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  „Phönix” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema: Zoriel sitzt in der Atavus-Zentrale im Funkloch und sucht einen Weg, die Außenwelt zu kontaktieren.
Zeitpunkt: direkt anschließend
Charaktere: Zoriel, Howlyn, (Juda, Rallyn, Liam, [Draanim, gefangene Menschen, Ronald, Mabel, Alice, Damien])
 

 

PHÖNIX

Kapitel 6: Lebenslinien III

 

Was für eine schöne Patsche - keineswegs ließ Zoriel das auf sich sitzen! Die vereinigte Atavus schloss kurz ihre Augen und atmete tief durch, dann sagte sie fest: „Juda lebt und in zwei Wochen kann viel passieren - und du hast mich nicht, Melue!” Sie stieß ihre Kontrahentin rückwärts gegen die Wand, griff nach ihrem Arm und schleuderte sie zu Boden. „Fass mich noch einmal an und du bist tot!”
Howlyn musterte den toten Kraydis, dann Melue, schließlich blickte er zu Zoriel und gönnte ihr ein Fauchen, bevor er sich aufrichtete und den Raum verließ. Melue hastete ihm nach, während Licau bei ihrem Vater blieb und seufzend neben ihm niederkniete.
Er war nicht ihr Vater, er war nur jemand, der von genau dem umgebracht worden war, den er töten hatte wollen. Zoriel bedauerte ihn nicht - aber Licau würde ihn bedauern und ihn vermissen. Wie es der jungen Atavus wohl ging?

Zoriel schob den Gedanken weg und stand wieder auf. Sie ließ Kraydis liegen und folgte Howlyn und Melue, die diesen umschwärmte und dafür von seinen Blicken ausgezogen wurde. „Howlyn!”, rief Zoriel (es folgte ein Fauchen von ihm), „Erklär mir, wie er es gemacht haben soll! Nur ein Hybrid kann Grundenergie tragen!”
„Licau, du wagst viel!”, gab Howlyn zurück, „Außerdem können Hybriden hier nicht herein - sie haben ihre eigenen Vorräte.”
„Wie sollte mein Vater Grundenergie getragen haben?”, fauchte Zoriel ihn an, „Und wie konntest du dann seine Energie berühren, ohne dich zu vergiften, Howlyn?” Sie umkreiste ihn langsam. „Du hast ihn nie verdächtigt, er war dir nur lästig”, stellte sie fest und zog ein Grinsen, „Ist es nicht so?”
Howlyn hob die Oberlippe und packte die Atavus am Hals (wenigstens war es nicht unangenehmer als bei Liam). „Er wollte mich töten, ich kam ihm zuvor - willst du mich auch töten?”
„Wozu?” Sie umfasste seinen Unterarm und bereitete sich vor, ihm falls nötig einen kapitalen Gewebeschaden zu verpassen.

„Macht, Respekt, Energie, ... was davon ist es bei dir, Licau?”
„Ich habe genug Energie”, sagte sie, „Macht könnte ich noch nicht halten, Respekt hätte ich nur von einem Toten. Ich sehe keinen Grund, dich umzubringen, Howlyn.” Er ließ sie los und musterte sie. „Sieh dich vor mächtigeren Leuten vor - solche wie ich haben durch deinen Tod nichts zu gewinnen.”
„Noch nicht”, knurrte er.

Sie lächelte ihn unschuldig an und bestätigte es: „Noch nicht.” Sie zog einen Mundwinkel hoch und ließ Howlyn und Melue wieder alleine.

* * *

Macht, Respekt, Energie.
Nichts davon war Zoriels Problem. Sie hatte genug Energie, wenngleich sie jede Nacht zu den Vorräten (den richtigen Nahrungsvorräten!) schleichen musste, um sich vier bis fünf Sandwiches einzuverleiben. Sie hatte sich den Respekt so einiger Atavus erarbeitet - den Respekt der Männer, von den Frauen bekam sie nur Eifersucht, aber Frauen waren deutlich in der Minderzahl.
Und Zoriel hatte Macht!

Sie hatte Howlyns schnellen Wechsel der Gefährtin der abgelegten, kranken Juda mitgeteilt und nun deren treueste Untergebene auf ihrer Seite.
Ränkespielchen wie zu Zo'ors Zeiten als Synodenführer - die vereinigte Atavus hatte nicht zu knapp Erfahrung darin. Sie hatte fast ein bisschen Spass daran, allerdings taten ihr dann immer wieder die Menschen leid, die sie piksen musste - Liam und Will waren noch drei Tage tabu mit den frischen Verbänden (nicht dass Zoriel Liam und Will das antun wollte, aber die beiden könnte sie wenigstens zuvor per Shaqarava betäuben).
Immer wieder beobachtete die Atavus die Menschen von der Galerie aus, vermisste Clearwater und verfluchte ihr Global und das Funkloch. Sie wusste nicht, ob die anderen Atavus es bemerkten, aber ein vielleicht vierzehn Jahre altes Mädchen namens Janie wurde geschont - andere Menschen boten sich an ihrer statt zum Krallenpiks an und sie erhielt auch mal hier ein halbes Sandwich, mal dort einen Rest Kartoffelsalat.

Und Liam hieß hier offenbar Gabriel und verbreitete nicht zu knapp Hoffnung mit seinem unkaputtbaren Gemüt.

Zoriel sah davon ab, mehr Grundenergie zu verteilen. Sollten doch alle glauben, Kraydis wäre es gewesen - Howlyn tat das zwar bestimmt nicht, aber solange sich diesbezüglich nichts weiter tat, blieb er einfach bei seiner Aussage. Außerdem hatte die vereinigte Atavus auch nicht unbegrenzt Energie zur Verfügung und sie wollte auch nicht zu viel aus der Vorratskammer entwenden - ganz zu schweigen davon, dass sie sich ja auch gelegentlich aufs Dixi-Klo schleichen musste!
Das gestaltete sich überraschend einfach. Zoriel huschte zu einem Bett, scannte per Global das Gesicht des schlafenden Menschen und generierte eine Gestalt in Einheitspyjama.
Eine Woche verging, William und Liam waren zum zweiten Mal den Verband um die Zoriel-gepiksten Schultern losgeworden, dann gab es eine Meuterei - gerade als die Atavus auf der Schüssel saß.

Von links erklang das rabiate Öffnen und Schließen jeder Klotüre - so eilig wie nie zuvor griff Zoriel an ihren linken Oberarm und stellte auf unsichtbar, dann starrte sie Jakrys ins Gesicht. Er sah sie allerdings nicht, sondern rümpfte nur die Nase, verständlicherweise. Zoriel griff nach dem Klopapier und beendete ihre Sitzung so schnell wie möglich, dann zog sie die Hose hoch und huschte hinaus in die Halle.
Wenn sie es hätte kommen sehen ...
Etwa dreißig der Menschen waren tot, der Rest wurde von Will, Liam und einer Handvoll Atavus (Zoriels von Juda übernommener Truppe) vor anderen Atavus beschützt. Zwischen zwei Betten lag Howlyn und spuckte Blut.
Ränkespielchen waren leider nie auf Dauer stabil ...

Zoriel duckte sich zwischen zwei Betten und nahm Licaus Gestalt an, dann sprang sie hervor und rammte zwei Atavus ihre Krallen ins Genick. Einen Moment später fielen die beiden wie nasse Säcke um und Zoriel wandte sich den nächsten beiden zu. Wie eine Furie wütete die Atavus, wie ein Schatten sprang sie, wich aus und stieß zu. Sie kassierte einige Kratzer, aber sie ließ keinen Kratzer ungerächt und nur Leichen zurück.
William hielt sich ganz passabel, wie es sich für einen Implantanten gehörte - aber Liam, bewaffnet mit einem stumpfen Küchenmesser, rückte den Atavus mit Pa'dar dermaßen zuleibe, dass sie vor ihm geradezu zurückwichen.
Beeindruckend!
Ein weiterer Kämpfer gesellte sich zur Gruppe der Menschen-Verteidiger: Howlyn, noch blutverschmiert, aber heil. Er war offensichtlich stinksauer und als Melue Krallen voran Zoriel ansprang, brauchte jene nichts zu tun, denn Howlyn war schneller und trennte den Kopf vom Körper. Wie unappetitlich.
Der Kampf endete, die siegreiche Fraktion nahm die Energie der Toten (soweit es noch möglich war) und die Energie der Verletzten der Gegenseite auf, die Menschen blieben unbehelligt - abgesehen davon, dass Howlyn Will und Liam energisch anfauchte. Zoriel nutzte die Gelegenheit, ihren Energiehaushalt auf Vordermann zu bringen, ebenfalls aus.

„Folge mir!”, forderte Howlyn sie dann auf, sie gehorchte und begleitete ihn in seine privaten Räumlichkeiten. „Juda hielt nichts von unserer Vorratshaltung”, stellte er fest, „Ihre Kämpfer folgen dir! Wieso?”
„Juda hält nichts von unserer Vorratshaltung”, gab Zoriel zurück, „und ihre Kämpfer folgen mir, weil ich es bin, die Juda über alles informiert!”
„Weil du sie nicht tötest!”
„Mag sein. Kooperation scheint kein zu schlechter Weg zur Macht zu sein, nicht wahr?” Sie lächelte ihn unschuldig an, er fauchte zurück. „Wer ist der Menschen-Kämpfer?”, wechselte sie das Thema, „Er interessiert mich.”
„Ein toter Mann!”, schrie Howlyn, dass Zoriel beinahe zurückzuckte, „Ein Niemand!” Er zog die Unterlippe ganz hoch und fauchte von ganz tief in seinem Rachen. „Er hat dich nicht zu interessieren, Licau!”, fuhr er fort, „Es sei denn ...”
„Willst du mir drohen, nachdem ich dir mit meinen Kämpfern ...” Sie musterte einen Moment lang nachdenklich das angetrocknete Blut auf seinem Anzug. „... zumindest das letzte bisschen Respekt gerettet habe, wenn nicht gar dein Leben?” Jetzt stellte sie sich auch auf die Zehenspitzen und gönnte ihm einen abschätzigen Blick.
„Das letzte bisschen Respekt? Licau, du ...”
„Wo warst du? Verletzt am Boden!”, fauchte sie ihn an, „Ist es das? Bist du dem Menschen neidisch, dass er besser kämpfen kann als du?” Er kochte vor Wut - und doch lächelte Zoriel ihn nur süffisant an. In diesem Augenblick war sie ganz Zo'or, der Synodenführer, der es ausgezeichnet verstand, Leute zur Schnecke zu machen! „Du hast noch Energie - Macht und Respekt hast du verloren. Leg dich nicht mit mir an!”
Howlyns Nasenflügel bebten, als er den ganzen Raum niedergrollte. „Ein weiteres Wort und ich strecke dich nieder!”
„Hmm”, machte Zoriel, „dann sage ich wohl besser nichts mehr, denn ich will ja nicht riskieren, dich umbringen zu müssen ...” Sie zwinkerte schelmisch, zog einen Mundwinkel hoch und schnalzte leise, dann wandte sie sich ab und huschte aus Howlyns Räumlichkeiten.

Das hatte Spass gemacht!
Nur musste sie sich jetzt vorsehen - am Ende wollte er sie umbringen und wenn er ihr den Schädel spaltete nützte es ihr auch nichts mehr, dass er danach an ihrer Energie sterben würde.
Definitiv würde sie diese Nacht nicht in ihrem Bett verbringen sondern getarnt in irgendeiner Ecke. Hoffentlich verrenkte sie sich dabei nicht alles ... wenigstens trieb sie zwei Kissen auf, eines für den Kopf und eines für den Rücken, und konnte ihre Tarnung problemlos auf diese weichen Dinge ausdehnen.

Nun, sie verrenkte sich nichts, aber als sie beim morgentlichen gemeinschaftlichen Menschenpiksen (zunächst wurde nur kurz testgepikst, damit allfällige Vergiftungen rabiat behandelt werden konnten) auf Howlyn traf, bekam sie seine Wut zu spüren - trotz schneller Reaktionen bekam sie vier Krallen in den linken Arm.
Sie war bereit, ihm die ihren in den Hals zu bohren, doch in diesem Moment brach der Atavus zusammen und der Heiler sprang, ihn aufzufangen.
Offensichtlich hatte Howlyn beim Menschenpiksen einen mit Grundenergie versetzten Menschen erwischt. Weil es bei Grundenergievergiftungen sehr schnell gehen musste, nahm der Heiler ein Beil und hackte seinem Patienten einfach die Finger ab - sie wuchsen schließlich unter hörbaren Schmerzen nach.
Manfred, den Howlyn zuvor gepikst hatte, bekam derweil einen X-förmigen Schnitt in die Wange und wurde zu den anderen Kontaminierten gescheucht.
Niemand verdächtigte Zoriel - bis auf einen. Rallyn musterte sie mit einem derart wissenden Gesichtsausdruck und zwinkerte sie sogar an ... aber er sagte nichts.

Als sich die Aufregung wieder halbwegs gelegt hatte, sorgte die Atavus für ihr Alibi: Sie schlich unsichtbar zu den Kontaminierten und übertrug eine anständige Portion Energie an Manfred - und an Liam bei der Gelegenheit auch, denn er litt an Schwächeanfällen, Schwindel und Übelkeit, er war unverkennbar krank.
Dummerweise war keiner der Gefangenen Arzt und den Atavus-Heiler interessierte der Zustand eines Menschen nur sehr nachrangig.
Zoriel stellte ihre Tarnung wieder auf Licau und schlenderte gemächlich durch die Anlage, Rallyn erwartete sie bei einem leeren Waschraum. „Von dir kommt die Grundenergie!”, fauchte er sie leise an, „Wie machst du das?”
„Du weißt genau, dass kein Atavus das kann. Mein Vater nicht - und ich auch nicht.”
„Leugne nicht!”, schüttelte er den Kopf, „Howlyn hat auf deine Energie reagiert, nicht auf die des Menschen - es gilt als unmöglich, deshalb zieht es niemand in Erwägung.”
„Außer dir”, gab Zoriel zurück, „Weshalb willst du mich diskreditieren? Ich habe niemals deinen Status angegriffen!” Drohend zeigte sie ihre Krallen - Rallyn beantwortete diese Geste auf dieselbe Art. „Ich greife Howlyn an!”, fuhr die Atavus fort, „Er hat meinen Vater getötet und ...”
„Du hättest deinen Vater retten können!”, knurrte Rallyn, „Ich sah dich kämpfen - Howlyn wäre gestorben, bevor er nur ein Quäntchen Energie hätte nehmen können!” Er umrundete Zoriel. „Aber du hast es nicht getan, Licau! Weil du erst hättest Melue verletzen müssen - und sie mit ihrer Grundenergievergiftung zum Heiler gelaufen wäre.”

Treffer. Wie konnte Rallyn das ahnen?

„Ich greife Howlyn an, weil er der Anführer ist, mein Vater bedeutete mir nicht so viel, wie ich behauptete”, ruderte Zoriel etwas zurück, „Du hast nichts von mir zu befürchten, solange du dich mir nicht in den Weg stellst.”
„Ich stehe dir nicht im Weg”, erklärte Rallyn, „aber ich will alles wissen! Wer bist du?”
Sie musterte ihn irritiert - und innerlich besorgt. „Wer ich bin?”, fragte sie, „Du beliebst Scherze zu machen ... du kennst mich doch.”
„Ich kenne dich? Nein. Ich bin dir nie begegnet, bevor du mit Kraydis hier angekommen bist.” Der Atavus sah ihr prüfend in die Augen und formte eine bekräftigende Geste - Zoriel hatte noch keinen anderen Atavus solche Gesten benutzen sehen, sie runzelte verwundert die Stirn. „Ah”, stellte Rallyn zufrieden fest, „Du liest also Gesten.” Er gönnte ihr einen anerkennenden Blick. „Ich brauchte drei Wochen, hinter deine körperliche Gestalt zu blicken. Wer bist du, Licau?” In seinen Handflächen blitzte kurz grellblau Shaqarava auf.

Shaqarava! Bei einem Atavus! Das konnte doch nicht sein!
Aber Zoriel hatte es wirklich gesehen.

„Wer bist du?”, gab sie zurück, ihre Krallen verschwanden und sie zeigte ebenfalls für einen winzigen Augenblick das Leuchten in ihren Händen.
Der Atavus schmunzelte und neigte den Kopf. „Mein Name ist Ra'jel.”
Der selbsternannte Herr der Synode, der gerechten Bestrafung vor Millionen Jahren durch Flucht entronnen. Ein Taelon in Gestalt eines Atavus. Wie war das möglich?
Was bist du?”, fuhr Zoriel energisch fort.
Amüsement blitzte in seinen Augen auf und er hob belehrend eine Hand. „Ah - immer der Reihe nach: Wer bist du?”
Sie verzog deutlich ihr Gesicht, nannte aber wie gefordert ihren Namen: „Zoriel MacDougal.”
Ra'jels Reaktion überraschte sie. „Perfektion!”, er lächelte sie an, „Du bist die Perfektion. Materiell und energetisch, Shaqarava, Krallen, kein Energiemangel.” Mit einem Mal hielt er seine Hände ganz still und musterte Zoriel mit taelonblau aufglimmenden Augen. „Nur zu schade, Zo'or, dass du dennoch nicht lange leben wirst.”
Die vereinigte Atavus ging eilig in eine abwehrende Haltung. „Drohst du mir, Ra'jel?”
„Oh nein, das ist eine Tatsache. Länger als zweihundert Jahre wirst du es nicht machen.” Er formte eine Geste des Bedauerns und straffte sich. „Ich tötete einst Rallyn mit meiner Energie und übernahm seinen Körper. Ich verbinde die Vorteile eines Lebens als Atavus, nämlich die einfache Ernährung, mit den Vorteilen des Lebens als Taelon: Der Unsterblichkeit.”
„Du bist nicht unsterblich”, gab Zoriel zu bedenken, „Materie begrenzt dich.”
Er sah sie spöttisch an und erklärte: „Ich kann diesen Körper verlassen - Rallyn ist nicht der erste Atavus, den ich übernahm, und er wird nicht der letzte sein.” Vorsichtig berührte er Zoriel und die Energie ging etwas in Resonanz. „Wenn wir zusammenarbeiten, können wir das allen Taelons ermöglichen!”, schlug er euphorisch vor, „Ich weiß, wo das Schiff der Atavus ist! Millionen Atavus, Zo'or, kein Taelon mehr wird ...”
Sie stieß ihn grob zurück, er prallte gegen die gegenüberliegende Wand. „Du hast die Entwicklung verpasst!”, knurrte sie ihn an, „Es gibt keinen Energiemangel mehr! Genug Grundenergie für alle!”
„Die Menschen wissen, wie man die Grundenergie herstellt, Zo'or - die Synode ist abhängig!”, fauchte Ra'jel und hob sein Kinn an, „Überdenke meinen Vorschlag, er bietet mehr.” Damit wandte er sich ab und eilte davon.

Seinen Vorschlag überdenken ... Zoriel dachte nicht daran. Die Taelons waren den primitiven Vorstellungen, andere Spezies systematisch auszubeuten könnte eine praktische Sache sein, inzwischen entwachsen - selbst die unverbesserlichsten hatten ihre Meinung geändert, selbst T'than.
Und dann kam Ra'jel und brachte Zoriel lebhaft ins Gedächtnis, dass es wirklich nicht sehr lange her war ...
Er brachte Zoriel lebhaft ins Gedächtnis, dass Zo'or vor nicht sehr langer Zeit genauso gedacht hatte.
Er brachte Zoriel ins Gedächtnis, dass sie hier tötete, ohne zu bedauern. Nein, so konnte es nicht weitergehen. Sie konnte nicht weiter einfach abwarten, was geschah ... sie musste handeln, sie musste aus dem Funkloch hinaus, die Position feststellen und Liam informieren.

Und zwar Kimera-Liam.

* * *

Ungeduldig wartete die Atavus den Tag ab, zweimal schlich sie sich zwischenzeitlich zu Liam und gab ihm Energie, schließlich legte sie sich schlafen - selbstverständlich ohne zu schlafen. Gut zwei Stunden später erhob sie sich wieder und tappte getarnt und auf Zehenspitzen durch die düstere Anlage und in die Kontrollzentrale.
Kein Anhaltspunkt, was die Position der Anlage anging. Kein auf dem Plan verzeichneter Ausgang außer den Portalen - die allesamt inaktiv waren. Zoriel versuchte, eines zu aktivieren, aber es verlangte einen Energieabdruck.
Und zwar nicht ihren. Howlyns, vermutete sie. Wundervoll.
Lautlos seufzend wandte sich die Atavus wieder der Computeranlage zu. Schließlich war sie hier, also konnte sie sich auch einfach alles ansehen. Es gab Überwachungs- und Sicherungssysteme für die Kammer mit den Stasiskapseln, es gab ein System, das die Nachrichten nach interessanten Informationen durchforstete, es gab auch ein Kommunikationssystem.
Es war der Hoffnung zu viel, als Zoriel selbiges aufrief. Natürlich war es eingeschränkt und die Atavus hatte die Auswahl zwischen fünf Kommunikationszielen: der Kammer, zweier Hybridenbataillone, Charles Caldwell (wenngleich im Papierkorb) und Mikhail Federov.
Wie passte Präsident Federov da denn ins Bild?
Zoriel schob diese Frage beiseite und ging voll auf Risiko - und rief den verstorbenen Charles Caldwell an, vielleicht gab es eine Weiterleitung.

Sie kam durch und sah einen gähnenden Jugendlichen auf dem Bildschirm, der im nächsten Augenblick einen lauten Schrei ausstieß und sein Global fallen ließ. Als das Gerät dann wieder aufgehoben wurde, traute Zoriel ihren Augen kaum. „Laurie?”
„Zoriel? Meine Güte, wie siehst du denn aus?”
„Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen. Würdest du bitte Ga'hil sagen, dass ich mitten in der Atavus-Zentrale bin und Lil diesen Anruf besser schnell zurückverfolgen soll?”
„Oh”, die Köchin nickte, „Klar.”
„Danke.” Zoriel stellte den Anruf auf Halten (der Bildschirm wurde dunkel) und machte sich wieder unsichtbar. Sobald jemand käme, würde sie die Verbindung ganz unterbrechen müssen.
Was hatte denn Frankies unverhoffter Enkel mit den Caldwells zu tun?

Fünf Stunden lang blieb die Verbindung bestehen, dann betrat die gähnende Yamo die Kontrollzentrale und Zoriel tippte schnell die rote Schaltfläche an, bevor sie sich bis an die Wand zurückzog und sich an Yamo vorbei aus dem Raum drückte.
Eigentlich sollten fünf Stunden genügen.
Zoriel beschloss, Will und Liam zu informieren, dass sie endlich Kontakt zur Außenwelt gehabt hatte und huschte in die Halle zu den Menschen. Es war ohnehin Frühstückszeit. Sie pikste einen gewissen Pjotr und wollte sich dann zu den Kontaminierten absetzen, als Howlyn sie aufhielt und etwas abseits zog. Ra'jel formte eine Geste der Anerkennung.

„Ich habe dich nicht in deinem Bett vorgefunden”, sagte Howlyn.
„Da du mich dort gesucht hast, war es wohl besser, dass ich nicht dort war.” Zoriel lächelte kühl.
Wo warst du?”
Sie zog einen Mundwinkel hoch. „Ich denke doch, ich habe Anlass zur Sorge, jemand könnte mich umbringen wollen”, erklärte sie, „also sehe ich lieber davon ab, jemandem zu sagen, wo ich meine Nächte verbringe.”
Sein Blick blieb einen Moment an ihrem Ausschnitt hängen. „Ich biete meine Räumlichkeiten als sicheren Ort an.”
Der Neid aller Atavus-Frauen war Zoriel sicher - aber sie fühlte sich nicht geschmeichelt, wenngleich sie durchaus erkannte, dass sich ihr eine Chance bot. Dennoch ließ sie ihn zappeln: „Howlyn, wenn ich mich nicht irre ... verbringt nicht Lessai die Nachtstunden mit dir?”
„Nicht mehr”, beeilte er sich zu sagen.
„Natürlich nicht mehr.” Zoriel zog einen Mundwinkel hoch und schnalzte leise, dann ließ sie Howlyn stehen.

Ra'jel musterte sie irritiert, packte einen testgepiksten Menschen und zog ihn in einen der Nebenräume. Zoriel ihrerseits versuchte, zu den Kontaminierten zu gelangen, doch der Heiler scheuchte die Menschen gerade in diesem Moment durch eine schwere Schiebetüre - zu den Dekontaminationsversuchen, wie er der Atavus stolz erklärte.
Es verlief hier definitiv nicht nach Zoriels Geschmack. Vielmehr ging hier gerade so einiges schief. Was, wenn Liams Zustand sich noch weiter verschlechterte? Sie hatte es doch gesehen, er konnte sich kaum auf den Beinen halten, auch wenn er es zu verbergen versuchte.
Hoffentlich war es Lil gelungen, die Anlage aufzuspüren.

* * *

Zoriel besuchte wieder einmal Juda und informierte sie über Howlyns weiterhin wechselnde Ziele - sie verschwieg nichts und Juda war dankbar für die Ehrlichkeit. „Du nimmst ihn mir nicht weg, Licau”, flüsterte die kranke Atavus, „Du bist die einzige. Weshalb?”
„Weshalb sollte ich mich für ihn interessieren?”, fragte Zoriel, „Ich würde ihn ja doch nicht behalten können.”
„Du fragst dich, warum ich an ihm hänge?”
Zoriel runzelte die Stirn. Nein, eigentlich fragte sie sich das nicht, es war ihr völlig egal. „Sag es mir.”
„Weil sich niemals Eltern trennen sollten”, erklärte Juda, „Wir werden die Kammer finden, in der Caedra schläft! Sie wird erwachen und sie wird ihre Eltern sehen, nicht getrennte Leute.”
Es gab also auch Atavus-Kinder. Bisher hätte Zoriel beinahe einen ganz anderen Eindruck bekommen, denn Licau wäre hier die mit Abstand jüngste. - So gesehen kein Wunder, dass Howlyn an ihr interessiert war. Immerhin war er nicht der einzige Vertreter seiner Art Mann und Zoriel wusste durchaus Bescheid.
Aber ihr Damien war nicht so!

Juda war wieder weggetreten und Zoriel verließ das kleine Reich des abwesenden Heilers, um eben jenen in seiner Forschungshalle aufzusuchen und ihm zu helfen. Es ging Liam nicht gut, er war blass und sein Gesicht eingefallen - und der Heiler hatte ausgerechnet ihn herausgepickt, um die Grundenergieextraktion zu testen.
Der Test funktionierte insofern, als er den Probanden nicht umbrachte. Das war es aber auch schon, denn Liam verfügte weiterhin über eine beeindruckende Menge an Grundenergie - allerdings nur, weil Zoriel sie ihm zwischenzeitlich wieder zukommen ließ. Sie war sichtlich nicht die einzige, die daran zweifelte, dass er dieses Martyrium überhaupt überleben konnte - So gut wie alle anderen Kontaminierten (und William davon am lautesten) boten sich so energisch an Liams Stelle an, dass der Heiler schließlich nachgab, alleine um nicht mehr genervt zu werden.
Zoriel bekam den Auftrag, Liam und die ihn pflegenden Menschen in einem Nebenraum zu bewachen, und sie tat es. Manfred beäugte sie misstrauisch, als sie dem Kranken über die schweißkalte Stirn strich, aber er rührte sich nicht und auch Janie, die Liam Wasser einflößte, wich keinen Schritt zurück.

Rel ...”, murmelte Liam, „... Srel ...”
„Ich bin hier”, sagte Zoriel.
Zoooriel ...”
Die drei Menschen in unmittelbarer Nähe sahen die Atavus überrascht an.
„Alles wird gut”, sagte Zoriel, „Ich habe es geschafft, eine Nachricht zu schicken. Lil hat uns bestimmt schon gefunden, es ist bestimmt schon ein Befreiungstrupp unterwegs.” Sie strich eine nasse Strähne aus seiner Stirn und beugte sich über ihn. „Keine Sorge.”
Liams fahriger Blick traf ihren und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich schaffe es nicht. Aber ... das ist nicht ... so schlimm. Es ...” Er schluckte schwer. „Es gibt ja zwei von meiner Sorte.”
„Zwei, die wieder eins werden!”, widersprach Zoriel energisch, „Ich weiß, dass es geht!”
„Bei Taelons und ... Jaridi...”
„Auch bei dir! Was sollen denn Frau und Kinder sagen, wenn du nicht wieder zurückkommst?” Sie strich mit ihrer Energie über seine Haut und stärkte ihn etwas. „Vielleicht bist du wegen der Aufspaltung krank”, vermutete Zoriel, „dann bist du mit der Verschmelzung gleich wieder gesund.”
„Nein ... nein ...”
„Keine Widerrede - oder bist du etwa Arzt?”
Er schloss die Augen und versuchte, etwas besser Luft zu bekommen. „Es gibt ... noch einen ...”, flüsterte er dann, „Zoriel! Nimm meine Energie, ich mache es sowieso nicht mehr und besser du nimmst sie, als sie verschwindet einfach!”
„Den Teufel werde ich tun, Ga'hil!”
„Ga'hil ...”, raunten die Menschen jetzt durcheinander.

„Du wirst mir genau zuhören”, Zoriel packte ihn an den Schultern, „Du lebst und du wirst überleben! Lil weiß, wo wir sind, und dein anderes Ich ist bestimmt schon unterwegs - und niemand weiß besser als du, wozu ein Kimera fähig ist!” Sie legte ihm eine Hand auf die Brust und ließ ihre Energie strömen. „Ich nehme deine Energie nicht, verstanden?”, knurrte sie ihn an, „Ich gebe dir meine - und du wirst überleben. Hast du das verdammt noch mal verstanden?”
Und was machte dieser Sturkopf? „Was, wenn Lil uns doch nicht gefunden hat?”
„Sag bloß, du bist scharf drauf, den Löffel abzugeben!”, fuhr sie ihn an, „Sonst hast du immer genug Zuversicht für die ganze Menschheit! Das klappt schon!”
„Wir werden nicht zulassen, dass Sie noch einmal diese Tortur über sich ergehen lassen müssen!”, mischte sich Janie ein, „Sie schaffen das, Ga'hil!”
„Ich komme wieder her”, versprach Zoriel, „und gebe dir wieder Energie. Keine Sorge, du packst das!” Sie klopfte noch Janie und Manfred auf die Schulter und verließ den Raum. „Draanim, sie sind ruhig”, sagte sie dem Heiler, bevor sie sich mit Schaudern von diesem und dem sich vor Schmerz windenden William abwandte und in die Kontrollzentrale hastete.

Jegliche Möglichkeit, die Flucht zu beschleunigen, wäre ihr jetzt recht - und sei es, doch noch Howlyns Konkubine zu werden.

* * *

Natürlich warf Zoriel sich dem Atavus nicht sofort an den Hals, nein, das wäre zu auffällig. Aber sie schenkte ihm ein Lächeln und noch eines und im Laufe des Tages noch einige mehr, während sie sich auch immer wieder zu Liam schlich, um ihm Energie zu geben.
Howlyn war berechenbar. Zoriel hatte den Köder ausgeworfen und er biss so kräftig an, dass sie gar nicht mehr an der Angel ziehen musste. Als sie sich gegen Abend wusch, stürmte der Atavus den Waschraum und presste sie mit seinem Körper gegen die Wand. „Du willst es doch!”, fauchte er freudig.
Wollen? Nun, in gewisser Weise. Zoriel ließ sich küssen.
Aber sofort von ihm unter die Dusche schleifen ließ sie sich nicht! Nein, sie wollte ein Bett und das sagte sie ihm - oder vielmehr wollte sie spätabends einen absolut ungestörten Raum, aber das sagte sie ihm natürlich nicht.
Howlyn ließ von ihr ab, versprach ihr das weichste Bett des gesamten Planeten und die aufregendste Nacht. Er war wirklich sehr von sich eingenommen - aber sollte er doch, denn schließlich würde er schon sehr bald mit Vollgas gegen die Wand fahren. Zoriel beabsichtigte nämlich keineswegs, ihm das Kommende auch nur in irgendeiner Form angenehm zu gestalten.
Und selbst für den Kuss würde sie sich gründlich rächen!

Bis dahin hatte sie aber noch anderes zu tun. Immer wieder Energie an Liam zu übertragen zum Beispiel, oder sich auch einige Male in die Vorratskammer zu schleichen, denn die Energie, die Liam nun hatte, fehlte natürlich Zoriel - und Menschen zu piksen kam nicht in Frage!

„Weshalb dein Sinneswandel?”
„Das hat dich nicht zu interessieren, Ra'jel”, gab sie zurück, ohne sich umzudrehen.
„Du weißt, dass es ihn töten wird, wenn du nicht äußerst vorsichtig bist?”
Zoriel wandte sich um und sah Ra'jel missbilligend an. „Und das würde dich kümmern?”, fragte sie, „Lass mich doch einfach mein Ding durchziehen und stör mich nicht dabei.” Er neigte knapp den Kopf und marschierte davon.
Sie sah ihm kurz nach, dann machte sie sich wieder auf den Weg zu Howlyns Räumlichkeiten - unsichtbar, denn sie wollte keinesfalls, dass es am Ende noch ein Atavus sah.

„Licau!”, rief Howlyn fröhlich und streckte ihr ein gefülltes Sektglas entgegen, Zoriel nahm es und stellte es ab. „Ah, so eilig so plötzlich?”, fragte er, „Das gefällt mir!” Er umfasste ihre Taille und zog sie zu sich.
„Nun ...”, sie lächelte ihn an, „Ich habe Pläne mit dir.” Leicht strich sie mit einer Kralle über seine Haut, ohne ihm nur den geringsten Kratzer zuzufügen. „Eigentlich träume ich davon doch schon sehr lange ...”
„Du hast mich hingehalten”, stellte er fest, „Keine sonst tut das, jemals.”
„Das, Howlyn, liegt daran”, sie gab ihm einen kräftigen Schubs, dass er rücklings aufs Bett fiel, „dass ich mir erst überlegen musste, was ich mit dir mache. Hmm?”
„Ich hätte da einige Vorschläge.” Er leckte sich über die Lippen und fauchte leise.
„Ah!” Sie hob ihren rechten Zeigefinger. „Ich weiß schon, was ich mit dir mache. Ich dachte mir, dich zuerst etwas zappeln zu lassen ...”, sagte sie und nahm ihm sein Sektglas aus der Hand, „und zwar ohne Ablenkung durch ein solches Getränk.” Sie stellte das Glas neben ihres und kehrte zum Bett zurück.
„Zappeln ist mir nicht genug!”, sagte Howlyn und zog eine blaue Phiole hervor, deren Inhalt er dann auf seinen Anzug träufelte.
Eigentlich hatte Zoriel das nicht sehen wollen - andererseits war es doch amüsant, nun, nichts zu sehen. Vielleicht hätte sie Carlisle damals fragen sollen, wie die Erweckten sich wohl fortpflanzten. Howlyn reichte ihr eine weitere Phiole.
„Ich sagte: zappeln.” Zoriel schmunzelte und rutschte auf den Knien über das Bett, Howlyn griff nach ihr und zog sie zu sich - und zack, verteilte sich der Inhalt der Phiole auf ihrer Kleidung. Er war angemessen erstaunt, als sich ihr Anzug nicht einfach auflöste. „Oh, das hier ... wirkt bei mir nicht”, sie grinste ihn an, „Wie gesagt: zappeln.”
„Du hast die Rezeptoren anpassen lassen”, verstand er, „deshalb warst du bei Draanim.”
„Wenn du meinst ...” Sie gönnte ihm einen netten Augenaufschlag, während er ... verdammter Mistkerl!

Zoriel riss überrascht ihre Augen auf, als sie ihre Energie zu seiner in Resonanz gehen spürte.
Was machte er da? War das ...? Nein! Das konnte es doch nicht sein ... er war körperlich! Wie konnte er ohne die Krallen einen Energiekontakt halten?
Mit aller Kraft ließ Zoriel ihre Energie seiner entgegenströmen und sie zurückdrängen und sie grinste breit, als Howlyn aufstöhnte und seine zitternden Hände zurückzog.

„Was ...”, flüsterte er.
„Ich habe den Startschuss nicht gegeben”, sagte sie knapp, „Gut, das hätte ich auch gar nie getan.”
„Licau! Was hast du getan!” Er blickte auf die sich ausbreitenden grauen Flecken auf seinen Händen und versuchte, vor Zoriel zurückzuweichen, was sich nicht einfach gestaltete, da sie auf ihm saß.
„Licau? Du irrst dich. Mein Name ist Zoriel MacDougal und ich habe dich soeben schwer vergiftet.” Ihre Hand wanderte an die Tarnkontrolle und gab ihr ihre richtige Gestalt zurück - abgesehen von der modischen Entgleisung, die durch ein hübsches violettes Leder-Outfit verdeckt wurde.
„Warum tötest du mich nicht einfach?”, fauchte er sie an.
„Weil ich dich noch brauche.” Sie stand auf und zog ihn hoch. „Wie lange hast du wohl noch? Vier, fünf Stunden? Diese Vergiftung ist schließlich stärker als die der anderen. Und dennoch ...” Sie zog einen Mundwinkel hoch. „Es gibt ein Gegenmittel, ein einziges.”
„Was ist es?”
„Du wirst mir schon glauben müssen, dass ich es dir geben werde, wenn du tust, was ich verlange.”
Was verlangst du?”
„Aktiviere das Portal!”, fauchte sie ihn an, „Dann reitet die Kavallerie ein und das war es! Also?”
Niemals!”, grollte er sie so gut er konnte nieder, aber auf zwei blau leuchtende Handflächen reagierte er dann doch etwas angemessener und wich zurück.
Zoriel schmunzelte, griff nach einem Sektglas und nahm einen Schluck. „Möchtest du denn ein Märtyrer werden?”, fragte sie ihn, „Ich hätte erwartet, dass du doch lieber am Leben bleibst ...”
Howlyn knirschte mit den Zähnen und sah sich hilfesuchend um - er fand keine Hilfe und gab nach: „Einverstanden!”, dann hob er jedoch eine Hand und relativierte: „Wenn alle Kranken das Gegenmittel erhalten!”
Zoriel grinste und nickte. „Ja, das lässt sich einrichten. Los!” Sie sah sich um und schüttete eine weitere Phiole auf Howlyns Schulter, bevor sie den Atavus an eben jener packte und aus dem Raum scheuchte.
Ihre Tarnung stellte sie natürlich ebenfalls wieder um.

Wie erwartet war die Kontrollzentrale leer, Zoriel stieß Howlyn zum Portal und knurrte: „Aktiviere es!” Die Atavus hielt eine Hand auf ihn gerichtet und widmete sich ansonsten dem Kommunikationssystem: Sie rief Charles Caldwell an und landete wieder bei Chris, wobei ihm diesmal gleich Lil das Gerät aus den Händen nahm. „Lil! Hast du uns gefunden?”
„Nein”, die Schwarze schüttelte den Kopf, „nur ein Mordsding von Antenne, aber nichts in der Nähe.”
„Bleib dran, ich schicke gleich Portalkoordinaten.” Damit wandte Zoriel sich wieder ganz Howlyn zu, der es tatsächlich schaffte, einen unvergifteten Flecken Haut gegen den Energiesensor zu drücken - seine linke Wange. Jetzt könnte sie ihn eigentlich töten ... andererseits hatte sie ihm das Gegenmittel versprochen.
Sie beließ es dabei, ihn weiterhin in Schach zu halten und fragte die Portalkennung ab, die sie dann mit ihrem Global aufzeichnete und als üble Pieps- und Pfeiftonfolge an Lil übertrug.
„Danke, hab sie”, bestätigte die Mathematikerin, „Ich rufe die Truppe zusammen.”
Zoriel musterte einen Moment lang den dunklen Bildschirm, dann sah sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung und wandte sich um. „Was willst du?”, blaffte sie Ra'jel an.
„Ich kann es nicht zulassen, Zo'or!”, sagte er und fuhr seine Krallen aus.
„Dafür kommst du zu spät.”
„Ich brauche nur das Portal zu zerstören - und versuch mal, mich zu vergiften!”, fauchte er sie an, „Ich werde dich von deinem Körper trennen, Zo'or, und du wirst mich anflehen, dir zu sagen, wie ich einen fremden Körper annehme ...”
Sie sah ihn spöttisch an. „Danke, ich habe schon Erfahrung im Vereinigen.” Ihre glühenden Hände waren nun auf ihn gerichtet. „Und ich habe die Erfahrung von etlichen Jahren jaridianischen Shaqarava-Trainings, also stell dich mir nicht in den Weg!”
„Du kannst vielen weismachen, von der Jaridian wäre noch etwas übrig”, fauchte Ra'jel, „aber ich weiß es besser, Zo'or! Du hast keine Ahnung von den Dingen, die die Jaridian einmal gelernt hat.”
Jetzt wurde es ihr aber wirklich zu bunt! „Halt die Klappe, Ra'jel!”

Er tat es - und er stürzte sich auf das Portal, während Zoriel ihm eilig ihre Krallen in den Rücken schlug. Der sonst gewohnte Schwächeanfall blieb bei ihm leider aus und eine Entladung seines Shaqarava sauste knapp an einer der beiden Streben vorbei.
Sehr knapp.

Zoriel schlitzte ihren Gegner gründlich auf, aber es wuchs alles wieder zu! Wieso heilte er schneller als die anderen Atavus? Grundenergie! Das war es! Und noch dazu beließ Ra'jel es nicht dabei, sich aufschlitzen zu lassen, er teilte auch aus - und versuchte dabei, Zoriel ihre Energie zu nehmen.
Sie überließ sie ihm nicht! Sie nahm sie zurück! Die Energie tobte zwischen ihnen und schließlich schleuderte eine Explosion die Kontrahenten auseinander.
„Sha'bra!”, fluchte Zoriel, als ihr Blick auf das beschädigte Portal fiel. Es hatte sich zwar ein Interdimensionswirbel aufgebaut, aber er war instabil. Wenn er zusammenbrach, bevor die Gruppe hier war ... es sei denn, Harmony wäre dabei, sie könnte das Verschwinden in der Interdimension verhindern.
Ra'jel hob seine Hände und richtete sie auf das Portal, doch da hatte ihn Howlyn von hinten und brach ihm einfach das Genick. Von diesem Atavus hatte der Taelon definitiv keine Attacke mehr erwartet.

„Danke”, sagte Zoriel, wenngleich widerstrebend, dann huschte sie zum Portal und versuchte, die Energie irgendwie zu stabilisieren.
Es gelang. Es blitzte blau auf und Ron, Mabel, Damien und Le'ors älteste Tochter Alice standen im Portal, gerade bevor selbiges unter Knistern, blauen Blitzen und Rauchentwicklung den Geist aufgab. Ron richtete seinen Skrill auf Howlyn, während er die Umgebung mit zunehmender Sorge absuchte.
„Zoriel, wo sind die anderen?”, fragte Damien.
„Nicht angekommen - bitte sag mir, dass dort Jae'yal dabei ist!”
„Ja, ist sie”, bestätigte Ron und atmete derweil schon erleichtert auf.
„Ihr habt nicht zufällig ein bisschen Gegenmittel dabei?”, fragte Zoriel, während sie ihre Tarnung wieder so einstellte, dass sie das wahre Gesicht und das violette Leder zeigte, „Er hat sich ein bisschen Linderung schon verdient ... irgendwie.”
Mabel schüttelte den Kopf. „Nein, das Gegenmittel ist bei den anderen.” Sie betrachtete Ra'jel und fragte: „Warum leuchtet er blau?”

Ihre Frage beantwortete sich von selbst, als sich aus dem Atavus-Körper ein geisterhaft durchsichtiger Taelon erhob, der den Augenblick des allgemeinen Staunens dazu nutzte, Howlyn anzufallen - er drang halb in dessen Körper und der Atavus schrie vor Schmerz.
Und dann zersplitterte Ra'jel in tausende Funken - Zoriel und beide Hybriden hatten auf ihn geschossen.

„Ihr habt gerade einen Taelon getötet?”, war Ron beinahe verstört.
„Verurteilter taelonischer Usurpator”, erklärte ihm Alice, „Ra'jel ist abgehauen, als es ans Bestrafen ging, vor über sieben Millionen Jahren.” Sie zückte ihr Global. „Kein Empfang, gar nichts.”
„Hey!”, Zoriel packte Howlyn am Kragen, „Es gibt einen anderen Weg als dieses Portal, zeig ihn uns!”
„Und du glaubst, dass ... ich noch so lange ... lebe?”
„Ach, eine Stunde packst du es noch”, sagte sie, „was ein Ansporn sein sollte, uns innerhalb kürzerer Zeit als einer Stunde hier raus zu führen. Also los!” Sie half ihm auf und stützte ihn. „Wohin?”
„Im ... Quartiertrakt ist der Durchgang zu ... zum Komplex der ... Hybriden.”

Zoriel zog ihn mit sich voran, die Taelonhybriden und das Ehepaar Martínez machten einen kleinen Umweg und weckten die gefangenen Menschen auf. Howlyn öffnete den Durchgang und sehr sehr leise huschten alle hindurch. Der Weg zum Portal war tatsächlich nicht sehr weit - und noch immer war der Atavus in der Lage, dem Scanner seine unverfälschte Energie zu zeigen: Mit seiner linken großen Zehe.
Und noch dazu war das Portal in einem Raum mit Fenstern! Mabel drückte ein Resonanzfrequenzgerät an eine Scheibe und wartete, bis das Glas zerbrach, dann warf sie einen Transmitter hinaus in den Schnee. Eine kurze Überprüfung per Global: „Ja, ich habe die Position und Empfang, ich übermittle an Lil.”
„Portal ist klar”, meldete Alice, „Los.” Sie scheuchte die ersten zehn Menschen hinein.
„Ich muss zurück”, sagte Zoriel und wandte sich um.
Ron hielt sie auf. „Zurück? Du bist alleine nicht der ganzen Horde Atavus gewachsen, wir hatten vielmehr irres Glück, dass kein Großalarm losging! Wir haben die Position, wir greifen wieder an, mit mehr Leuten.”
„Die Kontaminierten sind noch da, Ron, die ich mit Grundenergie versetzt habe”, erklärte Zoriel und hastete los.
„Mabel, Alice, bleibt und bringt die Leute in Sicherheit”, wies Ron die beiden Frauen an, dann folgte er der Atavus - und Damien wollte auch mit.
„Du bleibst auch da!”, fauchte Zoriel ihren Ehemann allerdings an, „Ich hab schon einen Herzinfarkt gekriegt, als du in der Kammer mit dem Energiepool warst!” Wenigstens machte er kein Theater, sondern kehrte um.
Atavus und Implantant liefen durch die Anlage, so schnell sie konnten, die Treppe hinunter in die leere Halle der Gefangenen. Ron hob seinen Skrill und schoss den Riegel der schweren Türe zur Forschungshalle auf.

„Ich sollte dir was sagen ...”
„Was?”, fragte er.
„Liams menschliche Seite ist da drin. Und Will lebt auch noch.”
Einen Moment lang starrte er sie entgeistert an, dann breitete sich unbändige Freude auf seinem Gesicht aus - und dann Sorge. „Also los.”

 

Ende von Kapitel 6

 

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