarheit, wie sie selbst ein Blick durch die trockenste Luft nicht zu gewähren vermochte. Eine Klarheit, die körperliche Sinne nicht erfassen konnten. Sie waren dazu schlichtweg nicht ausgestattet. Bisherige Worte waren nur unzureichend in der Lage das neue zu beschreiben. Begriffe wie „Räumlichkeit”, wie „Nähe”, wie „ über” wie „ unter” existierten nicht. Ja es ließ sich nicht einmal von einem Hier sprechen. Auch nicht von einem Dort. Denn es war „ hier” ebenso wie es „dort” war. Sie waren „ hier” ebenso wie sie „ dort” waren.
Einerseits berührten sie sich nur durch ihre Hände, andererseits berührten sich ihre Wesen, ihre Bewusstsein. Jedoch weitaus intensiver als dies der Kontakt ihrer Körper jemals vermocht hätte. Sie hatten nicht nur Kontakt zu denen, die sie berührten, auch die anderen waren gleich „ nah”. Und je mehr sie dieses neue Dasein adpatierten umso mehr von ihnen erkannten, dass diese neue Beziehung bereits weitaus mehr von ihnen umfasste als die Gruppe, die sich am Abend versammelt hatte und nun eine neue Form der Existenz angetreten hatte, so dass sie als andere wieder gehen würden.
Der Kontakt ihrer Hände endete. Sie waren jetzt und unmittelbar vereint, tiefer miteinander verbunden, als dies je für möglich erachtet wurde. Nicht nur im Geiste, auch ihre Körper waren das Produkt ihrer gemeinsamen Schöpfung die aus der Zerstörung heraus erwachsen war.

Still und in leichter Bewegung lauschten sie den Stimmen, den Gedanken, die sie nun zu vernehmen imstande waren. Und einige wenige begannen sich in dem neuen Netz zu bewegen, es auch aktiv zu erkunden, seine Veränderungen, sein Pulsieren zu beobachten. Seinen Ursprung und seine Möglichkeiten zu ergründen. Sie waren einander Fremde gewesen, nun waren sie sich näher als Brüder. Sie alle kannten das Gefühl des Alleinseins, der Einsamkeit, der Aussichtslosigkeit, der Verzweiflung, Doch sie alle fühlten, erkannten, dass dies nunmehr nur noch Erinnerung sein würde. Erinnerung eines Lebens das in jener Form nicht mehr existierte.

Und wie es ruhiger wurde in dem neuen Gebilde, das jedem Auge verborgen bleiben würde, von jedem Ohr ungehört bleiben würde, nie betreten werden konnte, erkannten sie, dass sie nicht die letzten waren. Da gab es die, die noch immer im Nebel wandelten. Sie streiften das Gebilde ohne es zu sehen, sie spürten es, ohne es zu erkennen, sie hörten es ohne es zu verstehen.
Und sie erkannten sie. Es waren die, die noch nicht gekommen waren. Es waren jene, die noch immer im alten Kampf mit sich selbst standen, darunter leidend Leben zu wollen und dafür anderes beenden zu müssen. Es waren jene, zu denen sie am Vorabend noch gehört hatten. Es waren jene, die sich letztendlich alleine unter ihresgleichen fühlten. Es waren jene, die noch zu entscheiden hatten.

Und sie erkannten, dass sie sie nicht erreichen konnten. Sie waren nicht so ein Teil des Gemeinsamen, wie sie es waren. Und sie konnten das Gemeinsame nicht verlassen. Wollten es nicht. Es hätte bedeutet zu verlieren wofür sie gearbeitet hatten. Zu verlieren ohne der Möglichkeit einer Umkehr. Denn durch das Aufgehen in anderen gaben sie den Schlüssel zu ihrem neuen Sein den anderen. Gaben sie etwas einzigartiges um etwas einzigartiges zu erhalten. Ein Verlust dieser Verbindung hätte unweigerlich zur Folge, dass der Teil, den sie anderen genommen hatten fortan getrennt existierte und sie das einstige eigene nicht mehr zu berühren in der Lage waren, da jene Sinne ihre Klarheit verlören. Sie quasi in der Dunkelheit nach jenem Teil ihrer selbst suchten, um erneut vollständig zu werden, wie einer der seine Identität verloren hat und nach allem greift von dem er sich einen Hinweis erhofft.

 

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