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  „Phönix” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2017
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema: Eine Gruppe macht sich ins andere Universum auf, um die dimensionale Verbindung zu lösen, aber es ist nicht so einfach.
Zeitpunkt: direkt anschließend
Charaktere: Ronald, T'than, Sayi'a, Ra'jel, (Renee, Liam, Farrell, Lil, Deram, Jarya, [Lili, Yulyn, Miisazvii, Ze'mat, Ry'nai, Street])
 

 

PHÖNIX

Kapitel 10 - Identität I

 

Ronald hielt Deram keineswegs für unfähig ... bewahre. Aber er war sich seiner geringen Nützlichkeit im Kampf gegen die Atavus und ihre unechten Hybriden ebenso bewusst wie seiner immensen Kenntnis des anderen Universums. Da konnte Liam (Mensch-Liam und Kimera-Liam beide, genaugenommen) sich auf den Kopf stellen, wie er wollte, denn wenn er Farrell mitschickte konnte er Ron nicht zwingen, hierzubleiben.
Der Implantant verfügte nun auch wieder über einen Skrill, wenngleich die Königin vom Tod seines letzten absolut nicht begeistert gewesen war - aus irgendeinem Grund war er beliebt und die Skrills meldeten sich reihenweise freiwillig. Nicht dass Skrill und Wirt eine besondere Beziehung oder auch nur flüssige Kommunikation hätten, das sah das CVI nun schlicht nicht vor, aber ein gewisses gemeinsames Körpergefühl war da - jedenfalls bei frei geborenen Skrills, Ron erinnerte sich schaudernd an das betäubte Gefühl, das von seinen ersten beiden Skrills ausgegangen war.
Eigentlich war es ein Wunder, dass die meiste taelonische Technologie sich so gutmütig weiterbenutzen ließ ... vermutlich lag das, wie so einiges sonst auch, an der freundlichen, netten und vor allem lebensachtenden Art des Kimera: Er schickte keine Shuttles mit Gehirn in den Kampf, er untersagte Imperativkomponenten und in Sackgassen gezüchtete Wesen - erstaunlicherweise blieb trotzdem noch genug übrig.
Das ungewöhnliche Leben der nun freien taelonischen Technologie bot reichlich Stoff für Geschichten - von der Freundschaft zwischen blauem Rankenwesen und Kater Sokrates bis hin zur ehemaligen Botschaft, die das Kabelfernsehen anbohrte, um jaridianische Space Operas zu sehen. Gut, inzwischen hatte das Gebäude von solchen illegalen Aktivitäten Abstand genommen, arbeitete als Museumsführung für sich selbst und pflegte mangels eigener Bewegungsmöglichkeiten ein ausgedehntes Online-Leben in einer virtuellen Fantasywelt (Elf / Halbdrache).
Rons eigenes Onlinespiel-Leben wurde von Pepe gepflegt - er selbst hatte keine Zeit, seinen Zwergenmagier / unechten Kimerahybriden hochzuleveln (natürlich waren in der Spielwelt Aliens gelandet, was erwartete man groß anderes?).

Er konnte sich ehrlich kaum ein besseres Universum als seines vorstellen - und schrieb sich für den Fall des Falles genau das in dickem, wasserfestem Schwarz auf seinen linken Handrücken, samt der Aufforderung, zu vertrauen, und seiner Unterschrift. Dann drückte er den Stift Neville in die Hand und verabschiedete sich von Mabel - ausgiebig und zungenbetont.

Schließlich saß er ganz hinten im Shuttle und winkte fünf Söhnen (gewissermaßen), einer Enkelin und überhaupt halb Clearwater zu, bevor Lil mit der Bernsteinmelone auf dem Schoß grünes Licht gab und Deram das Shuttle startete. Alles wirkte absolut normal, es ruckelte nichts, das Blau der Interdimension formte keine spiralige Verschiebung und es gab auch keine dissonanten Geräusche. Kaum waren sie allerdings zurück im Normalraum begann Deram wild Haken zu schlagen und schaltete auch die Tarnvorrichtung des Shuttles ein - feurige Waffenentladungen sausten knapp vorbei.
„Ra'jels Jäger”, sagte Renee.
„Wo ist Mutter?”, fragte die Jaridian.
„Als wir losflogen ... L2.”
„Gewöhnliche Umlaufbahnen sind nicht mehr in Mode, hmm?” Deram riss das Shuttle herum, wich beinahe beiläufig einem üblen Kreuzfeuer aus und steuerte mit einem Affenzahn vom Planeten weg.
„Es stimmt”, ließ Farrell von hinten vernehmen, „Ich spüre einen Kimera vor uns!”
„Ich spüre vor allem einige Taelons hinter uns!”, warf T'than ein, „Es ist möglich, dass sie mich orten können.”
„Glaub ich nicht”, sagte Deram trocken und bremste das Shuttle ab, „Sie haben uns immerhin verloren - wir sind übrigens knapp neben L2 und haben nur eine senkrechte Abweichung.”
„Ja, die Gravitation wird uns langsam aber sicher voll gegen Mutter klatschen”, sagte Lil, „Farrell, wie weit?”
„Clearwater - Washington, etwa?” Kurze Pause, dann eine Oktave höher: „Nachbarhaus?”
Kurz ruckelte es, dann wandte sich Deram verdutzt um. „Wir hängen in einem Energiefeld fest ... ein Docksystem eventuell?”
Renee nickte. „Ja.”
„Okay.” Die Jaridian deaktivierte den Antrieb und lehnte sich wartend zurück.

Es war ein Docksystem. Sowie das virtuelle Glas des Shuttles das Tarnfeld des Mutterschiffes durchdrang, wurde der Hangar sichtbar. Beginnend direkt vor Deram breitete sich der ungetarnte Bereich kreisförmig aus, bis Ron seitlich seinen Sohn stehen sah - weiß und blond, Liam Kincaid, wenngleich ohne das für den General typische ungebügelte Gesicht und die Hinterkopfglatze.
Renee war auf dem Sprung, sie hatte kaum die Geduld, bis das Shuttle aufgesetzt hatte und das virtuelle Glas verschwunden war, dann fiel sie dem Kimera schon um den Hals. Allerdings kam sie nicht zu besonders viel, denn Jarya räusperte sich deutlich. „Oh, entschuldigt”, sagte Renee, „Liam, darf ich dir die Gäste aus dem anderen Universum vorstellen?”
„Aus dem anderen Universum?”, Liam trat verdutzt näher, „Jaridian?” Er musterte die Jaridianpilotin in Jeans und weißem Top.
„Hi. Deram, aufgewachsen in Clearwater, Maryland.”
„Hi”, grüßte auch Lil und hob die Bernsteinmelone, „Das Ding hat Renee in unser Universum gebracht. Hat eine Weile gedauert, bis wir das kapiert hatten und wie es funktioniert.”
„Und ... wer sind Sie?”
„Entschuldigung. Lili Devereaux. Ich bin gewöhnt, dass Sie mich kennen.”

Jarya hatte sich inzwischen aus ihrem Gurtgewirr (wie immer sie das zustandegebracht hatte) befreit und gesellte sich zu Renee und Liam, der mit einem äußerst dummen Gesichtsausdruck erst Lil musterte und dann an ihr vorbeiblickte - und alarmiert seine glühenden Hände hob.
Ron unterdrückte den Verteidigungsreflex und hielt den Skrill ruhig - sein Sohn würde ihn schon nicht einfach ohne Vorankündigung erschießen. T'than blieb ebenfalls regungslos sitzen, nur ein sachtes Flackern seiner Fassade zeigte, dass ihm gerade nicht sehr wohl war.

„Alles okay!”, Renee drückte Liams Hände nach unten, „Ich vertraue ihnen! Okay?”
„Renee ...”
„Sie sind hier, um zu helfen”, erklärte die Blonde, „T'than wird dem Schiff sagen, dass auch ein Kimera es steuern können soll.” Sie lächelte ihn an, bis er sich schließlich dazu durchrang, sein Shaqarava zumindest zu dämpfen. „Steigen Sie aus, bitte”, wandte sie sich dann den Shuttleinsaßen zu, „Willkommen auf dem Mutterschiff.”
Das ließ sich Ron nicht zweimal sagen, etwas später standen zwei Männer, zwei Frauen und ein Taelon auf dem violetten Boden des Mutterschiffes. Liam musterte den Implantanten (vor allem das T-Shirt mit aufgedrucktem blauvioletten Drachen), den Taelon (vor allem die respektvolle Miene) und schließlich Farrell.
Vor allem die blassgrünen Augen.
„Hi, Dad”, brach der achtjährige Jugendliche das angespannte Schweigen, „Ich bin Farrell. Oder Ni'jeg, zwecks Zweitidentität.”
Liams verdutzter Blick wanderte zurück zu Ron, der sich arg beherrschen musste - und es nicht mehr konnte: Er brach lachend zusammen. „Ronny!”, fauchte Lil ihn an und gönnte ihm einen Ellbogencheck. Was für ein harter Ellbogen ... sicherheitshalber zwängte Ron sich in CVI-gestützte Ruhe, auch wenn es nicht gegen das Grinsen half.

„Renee, auf ein Wort ...” Liam zog die Genannte mit sich.

„Toll gemacht”, Farrell seufzte leise, „Ronny, du blamierst uns ja.”
Ronald rollte mit den Augen und fragte: „Was soll ich tun? Ich bin halt kein Eisklotz und sein Gesicht war ja wirklich zum Schießen ...”
„War es”, stimmte Deram zu.
„Ja”, sagte auch Jarya.
„Schon”, bestätigte Lil, „aber ich dachte immer, du wärst zu deinem Sohn etwas höflicher, als ihn gleich auszulachen.”
„Ich habe ihn nicht ausgelacht!”, widersprach er, „Ich meine ... eigentlich ist es ja gar nicht sein Gesicht, oder? Ha'gel hat die Überlagerung gemacht, also lache ich eigentlich den aus.” Er verfolgte die heftige, wenngleich nur in Auszügen („Verdammt, Renee!”) verständliche Diskussion am anderen Ende des Hangars. „Ob sie ihn überzeugen kann? Er wirkte doch sehr misstrauisch ... okay, ich habe es verbockt.”
„Quatsch.” Farrell wuschelte ihm durch die Frisur - das war neu, bisher hatte immer Ron über den Kopf seines Enkels gewuschelt, aber der Kleine überragte ihn ja seit der Blitzalterung um fast einen Kopf.
„Soviel zu Quatsch ...”, murmelte Deram und streckte einen Finger gegen das nun sie und die anderen umschließende virtuelle Glas.
„He, Liam!”, rief Jarya und pochte mit beiden Fäusten gegen die unsichtbare Barriere, „Doch nicht mich auch!”
T'than flackerte kurz blau auf. „Welche Vorgehensweise schlagen Sie vor, Agent Martínez?”, fragte er, „Ich kann den Befehl aufheben, wie Sie wissen. Die andere Möglichkeit wäre, auf Miss Palmers Überzeugungskraft zu vertrauen.”

Ron blickte auf seinen linken Handrücken. Vertraue. Gut, dann tat er das auch. „Wir warten ab”, bestimmte er.
„Wie Sie wünschen, Agent Martínez.”

„T'than, können Sie von hier aus verhindern, dass das Schiff in die Interdimension springt?”, ergriff Lil das Wort und wies auf die Kugel in ihren Händen, „Es ist nämlich so, dass uns das wieder in unser Universum bringen würde - samt Mutter und allen an Bord.”
„Dazu bin ich nicht in der Lage.”
„Dann sollten wir, also ihr, hier doch besser raus, bevor Liam sich in den Kopf setzt, hier zu verschwinden”, stimmte Jarya zu und Deram nickte knapp.
Ron seufzte leise. „Gut, also dann, T'than, bitte.” Der Taelon leuchtete kurz auf, legte seinen Kopf schief und formte eine vage Geste, dann verschwand das virtuelle Glas. „Liam”, rief der Implantant und marschierte quer durch den Hangar, „tut mir leid für den kleinen Ausbruch, aber Lil sagte gerade, dass das Mutterschiff auf keinen Fall in die Interdimension springen darf, weil es dann in unserem Universum landet.”
Wieder musste Renee die Hände des Kimera unten halten. „Er stammt aus einem anderen Universum! Du erinnerst dich doch an Jason.”
„Jason hatte weder CVI noch Skrill”, gab Liam kühl zurück, „Ich bin nur vorsichtig, das wirst du mir ja wohl zugestehen, Renee.”
„Ja”, sagte sie und bot ihm eine Handfläche, „sieh, was ich gesehen habe!”
„Nein”, der Kimera schüttelte den Kopf, „Ich glaube dir schon. Also gut.” Er wandte sich zu seinem Vater um und setzte ein Lächeln auf - ein reichlich künstliches allerdings, er musste das von Renee gelernt haben. „Also, Sandoval, was sollen wir noch tun wegen dieser multidimensionalen Kugel?”

„Erstens: Ronald Martínez”, sagte Ron, „Zweitens: Für dich ... Sie ...”, er verzog das Gesicht, „war also gleich klar, dass es multidimensional ist.” Liam machte erst ein verdutztes, dann ein ertapptes Gesicht. „Von uns sieht das nämlich nur Lil”, fuhr der Implantant fort, „als Tochter ihrer Mutter ein mehrdimensional denkendes Genie genau wie diese.”
„Mama Street”, ergänzte Renee grinsend.
„Augur und Street ...” Liam kratzte sich am Kopf, dann beschloss er: „Okay, das passt doch irgendwie ...”

„Lil?”, rief Ron, „Würdest du bitte herkommen?”
„Klar.” Die junge Schwarze eilte herbei und hielt dann die Bernsteinmelone in bester Betrachtungshöhe vor sich.
„Du kannst es sehen”, sagte Renee und sah Liam in Erwartung einer Bestätigung an, „Weißt du, ich habe drüben einige nette Dinge erfahren, die einiges in einem neuen Licht erscheinen lassen.”
„Was erfahren?” Er runzelte die Stirn und wich einen halben Schritt zurück.
„Vom elfdimensionalen Sonstwo”, sagte Ron, „Wir haben dorthin gewisse ... Verbindungen.”
Liams Stirnrunzeln vertieften sich zu wahren Schluchten, als er feststellte: „Ihr ... wisst davon. Wie? Ihr seid vierdimensional! Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Geheimhaltung in eurem Universum nicht gilt!”
„Sie gilt - allerdings etwas eingeschränkt, da eine von ihnen auf der Erde aufwuchs”, erklärte Ronald, „und zwar als geborene Elfdimensionale. Und noch dort lebt! Du kennst sie, ich rede von Harmony.” Und da hatte er Liam geduzt ... das schien diesen aber auch nicht mehr zu irritieren als der Rest des Satzes.
Jedenfalls stand die Kinnlade bis zum Anschlag offen.

„Liam, sehen Sie mal her”, störte Lil den Kimera beim Grübeln, „Das hier ist die Steuerung der Sekundäraktivierung - in knapp vier Tagen würde sie automatisch ausgelöst und bis dahin müssen wir das alles irgendwie gestoppt haben.” Sie zeigte auf einen Bereich der Kugel, der sich für Ron in nichts vom Rest unterschied. „Oder wir müssen in unser Universum zurück, denn nur dort lässt sich die Sekundäraktivierung verzögern.”
Was ist das für ein Ding?”, fragte Liam.
„Zunächst mal ein Vektorgenerator”, erklärte sie, „weiterhin verknüpft es ähnliche Universen und ermöglicht einer Gruppe, sich in einem davon zu konzentrieren - die Mabel-Nummer kennen Sie ja.”
„Ja - in einem davon?”
„In unserem. Mit Renees Flug wurde unser Universum als Zieluniversum markiert und wir würden gerne verhindern, dass es tatsächlich zum Hauptbahnhof des Multiversums wird.” Kurz verzog sie das Gesicht, dann erklärte sie weiter: „Mum meint, im Ursprungsuniversum der Kugel, also hier, müsste man die Verknüpfung aufheben und das System ganz deaktivieren können, und das kann gut sein, denn jetzt sind mehr bunte Knöpfe da als vorher.”

„Decken Sie es zu”, drehte Liam sich energisch weg.
„Wie bitte?”
Er seufzte leise. „Ich darf das nicht sehen! Ich darf meine elfdimensionale Natur nicht ausnutzen.”

Lil stimmte lautstark in sein Seufzen mit ein. „Okay ... Plan B also. Ich bleibe hier.”
Ron sah sie irritiert an. „Weshalb denn das? Es gibt bestimmt noch einen anderen Weg ...”
„Nein”, sie schüttelte langsam den Kopf, „Wir können meine Mutter nicht von der Erde holen, es geht nicht. Ronny, rechne dir doch mal aus, wie lange wir ohne Interdimension da unterwegs sind! Und selbst mit Interdimension wären wir zu langsam - zwei Monate mindestens, Ronny.”
Der Implantant runzelte seine Stirn etwas - da war ein Gedanke, den das CVI brav schnell durchdachte: „Wie viel vom taelonischen Portalnetz ist noch intakt?”
„Kaum etwas”, bremste Liam ihn, „Wir kommen mit Sicherheit nicht bis zur Erde durch.”
„Lil”, mischte sich Deram ein, „kannst du die Kugel nicht irgendwie umprogrammieren? Zeitgesteuerte Deaktivierung im Idealfall ...”
„... oder ein Vektor zur Erde, als Alternative?”, warf Farrell ein. Soeben kamen auch noch T'than und Jarya herbeigeschlendert. „Aber Dad ... warum darfst du nicht?”, kam der junge Hybrid auf den Kern des Problems zurück, „Es betrifft ja eigentlich vor allem unser Universum, in dem du bestimmt dürftest. Harmony darf!”
„Ja”, sagte Ron und zählte auf: „Sie darf Leute aus der Interdimension zusammensetzen, teleportieren, ...”
Liam schüttelte nur vehement den Kopf. „Nein. Sie haben mir gestattet zurückzukommen und Renee den Weg zum Atavus-Schiff zu zeigen - aber nur unter der Bedingung, dass ich vierdimensional lebe. Ich sollte auch nichts erzählen, aber das habt ihr ja jetzt getan.”
Ronald rollte mit den Augen. „Tschuldigung, ja?”
Liam holte tief Luft und begann eine ärgerliche Tirade, während derer er den Implantanten regelmäßig als Sandoval angiftete - das war neu für Ron, sein Sohn zeterte doch nicht!

„Was ist mit ... entschuldigt, darf ich mal was sagen?”, versuchte Jarya, sich einzubringen, schließlich hatte sie sich das Zentrum der Aufmerksamkeit hart erarbeitet und schlug vor: „Was ist mit Ra'jels Superportalen?”
„Superportale?”, fragte Lil, „Super wie in superweit oder wie in supergefährlich?”
„Eher supergroß - da passt ein ganzes Schiff rein.”
„Supergefährlich”, fügte Renee hinzu, „Zehn Schiffe bei jedem Portal. Und dann ist noch nicht mal sicher, dass eines der Portale in Erdnähe ist.”
„Näher ran reicht ja mitunter schon”, beschloss Lil, „wenn wir ja mit dem Schiff durch und dann einfach weiterfliegen können. Ich kann da aber nicht mit - ich muss vermutlich zwischenzeitlich ein paar mal die Sekundäraktivierung verschieben.”

„Gut, gehen wir auf die Brücke.” Damit zog Renee den Elfdimensionalen am linken Arm und Ron am rechten mit, die vier jungen Leute und der Taelon folgten bereitwillig. „Ich hoffe sehr, Yulyn wird Sie nicht gleich aufzuspießen versuchen, Ronald.”
„Sehr erfreuliche Aussichten, Renee ...” Vielleicht sollte Ronald besser hinter Deram und Farrell in Deckung gehen.
Es gab keinen Grund, in Deckung zu gehen, denn der Atavus Yulyn wurde von seiner Tochter durch eine heftige Umarmung sofort außer Gefecht gesetzt - auch wenn er den Implantanten wütend niederstarrte und die Krallen ausfuhr, er spießte ihn nicht auf.
Sandoval!”, rief Lili erschrocken und sprang vom Thron auf, „Was zum ... T'than?”
„Sie sind aus einem anderen Universum, Oma”, erklärte Jarya, „T'than soll dem Schiff sagen, dass Liam es auch steuern können soll.”
„Ja, Lili ... lass ihn bitte hin, er soll das gleich machen”, bestätigte Liam.
T'than formte eine grazile Geste und nahm Platz. „Grüße, T'than”, ließ das Schiff hören, als er die Kontrollen der Armlehne aktivierte.
Davon war der Taelon gelinde gesagt überrascht, seine schon halb für die nächsten Anweisungen erhobene rechte Hand erstarrte. „Verbale Steuerung?”, fragte er nach, „Seit wann ist dieses System außerhalb des Systemkontrollraums verfügbar?”
„Zo'or hat es eingerichtet”, sagte Liam.
„Schiff ... ermögliche die volle Steuerung auch Nicht-Taelons”, formulierte T'than derweil verlegen.
„Ausführung nicht möglich. Verifikation Ihrer Identität fehlgeschlagen.”
„Erklär mir das!”, fauchte der Taelon das Schiff an, „Du hast mich erkannt!”
„Bestätigt. Finden Sie sich in der medizinischen Station ein.”
T'than verlor einen Moment seine Fassade, dann formte er eine ärgerliche Geste und wischte das Gespräch förmlich beiseite, bevor er seine Hände geübt und gekonnt (und vor allem elegant) durch die in der Luft aufscheinenden Kontrollen gleiten ließ.
„Freigabe der vollen Steuerung an Nicht-Taelons ausgeführt”, bestätigte das Schiff schließlich verbal.

Lili musterte den Taelon reichlich perplex und winkte dann, als er sich erhob und beiseite trat, Yulyn, sich zu setzen. Der Atavus tat es und bewegte seine Hand über die Armlehne - das Mutterschiff sprach ihn an: „Grüße. Nennen Sie Ihren Namen.” Er runzelte irritiert seine Stirn, folgte der Bitte aber sogleich. „Grüße, Yulyn, Sie verfügen über die volle Steuerung.”
„Scanne das Schiff und liste die Personen an Bord.”
„Scanne. Daten verfügbar. Es befinden sich 3404228 Personen an Bord, davon 58 wach.”
„47 Jayulai, wir zehn und Ariel”, erklärte Renee, „Yulyn, schränke die Steuerung auf die ein, die wach sind.”
„Schiff, nur wer jetzt wach ist darf die volle Steuerung haben, niemand sonst.”
„Ausgeführt.”

„Sag ich doch”, Renee zog ihre Mundwinkel zu den Ohren, „Darf ich bitte hin?” Sie durfte.
„Grüße, Da'an.” - Natürlich, die Energie in ihr, nur so hatte sie das Schiff bisher steuern können.
Renee bewegte ihre Hände durch die aufscheinenden holographischen Kontrollen, nicht so exakt und zugleich elegant wie T'than, aber sie kannte sich durchaus gut mit dem System aus. „Hier, das sind die bekannten Superportale - und es ist tatsächlich eines zwei Drittel Weg zur Erde und eines ganz hier in der Nähe. Genügt das, Lil?”
„Zwei Wochen hin, zwei Wochen zurück”, sagte die Mathematikerin, „Also sechs- oder gar siebenmal Sekundäraktivierung verschieben. Ich hoffe, das Ding streikt nicht, wenn es zu viele Passagen in zu kurzer Zeit machen muss ...”
„Oder du bleibst den Monat ganz drüben”, brachte sich Ron ein, „Wäre doch auch möglich, oder? Hilft auch gegen die Sorgen deiner Eltern.”
Lil seufzte leise, nickte aber nach einem Augenblick. „Okay”, sagte sie.
„Mir kommt da gerade noch eine Idee ...”, überlegte Renne und strich nachdenklich ihre Haare aus der Stirn, „Ein Personenaustausch sollte doch ohne größere Probleme gehen, auch ohne, dass die Mabel-Nummer droht, richtig?”
„Worauf wollen Sie hinaus?”, fragte Ron mit gerunzelter Stirn - er hatte das ungute Gefühl, ihren Gedanken zu kennen.
Er hatte Recht. „Wir haben es mit Taelon-Atavus zu tun”, sagte sie, „ich kenne nur eine Person, die sich da wirklich auskennt.”
„Nein!”, kam sofort von Lil und Ron, einen Augenblick später auch noch von Deram und Farrell.
„Renee, mit den Schiffen kennt sie sich nicht gerade aus, da ist eher Deram die richtige”, erklärte der Implantant, „und wir werden Ra'jels Leute bestimmt nicht an Bord lassen!”
Die Blonde verschränkte streng ihre Arme. „Ronald, Sie mögen es aus Ihrem Universum gewöhnt sein, aber Optimismus ist nicht angebracht”, sagte sie, „Wir hatten nicht nur einmal Jäger an Bord und gut vierhundert Schläfer und acht Jayulai haben es nicht überlebt!”

Liam hob energisch eine Hand. „Möchte mir bitte jemand sofort sagen, worum es hier geht?”

Ron biss sich auf die Lippen, wechselte kurz einen Blick mit seinem Enkel, der aufmunternd zwinkerte. „Eine vereinigte Atavus aus unserem Universum hat die Atavus infiltriert und ist dabei auch Ra'jel begegnet”, erklärte er, „Zoriel.”
Zoriel!”, fauchte Lili ihn an, „Das ist eine unglaubliche verdammte ...” Sie zuckte zurück, als ihr Farrell sein geöffnetes Global vor die Nase hielt - Zoriels Hochzeitsfoto, das Brautpaar gesäumt von den gesamt sieben Elternteilen: Drei Taelons, drei Menschen und ein Jaridian.
Ron war immer noch der Meinung, dass die Atavus an einer gewissen Form von Geschmacksverwirrung litt ... wie konnte man nur in Schweinchenrosa heiraten?

Lili griff sich auch an den Kopf - vielleicht deswegen, vielleicht wegen Zoriel generell, vielleicht auch wegen der drei lächelnden Taelons. „Okay”, murmelte sie, „Ich frage Ariel.” Damit war sie weg.

Ariel sagte nein - Ron war äußerst erleichtert. Renee führte ihren Plan, Zoriel Ra'jels Taelon-Atavus in Zo'ors hiesiger Atavus-Gestalt zu infiltrieren, detailliert aus, doch sie erntete nur mehr Kopfschütteln. Ron war wirklich sehr erleichtert.

* * *

Sie einigten sich dann nach einer heftigen Diskussion (und Information) doch noch auf einen Zoriel-freien Plan. Lil nahm die Bernsteinmelone und flog ab, Farrell, Deram und ein Jayulai namens Miisazvii flogen ab, T'than nahm ein drittes Shuttle und flog mit Ron ebenfalls los.
„Wird es funktionieren?”, fragte der Implantant.
„Soweit ich mich erinnere, glauben Sie nicht an präkognitive Fähigkeiten von Taelons.”
„Haben Sie denn welche?”
„Ich bedaure”, sagte der Taelon und wandte sich am Pilotensitz halb um, „nein.”
Ron zupfte seinen Anzug zurecht und seufzte leise. Präkognitive Fähigkeiten wären gerade äußerst praktisch. Ach was, sie wären immer praktisch. Der Implantant mochte es nicht zugeben, aber er machte sich ziemliche Sorgen.
Was, wenn der Plan in der Anfangsphase in die Luft ging?
„Wir sind in Reichweite”, sagte T'than schließlich und erhob sich, „Nehmen Sie Platz, Agent Sandoval!”
„Ihnen sollte bewusst sein, dass ich kein besonders guter Pilot bin”, gab Ron zurück, während er sich auf den Pilotensessel setzte.
„Sie machen das schon. Sie sind ja schon geflogen.”
„Ja, zweimal!” Er hob die Hände und aktivierte das Kommunikationssystem: „Hier spricht Ronald Sandoval, ich rufe Ra'jel!” Und das mit der alten Eisklotzstimme, die auch Ron selbst eine Gänsehaut brachte, und dazu noch auf Eunoia.
Wenig überraschend ließ Ra'jel sich Zeit, schließlich meldete sie sich dann doch, glücklicherweise mit Namensnennung, denn erkannt hätte Ronald den Taelon in weiblicher Atavusgestalt nicht. „Für einen Toten sind Sie bei außerordentlich guter Gesundheit”, sagte sie, „Erklären Sie sich!”
„Totgeglaubte werden nicht verfolgt”, sagte Ron, „Ich habe meinen Tod vorgetäuscht - und nicht nur meinen!” Er erweiterte den übertragenen Bildausschnitt und wies auf T'than.
„Agent Sandoval, Sie überraschen mich”, die Taelon-Atavus schmunzelte, „Kommen Sie umgehend an Bord!”
„Wie sie ... wünschen.” Ron blickte kurz verdutzt dorthin, wo zuvor noch Ra'jels Gesicht gewesen war, dann setzte er den Kurs und beschleunigte das Shuttle. Er brachte dann sogar die Landung im Hangar des Jaridianschiffes ohne Unfall hinter sich.

Zwei Atavus erwarteten ihn und den Taelon hinter der einzigen Türe, neben Ra'jel stand ein Halbwüchsiger mit denselben grellblauen Augen. Ron beabsichtigte einen respektvollen Gruß, doch sowie er den Mund aufmachte, schnitt ihm schon T'than mit einer herrischen Geste das Wort ab. Der konnte die alte Schiene also auch noch. Der Gruß des ehemaligen Kriegsministers fiel angeberisch aus: Er zeigte seine Energie, die für gut tausend Jahre reichen würde.
„Woher hast du so viel Grundenergie, T'than?”, war Ra'jel ganz untaelonisch überrascht, der andere Taelon-Atavus klappte gar staunend den Mund auf.
Der Taelon grinste süffisant. „Ich habe meine Quellen ...”
„Nenne sie!” Vier glühende Hände waren sogleich auf Taelon und Implantant gerichtet und letzterer brauchte alle CVI-verstärkte Selbstkontrolle, die er aufbringen konnte, um weder einen Kloß zu schlucken, noch seinen Skrill zu heben.
„Ra'jel, ich bin mir nicht ganz sicher ...”, T'than ließ elegant seine Finger durch die Luft gleiten, „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder waren die Taelons deiner Zeit generell so primitiv und emotionsgesteuert - oder es liegt an deiner gegenwärtigen Form.”
„Bedenken Sie, Ra'jel, ...”, begann Ron und wieder fuhr der Taelon ihm über den Mund: „Es mag Ihnen in 25 Jahren mitunter so erschienen sein, als schätzte ich Ihre gesprächige Art, nun aber, da ich mich der Gesellschaft meiner Artgenossen erfreuen kann, schweigen Sie gefälligst!”
„Natürlich, T'than”, gab sich der Implantant unterwürfig.

Ra'jel musterte kurz Ron, dann den Taelon, bevor sie ihnen bedeutete, ihr und dem Halbwüchsigen zu folgen. Sie brachte sie in einen kleinen Wohnraum mit zwei Stockbetten, Schrank und Waschkabine und ließ sie dann allein. Ron hörte den Riegel in der Türe einrasten.
„Sie wird zurückkommen”, sagte T'than.
Würde sie bestimmt - allerdings kam zunächst eine andere Taelon-Atavus, die sehr freundlich lächelte und statt der Grußgeste T'than um den Hals fiel. Sehr taelonisch war das nicht - sehr atavanisch allerdings auch nicht.
T'than befreite sich energisch und sehr eilig aus ihrem Griff und musterte sie kritisch. „Wer bist du?”
„Sayi'a.”
„Ein ungewöhnlicher Name”, stellte er fest, „Weshalb trägst du ihn?”
„Ich war die erste - ich werde die einzige bleiben”, erklärte sie, „Ich bin nicht mehr Taelon. Meine Eltern sind Je'lu und Ry'nai ... und zwei Atavus, deren Namen ich nicht kenne.”
„Du wurdest in dieser Form geboren!”, war er verblüfft, „Aber weshalb solltest du nicht Taelon sein?”
„Du ... akzeptierst mich dennoch?” Sayi'a sah ihn unsicher an, er lächelte aufmunternd. „Du ... akzeptierst mich, obwohl ich mich nicht von dieser materiellen Gestalt trennen kann? Wirklich?”

T'than hob seine Hände und strich sanft über ihre Wangen. „Du bist mein Enkelkind. Ich akzeptiere dich, wie du bist.”
Sayi'a sah ihn perplex an, aber zugleich begann unbändige Freude durch ihre Haut und sogar durch den schwarzgeriffelten Atavusanzug zu strahlen. Sowie allerdings das Schloss klickte trat sie eilig zwei Schritte von T'than weg und drängte das Leuchten vollständig zurück.

Ra'jel trat ein, musterte kurz ihre Artgenossin und fauchte sogleich: „Entferne dich! Und nimm den Menschen mit.”
„Sofort.” Sayi'a neigte den Kopf, griff nach Rons Arm und zog ihn mit aus dem Raum. Zwei Taelon-Atavus beobachteten sie kritisch und genau, bis sie ihn in ein weiteres Quartier bugsiert hatte. „Bitte verzeihen Sie die Umgebung, aber ich habe nicht sehr viel Platz.”
Das war die Untertreibung des Jahrhunderts: In diesem Wandschrank mit eingebautem Bett konnte man sich nicht einmal unfallfrei umdrehen!
„Sie werden offensichtlich nicht mit der Ihnen zustehenden Achtung und Würde behandelt”, stellte Ron fest, „Das bedaure ich.”
„T'than behandelt mich gut”, sagte Sayi'a, „Ist er so anders, weil er ein richtiger Taelon ist und keine Atavus-Gestalt hat?”
Ron runzelte kurz die Stirn. Was konnte er ihr da sagen? Er beschloss, nahe der Wahrheit zu bleiben: „Weil er gesehen und erlebt hat, dass nicht Taelons herausfanden, wie man Grundenergie erzeugt.”
Sayi'a sah ihn staunend an. „Sie haben das herausgefunden?”
„Nein. Ich weiß auch nicht, wie es geht.”
Sie fand das zweifellos äußerst schade und senkte bedrückt ihren Blick, einen Moment später war alles wie weggewischt und sie wirkte eher besorgt. „Sie benötigen Nahrung, richtig?”
„Es befinden sich genügend Vorräte im Shuttle, ich werde nicht hungern.”
Sie schüttelte den Kopf. „Es ... ist nicht mehr da, Ra'jel hat es über Bord werfen lassen.” Sie musterte ihn. „Wovon ernähren Sie sich? Welche Substanzen benötigen Sie?”, fragte sie, „Auch wir benötigen Materie - womöglich ähneln sich unsere Bedürfnisse durchaus.”
„Sie ernähren sich nicht ausschließlich energetisch?”
„Elektrolytsalze und Membranaufbausubstanzen”, sie hielt ihm stolz eine Schachtel mit gelben Pillen vor die Nase.
„Das ... wird nicht genügen”, seufzte Ron. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Intrigen und bleihaltige Luft, ja, aber doch nicht den Hungertod! „Menschen ernähren sich ... kompliziert.” Gut, Membranaufbausubstanzen waren vermutlich Proteine, deren Bestandteile der Körper mit etwas Aufwand in Traubenzucker umwandeln konnte. Mit genügend davon konnte er also zunächst überleben - nur schlitterte er dabei garantiert frontal in eine ganze Wagenladung Mangelerscheinungen, ganz zu schweigen von der drohenden Überforderung von Leber und Niere.

Und das in seinem Alter!

Etwas später wurde die Türe aufgerissen und Ra'jel verschränkte die Arme. „Agent Sandoval, T'than sagte mir, dass Sie nicht wissen, wie man Grundenergie erzeugt, allerdings wo man sie findet - was er nicht weiß.”
„Das ist korrekt.”
Die Taelon-Atavus streckte auffordernd eine glühende Hand aus. „Teilen Sie es mir mit!”
„Ich hänge an meinem Leben”, gab der Implantant kühl zurück, „Ich werde Sie hinführen und verlange danach freies Geleit.”
„Gerade Sie, Agent Sandoval, sollten wissen, wozu wir fähig sind!”, fauchte sie und fuhr eine leuchtende Kralle aus ihrem rechten Zeigefinger aus, „Ich werde Ihr Wissen aus Ihrem Verstand herausreißen, wenn Sie nicht umgehend kooperieren!”
Oh oh! Ronald setzte eine möglichst eisige Miene auf und fixierte Ra'jel. „Riskieren Sie, dass mein CVI meinen Verstand komplett zerstört, bevor Sie auch nur mein Geburtsdatum erfahren! Los!” Er strich eine graue Haarsträhne aus seiner rechten Schläfe.
„Ihr Implantat wurde vor langer Zeit entfernt.”
„Ich hatte viele Implantate im Lauf der Jahrzehnte!”
„Sie lügen”, beschloss Ra'jel, warf Ron gegen die Wand und versuchte, ihm die Kralle an den Kopf zu setzen, prallte allerdings von einem Skrillschuss getroffen zurück.
„Nur ein CVI kann einen Skrill kontrollieren!”, rief Ron, „Ich will mich nicht zu einem sabbernden Idioten machen müssen - aber wenn Sie mich dazu zwingen, tu ich es!” Würde er nicht. Wie auch? Das konnte das Implantat ja gar nicht.
Zu diesem Schluss kam auch Ra'jel, warf Ron noch einmal kräftig herum und setzte dann die Kralle an.

Das war es dann also. Der Plan ging in der Anfangsphase in die Luft, zum Hungertod würde es gar nicht kommen. Heiße Energie zog um Ron, irgendetwas wirbelte. Er dachte an Mabel, an ... an wen noch? Es flogen Bilder durch seinen Verstand, die er nicht kannte. Irgendetwas war hier anders als erwartet. Was hatte er eigentlich erwartet? Wo war er überhaupt?
Er öffnete die Augen und setzte sich auf. Sayi'a war sofort bei ihm und drückte ihn wieder auf die Matratze. Auf ihre Matratze in ihrem besseren Wandschrank auf ... auf einem Schiff.

Auf welchem Schiff? Wie war er hier hergekommen? Wer war er überhaupt?

„Agent Sandoval, bleiben Sie ruhig liegen”, sagte Sayi'a, „Sie werden sich gleich besser fühlen.” Sandoval hieß er also, Agent war ein Titel, eine Funktion ... ein Beruf. „Ra'jel ist sehr wütend, aber sie kann nichts tun”, fuhr die Atavus fort, „Sie haben ihr ja deutlich gezeigt, dass sie an Ihr Wissen nicht so einfach herankommt.”
War es klug, sein Nichtwissen hinauszuposaunen? Nun, Wissen über die Zeit seiner Bewusstlosigkeit konnte er sowieso nicht haben. „Was ist passiert?”, fragte er also.
„Ein Energiewirbel”, sagte Sayi'a, „Ra'jel konnte nicht nur keinen Energiekontakt zu Ihnen herstellen, es schleuderte sie sogar zurück und kurzzeitig aus ihrem Körper heraus!”
Ra'jel war doch kein Atavus? Ra'jel war ein Taelon, das wusste Sandoval ganz genau. Halt, Moment, da war etwas ... Zo'or.
Zo'or war ein Taelon ... und eine Atavus. Nein, zuerst Taelon, dann Atavus, dann tot, genau. Ra'jel hatte das also ähnlich gemacht - nur ohne den dritten Punkt. Sayi'a ... nicht. Sayi'a hatte das nicht gemacht, das wusste Sandoval irgendwoher. Warum war sie Atavus, wenn sie doch einen Taelonnamen trug?

Halt, einen Gedanken zurück. Wann hatte sie ihm ihren Namen gesagt? Daran erinnerte er sich nicht, er wusste nur den Namen. Womöglich irrte er sich.
Aber er fragte sie nicht. Er wollte sein Nichtwissen schließlich nicht hinausposaunen.

Die Türe ging auf und ein Taelon trat ein, Sandoval musste tief in seinem Hinterkopf graben, aber er fand den Namen: T'than. „Wie geht es ihm, Sayi'a?”
„Er ist wach”, tat die Atavus stolz kund, dann fragte sie besorgt: „Was hat Ra'jel gesagt?”
„Wie erwartet”, sagte T'than, „dass es in meiner Verantwortung liegt, sein Wissen aus ihm herauszuholen, weil sie mich sonst umbringt.”
„Aber das wirst du doch nicht tun!”
„Nein.” Er trat einen Schritt näher, womit er direkt neben Sayi'a stand und andererseits am Bett anstieß. „Wir werden uns eine nette Wegbeschreibung ausdenken, um Zeit zu gewinnen. Was schlagen Sie diesbezüglich vor?”
Sandoval fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und seufzte. Was konnte er denn vorschlagen, wenn er schon nichts wusste?
„Was haben Sie da auf Ihrer Hand?”, fragte Sayi'a neugierig.

Überrascht blickte er auf den Handrücken der Linken. Ronald Martínez. Das war sein Name, nicht Sandoval. Er sollte vertrauen, aber wem? T'than? Sayi'a?
Ra'jel? Nein, nicht Ra'jel. Ra'jel hatte ihn ... ja, Ra'jel hatte ihn verprügelt.

T'than musterte Ronald besorgt. „Sie erinnern sich nicht mehr, oder?”
Er hatte recht, leider. „Nein, ich erinnere mich nicht mehr”, gab Ronald widerstrebend zu, aber was sollte er sonst tun? Nur eine unbeantwortete Frage und T'than wüsste sowieso Bescheid.
„Geben Sie mir Ihre Hand”, verlangte der Taelon und streckte seine Rechte aus. Ronald zuckte zurück und stieß mit der Schulter gegen die Wand. „Sie brauchen sich nicht vor mir zu fürchten, das versichere ich Ihnen. Ich werde Ihnen nur Ihre Erinnerung zurückbringen.”
„Zu einem Sharing werden Sie mich zwingen müssen!”, sagte Ronald energisch, „Ich lese kein Wort davon, dass ich Ihnen trauen soll!” Er setzte sich auf und hockte sich in die Ecke des Bettes, die von T'than am weitesten entfernt war.
Der Taelon blickte einen Augenblick verdutzt, dann setzte er sich neben den Menschen und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er sprach nicht mehr Eunoia, als er nach gut einer Minute das Wort ergriff. „Als Renee Sie fast umgebracht hätte”, sagte er, „brach für Sie die Barriere zwischen zwei Welten zusammen. Seitdem leiden Sie unter Störungen Ihres Gedächtnisses, gegen die selbst Ihr Implantat nutzlos ist.” Wieder bot er seine Handfläche. „Es wird nicht das erste Mal sein, dass ein Sharing Ihre Erinnerung stabilisiert.”

Ronald musterte ihn kritisch. Er erinnerte sich an Renee ... mit Krallen wie ein Atavus, aber das war nicht möglich, Howlyn hatte ja versucht, sie zu vereinigen, und war damit gescheitert.
Zwei Welten, sagte T'than. Ronalds Universum war das beste, stand auf dem Handrücken. Ronald erinnerte sich an Maiya ... nein, an Mabel. Dies war nicht sein Universum - und T'thans auch nicht! Also sollte er tatsächlich ihm vertrauen.

„Wie Sie wünschen”, sagte er knapp und drückte seine Hand gegen T'thans.
Der Taelon hatte einen Plan. Er wollte dieses Sharing als ergaunert darstellen und Ra'jel die Wegbeschreibung geben, sie würde ihr ohnehin nicht helfen. Aber die Angaben über die dortige Verteidigungsstärke würden Ra'jel veranlassen, das Superportal schwächer bewacht zurückzulassen.
Es ging um das Superportal, nicht um Ra'jel. Sowie Ronald das begriffen hatte, fielen auch etliche andere Puzzleteile an ihren Platz.
Es war tatsächlich nicht das erste Mal, dass ein Sharing seine Erinnerung zurückbrachte - nur war es das letzte Mal mit Harmony gewesen. Harmony ... er vermisste sie. Er vermisste sie alle, vor allem natürlich Mabel.

Ron spannte seine Muskeln an, bis er sich fast verkrampfte, dann begann er zu zucken und wand sich wie vor Schmerzen.
T'than sah ihn zufrieden an und klopfte kräftig gegen die Türe, die sogleich geöffnet wurde. „Ich habe sein Wissen erlangt”, tat er herablassend kund, dann verließ er den kleinen Raum und schloss die Türe von außen.

„Er hat Sie belogen!”, war Sayi'a unverhohlen entsetzt, „Ich habe ihm vertraut! Haben Sie wenigstens Ihre Erinnerung zurückerlangt, Agent Sandoval?”
Ron hielt die Muskelspannung noch hoch und ächzte leise: „Ja, wenigstens das ... ich war so naiv ...” Er verlangsamte seine stoßweise Atmung etwas, dann blickte er zu Sayi'a auf.
Sie sah ihn traurig an. „Es tut mir leid”, flüsterte sie, „Ich ... ich dachte, er wäre anders. Ich hätte dieses Sharing nie zugelassen, wenn ich geahnt hätte, dass er wirklich tut, was Ra'jel verlangt.” Langsam setzte sie sich neben ihn auf das Bett und seufzte. „Er sagte, er würde mich akzeptieren ... das tut er wohl auch nicht.”
„Vermutlich nicht, nein.”
Sie lächelte schwach. „Ich sollte mich inzwischen daran gewöhnt haben.”
„Es ist schwer, sich an etwas zu gewöhnen, wenn man immer wieder das Gedächtnis verliert”, sagte Ron, „andererseits ... lernt man immer neue Leute kennen, nicht wahr?”
„Immer wieder T'than, nehme ich an.”
„Ja, immer wieder T'than.” Er blickte auf seine linke Hand: Vertraue. Sayi'a konnte es nicht lesen, aber keinesfalls durfte Ra'jel das näher zu sehen bekommen, denn sie konnte es lesen. Glücklicherweise war der Hemdsärmel lang genug, um die Schrift bei Bedarf gut zu verstecken. „Sie haben nicht zufällig etwas zu essen?”
„Nur das”, sagte sie und öffnete eine Schachtel mit gelben Pillen, „immer noch.”
„Schade. Hätte ja sein können.”
„Aber Wasser habe ich. Menschen brauchen Wasser, wie wir auch.” Sie sah ihn fragend an und er nickte, daraufhin stand sie auf und öffnete eine Klappe in der Wand, aus der sie einen Becher Wasser nahm. „Hier, trinken Sie”, murmelte sie, „und Sie können auch ein paar Tabletten haben, vielleicht hilft es ja etwas.”
Richtig, vielleicht half es etwas. Er warf vier der gelben Pillen ein und spülte sie mit Wasser hinunter. „Danke, Sayi'a.”
„Ruhen Sie sich aus”, sagte sie, „Ich werde auf dem Boden schlafen.” Er setzte an zu protestieren, aber sie schüttelte schnell den Kopf. „Wir werden uns abwechseln. Heute beginne ich. Schlafen Sie gut.”
Er musterte sie einen Moment lang, dann nickte er und streckte sich auf der Matratze aus. „Gute Nacht, Sayi'a.”

* * *

Ron erwachte von einem unangenehm drückenden Gefühl in seinem Bauch und seufzte laut auf. Leider befand er sich auf einem Jaridianschiff, dessen neue Besitzer keinen Bedarf hatten, irgendetwas an den Waschräumen zu ändern.
Keine Toiletten. Atavus wie Jaridians pinkelten einfach in der Dusche, mehr war nicht nötig.
Für Ronald war es nötig - und er wollte im Boden versinken, wenn er nur daran dachte, dass er dieses Bedürfnis einem Atavus erklären musste, um vielleicht irgendeine höchstwahrscheinlich peinliche bis unangenehme Lösung präsentiert zu bekommen.
Er setzte sich auf und fuhr sich mit beiden Händen über sein Gesicht. Dann sammelte er seinen Willen, stand auf und setzte seine Füße auf die einzigen freien Flecken Fußboden: Vor Sayi'as Bauch und zwischen ihren Beinen. Der Versuch, die Türe zu öffnen, schlug fehl, sie war verschlossen. Von außen.
„Sayi'a? Entschuldigen Sie bitte ...” Er hockte nieder und schüttelte ihre Schulter.
„Was ist ...?” Die Taelon-Atavus riss ihre blau aufglimmenden Augen auf und drehte sich erschrocken auf den Rücken, wobei sie Ron ein Standbein nahm. Mit einiger Überraschung fiel er vornüber und fand sich in ihren Armen wieder. „Agent Sandoval, schickt sich das für einen Menschen in Ihrer Position?”, fragte sie grinsend.
„In meiner ... Position?”
„Agent. Das ist doch eine hohe Position, nicht wahr?”
„T'than sieht das zweifellos anders”, sagte Ron und setzte an, sich aus seiner Lage zu befreien, allerdings kam er nicht weit.

Ra'jel trat ein, stemmte ihre Hände in die Hüften und räusperte sich: „Ich sehe, Sie haben sich bereits mit Ihrer Zimmergenossin angefreundet.”
Sayi'a verteidigte sich sofort: „Ra'jel, ich schwöre, es ist nicht ...”
„Schweig”, fuhr Ra'jel sie an, „Folgen Sie mir, Agent Sandoval. Sayi'a, mitkommen!”

Die beiden rappelten sich auf und kamen dem Befehl umgehend nach. Die Taelon-Atavus-Anführerin brachte sie in einen Besprechungsraum, in dem bereits zwei andere Atavus und T'than saßen.
„Agent Sandoval, wir haben das Ziel erreicht”, sagte der Taelon, „Sie werden kooperieren! Ich verfüge über Mittel, Sie zu zwingen, und das würde zweifellos sehr unangenehm für Sie.”
Es klang wie in alten Zeiten, ein bisschen unwohl fühlte sich Ron jetzt doch - und das ganz unabhängig von seinem gewissen menschlichen Problem. „Ich werde kooperieren, T'than”, sagte er und neigte unterwürfig den Kopf.
„Ihre hohe Meinung vom hiesigen Verteidigungssystem ist etwas übertrieben”, bemerkte Ra'jel überheblich lächelnd, „Wir haben eine Lücke in der ach so lückenlosen Überwachung aufgespürt. Wir, wie wir in diesem Raum sind, werden nun abfliegen, um die Grundenergie zu finden, während die anderen Schiffe für die nötige Ablenkung der Verteidigungssatelliten sorgen.” Sie musterte T'than. „Du hättest uns mitteilen können, dass es sich um eine Welt der Jayulai handelt”, fuhr sie kühl fort, „Wir hatten bereits mit ihnen zu tun.”
„Sie ist verlassen, von Ruinen übersät”, erklärte T'than knapp, „Ich hatte keinerlei Anhaltspunkte für ihre einstigen Bewohner. Es kann aber durchaus auch an der Unzuverlässigkeit des menschlichen Gedächtnisses liegen.” Er erhob sich, betrachtete Ron von Kopf bis Fuß und verlangte: „Bringen Sie gefälligst Ordnung in Ihr Erscheinungsbild, Agent Sandoval. Lassen Sie uns allerdings nicht warten!”
„Ich zeige ihm den Waschraum”, sagte Sayi'a und wurde dafür gemeinsam mit Ron von Ra'jel herrisch hinausgescheucht. Sie zeigte ihm den Weg und er wusch sich eilig und strich die ärgsten Falten seines Anzugs mit nassen Fingern erfolgreich glatt. Nur Toilette gab es leider keine. „Kommen Sie”, zog ihn Sayi'a mit, als er gerade zumindest die obere Zahnreihe geputzt hatte, seine Frisur glättete er mit den noch nassen Händen im Lauf Richtung Hangar.
Die junge Taelon-Atavus erwischte die Zeit gerade noch richtig - einen Moment später wäre Ra'jel wohl explodiert. Die Anführerin durchbohrte Ronald mit ihrem Blick aus grellblauen Augen und wies knapp auf das bereitstehende Jaridianshuttle. Der Implantant beeilte sich, darin Platz zu nehmen, Sayi'a ebenfalls, Ra'jel schloss schließlich die Luke und befahl den Abflug, den der sehr kräftig gebaute Pilot auch gleich ausführte.

Ron verkniff sich eine staunende Bemerkung, als er den Planeten sah - es handelte sich um einen Gasriesen. Nein, die Jayulai hatten doch nicht auf einem Gasriesen leben können ... vermutlich eher auf einem Mond, Gasriesen hatten oft bewohnbare Monde. Aber der Pilot setzte tatsächlich Kurs auf den Planeten.
Verteidigungssatelliten schossen auf die großen Geleitschiffe des kleinen Shuttles, doch letzteres blieb unentdeckt, obwohl es beim Eintritt in die Atmosphäre ebenso Druckwellen verursachte, wie der Pilot erklärte, während er das Shuttle sehr sehr vorsichtig absenkte - eben damit die Druckwellen kleiner waren als die der Geleitschiffe.
„Atemberaubend”, flüsterte Sayi'a und Ron stimmte ihr in Gedanken zu. Ein filigranes schwarzgraues Gebilde schwebte frei in der Luft, es hatte immense Segel und Auftriebsballons und inmitten der Struktur befand sich ein riesiger Gebäudekomplex. Eine schwebende Stadt!
Das Shuttle manövrierte zwischen zwei Segeln hindurch und landete in einem der Innenhöfe, der Pilot teilte an alle außer T'than Atemmasken aus, dann öffnete er die Luke und trat als erster mit glühenden Händen hinaus.

„Agent Sandoval”, sagte Ra'jel kühl, „T'than war nicht sehr glücklich darüber, dass Ihre Anwesenheit das Tor öffnet.”
„Meine Anwesenheit?”, fragte Ron scheinbar verdutzt nach.
Sie grinste. „Es handelt sich um ein Sicherungssystem, das die Jayulai oft verwendet haben”, erklärte sie, „Nur rein materielle Wesen können das Tor öffnen. Wenn Sie das gewusst hätten, hätten Sie sich T'than gegenüber anders verhalten, nicht wahr?” Ron sagte nichts dazu, sie stieß ihn aus dem Shuttle. „Gehen Sie voraus, los. T'than, begleite ihn.”
Implantant und Taelon gingen wie gefordert voraus und blieben vor dem Tor einen Moment stehen. Es reagierte und die schweren Torhälften bewegten sich gemächlich zur Seite.
„Erstaunlich”, bemerkte Ra'jel, „Eigentlich sollte es nämlich bei Implantanten nicht funktionieren. Sind Sie sicher, dass Sie ein CVI in Ihrem Kopf haben, Agent Sandoval?”
„Ich bin sicher, Ra'jel”, gab Ron knapp zurück und wies auf ein helles Leuchten gut fünfzig Meter weiter, „Dort ist Ihre Energie.”
Der Pilot wollte soeben alle Vorsicht über Bord werfen und den dunklen Korridor im Sprint hinter sich bringen, doch Ra'jel hielt ihn fest. „Langsam”, sagte sie, „Das Tor hat sich einem Implantanten geöffnet - möglicherweise sind Fallen aktiv. Sayi'a, geh voran.” Die junge Atavus-Taelon schlich unsicher und überaus vorsichtig den Korridor entlang, Ra'jel, der Pilot und der letzte Atavus scheuchten Ron und T'than hinter ihr her und machten den Schluss.

Keine Fallen. Sie kamen absolut unbehelligt in der Halle an und Ra'jel musterte das durchsichtige Gefäß, in dessen Innerem weißgrüne Energie zog. „Das ist keine Grundenergie”, stellte sie verdutzt fest, „Das ist ...”
„Energie, die wir umwandeln können”, T'than zog ein Grinsen, „Kimeraenergie.”
„Die Kimera sind ausgestorben”, knurrte Ra'jel, „Das ist nur ein Vorrat, keine Herstellungsmöglichkeit.”
„Sie irren sich”, sagte Ron und trat an ein durch dicke Kabel mit dem Behältnis verbundenes Gebilde, er klopfte darauf und grinste bis zu den Ohren.
„Eine Herstellungsmöglichkeit ...”, war die Taelon-Atavus verblüfft, „Öffnen Sie die Abdeckung, ich will das Gerät sehen.” Ronald drehte die Klammern und zog am Hebel, dann sprang der Verschluss auf und eine Klappe gab den Blick auf weißgrün leuchtende Energiebahnen frei. „Ein Kimera”, stellte Ra'jel fest, „Das Gerät nutzt einen lebenden Kimera, um ungerichtete Energie in Kimeraenergie umzuwandeln. Seine Lebenserwartung ist unbegrenzt ... er wird in Stasis gehalten, nehme ich an.”
„Kimera kennen keine Stasis”, bemerkte T'than knapp, „Er ist bei vollem Bewusstsein.”
Ra'jel lächelte überheblich. „Ist das Gerät transportabel?”
„Selbstverständlich.”
„Ze'mat, hol die Feldgeneratoren”, sagte Ra'jel, der Pilot sprintete mit einem Affenzahn davon.
„Nun ...”, räusperte sich Ron schmunzelnd, „Wir haben gelogen.”
„Ra'jel!”, schrie der Pilot, virtuelles Glas vor ihm und hinter ihm.

Die Anführerin der Taelon-Atavus fuhr ihre leuchtenden Krallen aus und knurrte beachtlich, der letzte Atavus folgte ihrem Beispiel. Ron richtete seinen Skrill auf sie und öffnete den improvisierten Metallkasten mit einem Hebel ganz, worauf der Kimera mit weißgolden glühenden Händen herauskam, auch T'than hatte die im Deckel des Energiebehältnisses versteckte Waffe an sich genommen und zielte auf den anderen Atavus - und Deram, mit Atemmaske und drohend erhobenen Händen, enttarnte sich auch gerade.

„Ra'jel, ich schlage vor, du ergibst dich”, sagte T'than, „Sayi'a, komm zu mir.”
„T'than, nein”, die junge Taelon-Atavus biss sich auf die Lippen, „Sie mögen mich schlecht behandeln, aber ich gehöre zu ihnen, ich ... bin von ihrer Art.”
„Was spielt das für eine Rolle?”, fragte er irritiert.
„Zudem sind Sie nicht wie sie! Sie, Sayi'a, sind schließlich kein Parasit!”, warf Ron ein.
„Und wenn schon”, knurrte Ra'jel, „als ob die Atavus Besseres verdient hätten ...”
„Jeder hat Besseres verdient”, fauchte Deram, zielte auf die Anführerin und schoss. Shaqarava traf auf Shaqarava, Ra'jel ließ einen Urschrei los und sprang Krallen voran auf die Jaridian zu, jedoch kam Farrell ihr mit einer heftigen weißgoldenen Entladung dazwischen. „Und was haben Sie verdient, Ra'jel?”, fragte die Jaridian, „Leben, ja, aber nicht auf die bisherige Art.” Die Atavus sagte nichts, möglicherweise war sie tatsächlich bewusstlos.
„Wie haben Sie das Ende Ihrer Spezies überlebt?”, fragte Sayi'a vorsichtig.
Ron antwortete darauf trocken: „Interspezieskooperation.”
„Ehrliche”, fügte Farrell hinzu und festigte seine Kimerafassade.

Die junge Taelon-Atavus stieg nervös von einem Fuß auf den anderen und musterte die vier - Taelon, Mensch, Kimera, Jaridian. Sie blickte dann zu ihrem verbliebenen Artgenossen und seufzte leise, bevor sie sich in Bewegung setzte und sich neben T'than stellte.

„Sayi'a”, flüsterte der Atavus erschüttert, „Nicht alle sehen dich mit Ra'jels Augen!”
„Aber alle behandeln mich wie sie es tut!”, rief Sayi'a, „Auch du, Ry'nai!”
„Ohne meine Gegenstimme hätte sie dich getötet, als klar wurde, dass du an deinen Körper gebunden bist”, sagte er leise, „Wir können uns nicht zu sehr gegen sie stellen, Sayi'a, ihre Erfahrung übersteigt alles, was wir alle zusammen wissen!”
„Falls es Ihnen bisher entgangen sein sollte”, bemerkte Ron trocken, „Sie alle verfügen über das genetische Gedächtnis - und zudem kommen erstaunlicherweise manche Spezies auch ganz gut ohne klar. Wir haben da etwas, was sich Schule nennt!”
„Ronny, für diese Diskussion haben wir keine Zeit”, warf Deram ein und schoss auf den Taelon-Atavus. Farrell zog Fesseln aus seinem angeblichen Käfig und verschnürte Ra'jel und Ry'nai.
„T'than ... weshalb hast du nicht gesagt, dass ihr einen Plan habt?”, fragte Sayi'a, „Ich war enttäuscht - und jetzt bin ich schon wieder enttäuscht ...”
„Es war sicherer so”, sagte er, „Ra'jel hätte uns doch belauschen können.”
„Miisazvii”, rief Farrell, „gestatten Sie dem Piloten bitte, die Halle wieder zu betreten. Er wird nicht kämpfen!” Er fixierte den Atavus mit durchdringend blassgrünen Augen, während das virtuelle Glas flackerte und verschwand. Problemlos wurde der Pilot betäubt und gefesselt.

Ron erkundigte sich derweil nach einer Toilette und verschwand kurz ein Stockwerk tiefer. Wäre diese Stadt bewohnt, würde er sich in einer Gemeinschaftstoilette für fünfzig Leute nicht so wohl fühlen, aber als einziger im riesigen Raum ging es. Als er zurück in die Halle kam, wurde bereits das taelonische Shuttle beladen, T'than würde es zum Treffpunkt fliegen. Das Jaridian-Shuttle würde von Deram geflogen, ebenfalls zum Treffpunkt.
Mit Ra'jel als Gefangener wäre es für Liam und Renee bestimmt nicht mehr zu schwer, der Taelon-Atavus Herr zu werden.
Miisazvii, der kaum einen Meter kleine, grünhäutige Mann mit spitzen Ohren und Zähnen und acht Fingern an jeder Hand stellte noch die Verteidigungssatelliten ein, dann nahm er als letzter in einem der Shuttles Platz und selbige sprangen direkt in die Interdimension - um dabei nicht die Stadt zu sprengen hatte der Jayulai zuvor die gefährliche Atmosphäre des Planeten aus der Halle vertrieben und eine atembare eingeleitet (es war auch angenehmer gewesen, ohne Atemmaske die Shuttles zu beladen).
Natürlich würden die auf die Rückkehr wartenden Schiffe der Taelon-Atavus diese Flucht bemerken, aber sie konnten durch den Sturm und das Schirmfeld der Stadt den Vektor nicht feststellen. Wie erwartet kamen die beiden Shuttles unversehrt und ohne Verfolger am Treffpunkt an - und 26 Tage später war auch das Mutterschiff wieder da, mit Street an Bord.

Vier Wochen waren in diesem Universum vergangen. Weitere drei Tage vergingen, Rons Sorgen wuchsen über ihn hinaus: Wo blieb Lil?
Sie kam nicht zurück.

Street, die denken konnte wie ihre Tochter, die sie hier nie gehabt hatte, schlug schließlich beim Frühstück mit der Faust auf den Tisch und sagte: „Auf dem Ruinenplaneten sind doch noch mehr solche Kugeln, richtig?” Renee verschluckte sich an ihrem Toast und nickte. „Gut”, war Street zufrieden, „Dann holen wir eine und fliegen selber rüber. Ich kriege sie garantiert trotz Sperre irgendwie zum Laufen.”

 

Ende von Kapitel 10

 

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