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  „Wenn Denken zum Wahn wird” von Vj'an   (Emailadresse siehe Autorenseite),  entstanden Sommer 2004
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam hat Mühe den Tod seiner Mutter zu verkraften. Doch er erhält Hilfe um die Gedankenspirale aufzubrechen.
Zeitpunkt:  nach Siobhan Becketts Tod.
Charaktere:  Liam, Sandoval, Da'an
 

 

WENN DENKEN ZUM WAHN WIRD

 

Oftmals schon habe ich gehört, gelesen, gesagt, dass Denken allein blockieren kann. Manchmal aber ist es das Einzigste, was man noch glaubt tun zu können. Im steten Wissen dass es zu nichts führen wird. Tagelang liegt man apathisch, geistig gelähmt scheinend da, und kennt nur eines. Denken, denken, denken. Oh und ehe ich es vergesse, denken. Sicher, man trinkt, wenn der Körper durstig ist, man isst vielleicht etwas, wenn der Hunger zu deutlich wird, man steht auf und sucht das Bad auf, wenn es erforderlich ist. Doch selten sonst wird einem deutlich, wie automatisch solche Handlungen ablaufen können, wie gut man selbst dabei weiter in seinen Gedanken verhängt bleiben kann und wie gut sich eine Tätigkeit darin einwickelt.
Klar habe ich schon Filmszenen gesehen, wo Leute mit ihren Zahnbürsten sprechen oder gar die Haarbürste zu derlei Zweck verwenden und so ihre Gefühle, ihre Sorgen loswerden. Doch davon spreche ich weniger, nein viel eher davon, dass der Geschmack von etwas, die Farbe, die Perspektive weitere Gedanken aufwirbelt und in den Gesamtfluss einbindet. Das Absurde daran ist: Man kann es zugleich auch noch beobachten.
Tagelang nun habe ich hier gesessen, konnte nicht Weinen, konnte kaum Trauern.
Immer wieder kam einer meiner Freunde, wollte nach mir sehen, zeigte verborgene Besorgnis um meinen Zustand, ich wollte und will ihnen nicht zeigen, wie es wirklich um mich bestellt ist.
Nun ist es längst wieder Nacht, ich bin sicher schon viermal auf die Idee gekommen den Fernseher oder das Radio anzumachen, doch bereits auf dem Weg dorthin oder schon allein beim bloßen Gedanken daran, fand ich wieder Gründe, warum es doch besser ohne ist und habe wieder davon abgelassen. Regungslos sitze ich zwischen den Kissen und der Decke meines Bettes und schaue auf eine leere Wand. Nun eigentlich ist es die Zimmerdecke; doch was macht das schon für einen Unterschied. Was macht überhaupt irgendwas hier noch zu einem Unterschied?

Ich kenne diesen Teufelskreis, es gibt fast nur ein einziges Entkommen. Ich kenne selbst dieses, weiß genau, wie ich vorgehen müsste. Doch ich sitze da, wie ich schon die letzten fünfzehn Minuten dasaß. Fern höre ich den Straßenlärm, Musik, das Leben selbst. Ich will mir diesen Ruck nicht geben, noch nicht. Ich bin mir dessen bewusst, dass es so nicht für immer bleiben kann, doch noch kann es dies, noch genieße ich dies auf eine Weise, die mir selbst äußerst suspekt ist.
Ich mag nicht sprechen, zu keinem, zu niemandem und doch wäre es mein größtes Bedürfnis. Die, die mich besucht hatten, haben es teilweise wohl erkannt, gewusst oder gar gespürt. Andere, andere haben nur von ihrem Leben, den Geschehnissen der vergangenen Tage berichtet, wohl um mir so helfen zu können. Doch, ob man es glauben mag oder nicht, weder das eine noch das andere hat mich wirklich interessiert, gefesselt. Ich war fast schon froh anschließend endlich wieder allein zu sein, mich in meine Stille zurückziehen zu können, nur von meinen eigenen Gedanken umgeben.
Nicht mehr lange werde ich diese Stille für mich haben, bald schon wird wieder einer von ihnen kommen und ich werde ihn wieder hereinlassen und einige Zeit mit ihm hier oder in der Küche oder im Wohnzimmer verbringen. Und danach, danach habe ich wieder meine Ruhe für einige Stunden. Eine Ruhe, in der ich weder Weinen noch wirklich Trauern werde können.
Sie können nicht verstehen, dass mich keiner verstehen kann, darum kommen sie wieder und wieder. Ich bin ihnen deswegen nicht böse, erkämpfe mir sogar nur für sie ein Lächeln, damit sie sich nicht um etwas Sorgen, dass ich selbst nicht einmal verstehe.

Nun sitze ich am Küchentisch, den Kopf auf den Rücken meiner Hände aufgestützt. Ich weiß nicht wie ich dorthin gekommen bin. Jedenfalls wurde es mir bewusst als ich spürte, dass ich nicht mehr alleine war.
Unschlüssig was ich tun sollte blieb ich still.
Mein unangekündigter Gast schien viel Geduld zu haben, denn er rührte sich nicht. „Gehen Sie.”, überwand ich mich schließlich etwas zu sagen.
Mein unangekündigter Gast schien viel Geduld zu haben, denn er rührte sich weiterhin nicht. „Gehen Sie, bitte.”, forderte ich ihn auf, doch mein ungebetener Gast schien viel Geduld zu haben, und so hob ich schließlich langsam mein Gesicht.
Und konnte nicht glauben, was ich dort sah.
Regungslos blickte ich für Sekunden in die dunklen Augen meines Gastes, ehe ich endlich stumm mit einer Hand auf den anderen Stuhl deutete, damit die Person sich setzen mochte.
Nie hätte ich erwartet, dass gerade diese Person hier auftauchen würde, noch weniger, dass es auf diese Weise geschehen sollte.
Abwartend, ob mein Besuch doch noch etwas sagen wollte, blieb ich sitzen, hielt den Blickkontakt zu den Augen weiterhin aufrecht. Jedoch war ich es wiederum, der zuerst sprach, fragte, was der Grund für dessen Auftreten war.
Die Antwort, die ich darauf bekam, sie half mir nicht wirklich weiter. Natürlich ging es mir nicht gut, verdammt, das wusste ich doch selbst, man sagte mir damit nichts Neues! Und jetzt schon wieder meine Arbeit als Beschützer aufnehmen, nein das konnte ich nicht, das wollte ich nicht.
Nur konnte ich speziell ihm das so nicht sagen, es hätte verdächtig gewirkt, gezeigt, wie ich mich eigentlich fühlte.
Wieder fing die Maschinerie des Denkens von vorne an. Nun drehten sich die Gedanken aber um den anderen Geist in diesem Raum. Ich wusste noch immer noch nicht wie jener in meine Wohnung gekommen war und auch nicht weswegen dies wirklich geschehen war. Doch war mir klar, dass ich allein durch Denken keine Antworten finden würde, und doch, ich fragte nicht nach, versuchte allein über mein Wissen an Antworten zu kommen, die sich mir nicht erschlossen.
Schließlich stand er ungefragt auf und trat an die Kaffeemaschine, ließ sich einen Kaffee zubereiten und kehrte damit wieder an den Tisch zurück, gerade so, als sei nichts dabei, als sei dies hier Familie.
Jetzt erst wurde mir klar, wie spät es war. Nein, er konnte kaum in guter Absicht kommen, nicht zu dieser Unzeit.
Doch ich stellte die Frage nicht, sah ihn nur weiter unverwandt an. Was wollte er hier? Was wollte gerade er von mir? War es, weil ich nun doch schon länger auf der Arbeit fehlte?

Wie viele Tage waren eigentlich vergangen?
Er schien meine Fragen zu sehen, ja regelrecht zu lesen, denn ein feines Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab bevor er sich um seine dampfend heiße Tasse kümmerte und einen Schluck aus dieser trank um anschließend den Kaffeschaum von seinen Lippen zu saugen.
„Wie lange noch?”, kam es dann völlig unerwartet aus seinen Mund. Verwirrt muss ich ihn angesehen haben, denn er führte nach einem leichten Lächeln seine Frage aus, „Wie lange noch wollen Sie hier rumsitzen und in sich versinken?” Ich konnte darauf nicht antworten, zu perplex war ich. Doch er schien auf eine Beantwortung zu warten, so musste ich etwas sagen, nicht irgendetwas, sondern etwas, womit er Ruhe geben würde.
„Darüber habe ich mir noch keine genauen Gedanken gemacht. Vielleicht noch ein, vielleicht noch zwei Tage, vielleicht...”, er unterbrach mich mit einem Wink seiner Hand. „Sie sitzen hier nun schon so lange herum und wollen mir sagen, Sie haben sich darüber den Kopf noch nicht zerbrochen? Ich muss sagen, das entbehrt nicht einem gewissen Humor. Sie können doch nicht ernstlich behaupten wollen, dass Sie all die Zeit über lediglich in irgendwelchen Gedankennetzen herumgeirrt sind.” Er gab mir nicht die Zeit mich zu verteidigen, kaum dass er sah, dass ich es wollte. „Macht es Ihnen Spaß? Befriedigt es Sie? Erfüllt es Sie gar?”, wieder unterband er eine Stellungnahme meinerseits, „Erhoffen Sie sich daraus neue Kraft zu schöpfen?”, er schwieg, doch erschien es lediglich, als wollte er eine Pause machen.
Ich fühlte, dass er mich nur provozieren wollte, es war derart typisch für ihn gewesen, vom ersten Tag an, an dem wir uns gegenüberstanden.
Ich wollte auch nicht wirklich darauf eingehen, doch es war bereits zu spät, in meiner apathischen Haltung war bereits dieses bisschen an Provokation genug gewesen mich in einen Zustand der schieren Wut zu versetzen so dass ich schnell eine Schimpftriade über ihn ergoss, ihm erklärte wie es war, warum ich dies tat und dass es mich nicht im geringsten erfüllte, bis mir einfach kein Wort mehr einfiel, dass ich noch sagen konnte, sagen durfte.
Doch mein unangekündigter Gast schien viel Geduld zu haben, denn er rührte sich nicht, zeigte sich nicht im mindesten beeindruckt oder beleidigt.
Erst lange nachdem ich wieder kraftlos auf dem Stuhl zusammengesunken war, meinte er kühl und fast schon berechnend: „Interessante Ansichten.”
Ich war mir nicht darüber klar, ob er meine Worte damit verurteilte oder ob es lediglich ein Kommentar, eine Bestätigung dessen sein sollte, dass er zugehört hatte, oder sie gar akzeptierte. Doch es war einem Teil von mir klar, dass er mich nur weiter reizen wollte. Wozu? Ich wusste es nicht, es interessierte mich auch nicht, denn ich stieg wiederum auf das Spiel ein und verteidigte mich gegen einen Feind, der nicht real war.
Er lächelte als ich matt den Kopf wieder auf die Handrücken legte. Ich sah es zwar nicht, doch ich bin sicher, dass er es getan hat, es ist seine Art.
„Verflixt, gehen Sie, verlassen Sie meine Wohnung!”, versuchte ich es weiter, woraufhin er nur seine Tasse erneut hob und daraus etwas Kaffee schlürfte, murmelnd, dass es wohl ein südamerikanischer, vielleicht sogar brasilianischer Bohnenkaffee wäre und wohl eine der etwas besseren Qualitäten davon. Verdammt, wie war mir das gleich.
Nur um meine Ruhe zu haben blaffte ich ihm den Namen des Kaffees regelrecht ins Gesicht statt ein weiteres Mal aggressiv überzureagieren. Er lächelte wieder untypisch und deutete auf die Verpackung im Regal.
Daher also hatte er gewusst, woher das Gebräu stammte.
Ich dachte endlich wieder zufrieden meinen Kopf auf meine Hände legen zu können, doch da war immer noch das leise Geräusch eines Menschen, der Kaffee trank. Stumm, auch noch immer mit Wut beseelt, stand ich auf, ging ins Wohnzimmer und ließ mich aufs Sofa fallen. Dorthin würde er mir ja wohl nicht folgen, so unverschämt würde selbst er um diese Zeit kaum sein können.

Wie sollte ich mich täuschen. Natürlich ließ er mich nicht allein; Schlimmer noch, er drehte das Fernsehgerät an und suchte irgendeinen Nachrichtensender. Fast als wüsste er, was ich dachte, was ich im Moment am allerwenigsten brauchte.
Lange versuchte ich einfach nicht zu reagieren, ihn so glauben zu lassen, dass es mir egal war, doch dann kochte ich neuerlich über. Es war immerhin meine Wohnung, früh am Morgen und ich hatte ihn nicht hergebeten, nicht hereingelassen.
Wieder ließ er alles scheinbar gelassen über sich ergehen, bis mich dies verwirrte und ich deswegen innehielt. Wie konnte er ob all meiner Regungen derart Ruhig sein? Ich dachte gleich noch mehr durch sein Schweigen gereizt zu werden, als der Hammer endgültig fiel.
„Glauben Sie bloß nicht, ich sei Ihretwegen gekommen.”, hatte er ruhig gesprochen, mich nicht weiter beachtend sondern sich einer Nachrichtensprecherin zuwendend, die von irgendwas berichtete, dass mich nicht im Mindesten interessierte.
„Dann gehen Sie!”, forderte ich ihn am Ende meines guten Willens nun schon zum vierten Mal auf.
„Das kann ich nicht”, kam die schlichte Antwort, die mir die Fassung nahm. Stumm blickte ich ihn einfach nur an, hörte schließlich für Sekunden die lästige, berichterstattende Stimme kaum, ehe ihr Ton mir wieder im Schädel hallte.
Er machte den Apparat endlich aus. Ich blieb fassungslos. Er trank den Kaffee aus. Ich blieb fassungslos. Er stand auf, ging auf die Treppe zu, die in meinen privateren Bereich führte, ich blieb fassungslos.
Erst das metallene Geräusch des Gerüstes, angeschlagen durch seine Schuhe, rief mich wieder zurück, ich sprang ihm nach, meinte, dass er dort nichts zu suchen hätte, doch es schien ihn nicht zu kümmern.
Fast direkt fand er mein Schlafzimmer, suchte dort einen Stapel Klamotten raus, suchte das Bad auf und legte sie darin ab, einzig einen kurzen Kommentar in der Art, dass ich mich jetzt herzurichten hätte, abgebend. Wäre ich nicht zuvor schon mehrfach an die Decke gegangen, so wäre ich es sicher jetzt, doch nun, da es anders gewesen war, konnte ich nicht. Wie in Trance trat ich ins Bad, hörte wie er hinter mir die Tür zuzog und mich mir selbst überließ. Ich setzte mich auf die Toilette.
Nun, kaum dass die Tür geschlossen war, dachte ich wieder nach. Sollte ich der Anweisung wirklich Folge leisten? Viele Gedanken kreisten darum, bis schließlich ein einziger, letzter Form annahm. Wenn nicht ich, dann er. Und ihn stufte ich dazu durchaus als in der Lage ein, wenn sein Motiv nur das richtige war. Diese Schmach aber wollte ich mir nun doch nicht antun.
Mürrisch stand ich auf, wusch mich, schlüpfte schließlich in die von ihm herausgesuchten Kleider und blieb dann erst lange unentschlossen stehen, ehe ich doch die Tür wieder aufzog.
Irgendwie musste er einen Teil in mir reaktiviert haben, mich zumindest neugierig werden lassen haben. Jedenfalls war ich durch sein bisheriges Auftreten äußerst verwirrt worden. Er schien darüber erfreut, vielleicht aber galt seine leicht durchscheinende Freude auch mehr dem Erfolg seiner Kleiderwahl. Es war mir irgendwo zu gleichgültig, als dass ich länger darüber nachgedacht hatte.
Abwartend, dass ich das Bad von alleine verließ, lehnte er sich an das schwarze Geländer. Und wirklich, ich tat es und sah ihn fast fragend an. Er ging die Treppen hinunter, setzte sich in die Küche und wartete, dass ich es ihm gleich tat.
„Besser”, kommentierte er. Besser? Mein Blick dürfte etwas undefiniertes gewesen sein. Besser? Was meinte er mit ‚Besser’?
„Und nun, was ist los mit Ihnen?”, fragte er schließlich, in einem auf Antwort wartenden Tonfall der fast schon der eines Verhöres hätte sein können, wäre die freundliche Note nicht darunter gemischt gewesen.
Eine Antwort darauf aber konnte er doch nun wirklich nicht allen ernstes von mir erwarten. Immerhin war er ein Mann und ich... ja ich war es auch. Dies hier war kein Vater-Sohn-Gespräch.
Nein, er war gewissermaßen ein unmittelbarer Vorgesetzter; Ich war ihm in einigen Dingen zwar gleichberechtigt, doch er konnte mir gewisse Befehle erteilen.
In der Arbeit.
Doch ich war nicht im Dienst. Nein ich war hier zu Hause und wollte doch nur meine Ruhe.
Er sah, dass ich nicht antworten wollte, schien darüber auch keineswegs erzürnt, stattdessen, ja stattdessen stellte er eine Frage, die alles andere seit seinem Besuchsantritt in alle Winde schlug.
„Würden Sie auch in meinem Fall so handeln, wie Sie es in ihrem Falle taten?”

Ich glaubte, ja hoffte ihn nicht zu verstehen, doch nur zu schnell fand mein Geist eine Antwort, die mir nicht gefallen wollte. Es würde erklären, weswegen er hier war, sich wie zu Hause aufführte.
„Ich... ich verstehe nicht”, brachte ich jedoch schließlich stockend hervor, als er fast schon ungeduldig wirkte.
„Sie verstehen genau. Deswegen sitzen Sie doch hier, schwelgen in Ihren eigenen Gedanken und versuchen sich so einen Frieden aufzubauen, den es so nicht länger gibt”, erklärte er und ich konnte nur meinen Kopf senken.
‚Er weiß es’, schoss es mir siedend heiß durch den Kopf, wobei es mir aber auch gleich wieder so gleichgültig wie alles in den letzten Tagen war. Was machte es schon für einen Unterschied? Keinen, keinen wesentlichen.
Ich sagte nichts. Wunderte mich nur allmählich, warum ich dann noch leben sollte und sah ihm schließlich wieder wie zu beginn direkt in die Augen. „Sie verstehen mich nicht”, wollte ich ihm ins Gesicht sagen, doch verstummten die Worte in meiner Kehle. „Lassen Sie mich in Ruhe”, wollte ich stattdessen sagen, doch brachte ich auch hier keinen Laut heraus.
Der Typ hatte mich am Haken. Es gab kein Entkommen und doch war mir dies egal. Noch am Tisch sitzend schreckte mich dieser letzte Gedanke selbst.

„ ‚Wann immer du nicht weiter weißt, mein Sohn, so blicke hinauf zum Himmel und ich werde dir wie ein strahlender Stern sein’ ”, wiederholte er bekannte Worte in ihrem Tonfall, „Dies waren ihre Worte an Sie.” Ich erschrak, ließ mir jedoch nichts anmerken, sondern blickte ihn nur so unverwandt wie es mir möglich war an. Ja, er musste es wissen, musste wissen, wer ich, Liam, war.
Dann stand er auf, streckte seinen rechten Arm. Ich glaubte schon nun wäre es endlich soweit, aber nein, ich irrte. Irrte einmal mehr in dieser Nacht.
Er nahm meinen Arm, zog mich hoch und ließ mich erst vor meinen Schuhen wieder los.
Ich sollte diese anziehen. Dann führte er mich vor die Tür. Ich wollte erst nicht folgen, doch hatte ich letztendlich keine Wahl, er würde mich doch sowieso über die Schwelle zerren, wenn ich nicht kommen sollte.
Dann gingen wir hinaus. Hinaus in den Hinterhof. Er blieb einfach stehen. Ich verstand nicht. Sah ihn nur wütend und undefinierbar an.
Er hatte meine Ruhe gestört. Stärker noch als alle anderen.
Doch wie stark er dies getan hatte, sollte mir erst später bewusst werden, denn irgendwann blickte ich gen Himmel und sah sie. Sah die vielen kleinen Sterne, die selbst die Kraft hatten, durch die Lichter der Stadt bis hier in den kleinen Hinterhof hinab ihr Licht zu entsenden. In Gedanken brach ich ein, sank auf die Knie und weinte.
Ich weiß es geschah nur dort und doch glaubte ich in jenen Augenblicken, dass ich es wirklich tat. Vergessen war da, dass ich nicht allein, nicht für mich war. Minutenlang blickte ich nur in den Himmel hinauf während meine Seele weinte.
Dann erst blickte ich wieder zu meinem Besucher, den ich zuerst nur als Störenfried betrachten konnte, ich sagte nichts, ging nur einfach an ihm vorbei, zurück ins Haus. Er folgte nicht, so dass ich ihn rufen musste. Gerade als ich ihn fragen wollte, woher er dies wusste, sprach er: „Ich war nie Ihretwegen hier, vergessen Sie das nicht.” Ich war verwirrt und so kam es, dass er wiederum die Führung übernahm. Zusammen gingen wir in unsern Mänteln auf dem Gehsteig die Straße entlang und mit jedem Schritt entkam ich mehr meinem eigenen Gefängnis bis ich schließlich in der Lage war zu fragen: „Was ist mit Da'an?”
Da erst weihte er mich auch darin ein. Und all die Gedanken waren weg.
Ich hatte meine Zeit, hatte meine Trauer doch nun musste es weitergehen. Die Welt würde nicht auf mich warten. Da'an würde es nicht können.
Das Portal riss meinen Besucher und mich mit sich und gab mir damit den letzten Stoß zurück ins Leben. „Danke”, murmelte ich noch kurz bevor die Reise beendet war, so dass er es nicht hören würde können, ehe wir in der Botschaft standen.

„Major Liam Kincaid. Es ist gut, dass Sie zurück sind. Ich sehe, Agent Ronald Sandoval konnte Sie doch ausfindig machen”, waren die Worte, die mich mit freundlichem und diplomatischen Unterton willkommen hießen, „Ich werde Ihre Dienste für einige Tage in Anspruch nehmen müssen, da eine internationale Konferenz stattfinden wird. Näheres werden Sie von Agent Sandoval erfahren.”
Da blickte ich hinaus auf die Stadt und sah die Dämmerung einkehren. Es war mir nicht bewusst gewesen, wie lange ich durch die Straßen gegangen war, bevor ich hier ankam.
Doch wirklich irritiert war ich erst, als Agent Ronald Sandoval eben erst den Raum hinter uns betreten haben musste und mich dort knapp begrüßte, ebenso wie er den Companion Sekunden zuvor gegrüßt hatte.

 

ENDE

 

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