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  „Phönix” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   März 2017
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema: Mabel steht einem unerwarteten misstrauischen Gast gegenüber, die Folgen sind weitreichend.
Zeitpunkt: zugleich und direkt anschließend
Charaktere: Mabel, Renee, Liam, Ga'hil, (Ronald, Harmony, Zoriel, William, Louise, [Aby, Farrell, Street, Augur, Lil, Jarya, Laurie, Jill, Vorjak])
 

 

PHÖNIX

Kapitel 8 - Reflexion II

 

„Sha'bra!” Zoriel hob eilig ihre Hände über den Kopf und musterte die Frau, die mit beängstigender Entschlossenheit ihre Waffe genau auf die Atavus gerichtet hielt.
Renee Federova - aber wann war sie so unheimlich gealtert? Und warum hatte sie unter der Kirche auf die Gruppe gewartet?
„Tun Sie ihr nichts!”, rief Janie und sprang vor Zoriel, Renee trat einen Schritt zur Seite und zielte an ihr vorbei weiterhin auf die Atavus. „Bitte!”
„Was geht hier vor?”
„Wie, was geht hier vor?”, fragte Mabel irritiert nach, „Wir haben hier einen Kranken und Sie hindern ...” Hindern, ja - Renee zielte jetzt auf sie und blickte streng. „Mrs. Federova, bitte, sonst haben wir hier wirklich ein Problem.”
Zoriel straffte sich, streckte sich etwas durch (offenbar alles schon gut verheilt) und blickte zu Mabel: Ja, sie war bereit.
Sie haben ein Problem!”, wurde Renee derweil laut.

Die Latina beobachtete Zoriel, die ihre Hände langsam senkte - und dann ihren Oberarm antippte und verschwand. Renee wirbelte erschrocken herum, fand kein Ziel ... und hatte eine blau glühende Hand am Hals, als die Atavus wieder sichtbar wurde.
„Waffe weg!” Renee ließ ihre Waffe gehorsam fallen. „Janie, zweite Tür links, hol eine Decke und ein Kissen”, fuhr Zoriel fort, „Mabel, hast du Empfang?”
Mabel zückte ihr Global und öffnete es. „Ja, habe ich, aber begrenzt.” Sie wandte sich um, als sich das Portal wieder aktivierte - William stolperte heraus und brachten einen Schwerverletzten mit. „Ron!” Sie ließ ihr Global fallen und fiel neben ihrem Ehemann auf die Knie. Ihm durfte doch nichts passieren! „Ron ... Ron, verdammt, was ...” Sie tastete über seinen geschundenen Körper und riss das zerfetzte Hemd auf. „Das war ein Atavus! Will, haben Sie ...”
„Nichts gesehen, nur auf die Birne bekommen.” Er wies fahrig auf seine Beule und lief dann zu einem Schrank, aus dem er Verbandsmaterial brachte. „Hier, kümmern Sie sich um ihn, ich rufe Dr. Muldoon an.”
Mabel griff nach einem Druckverband und korrigierte: „Lil. Sie landen bei Lil, alles andere ist gesperrt.” Will rief also Lil an, während die Latina Ron so gut einwickelte, wie sie konnte, und Janie Liam aufs Sofa bettete.
„Was geht hier vor?”, wiederholte Renee ihre Frage vorsichtig, um Zoriel nicht zu reizen, „Boone, was ist hier los?”
„Warten Sie auf den Arzt, Mrs. Federova”, würgte Will sie ab.

„Warum zum Henker Federova? Ich heiße Renee Palmer!”

Mabel ignorierte das verwirrende Gebaren der Blonden, versuchte vergeblich ihre Tränen zurückzudrängen und drückte Rons Hand. Er lebte, sein Herz schlug, er atmete, aber seine Haut war kalt und blass. Es verging zu viel Zeit, viel zu viel Zeit - und doch waren es keine fünf Minuten, bis sich das Portal aktivierte und Lou mit ihrem Notfallkoffer erschien.
„Wo ist Ni'jeg?”, fragte Will.
Louise hockte sich nieder und klebte allerlei Elektronik an Rons Stirn. „Beschäftigt”, sagte sie, „Jae'yal sollte gleich da sein.” Das stimmte. Unter allgemeinem Staunen erschienen erst ein Lichtpunkt und dann die verschneite, sich schüttelnde Kimerahybridin. Lou warf ihr einen leeren Blutbeutel zu, wies auf Janie und Liam und zog ein knappes Grinsen. „Du weißt ja, wie eine Blutspende geht.”
„Ja, aber ich mache es anders”, murmelte Harmony, löste die Fassade ihres Armes auf und stach direkt die Arterie an. Innerhalb von kaum einer halben Minute war der Beutel voll und die Hybridin führte den fliegenden Wechsel durch und hängte ihren Vater an den Tropf.
„William, hierher mit Ihnen”, wies Lou an, „Mabel, hol dir einen Kaffee und ein Taschentuch, ich kann hier keinen Assistenten brauchen, der sein Sichtfeld vollheult. Jae'yal, eine geerbte Biologin wäre mir schon recht, wenn du gerade kannst. Pinzette bitte, hier ist ein Stück Hemd reingeraten.”

Mabel wollte nicht weg ... aber sie fügte sich, stemmte sich hoch, wischte sich kurz über die Augen und schlurfte schniefend in die Küche. Wie ein Roboter bediente sie die Espressomaschine, stellte eine Tasse unter und griff dann in eine Schublade nach einem Löffel und in eine andere nach einem Taschentuch. Es durfte Ron nichts passieren! Er durfte sie doch nicht allein lassen!
„Jae'yal, hierher, sonst stirbt er mir weg!” Mabel fühlte die Kälte durch ihren Körper kriechen, ihre Espressotasse zersprang am Boden. „Mach mir den Defi - hier und hier. Gut, los! Schön, Puls ist wieder da. Vernäht ist alles, ich hätte gerne noch ein bisschen Blut für ihn - William, bitte auf ihn aufpassen, ich sehe nach dem anderen Patienten.”
Die Latina entfaltete konzentriert ihr Taschentuch und schnäuzte kräftig. Was für eine abgebrühte Ärztin ... wie konnte Lou den drohenden Tod so trocken kommentieren? Waren alle Ärzte so?

Louise setzte sich auf den Rand des Sofas, leuchtete kurz in Liams Augen, blickte auf ihr Global, tastete über seine Stirn und seinen Hals ... und dann lächelte sie. „Er packt es, er ist eine Kämpfernatur.”
„Ronny auch!”, sagte Harmony heftig nickend, während sie ihrem Großvater den eben befüllten zweiten Blutbeutel anhängte, „Er wird wieder - ich weiß das, Mum hat Biologie studiert.”
Wenn diese junge Frau das sagte, musste Mabel sich keine Sorgen mehr machen - sie entsorgte das Taschentuch, hob Renees Waffe auf und entlastete somit Zoriel. „Mit dir alles in Ordnung?”, fragte sie diese.
„Ich bin froh um meine Tarnvorrichtung, sonst stünde ich hier in zerfetztem und verbranntem grünem Riffelgummi, aber mir geht es gut.” Die Atavus streckte sich und spazierte zu Harmony. „Da du hier bist ... geht es Dad gut?”
„Ja, ich habe das Portalchaos problemlos geordnet und das Shuttle müsste inzwischen sogar bei der Atavus-Zentrale sein.”
„Auja, erweckte Atavus aufmischen!” Zoriel grinste breit und sprang Richtung Portal - weit kam sie nicht.
„Stooop!” Lou hielt sie am Ärmel fest und hatte mit einem Mal ein Stück grünes Gummi in der Hand. „Du bleibst mir schön hier und hilfst mir, meine Schützlinge nach Clearwater zu bringen.”
„Die beiden gehören in ein Krankenhaus!”, protestierte Zoriel.
Louise hüstelte nur leise und wies auf Ron, der sich schon wieder etwas regte. „Kimerablut, schnelle Heilung, na?” Die Atavus rollte mit den Augen und seufzte, aber sie gab nach und programmierte Clearwater als Ziel. „Da Kural ein paar andere Schützlinge hat, müssen wir halt die Kochmütze nehmen. Ist sogar ein kleines bisschen näher beim Portal”, erklärte die Ärztin, „Wie gesagt: Die beiden packen es. Keine Sorge.”

Renee verhielt sich derweil ruhig, aber sie war aufmerksam - und sie beobachtete vor allem William. Warum ausgerechnet ihn? Warum hatte sie ihn Boone genannt?
Warum behauptete sie, Palmer zu heißen?
„Mabel, er ist wach!” Lou winkte - und Will eilte schon, der Latina ihre Aufgabe, auf Renee aufzupassen, abzunehmen.
„Boone, was ist hier los?”, wisperte die Blonde.
„Die Frage stelle ich Ihnen! Sie verhalten sich merkwürdig!”

Mabel kniete jetzt neben ihrem Mann nieder und griff nach seinen Händen. „Ron! Wie fühlst du dich?”
Er lächelte schwach. „Murphy liebt mich ...” Was? „Sie hat mich ... aufgespießt”, flüsterte er, „und dann hat sie sich halb aufgelöst, wie du damals. Ich ... lebe ...”
„Du lebst, ja.” Sie küsste ihn. „Ich hatte solche Angst ... ich will das nicht wieder durchmachen ...” Nein, sie wollte nicht wieder einen Ehemann verlieren! Die Erinnerung an Jasons Tod lastete schwer - obwohl er irgendwie noch da war, in Ron.
„Boone ... Will, ich dachte, du wärst tot”, sagte Renee, „Ra'jel behauptete es ... aber Ra'jel hat uns belogen, er ist einfach genau wie all die anderen Taelons.”
Ra'jel?”, kam verdutzt von Zoriel, „Woher kennen Sie den Schuft denn?”

In Mabels Verstand rutschten die Teile an ihren Platz: „Natürlich! Das ist es!”
„Und was?”, fragte Zoriel.
Mabel richtete sich auf und musterte Renee. „Sie sind im falschen Universum! Ist noch jemand bei Ihnen?”
„Im falschen Universum?”, brauste die Blonde auf, „Das ist lächerlich!”
William legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ruhig. Nur ein Rätsel zu lösen.” Im nächsten Moment lag er ächzend auf dem Rücken und Renee zielte auf Harmony.
„Nur zu! Schießen Sie!”, fauchte jene, „Los! Versuchen Sie sich an einer Kimera!” Und dazu leuchteten ihre Hände bedrohlich orangerot. Renee schoss tatsächlich - Harmony leuchtete kurz grünweiß auf, dann schoss sie zurück und die Blonde lag neben Will. „Können wir jetzt nach Clearwater?”, fragte die Hybridin mit einer deutlich hörbaren Portion Ärger.
„Ja”, sagte Louise schnell, „ja, natürlich.” Sie blickte sich um und sortierte die Gesellschaft.
William (der erfreulicherweise keine Rückenschmerzen hatte) durfte Liam tragen, Mabel und Lou trugen Ron. Janie hielt die beiden Blutbeutel an den ausgestreckten Armen ganz weit nach oben - und Zoriel und Harmony trugen Renee.

Einige Minuten später lag Renee, immer noch bewusstlos, auf einigen am Boden aufgereihten dunkelgrünen Sitzkissen, während Ron und Liam sich in je eine zusätzlich gepolsterte Ecke der U-förmigen Eckbank kuschelten - die Blutbeutel hingen anstatt zweier Landschaftsbilder oberhalb an der Wand. Laurie tischte Schweinebraten und Krautsalat auf und setzte sich neugierig dazu.
„Also - im falschen Universum?”, fragte Zoriel schließlich.
„Seht sie doch an”, Mabel wies auf die Bewusstlose, „Sie ist nicht verjüngt! So schnell altert man nicht. Außerdem wusste sie nichts mit dir und Jae'yal anzufangen und nannte William bei seinem alten Namen.”
„Und”, ergriff Ron mühsam das Wort, „sie hat keine Krallen ... die andere Renee schon.” Er zerrte etwas am Verband, woran ihn Lou möglichst hinderte.
Liam klappte den Mund auf. „Das war Renee? Aber ... warum?” Sein Vater zuckte nur mit den Schultern.
„Die Atavus haben eine Art Gemeinwesen, sagt Kural”, mischte sich Louise ein, „und die unechten Hybriden stecken auch drin - dürfte also wohl eine ähnliche Wirkung wie ein CVI haben.” Sie aß einen Bissen. „Kural hat auch den Kristall aus England repariert - er meinte, dass nicht so übel sein kann, was von Ma'el stammt.”
„Und?”
„Kein Atavus-Gemeinwesen mehr für unsere drei Schützlinge”, sagte sie, „Sie hängen jetzt im Taelon-Gemeinwesen.”
„Und das ist besser?”, zweifelte Zoriel, „Ich meine, ich weiß, was es aus Zo'or gemacht hat ...”
„Damals, als es noch die Pressform war”, relativierte Harmony, „Das ist jetzt ja nicht mehr so - bedenke die ganzen jungen Taelons! Und erst die echten Hybriden, die auch reinkönnen! Über tausend sind es schon.”
„Also sollte ich mal wieder reingucken?”, fragte die Atavus, „Wobei ich eigentlich nur froh bin, es nicht zu brauchen.” Sie fuchtelte mit ihrer Gabel. „Aber das Atavus-Gemeinwesen erklärt wenigstens, warum Ra'jel ohne Taelon-Gemeinwesen auskam, ohne zu einem Atavus ... äh, also, ohne zu einem getrennten Atavus zu werden.”

„Moment bitte”, Liam hob eine Hand, „Wer ist Ra'jel?”
„Nun ...” Mabel runzelte kurz die Stirn und blickte zu Zoriel. „Er war ein verurteilter Taelon-Usurpator in Atavus-Gestalt - Zoriel, Damien und Lettice haben ihn umgebracht, als er einen Wirtswechsel versuchte. Habe ich das richtig erklärt?”
„Ja, fehlt nur noch, dass er vor sieben Millionen Jahren abgehauen ist, als er bestraft werden sollte.”
„Usurpator, na sauber.” Harmony lehnte sich zurück. „Das mit der Atavus-Gestalt ist mir klar, aber ... wie soll das mit dem Wirtswechsel gehen?”
Schulterzucken von Zoriel. „Ich habe keinen Schimmer. Ra'jel meinte allerdings, ich sollte das auch können ... wobei er mich nicht als vereinigte Atavus sah, sondern als Taelon im Halbjaridiankörper. Er glaubte mir ja auch nicht, dass ich mich an Ariels Leben erinnern kann.”
Mabel hob verdutzt ihre Brauen. „Er wusste, wer du bist und hat dich nicht verraten?”
„Es hat seinen Plan wohl zunächst nicht gestört.”
„Und was war sein Plan?”, fragte Ron.
„Er wollte die Atavus im Atavus-Schiff als Wirtskörper für die Taelons nutzen”, erklärte Zoriel, „Energieprobleme hat ein Taelon im Atavuskörper nämlich keine, dank der Krallen.”

Liam ließ seine Gabel fallen und starrte sie entgeistert an. „Atavus-Schiff? Wie viele Atavus?”

Sie biss sich kurz auf die Lippen und seufzte leise. „Millionen, aber wenigstens in Stasis.”
„Wenn die alle aufwachen sitzen wir tief in der Tinte”, fasste Ron zusammen, „Wir sollten das tunlichst vermeiden und das Schiff vor ihnen finden. Sie suchen doch danach, oder?” Zoriel nickte. „Und sie haben die Mittel von Doors International und das Staatsbudget von Rostok”, fuhr er fort, „Außerdem ist mir jetzt auch absolut klar, warum Federov so erpicht darauf war, unsere Situation zu kennen. Das hätte verdammte Probleme geben können, wenn wir ihm von deinem verdeckten Einsatz erzählt hätten.”

Mabel hörte nur mit einem Ohr zu und beobachtete derweil Renee. Irgendetwas sagte ihr, dass die Blonde wach war und lauschte. Wie kam sie darauf? Harmonys Shaqarava verfrachtete üblicherweise recht zuverlässig und langzeitig ins Traumland, aber bei Renee stimmte irgendetwas nicht.
Sie war doch nicht auch eine Atavus-Hybridin? Wie konnte man die erkennen, wenn sie nicht gerade ihre Krallen zeigten?
Vielleicht am scheinbaren Alter? Dann war diese Renee jedenfalls keine.

Laurie zeigte nun Janie den Weg in den Wohnbereich der Familie Tate und kam grinsend zurück: „Zwei Teenies am zocken. Hey, Aby, komm rein! Warte, ich hole dir einen Braten.” Und schon war sie wieder weg.

Aby schlurfte derweil herein, ihr Äußeres wirkte eher ungepflegt, ihre Haare klebrig. Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und sah sich um - und blieb mit einem reichlich erstaunten Blick an Liam hängen. „Warum sagst du denn nichts? Du hast deine Gestalt wieder und sitzt hier nur rum, statt mir aus dem Kokon zu helfen?”
Sein Blick war mindestens genauso erstaunt, aber Ron löste die beiderseitige Verwirrung auf. „Aby, die Atavuswaffe hat ihn in zwei Personen, einen Menschen und einen Kimera, gespalten”, erklärte er, „Sohn, dein anderes Ich hat Aby versehentlich in einen Kokon eingepackt, und jetzt wohl eine neue Gestalt übernommen.”
Daraufhin erklang synchron ein verstehendes „Ah!” von beiden, bevor sie zu einem besorgten Blick überging. „Wo warst du?”
Liam seufzte leise. „Gefangen.”
„Bei den Atavus? Was haben die dir nur angetan? Wenigstens haben sie dich nicht umgebracht ...”
„Nur beinahe ...”, er verzog das Gesicht, „und die verdammte Blutkrankheit hätte mir auch noch fast den Rest gegeben.”

Unterdessen hatte sich William so weit aufgerichtet, dass er beinahe ein ganzes Stück über der Sitzbank zu schweben schien. „Ich muss weg”, sagte er tonlos, „Ich muss zu Jill und Dominic.” Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern sprang auf und rannte mit einem Affenzahn aus „Franks Kochmütze” - und beinahe Laurie mit dem Braten sowie Farrell um.
„Hey, warum seid ihr hier und nicht in der Militärportalhalle in New York?”, erkundigte sich der junge Kimera.
Zoriel rollte mit den Augen. „Ja weiß ich deren Portalcode etwa? Broyc, das war ein Schrank von Atavus, hat uns die Portalkontrolle aufgespießt und alle Daten gelöscht - ich musste neu eingeben und mir fiel da im Eifer des Gefechts nur die Kirche ein.”
„Du warst in der Militärportalhalle, Ni'jeg?”, fragte Liam, „Warum? Das ist doch zu gefährlich!”
Der Jugendliche ließ sich seufzend auf einen Stuhl fallen. „Dad ... du, also das andere Du, und auch Jae'yal waren ja unterwegs, die Atavus aufmischen - und dann rief Lettice an, es bräuchte dringend Kimeraenergie, sie hätte da einen vergifteten Atavus.”
„Das ist gefährlich!”, wiederholte Liam und setzte sich energisch auf - bei der Gelegenheit riss sich der Blutbeutel vom Nagel und fiel neben ihm auf die Sitzbank (zum Glück war der Beutel schon leer). „Ein Atavus, Sohn, du bist alles andere als bereit für solche Gefahren!”
„Ich hab ihn doch nicht geheilt - nur dass er eben nicht gleich stirbt.”
„Er war aber wirklich äußerst kooperativ”, brachte Zoriel ein, „Wie so ein bisschen Grundenergie beim Umgang mit einem Atavus helfen kann ist schon erstaunlich.”

Renee öffnete ihre Augen - Mabel spannte sich an, bereit zu springen, und sagte: „Sie ist wach.”
„Jetzt hätte ich dann mal auch gerne eine Erklärung für Ihre Feindseligkeit”, knurrte Harmony und ließ Shaqarava glühen, „Los, packen Sie aus!”
Renee stemmte sich hoch und sah sich im Gastraum um, musterte dann jeden einzelnen, bei Ron blieb sie deutlich länger hängen als bei den anderen. Schließlich trat sie langsam und vorsichtig zum einzigen leeren Stuhl und setzte sich gemächlich. „Ronald Sandoval”, wies sie auf den Implantanten.
„Martínez”, korrigierte er hilfsbereit.
„Fein ...”, ließ Renee gepresst hören, „Wo ist William Boone?”
„Er informiert Frau und Sohn darüber, dass er noch am Leben ist”, sagte Mabel, „Er war bei den Atavus gefangen.”
„Okay.” Die Blonde sah sich noch einmal genau um und zog ihre Stirn in tiefe Runzeln - weiteres Erkennen folgte. „Abigail Franklin.”
„Kincaid”, korrigierte auch Aby.
„Kincaid?”, war Renee verdutzt, „Etwa Liam Kincaid?”
Dasselbe verhaltene Grinsen zog über die Gesichter aller Anwesenden, schließlich bestätigte Aby: „Das ist richtig, ja.”
Renee lächelte mit zusammengebissenen Zähnen. „Sie kennen ihn also sehr gut ... kennen ihn alle hier so gut?” Liam winkte ihr mit zwei Fingern freundlich zu und sie fixierte ihn. „Wer sind Sie? Sollte ich Sie kennen?”
„Wenn Sie Liam Kincaid so gut kennen, dann ja”, er schmunzelte, „Das bin nämlich ich - nur bin ich ohne westlich-blonde genetische Überlagerung.”

„Dann ändern Sie das!”, fuhr Renee ihn an.

„Kann ich nicht”, er zuckte mit den Schultern, „meine kimerianische Hälfte mischt gerade Atavus auf, ich bin derzeit nur ein Mensch. Da fällt mir ein ...” Er straffte sich und zog sich die Kanüle aus dem Arm, Lou drückte zu und hantierte mit einem Pflaster. „Jae'yal, solltest du nicht auch Atavus aufmischen gehen?”
„Vater schickt Tochter in den Kampf? Das ist ja etwas ganz Neues von dir.” Eine von Harmonys Brauen wanderte nach oben. „Aber wenn du meinst ... Zoriel, kommst du auch?”
„Einen Moment”, unterbrach Renee eisig, „Wer und was sind Sie, Zoriel?”
„Atavus”, sagte selbige grinsend, „Ich war Ariel Marquette und Zo'or. Klingelt da was?”
Definitiv, das war in Renees Gesicht genau zu sehen - bei beiden Namen. Aber die Blonde fragte etwas ganz anderes: „Wie Da'an und Balvak?”
„Da'an und wer?”, war Zoriel irritiert, „Da'an hat sich nicht vereinigt.”
„Er hat sich in den Jupiterringen versteckt dafür - und Balvak hat den Versuch nicht überlebt.”
„Es gab Zeiten, da hätte er sich verstecken müssen”, überlegte die Atavus, „aber inzwischen hätte er doch davon erzählt. Nein, das hat er in unserem Universum ganz bestimmt nicht gemacht.”
Ein schwaches Lächeln zwängte sich auf Renees Gesicht. „Was hat Da'an in diesem Universum denn so gemacht?”
„Das können die anderen erzählen”, beschloss Harmony und an Zoriels Arm, „Wir beide gehen Atavus aufmischen. Bis später.”

Renee sah ihnen misstrauisch nach, dann blickte sie wieder in die Runde und presste ihre Lippen zu einem dünnen, weißen Strich zusammen. „Ich traue Ihnen nicht.”
„Wem würden Sie denn trauen, wenn Sie mir auch nicht trauen?”, fragte Liam.
„Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie sind, wer Sie behaupten zu sein!”, sagte sie kühl, „Sie sehen ihm nicht einmal ähnlich!”
Er machte den Mund schon wieder auf, doch Mabel beeilte sich und war schneller: „Wen soll ich anrufen? James Winslow? Lettice und Ellen?” Der verständnislose Blick sprach Bände. „Okay, vielleicht Augur und Street?” Jetzt blitzte Erkennen in Renees Augen auf. Mabel rief also die beiden an und her - und die zugehörige Tochter bei der Gelegenheit gleich noch dazu.
„Das war Street”, stellte Renee verdutzt fest, als Mabels Global wieder in der Handtasche lag.
„Natürlich - oder haben Sie den Osterhasen erwartet?”

Das Misstrauen kehrte sofort in das Gesicht der Blonden zurück, Renee musterte wieder die Runde und fixierte nun Ron - und das alles andere als freundlich. Aber sie schwieg.

* * *

Wenig später kam Street breit grinsend zur Türe herein. „Hey, was macht ihr denn eigentlich hier?”, fragte sie, „General Hendrik wollte schon alles losschicken, was wir haben. Lil konnte ihn gerade noch überzeugen, dass ihr dort schon raus seid.”
„Aber ziemlich knapp”, fügte Lil hinzu und schob sich neben Laurie mit der halben Hinterbacke auf das Ende der Sitzbank.
„Wir sind auch nur knapp raus”, sagte Ron, „und nur knapp alle am Leben ... bis auf ...” Er hob seinen rechten Arm und zeigte den Verband. „Der Skrill ... hat es leider nicht geschafft.”
„Gar nicht?”, war Lil bestürzt.
„Gar nicht”, Lou schüttelte traurig den Kopf, „Jae'yal hat es auch nicht mehr geschafft, ihn in Energie umzuwandeln.” Sie rückte näher zu Ron, worauf Laurie näher zu ihr rückte und damit Lil etwas mehr Platz machte.

Mabel stand derweil auf und marschierte in den großen Gastraum, wo sie auf Augur traf, griff sich zwei Stühle und kam dann wieder zurück - und stellte ihre Last verdutzt ab: Renee war Street um den Hals gefallen.
„Okay ...”, murmelte die Mathematikerin, „Das hätte ich von Ihnen jetzt nicht gerade erwartet, aber wenn es hilft ...”
„Ich habe dich vermisst.”
„Äh ... ja, schön”, Street schob Renee von sich, „Wir kennen uns kaum, Mrs. Federova, also was zur Hölle soll das?”
„Street”, mischte sich Mabel ein, „Sie ist aus einem anderen Universum.”
„Ah!” Pause. „Echt? Cool.” Street lächelte Renee an und entschuldigte sich: „Ja, gut, vielleicht kennen wir uns ja doch ... nur halt nicht hier. Kennen wir uns gut, drüben?”
„Oh ja”, sagte die Blonde und setzte noch eine Umarmung hinterher. Street war entsprechend überrumpelt und sichtlich froh, als Augur einen weiteren Stuhl brachte und sich räusperte. „Augur!”, strahlte Renee ihn an, „Meine Güte, Sie haben ja immer noch die Glatze.”
„Glauben Sie etwa, ich fange jetzt an, mir Haare wachsen zu lassen, wenn sie schon von selber ausfallen?”, gab er zurück, „Renee ... Sie sind also aus einem anderen Universum, habe ich gehört. Was mache ich dort denn so?”
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht - ich war 25 Jahre lang nicht mehr auf der Erde.” Augur zog erst ihr, dann Street höflich den Stuhl zurecht, dann setzte er sich selbst. Auch Mabel nahm wieder Platz. „Ich war doch recht baff, als ich Mutter im lunaren Orbit sah - und dazu zwei Jaridianschiffe”, fuhr Renee fort, „also beschloss ich, mir das von einem sicheren Ort aus anzusehen. Mein Shuttle steht getarnt in der Garage unter der Kirche.”
„Mutter”, hakte Liam ein, „Warum sollte sie nicht im lunaren Orbit sein?”
„Weil ich Mutter zuletzt vor drei Wochen im Milchstraßenzentrum gesehen habe - und so schnell kann sie nicht hier sein.”

„Sie auch nicht.”
„Nein”, murmelte Renee und lehnte sich zurück, „Ich eigentlich auch nicht ...”

Fürs Erste war die Blonde offensichtlich davon überzeugt, genug von sich preisgegeben zu haben, also erzählte nun Augur von diesem Universum - allerdings war auch er relativ sparsam: Sie erfuhr nur grob, was die Öffentlichkeit wusste.
Mabel stellte nachdenklich fest, dass das doch recht viel war - und dazu kam noch, dass Renee über Liams außerirdische Art Bescheid wusste.
Laurie schubste Lil von der Sitzbank und polterte die Treppe hoch. Nachdem sie kurz in der Wohnung vorbeigeschaut hatte, machte sie noch einen kurzen Abstecher in die Küche: Es gab Bananenmuffins. „Zocken immer noch, alle beide”, war ihre Meldung, während sie die Leckereien auf den Tisch stellte.
Allerdings blieb der Großteil der Muffins übrig, denn kaum später rief Mitchell an: Das Atavus-Aufmischen war vorbei.

Die beiden Verletzten mussten hierbleiben und Augur kam seiner Aufgabe als guter Freund nach und pflegte Liam gemeinsam mit Laurie auch gegen dessen Willen. Lou und Farrell übernahmen dasselbe bei Ron, also konnte (musste) Mabel Street und Lil begleiten. Aby ordnete noch schnell ihre Erscheinung und war dann ebenfalls bereit - und Renee musste auch mit, denn in Clearwater frei herumrennen lassen wollte man sie nicht.
Lil landete auf dem Landeplatz direkt vor der Portalhalle und direkt neben Mitch, der sie freundlich begrüsste, bis er Renee sah - dann zog er seine Waffe und zielte auf die Blonde.
Dieser fielen daraufhin die Augen aus dem Kopf. „Brent? Was ...?”
Mabel drückte eilig seine Hand nach unten. „Mitch, es ist schon okay.”
„Aber sie ist ...” Er wies hinter sich auf die Halle und stutzte dann. „Ach, vergessen Sie es, Mabel. Kommt rein.” Er öffnete die Türe und ließ die fünf vorausgehen - Mabel und Street nahmen Renee zwischen sich, zur Sicherheit.

Links waren Krankenbetten mit ziemlich grauen, ziemlich fertigen Atavus aufgereiht, rechts saßen muntere, frischverbundene gepikste Menschen auf einer weiteren Reihe Betten.
General Wood deutete gegenüber den fünf Frauen einen Salut an und blieb mit dem Blick an Renee hängen, worauf sein Gesichtsausdruck entgleiste. Vorjaks Hände glühten bedrohlich auf, Frank machte ein grimmiges Gesicht und ein Atavus musterte die Neuankömmlinge überrascht.
Renee war nicht erfreut! Sie wand sich frei, stieß Mabel und Street zu Boden und hatte mit einem Mal einen rot leuchtenden Energiedolch in den Händen. Blitzschnell sprang sie auf den Atavus zu - und ihr Dolch schlitterte von seinem Fußtritt getroffen zwei Meter entfernt über den Boden.

Die gesamte Shaqarava-Spezialeinheit und die Handvoll Skrillträger wandten sich um und ihre Gespräche sowie auch jene der Befreiten verstummten auf einen Schlag. Street und Mabel wechselten einen verdutzten Blick.
Im nächsten Moment, gerade als Renee sich mit bloßen Fäusten auf ihren Gegner stürzen wollte ... veränderte sich jener: Unter grünweißem Leuchten bildete sich statt des Atavuskörpers die Fassade eines Kimera. Die Blonde verwurzelte förmlich mit dem Boden und überließ ihre gehobenen Fäuste und den Unterkiefer der Schwerkraft.

Äh ...”

„Ga'hil ist mein Name, falls Sie ihn noch nicht wissen”, sagte der Kimera.
„Wusste ich nicht”, murmelte sie perplex.
„Mabel, kommst du bitte mit?”, bat er, „Und Sie auch.” Er bedeutete Renee, voranzugehen, und sie gehorchte, wenngleich sie im Vorbeigehen Frank sehr kritisch musterte. Mabel folgte den beiden in einen abgetrennten Raum, in dem auf einem Metalltisch eine junge, blonde, tote Frau im lädierten Nobelkostüm lag: Renee.
Carlisle stand mit offenem Mund daneben. „Ähm ... ähmä ... äh also, äh ... erstaunlich!”
„Schön für Sie!” Renee setzte ein künstliches Lächeln auf, dann fragte sie unheilvoll: „Wer hat sie getötet?”
„Soweit ich informiert wurde, Agent Martínez”, murmelte der Wissenschaftler, jetzt abgelenkt durch das sich aufbauende Bild des Tomographen.
In Renees Kopf rastete hörbar ein Zahnrad ein: „Sandoval! Der verdammte ...” Sie biss sich eilig auf die Lippen, fluchte aber zweifellos stumm weiter.
„Unglaublich ...” Carlisle setzte eine Lesebrille auf und bückte sich zum Bildschirm. „Eine molekulare Verschmelzung von Metall und organischem Material ... wie ist das nur möglich?” Er wandte sich zur Leiche um und legte zwei durch den Oberkörper ragende, abgesägte Metallstangen frei.
„Was zum Henker ...”, erschrak Renee.
„Als wären sie ... was weiß ich? Hineingebeamt worden?” Er zupfte mit einer Pinzette an der Kleidung, die fest mit dem Metall verbunden war. „Unglaublich.”
Mabel wusste, was es war. „Sie hatte einen ... Anfall, ihr Körper löste sich kurzzeitig auf und materialisierte dann wieder”, erklärte sie, „Das Universum wehrt sich gegenüber einem Ungleichgewicht wie diesem: Zwei gleiche Personen.”
Carlisle hob erstaunt seinen Kopf, dann beschloss er: „Ich brauche alle Daten, die über Ihren Fall vorliegen, Mrs. Martínez.”
„Bekommen Sie”, versicherte ihm Ga'hil, „Rufen Sie Augur an, er wird sie Ihnen geben. Darf ich mir Ihre Abstellkammer ausborgen?” Carlisle machte ein verdutztes Gesicht, nickte aber, und der Kimera nahm Mabel und Renee am Arm und zog sie mit.

Die Abstellkammer war winzig und sie saßen auf kleinen Klappstühlen - aber es war auch eine Kaffeemaschine da, und zwar eine für ihre geringe Größe ziemlich gute. Ga'hil festigte die materielle Gestalt des Atavus und nahm einen Schluck. „Bah, was haben Atavus denn für verquere Geschmacksnerven?”, regte er sich dann auf, „Mir schmeckt der Kaffee nicht! Das ist doch nicht zu fassen!”
„Vielleicht besser das?” Mabel griff in eine Kiste und zog eine Flasche Grüntee-Aloe-Vera-Wellnessgetränk heraus. Fehlanzeige, es schmeckte ihm nicht - dahinter kugelte aber noch eine vergessene, verstaubte Flasche Mezachak herum, die ihm dann zusagte. „Also, was willst du sagen?”, fragte Mabel schließlich.
Ga'hil straffte sich. „Erstens: Was ist passiert? Ich meine, wieso sagt mir keiner, was überhaupt passiert ist? Ich erfahre ausgerechnet beiläufig von Carlisle ...”
Sie unterbrach ihn heftig: „Ron wär fast draufgegangen, Liam! Er hatte nicht die Gelegenheit, groß zu erzählen, was passiert ist. Ich weiß nur nicht, warum dir Harmony nichts gesagt hat, denn sie wusste immerhin das!”
„Was?”, fragte Renee.
„Dass die Renee da draußen eine unechte Atavus-Hybridin ist”, erklärte Mabel, „mit Krallen.”
„Gegen ihren Willen vereinigt”, sagte die Blonde fest, „und danach hat man kaum mehr eine Wahl.”
„Das hat Lou auch gesagt, ja, dass die Atavus ein Gemeinwesen haben, quasi auf Pressform-Art. Liam, merkst du davon etwas?”
Er schüttelte den Kopf. „Nein, aber das muss nichts heißen. Okay, kommen wir zu zweitens: Zoriel hat mir gesagt, dass ich eine zweite Hälfte habe.”
„Du bist reiner Kimera, er ist reiner Mensch”, erklärte sie, „Du wurdest von der Waffe in die Interdimension geschleudert, er blieb wohl soweit unverletzt und wurde gefangengenommen - Will übrigens auch.” Daraufhin leuchtete der Kimera kräftig auf. „Meinst du, ihr könnt wieder verschmelzen?”, fuhr sie fort, „Ich meine, du bist nicht Taelon und er ist nicht Jaridian - es gibt nicht einmal Theorien dazu!”
„Ich weiß es nicht”, seufzte Ga'hil, „aber derzeit sitze ich so nahe an der Quelle, wie es geht. Der Kerl hier”, er festigte seine Atavus-Gestalt und zeigte auf sich selbst, „heißt Cress und ist Genetiker. Von ihm stammt das Programm, mit dem die Kapseln Menschen zu unechten Hybriden machen - sie vereinigen, wie Renee sagt. Ein echter Atavus in der Kapsel ist dabei der Katalysator, der die Gene aktiviert.”

„Die Hybriden können überall sein!”, mischte sich Renee ein.
„Ja. Da finden wir aber bestimmt eine Lösung”, sagte er, „Kommen wir zu drittens: Woher kommen Sie?”

„Nun, es ist nicht so, als hätten die Universen Nummern ...”
Er schmunzelte. „Nein. Wie haben wir uns kennengelernt?”
Renee runzelte die Stirn. „Es war Ausnahmezustand und die Freiwilligen hätten Sie und Augur fast kassiert”, sagte sie, „Beantwortet das Ihre Frage?” Er nickte. „Wie war es in diesem Universum?”, wollte sie wissen.
„Genauso.” Seine Haut wurde durchscheinend. „Aber ... Sie verfluchen meinen Vater - hat er etwa nie herausgefunden, wer ich bin?”
„Nein, nie. Bis in den Tod nicht.”
Mabel seufzte leise und blickte zu Renee. „Ich nehme an, ich bin nicht mit ihm verheiratet?” Kopfschütteln. „Er hat den verdammten Imperativ also behalten ...”, murmelte sie, „Das erklärt Ihr Misstrauen - auch Frank gegenüber, richtig?”
Renee setzte wieder einmal ein künstliches Lächeln auf. „Frank Tate, der Handlanger. Tut alle schmutzige Arbeit für seinen sauberen Boss.”
„Das war einmal”, sagte Liam knapp und nahm einen Schluck Mezachak, „Als Frank klar wurde, dass der Widerstand das Rennen machen wird, hat er sich aus dem Spiel zurückgezogen.” Die Blonde hob ungläubig ihre Brauen. „Ihm wurde klar, dass ein Kimera das Rennen machen wird”, spezifizierte er daraufhin, „Sein Blick wäre ein großes Foto wert gewesen - leider hat das keiner aufgenommen.”
„Außer dir”, Mabel musste grinsen, „Zeig es mir!” Sie hielt ihm ihre Hand hin.
„Außer Vater, aber ich habe diese Erinnerung von ihm”, korrigierte er, drückte seine dagegen und schimmerte weißgrün durch die Haut. Kurz blitzte vor Mabels Augen Frank auf, am Frühstückstisch, mit einem angebissenen Schokoladehörnchen in der Hand.
Und jetzt lösch schon sein Gedächtnis, bevor er sich wieder mit dir schlägt.” - Augur.
Franks Mund klappte auf, das Schokoladehörnchen fiel aus seiner Hand auf den Teller.
Mabel fokussierte auf das, was direkt vor ihr war: Liams glühende Hand. Dahinter sein Gesicht mit reichlich frischen Schrammen und einem kaum wahrnehmbaren blassgrünen Schimmer in den Augen. Nein, sie wollte nicht zu genau wissen, was damals passiert war, sie zog energisch ihre Hand zurück.

„Alles in Ordnung, Mabel?”, fragte Liam.
Sie hob ihren Blick. „Ja, ja natürlich, ich ... Liam, er hat dich damals kräftig vermöbelt, du hast übel ausgesehen.”
Der Kimera winkte knapp ab. „Das war nicht so schlimm ... Imperativ halt.”
„Tate hatte einen Imperativ?”, fragte Renee verdutzt nach.
Mabel blinzelte irritiert und schüttelte dann den Kopf. „Oh, nein, wir reden von Ron. Die CVI-Selbstreparatur ... Liam musste sein Gedächtnis löschen, damit er ihn zurückschicken kann.”
Selbstreparatur?” Die Blonde musterte die beiden erschrocken. „Die verdammten Dinger können sich selbst reparieren?”
Ga'hil nickte knapp. „Ja”, sagte er, „Wenn ein CVI merkt, dass es beschädigt wurde, repariert es sich - und gibt meistens ein paar Monate später endgültig den Geist auf. Bei Vater hat die Zeit genügt, für ihn ein neues ohne Imperativ vorzubereiten.”
„Ah. Nun, das ist für ihn erfreulich.”
„Allerdings - was ist in Ihrem Universum aus ihm geworden?”, fragte er.
„Er ist tot.”
„Das sagten Sie schon, Renee. Was war davor?”
Sie lehnte sich etwas zurück und seufzte leise. „Sie wollen es nicht wissen ...” Wollte er wohl! - Und sein Gesichtsausdruck machte das auch sehr deutlich. „Er war Zo'ors persönlicher Handlanger, zunächst, und dann verriet er ihn an die Jaridians und an Vorjak”, erklärte sie, „Nach dem Aussterben von Taelons und Jaridians tat er sich dann mit Howlyn zusammen.” Einen Augenblick lang huschte Unsicherheit über ihre Miene, dann sagte sie fest: „Ich habe ihn getötet.”
Aussterben von Taelons und Jaridians?”, war Mabel mehr als entsetzt. Es waren so viele Taelons ... und so viele Jaridians ... „Die ganzen Kolonien? Wie ist das möglich?”
„Taelonkolonien gab es keine mehr”, schüttelte Renee den Kopf, „Jaridiankolonien ... doch, wir haben noch einige gefunden, aber ohne Grundenergie waren sie todgeweiht. Inzwischen gibt es bestenfalls noch fünfhundert Jaridiangreise und das war es.”
„Was ist mit den Taelonkindern?”, fragte der Kimera.
Die Blonde verzog das Gesicht, dass jede einzelne Falte deutlich wurde. „Ra'jel, der verdammte ... er hat uns belogen und gemeutert ... der verdammte Schweinehund.”
Liam richtete sich aufmerksam auf. „Was hat er getan?”
„Atavus in Stasis getötet und ihre Leichen mit den Kindern vereinigt.” Sie biss die Zähne zusammen. „Seitdem sind wir, also Sie, ich, Lili, Yulyn, Ariel, deren Tochter Jarya, die Jayulai sowie die restlichen Atavus in Stasis mit Mutter auf der Flucht vor Ra'jel und seiner gekaperten Jaridianflotte.”
Mabel runzelte ihre Stirn. „Jayulai?”
„Die Jaridianflotte hat den Interdimensionsantrieb?”, fragte zugleich Liam.
„Nicht nur wir sind auf der Flucht”, erklärte Renee, „Ra'jels Taelon-Atavus jagen und 55 Jayulai kamen gerade noch mit dem Leben davon. Und ja, jedes der Jaridianschiffe hat einen Interdimensionsantrieb. - Die Jayulai hatten keinen.”
„Wer sind die Jayulai?”, wiederholte Mabel.
„Flüchtlinge, Beute, ...”, sagte Renee, „und meine Freunde.”
Liam nickte knapp. „Ja, gut”, er trank den letzten Schluck Mezachak und stemmte sich hoch, „Renee, wie sind Sie in dieses Universum geraten? Mit einem Shuttle, oder?” Sie nickte. „Sagen Sie Street, wo es ist. Sie sieht sich das dann an, Lettice und Harmony sollen auch mit”, bestimmte er, „Mabel, du bringst Zoriel zu Kural - sie ist völlig fertig, gibt es aber nicht zu. Ich knöpfe mir derweil mit Frank Howlyn vor.”

* * *

So wurde es dann auch gemacht - unter energischem Protest von Seiten der vereinigten Atavus. Zoriel war unverletzt und hatte genug Energie, aber das hatte Liam ja nicht bestritten, und Kural bestritt es auch nicht. Der Arzt klopfte auffordernd auf die Untersuchungsliege und scheuchte Mabel mit der anderen Hand hinaus.
Es dauerte lange, aber Mabel wartete geduldig - abgesehen vom Abstecher zu Malleys Eiswagen. Erdbeereisschleckend lehnte sie dann an einer Straßenlaterne, als Zoriel wieder ins Freie kam.
Jetzt war der Atavus die ganze zuvor verdeckte Sorge voll anzusehen, und nur schwer kontrollierte Wut dazu. Zoriel kochte! Mabel schielte auf ihre Eistüte und war sich sicher, dass es jetzt viel schneller schmolz als vorher.

„Ich bringe ihn um, ich bringe ihn um ...”, fauchte Zoriel, „Gaaanz langsam und schmerzhaft. Ich werde ihm ... nagut, ich werde ihm die Finger abschneiden, alle zehn, mehrmals. Und die Ohren und die Nase ... und ich ...”
„Zoriel!”, unterbrach Mabel die mordlüsterne Aufzählung, „Was ist los?” Vorsichtig legte sie ihr die freie Hand auf die Schulter.
Die Atavus knurrte und fauchte noch kurz, dann atmete sie tief durch, knurrte weiter und atmete noch tiefer durch. „Tante Mabel ... weißt du, resonante Energien sind leicht mischbar ...”
„Jjjaa?”
„Als wäre ich ein Anfänger in Energiekontrolle ... ich habe ihm meine Energie entgegengedrückt, ich meine, ich wollte ihn zurückdrängen ...” Sie raufte sich die Haare. „Als ich mit ihm in Resonanz war, Tante Mabel, das hat seine Energie so aufgewirbelt, dass sie komplett durch mich durchgeschwappt ist.”
„Jjjaa?”
„Verdammt, Tante Mabel, der Mistkerl hat mich geschwängert!”
Mabel klappte ihren Mund auf. „Was?”
„Naja ...”, seufzte Zoriel, „Kural sagt, es bleibt sowieso nicht lange ... sobald das Kleine in zwei, drei Wochen anfängt, Grundenergie zu bilden, vergiftet es sich selbst.” Sie ballte die Fäuste und schlug sie gegen die sogleich wild Alarm piepsende nächstbeste Motorhaube. „Verdammter Mistkerl ... ich ... ich beende es vorher ...”
„Oh ... Zoriel ...” Mabel versuchte, der Atavus einen Arm um die Schultern zu legen, musste den Versuch aber abbrechen, um nicht ihre Eistüte zu verlieren.
„Nyavsha'bra krazakt Scheißkerl ...”, fluchte Zoriel und wurde dabei immer leiser, „verdammter ... Yash'avan, ich bringe ihn um! Und mit den Daumen fange ich an! Ich werde ihn michuriku, und zwar büschelweise!” Sie hob ihren Kopf und starrte Mabel düster an. „Du sagst es nicht weiter, versprich es!”
„Ich schweige”, beeilte sich Mabel zu sagen.
„Kural weiß es, du weißt es, Damien werde ich es sagen”, murmelte Zoriel, „und das war's, keiner sonst erfährt es.”
„Ich sage es niemandem”, sagte Mabel fest, „auch nicht Ron, keine Sorge.”

Einige Momente lang fluchte die Atavus noch weiter, dann stutzte sie. „Tante Mabel ... wie geht es ihm?”
„Sollen wir ihn besuchen?”, fragte Mabel, „Das bringt dich vielleicht auf andere Gedanken.” Zoriel wollte, also marschierten die beiden Frauen zu „Franks Kochmütze” und bis ins Hinterzimmer durch. Keiner mehr da. Dann wohl vermutlich zuhause - entweder im Hause Martínez oder in Ga'hils Haus.
Sie versuchten es in dieser Reihenfolge und wie es zu erwarten gewesen war wurden sie erst im dritten Haus, dem Hause Martínez Junior nämlich, fündig.

Liam lag auf dem himmelblauen Sofa im Wohnzimmer und schlief den Schlaf der Gerechten, das Sozialleben fand also im Esstisch-Erker der Küche statt. Ron wickelte sich gerade auf komplizierteste Art und Weise und mit tatkräftiger Unterstützung von William aus dem Verband aus und zeigte begleitet von einer möglichst beruhigenden Rede seine heile Vorderseite herum. Nur die Fäden trübten das Bild etwas, aber sie würden sich ohnehin bald auflösen, wie Lou ihm mehrmals versicherte.
„Hey, Zoriel!”, rief Corinna im Aufspringen, „Das war über eine Woche, mach mir so etwas bloß nicht nochmal! Wir sind gestorben vor Sorge!” Sie drückte die Atavus energisch. „Den nächsten verdeckten Einsatz darf deine Nichte machen!”
„Äh ... Claire?”
„Quatsch, ich meine Jae'yal.” In Anbetracht der Anwesenheit der am kleinen Küchenarbeitstisch kartenspielenden Teenager Chris, Dominic und Janie benutzte Corinna natürlich Harmonys Kimeranamen. „War es übel?”, fragte die junge Frau nach einem kurzen Moment, den sie dazu nutzte, Samtpfote Sokrates davon abzuhalten, die Polsterung der Rückenlehne zu zerkratzen. Sie verfrachtete den Kater auf Jills Schoß, wo es sofort Streicheleinheiten gab.
Zoriels Mundwinkel fielen derweil ins Bodenlose. „Eigentlich wollte ich auf andere Gedanken kommen ... Kural wollte mir sogar schon einen Wellnesstag verschreiben, der Schuft.”
„Was? Wellness ist doch toll!”, protestierte Lou, „Was hast du gegen Wellness?”
„Ach ... nichts”, winkte Zoriel ab, „Ich würde nur hinter jeder Ecke, hinter jedem rosenduftenden Vorhang und, noch schlimmer, in Sauna und Pool einen erweckten Atavus vermuten.” Einen ganz bestimmten Atavus, vermutete Mabel schwer. „Also, kein Wellness, Punkt”, beschloss die Atavus.
„Dann lass dich wenigstens gut von Laurie bekochen!”, warf Jay ein.
Sie grinste: „Dagegen habe ich nichts gesagt”, und setzte sich neben Jill, um beim Katzestreicheln mitzumachen. „Aber Sokrates ist ja auch Wellness, oder meint ihr nicht?”
Allgemeine Zustimmung aus allen Richtungen - und zufriedenes Schnurren von Sokrates. Der Kater wusste genau, wann von ihm gesprochen wurde, und genoss es.

„Mabel, was ist eigentlich jetzt mit Renee?”, wechselte Ron das Thema, „Au!” Er sah Louise böse an, die an einem herausstehenden Faden zupfte.
Mabel verzog in Vertretung etwas das Gesicht und sog die Luft ein, dann zuckte sie knapp mit den Schultern: „Ga'hil glaubt ihr soweit, aber Jae'yal passt auf sie auf - Street sieht sich das Shuttle an. Ich bin auch neugierig, was sie sonst noch sagt.”
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Vielleicht keine so gute Idee, Schatz - was ich bisher weiß, sieht ... sah es drüben nicht gerade rosig aus.”
„Du ... du kannst rübergucken?”, sie klappte ihren Mund auf, doch dann begriff sie, „Natürlich ... wie damals, als ich ... und jetzt sie, gerade während eines Anfalls ...” Sie lehnte sich mit dem Rücken an das Bücherregal und seufzte. „Wie geht es deinem Kopf? Sehr wirr da drin?”
„Ach, es geht so. Ich habe schon Erfahrung darin.” Er schlug Lou auf die Finger - sie zupfte schon wieder an einem Faden. „Jay! Sei ein lieber Sohn und leih mir ein T-Shirt, bitte! Sie zupft mich noch wahnsinnig!” Jay war ein lieber Sohn und kaum später steckte Ron in einem weißen T-Shirt mit aufgedruckter roter Ampel - Besitz des ältesten Ampel-Bruders.
„Ron?”, fragte Mabel vorsichtig, „Bitte versuch nicht, mir etwas vorzumachen. Du warst in direktem Energiekontakt mit ihr. Energiekontakt! Das ist ein anderes Kaliber als unser Händchenhalten damals.” Sie sah ihn durchdringend an. „Du wirst dein Chaos im Kopf ordnen, bevor die Erinnerungen geballt rüberschwappen! Im Gegensatz zu Jasons werden das nämlich reichlich intrigante sein!”
„Morgen”, beschloss er und lehnte sich zurück.
„Ron ...” Mabel rollte möglichst theatralisch mit den Augen. So war er eben. Aber sie hatte eine ganze Nacht Zeit, ihn davon zu überzeugen, dass er sich garantiert morgen darum kümmern würde und nicht etwa noch später. Einen Augenblick lang sah sie ihn grimmig an, dann wandte sie sich um, als der Türgong förmlich das Haus zum Wackeln brachte. Ein kurzes Nicken von Corinna später, öffnete Mabel die Türe und ließ Ga'hil, Frank und Lil ein.
Die drei Jugendlichen hielten erschrocken die Luft an - der Kimera war gerade Atavus, aber wenigstens in blassgrünem Anzug und mit ebenso blassgrünen Augen, und schlürfte an einem Riesenbecher Mezachak-Melone-Mix.
„Hey, Ga'hil!”, rief Ron, „Wohnzimmer.” Nicht nur sein Zeigefinger wies die Richtung, alle anderen am Tisch streckten ebenfalls ihre Finger aus und auch Mabel machte mit.
Der Kimera guckte verdutzt, zuckte dann mit den Schultern und machte sich auf den Weg. Mabel folgte ihm - ja, verdammt! Sie war neugierig!

Ga'hil schüttelte Liam wach, worauf dieser im ersten Moment verteidigungsbereit aufsprang. Dann, nach einem Augenblick Stille, fuhr der Mensch den Kimera an: „Was fällt dir denn ein, hier einfach als Atavus anzutanzen! Du verpasst mir ja einen Herzkasper!”
Ga'hil hob entschuldigend den Mezachak-Melone-Mix. „Materielle Nahrungsaufnahme will ich nun mal nicht missen - und notfalls mache ich dir den Defi.”
„Nein, danke - gib mir wenigstens einen Schluck.” Liam griff nach dem Becher und sog kräftig am Strohhalm, er grinste breit, während Ga'hil ihn erwartungsvoll ansah - und dann blickte Ga'hil besorgt, als Liam röchelnd zusammenklappte. „Verflixt ... Mezachak ... sag das doch ...”
„Wie denn? In Nullzeit? Setzen wir uns?” Prompt saßen sie beide und wiesen mit demselben, amüsierten Blick auf den Sessel gegenüber - Mabel nahm auch sogleich Platz. „Gabriel heißt du also, habe ich gehört.” Ga'hil zog einen Mundwinkel hoch.
„Du kannst mich gern auch Ga'hil nennen, aber dann sind nur alle verwirrt.” Liam grinste und bot seinem kimerianischen Gegenpart eine Handfläche.

Mabel hätte es sich denken können: Es war recht langweilig, einem Sharing zwischen Liam und Liam zuzusehen, auch wenn es nicht sehr lange dauerte.

* * *

Drei Stunden später trudelten dann auch Street, Harmony und Renee ein - mit ungewöhnlicher Begleitung. Mabel rieb verdutzt ihre Augen, denn die junge Frau im gelben Kleid war zwar unverkennbar Atavus, hatte aber auch angedeutete Augenbrauen und einen schwach sichtbaren Hauch von Jaridianmusterung. Die meisten Blicke schweiften sofort zu Zoriel, die ihr definitiv am ähnlichsten sah, auch wenn die taelonblauen Augen und die gräuliche Haut ganz und gar nicht passten.
„Mabel”, sagte Harmony, „darf ich dir deine Großnichte Jarya vorstellen?”
„Ähm ...”, machte Mabel, „... Atavus?”
„Ja und?”, schmollte Zoriel.
„Ariel ist Jaryas Mutter”, sagten beide Liams im Chor und Harmony und Renee nickten dazu.
„Oh.” Die vereinigte Atavus musterte ihre Tochter kurz, dann machte sie einen Satz und knallte die Haustüre hinter sich zu.

Wieder an Howlyn erinnert, definitiv ...

Jarya sah sich unsicher um und ihr Blick blieb an Mabel hängen. „Sie sind die Schwester meiner Großmutter? Und sie”, sie wies auf die Haustüre, „wer ist sie? Warum ist sie weggelaufen?”
„Zoriel ... Zo'or und Ariel ... ich weiß nicht, warum sie weggelaufen ist.”
„Renee, wieso haben Sie nichts von Jaryas Anwesenheit in diesem Universum erzählt?” - Von Liam, wieder im Chor.
„Atavus sind nicht gerne gesehen”, folgte die Blonde dieser Anweisung, „Ich habe Jarya im Shuttle gelassen und gehofft, dass sie sich auch vor Street, Jae'yal und der Taelonhybridin verstecken kann.”
„Die wichtigste Frage, Jarya”, fasste sich Mabel, „Sie können essen?” Die Halbatavus nickte fahrig. „Sehr gut - unser Kimera hat schon genug Atavus zu füttern.” Die Latina wandte sich grinsend zu den beiden Liams um.
„Ja ...”, nickten beide, „Wie geht es den dreien?”
„Licau guckt die Star-Trek-Box, Gren guckt Italowestern und Caedra metzelt mit Henry und Donovan den Sandkasten nieder”, erklärte Louise, „und keine Sorge: Vorjak, Damien und Vince passen auf die drei Knirpse auf.”

„Gren!”, machte Renee große Augen, „Sie trauen ihm doch nicht etwa? In meinem Universum hat er Street übelst ausgenutzt und beinahe umgebracht!”
„Ich nehme an, Renee, Sie haben in Ihrem Universum seinen Verbundsignalgeber nicht repariert?”
Die Blonde musterte den Liam-Chor irritiert. „Natürlich nicht, seit wann reparieren wir Atavus-Peilgeräte?”
„Hätten Sie vielleicht tun sollen - dieses wurde von Ma'el modifiziert”, erklärten Mensch und Kimera, „Es verändert den mentalen Verbund der Atavus, statt ihn nur zu verstärken.”
„Von Ma'el modifiziert?”, staunte Renee, „Aber Sie behaupten jetzt nicht, dass die Atavus plötzlich harmlos sind, hoffe ich.”
Kimera-Liam zuckte mit den Schultern, während Mensch-Liam erklärte: „Das nicht zwangsläufig - aber die drei hier kann ich ... kann er spüren”, der Mensch wies auf den Kimera, „Sie sind im Taelon-Gemeinwesen.”
„Da ich sie füttern kann, haben sie jedenfalls keinen zu dringenden Ansporn, jemanden aufzuspießen”, fügte letzterer hinzu.

„Oh, ihr redet nicht mehr Chor? Warum das denn?”, fragte Harmony, „Ich fand das cool, Dad.”
„Ach.” Der Mensch rollte mit den Augen, während der Kimera verlegen aufleuchtete. Im nächsten Moment schnellten die Hände zum Kurzsharing zusammen und der Liam-Chor fuhr fort: „Wer möchte unseren Gästen einen Schlafplatz bieten? Es ist jetzt schon langsam recht spät.”
„Können wir”, stimmte Mabel zu, „oder was meinst du, Ron?”
„Können wir, klar, Jays Zimmer ist ja sowieso ein Gästezimmer, und Pepe hat seine Studentenbude.” Er ließ sich aufhelfen und legte einen Arm um Mabel. „Morgen Frühstück in der Kochmütze?”
„Ich kann nicht”, kam begleitet von Kopfschütteln von Lou, „Ich hab eklig früh Dienst in der Notaufnahme.”
Jill konnte auch nicht: „Inventur.”
„Im August?”, war Harmony verdutzt.
„Ja, dreimal im Jahr.”

Wenigstens konnte der Rest. Nach allgemeinen Gutenachtwünschen machten sich Mabel und Ron mit Renee Palmer und Jarya Marquette im Schlepptau auf zum Spielplatz. Mit'gais versammelte Jugend, die erwachsene, adoptierte Lettice (Mi'jel) eingeschlossen, lieferte sich mit Farrell und zwei kleinen Halbjaridians eine erbitterte Wasserbombenschlacht, während Donovan, Henry und die gesuchte Caedra nicht wie angekündigt den Sandkasten niedermetzelten, sondern sich als Burg-Architekten betätigten. Damien und Vince gaben mehr oder weniger nützliche Statiktipps, Vorjak hingegen starrte düster ins Nichts - Claire drapierte sich schlafend in beinahe unmöglicher Haltung quer über seinen Körper.

„Babysitter, hmm?” Ronald grinste den Jaridian an.
„Ich bin nicht zum stillsitzen geboren”, grummelte jener, „aber wenn ich mich rühre, wacht sie auf.”
„Wo sind Cedrik und Hannah?”
Jetzt fand strahlende Freude auf das Gesicht des Jaridians. „Beim Anwalt!”
Die Katastrophenehe ging also auf ihr Ende zu.
„Wir müssen die Kleine noch baden”, würgte Mabel trotz ihrer Neugierde das beginnende Gespräch ab, „und das war gestern schon ein übles Theater. Wir wünschen gute Nacht.” Sie hockte neben dem Sandkasten nieder und radebrechte ein Lob für die Architektur, wofür sie von den Eunoia-Kundigen (zu denen offenbar auch Renee zählte) Gelächter erntete.
Was hatte sie bloß gesagt?

Es verriet ihr keiner, aber Ron schaffte es, Caedra vom Sand zu trennen, sowohl auf dem Spielplatz als auch etwas später in der Badewanne - und das alles sogar ohne Geschrei.
Es dauerte trotzdem ewig, bis auch die Gäste mit Bettwäsche und Zahnbürsten ausgestattet waren, und nach einem vergleichsweise geruhsamen Tag als Kämpferin war Mabel durch dieses Durcheinander doch noch so kaputt, dass sie ohne Abendgespräch einschlief.

 

Ende von Kapitel 8

 

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