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  „Blick zum Horizont” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2012
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine nächtliche Widerstandsaktion ist der Auftakt sehr merkwürdiger Geschehnisse.
Charaktere:  Liam, Sandoval, Niki, Ava, (Nikis Eltern, Jonathan Doors, Rose Plunkett, Renee Palmer, Zo'or, Freiwillige)
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2011 geschrieben.
 

 

BLICK ZUM HORIZONT

Kapitel 5

 

„Kommen Sie jetzt oder nicht?”
Sandoval runzelte die Stirn und sah sich kurz zwischen Lift und Shuttleparkbalkon um, dann folgte er Kincaid ins Shuttle und setzte sich. „Detroit!”, sagte er, „Dort ist das Zeitportal.” Der Major hielt mitten in der Initialisierung des Antriebs inne und wandte sich um. „Eine Schleife in der Schleife”, erklärte der Agent, „und das gerade noch mit viel Glück. Sie wurden erschossen.”
„Ja, das war unangenehm.”
„Sie erinnern sich?”
Kincaid grinste und bemerkte: „Ich wollte sehen, wie lange es dauert, bis Sie es sagen.”
„Sie trauen mir nicht, nachdem ich Zeuge war, wie sehr Sie mit dem Widerstand zu tun haben.”
„Das ist nicht das Problem.” Er setzte an, den Kurs einzugeben, liess es aber doch zunächst bleiben.
„Sie sind kein Mensch”, sagte Sandoval, „Sie haben sich einfach aufgelöst, von Ihnen ist nichts übriggeblieben.”
Der Major atmete tief durch und wandte sich wieder um. „Das habe ich befürchtet. Ich hätte gehofft, wie jeder andere einfach blutüberströmt umzufallen.”
„Nun, Doors hat Sie einen Alien genannt ... auch das war ein Indiz.”
„Sie schlafen also nie.”
„Nicht in Doors' Gegenwart”, schmunzelte Sandoval, „In Zo'ors übrigens auch nicht.”
Kincaid liess seine Hände sinken und neigte den Kopf. „Ich traue Ihnen”, sagte er, „Es gab einen Durchgang, in dem Sie mir gestanden haben, mit dem Widerstand zu sympathisieren.”
„Gestanden im Sinne von ...?”
„Sie waren festgeschnallt”, gab der Major sichtlich ungern zu und widmete sich wieder den holographischen Kontrollen des Shuttles. Der Agent beobachtete ihn dabei, den Kurs nach Detroit einzugeben. „Ich hätte Zo'or erschossen”, sagte Liam plötzlich.
„Bitte?”
„Er befahl mir einmal, Sie umzubringen, und ich hatte die Waffe schon in der Hand, als der Rücksprung passierte. Ich hätte Zo'or erschossen, nicht Sie.”
„Obwohl Sie wussten, dass ich nicht tot geblieben wäre und zudem Zo'or gewusst hätte, wo Sie stehen?”
„Definitiv.” Kincaid hob das Shuttle ab und sprang in die Interdimension.
Sandoval lehnte sich in seinen Sessel zurück und starrte mit gerunzelter Stirn ins blaue Lichtspiel, einige Momente später sagte er dann: „Bisher hielt ich Sie ...”
„Für einen skrupellosen Taelonschergen, der jede Leiche wegräumt, ja, haben Sie mir schon mal gesagt.”
„Weiter?”, fragte der Agent.
„Sie finden den Widerstand nicht so übel”, ergänzte Kincaid, „Ich bin übrigens der Anführer, Doors wurde abgesägt, auch wenn er es noch nicht recht wahrhaben will.”
„Sie ... sind der Anführer!”, wiederholte Sandoval perplex, „Sie, ein Alien, führen die menschliche Verteidigung gegen Aliens an. Das nenne ich intergalaktische Ironie.”
„Ich wurde hier geboren und weiter als bis zum Mutterschiff bin ich auch noch nicht gekommen.”
„Ein entkommenes, untergetauchtes Experiment?”, fragte Sandoval. Kincaid antwortete nicht. „Hybridexperiment?”, fuhr der Asiate fort und stützte die Ellbogen auf den Armlehnen auf, vom Alien vor ihm auf dem Pilotensessel gab es wieder keine Reaktion. „Nachfahre der Roswell-Aliens?”
Jetzt musste der Major lachen und schüttelte den Kopf. „Nein.”
„Sie machen einen absolut menschlichen Eindruck, Kincaid.”
„Fein!”, wandte er sich energisch um, „Ich bin ein Hybrid, nicht komplett Alien. Aber kein Experiment! Die Taelons haben nichts damit zu tun!”
„Und was ist Ihre Alienhälfte?”, fragte Sandoval, „Das können Sie mir ruhig sagen, ich kann damit ja vermutlich ohnehin nichts anfangen.”
Kincaid zog ein mühsames Grinsen und rollte mit den Augen, dann sagte er tatsächlich: „Kimera.”
Damit konnte der Agent nun doch etwas anfangen. Er hatte Ha'gels Fähigkeiten schliesslich am eigenen Leib zu spüren bekommen. Und es war wirklich sehr kalt gewesen, als er sich nackt im Müllcontainer wiedergefunden hatte.
Er schwieg, unterdessen sprang der Major aus der Interdimension und setzte zur Landung an. „Ich sollte besser alleine gehen”, bemerkte Kincaid, „Doors traut mir zwar auch nicht so recht, aber wenn ich Sie mitbringe, packt er nur wieder die Handschellen aus.”
„Alle weiteren Durchgänge nur im Shuttle zu sitzen ist nicht gerade mein Wunsch, Major.”
„Dann kommen Sie eben doch mit und wir sehen, was passiert.”

„Agent Sandoval!”, grüsste der Nachtwächter geschreckt, „Die Leute sind alle schon zuhause, nur die Putzkolonne ist da. Ist es sehr dringend?”
„Nein, wir kommen nur so zum Spass mitten in der Nacht hier her”, gab Liam zurück.
„Wir brauchen niemanden, wir finden uns selbst zurecht”, ergänzte Sandoval kühl, tauchte unter der Schranke durch und sah den Nachtwächter von der Türe aus sehr auffordernd an. Der Riegel klickte kurz, dann betraten Agent und Major das Gebäude.
Sie hielten sich nicht mit der Suche im Bürotrakt auf, sondern begaben sich gleich in den Nordflügel und in den dritten Stock. Den Mangel an schrubbender Aktivität auf dem Weg kannten sie bereits, ebenso die gefährlichere Aktivität vor dem Raum 21.
Liam warf sich zu Boden, eine Kugel zwitscherte über ihn hinweg und blieb in einer Brandschutztüre hinter ihm stecken, Sandoval schoss seinen Skrill ab und der Schütze vom Institutswachdienst sackte getroffen zusammen. Die beiden weiteren Mitglieder des Institutswachdienstes lieferten diesmal gleich zwei blutige Nasenabdrücke an der Wand und einige Momente später lagen noch zwei Wachleute bewusstlos am Boden.
Dann betrat Kincaid Raum 21 und grüsste höflich: „Schön, Sie zu sehen, Mr. Doors. War es Ihre Idee, dass auf mich geschossen werden soll? Ich dachte, Sie hätten die sizilianische Methode für mich angedacht.”
„Kincaid! Was tun Sie hier?”
„Ich stecke in einer Zeitschleife, das ist Durchgang Nummer neun. Zo'or weiss übrigens, dass Sie hier sind, und in nicht einmal 18 Stunden wird seine Freiwilligenarmee hier alles aufmischen und Sie erschiessen.” Pause. „Zugegeben, das beantwortet Ihre Frage eigentlich nicht ... also, ich bin hier, weil ich das Zeitportal dafür brauche, die Zeitschleife zu beenden. Dummerweise weiss ich noch nicht, wie das gehen soll.”
„Ach ...”
„Wir könnten Alientexte übersetzen, hmm? Ich habe sogar einen Kollegen mit, der uns dabei gerne hilft.”
Sandoval sah das als sein Stichwort, betrat mit brav gesenktem Skrill den Raum und sah sich einem sehr sauren Multimilliardär gegenüber, der soeben abdrückte.

„Kommen Sie jetzt oder nicht?”
Sandoval runzelte die Stirn und sah sich kurz zwischen Lift und Shuttleparkbalkon um, dann hob er die linke Faust und rammte sie in Kincaids Schulter. „Sie hätten mich warnen können, dass er mich erschiessen will.”
„Sehen Sie es nicht so eng, ich habe ihn zur Verteidigung angeleuchtet, dann habe ich aber auch nicht nennenswert länger gelebt als Sie. Ich hatte aber irgendwie schon gedacht, wir fahren mit Doors besser als mit Zo'or.”
Sandoval rollte mit den Augen. „Der ach so hehre Widerstand. Detroit?”
Kincaid seufzte leise und schüttelte langsam den Kopf. „Bloss nicht! Ich bin seit etwa 140 Stunden pausenlos auf Achse, ich brauche Urlaub.” Plötzlich zog er die Mundwinkel hoch, dann sprintete er zum Shuttle und rief: „Auf die Seychellen! Ich besorge die Badehosen und Badetücher, Sie holen die Monstereistüten und besetzen die Liegestühle!”

* * *

Ronald Sandoval lag mit weit ausgebreiteten Armen auf seinem Liegestuhl, die Sonne briet seine Vorderseite, die Sonnenbrille sorgte zweifellos dafür, dass er richtig cool aussah, und die blau-weiss-schwarz gemusterte Schutzschiene an seinem rechten Unterarm machte aus ihm geradezu einen wagemutigen Sportler. Ab und zu schlürfte er an seiner mit Ananassaft gefüllten Kokosnuss, ebenso ab und zu hörte er vom Liegestuhl nebenan ein ähnliches Schlürfen. Die Monstereistüten waren schnell vernichtet gewesen, der Ananassaft allerdings zunächst auch zu schnell warm geworden, aber die zwei ordentlichen Kühlakkus, die nun in den beiden Kokosnüssen schwammen, lösten dieses Problem.
„Hey!”
Ein Schatten zog über Sandoval, er öffnete die Augen und betrachtete die Besitzerin. Beine, die am Boden nur sehr widerstrebend aufhörten, die Taille einer Wespe, eine beachtliche Oberweite, ein fröhliches Lächeln im dunklen Gesicht und ein Krauskopf mit rotem Haarband, dazu passend ein roter Bikini.
„Ja?”, fragte Ronald.
„Sie sehen so aus, als könnten Sie jemanden brauchen, der Ihnen erzählt, dass es hier auch Wasser gibt. Seit Stunden liegen Sie nur hier rum.”
„Seit vier Stunden”, kam genuschelt von Kincaid, „Wir haben noch genug Zeit fürs Meer ...”
„Liam!”, tadelte Ronald ihn - auf den Nachnamen reagierte der Kimera nicht mehr, seit er den Urlaubstag beschlossen hatte.
„Gehen Sie nur schwimmen”, schlug Liam vor, „Ich trinke derweil eben Ihre Kokosnuss aus.”
Warum auch nicht? Kokosnüsse gab es an der Bar viele. Sandoval stand auf und nickte der Dame freundlich zu. „Ron”, sagte er.
„Ava”, stellte sie sich vor und wies auf das strahlend blaue Meer, „und das wollen Sie wirklich nicht verpassen.”
Sie war äusserst sportlich, wie sich herausstellte, sobald er deutlich machte, dass er auch kein Schleichplanscher war. Zunächst schwammen sie und warfen sich gelegentlich mit vollem Körpereinsatz gegen die Brandung, dann borgten sie zwei Surfbretter aus, kreuzten hart am Wind hinaus ins Meer und kamen später ganz bequem vor dem Wind wieder zurück und holten sich zwei mit Ananassaft gefüllte Kokosnüsse.
Liams Liegestuhl war leer, einige Meter weiter stand eine beeindruckende Sandburg, die von einem zehnjährigen blonden Wuschelkopf und dem fraglichen Alien soeben um einen fünften Wehrturm ergänzt wurde.
„Für Sie hätte es ein grosser Sandkasten also auch getan”, stellte Sandoval fest.
„Keine Sorge, Niki und ich werden noch nass genug”, grinste Kincaid, „aber wenn wir nicht hier sind, wenn Nikis Eltern von der Bar zurück sind, werde ich noch der Entführung bezichtigt.”
„Das wäre natürlich suboptimal”, bestätigte Ronald, „Ich wünsche viel Spass, Liam, Niki.” Er kehrte zu den Liegestühlen zurück und bot Ava kurzerhand einen an - Liam würde ihn so bald nicht wieder brauchen.
„Wie ist das eigentlich passiert?”, fragte sie, „Ein Sturz?”
„Ich bin nicht verletzt”, sagte Ron und streckte ihr den rechten Arm samt Schutzschiene hin, er öffnete eines der Klettbänder, sodass der Skrill erahnt werden konnte.
„Oh”, machte Ava, und dann noch einmal: „Oh!”
„Und was machen Sie so beruflich?”
„Äh ... äh ... ich ... naja, ich ... putze ...”
Jetzt musste Ronald sie noch einmal ganz genau ansehen. Ihr Aussehen implizierte allerdings nach wie vor ein Sportmodel.
„Also, ich putze Hotelzimmer”, erklärte sie genauer und wies auf die unzähligen Touristenschlafkästen oberhalb des Strandes, „Wo wohnen Sie?”
„Wir haben keine Zimmer genommen.”
„Ah, ja, klar, die Portale kosten Sie nichts.”
Er schlürfte ausgiebigst an seiner Kokosnuss, bevor er zugab: „Wir sind mit dem Shuttle hier.”
„Ah”, sagte sie nur und widmete sich ebenfalls ihrem Getränk.
Gerechtfertigt. In diesen Kokosnüssen waren keine Hochleistungskühlakkus, sie wurden leider schnell warm. Sandoval schlürfte ebenfalls und schielte zu den Sandburgbaumeistern. Ja, der Alien wirkte ganz menschlich, nur in diesem Augenblick sehr kindlich. Kindlich, das war es!
Es war unwahrscheinlich, dass sich weitere Kimera auf der Erde aufhielten, sie wären doch zweifellos Ha'gel zur Hilfe geeilt. Das war nicht geschehen, er war der einzige gewesen - und Kincaid war ein Hybrid, Ha'gels Kind.
„Haben Sie am Abend schon was vor?”, fragte Ava.
„Hm? Nein, bisher nicht. Wir haben nur überlegt, ob wir der Sonne nachfliegen und in der Karibik wo weiterbraten ... aber Sie wissen hier bestimmt ein gutes Lokal.”
Sie grinste. „Kann schon sein ...”
„Bestens.”
Sie liessen sich von der Sonne braten, tranken ihre Kokosnüsse leer und holten sich neue. Liam und Niki waren draussen im Wasser, auf den ersten Blick als Schleichplanscher, aber wenn man genauer hinsah, war klar, dass sie sich genauso anstrengten wie richtige Sportler. Es war nicht ohne, ein zehnjähriges Kind hochzuheben und zu werfen, und das tat der Alien ziemlich oft, und Niki prustete und lachte.
Als Ronald sich wieder genügend gebraten fühlte, schlug er Ava weitere Aktivitäten vor und sie vertrieben sich die Zeit zunächst mit Beachball, später mit Frisbeewerfen. Liam und Niki hatten zwei weitere Spielkameraden gefunden und spielten Wasserball. Als Nikis Eltern angemessen sicher waren, dass ihr Kind nicht versehentlich ertrinken würde, gesellten sie sich zu Ava und Ronald und fragten, ob ein Frisbee auch zu viert noch Spass machte.
Natürlich tat er das, und so verging der Rest des Tages geradezu wie im Flug.
Und der Abend erst ... Ava wusste ein gutes Lokal abseits der Touristenzone. Ein Lokal, das von den Einheimischen besucht wurde, ein gemütliches kleines Gastzimmer, der Koch kam persönlich an den Tisch und liess sich zunächst von Ava beraten, wie er einen Knopf wieder annähen musste, bevor er fragte, was er kochen sollte. Und was er kochte, war köstlich, wenngleich eher lieblos angerichtet. Ronalds Teigtaschen, die Samosas, sahen so aus, als würden sie jeden Moment aufspringen, auch sahen keine zwei gleich aus, und Avas Fischsuppe hatte von Anfang an einen Ableger auf dem Unterteller. Den Wein schenkte Sandoval also lieber selbst ein, um dem Tischtuch einen Gefallen zu tun.
Der Abend war angenehm und verging schnell, viel zu schnell. Kurz vor zwölf, also kurz vor vier nach washingtoner Zeit, bezahlte Sandoval und begleitete Ava noch durch die dunklen Strassen zu ihr nach Hause.
„Sind Sie morgen wieder am Strand?”, fragte sie, als sie in ihrer Haustüre stand.
Er blickte auf die Uhr. Vier Uhr acht. „Ich werde mich bemühen”, sagte er, „Mein Beruf ist manchmal sehr plötzlich sehr zeitraubend.”
„So plötzlich, dass Sie es jetzt eilig haben?”, schmunzelte sie, dann beugte sie sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die linke Wange.
„So gesehen, nein, ich habe es nicht eilig”, seufzte er, „Es ist nur trotzdem gleich soweit ...”
Und dann war es soweit.

„So”, sagte Kincaid, „Frisch an die Arbeit, Doors kann was erleben.”
„Und was?”, fragte Sandoval, „Wollen Sie ihn erschiessen?”
Der Major sprang ins Shuttle und initialisierte den Antrieb. „Nein. Ich dachte mehr daran, ihn an einen Klappstuhl zu fesseln.” Der Agent folgte ihm und setzte sich. „Dafür müssen wir ihn natürlich überraschen. Er stand zwei Schritte rechts, als ich eintrat, Miss Palmer war im Nebenraum, Professor Plunkett war am Zeitportal beschäftigt.” Liam hob ab und sprang in die Interdimension. „Sie übernehmen Miss Palmer, ich Doors”, bestimmte er, „Professor Plunkett ist keine Gefahr.”
„Die Wachleute?”
„Fünf, alle kommen heraus.”
„Na dann ...”

* * *

„Agent Sandoval!”, grüsste der Nachtwächter geschreckt, „Die Leute sind alle schon zuhause, nur die Putzkolonne ist da. Ist es sehr dringend?”
„Nein, wir kommen nur so zum Spass mitten in der Nacht hier her”, gab Liam zurück.
„Wir brauchen niemanden, wir finden uns selbst zurecht”, ergänzte Sandoval kühl, tauchte unter der Schranke durch und sah den Nachtwächter von der Türe aus sehr auffordernd an. Der Riegel klickte kurz, dann betraten Agent und Major das Gebäude.
Sie hielten sich nicht mit der Suche im Bürotrakt auf, sondern begaben sich gleich in den Nordflügel und in den dritten Stock. Den Mangel an schrubbender Aktivität auf dem Weg kannten sie bereits, ebenso die gefährlichere Aktivität vor dem Raum 21.
Liam warf sich zu Boden, eine Kugel zwitscherte über ihn hinweg und blieb in einer Brandschutztüre hinter ihm stecken, Sandoval schoss seinen Skrill ab und der Schütze vom Institutswachdienst sackte getroffen zusammen. Die beiden weiteren Mitglieder des Institutswachdienstes lieferten diesmal gleich zwei blutige Nasenabdrücke an der Wand und einige Momente später lagen noch zwei Wachleute bewusstlos am Boden.
Dann betrat Kincaid Raum 21, packte sofort Doors am Kragen und entwand ihm die Waffe, Sandoval eilte weiter in den Nebenraum und wich gerade noch einer Kugel aus Renee Palmers Waffe aus, dann schoss er selbst und fing die Bewusstlose freundlicherweise auch auf.
„Kincaid?”
„Ich lebe noch”, kam zurück, „und Sie?”
„Ebenfalls”, sagte Sandoval, legte Renee auf dem Sofa ab und nahm ihre Waffe an sich, dann kehrte er in Raum 21 zurück, wo Rose Maulaffen feilbot und Doors mit den Zähnen knirschte.
Kincaid drückte dem Agent seine erbeutete Waffensammlung in die Hände: „Hier, entsorgen Sie die bitte.”
„Sie also, Kincaid!”, fauchte Doors, „Ich habe Ihnen nie getraut und jetzt habe ich den Beweis, dass Sie den Widerstand infiltriert haben!”
„Und Sie würden mich liebend gerne erschiessen, ja, das ist mir klar.” Damit scheuchte der Major seinen Gefangenen in den Nebenraum, wo er ihn wie angekündigt mittels zweier Paar Handschellen auf einem Klappstuhl befestigte.
Sandoval unterdessen reihte die Waffen an der Wand auf und machte sie eine nach der anderen per Skrill unbrauchbar, bevor er die Wachleute ebenfalls mit Handschellen bedachte und sie zu einem Kreis durch das Zeitportal hindurch fesselte.
„Ähh ...”, fand Rose ihre Sprache zurück und setzte an, Richtung Korridor zu schleichen, doch ein böser Blick des Implantanten stoppte dieses Vorhaben sofort.
„So”, sagte Kincaid, „Übersetzen wir ein paar Alientexte. Wo waren wir?”
„Halbseite 78, fünfter Block.” Sandoval griff nach Roses Handgelenk und zog sie mit in den Nebenraum, wo sie sich ohne Widerrede setzte, dann fegte er das meiste Papier vom Tisch und holte einen anderen Stapel aus einem gesamt recht druckfrischen Regal. „Hier, bitte, Major”, reichte er Kincaid die obersten zwei Blätter.
„Danke, Agent.”
„Kincaid!”, knurrte Doors.
„Wir hängen in einer Zeitschleife, Sie haben uns mal erschossen, darauf hatten wir nicht nochmal Lust, Zo'or wird in nicht einmal 18 Stunden hier auftauchen und alles aufmischen, bis dahin möchten wir möglichst was über das Zeitportal herausgefunden haben, also bitte nicht über Gebühr stören, danke.”
Der Multimilliardär fügte sich und störte nicht zu sehr, Rose störte ebenfalls nicht, die Wachmänner nur akustisch, als sie nebenan aus der Bewusstlosigkeit erwachten. Renee hingegen versuchte, grösseren Ärger zu machen, obwohl Kincaid auch sie gefesselt hatte, und wenig später sass sie wie Doors gezwungenermassen auf einem Klappstuhl.
„Ähm ...”, sagte Rose schliesslich, „Ich meine ...” Sie sah unsicher zu Doors und Renee. „Major Kincaid, was haben Sie mit uns vor?”
„Nichts. In 17 Stunden beginnt die Schleife von vorne und Sie wissen das alles nicht mehr.”
„Und was machen Sie dann?”
„Wieder herkommen, alle fesseln und weiterübersetzen, vermute ich”, zuckte Liam mit den Schultern, „Erklärungen brauchen einfach zu lange und funktionieren bei Doors leider nicht.”
„Versuchen Sie es bei mir”, bat sie, „Ich halte Sie nicht für einen üblen Kerl, aber warum Sie Sandoval mitbringen verstehe ich auch nicht.”
Kincaid zog eine Grimasse. „Weil ich ihm traue und weiss, dass er gegen die Taelons ist”, sagte er, „und das kann ich erklären, so viel ich will, das verstehen Sie dann doch nicht.”
„Meinen Sie wirklich?” Rose klang überaus enttäuscht, wie sie das sagte.
Liam warf seinen Bleistift auf den Tisch und lehnte sich zurück. „Schön. Ich durfte ihn recht gut kennenlernen, schon bevor wir die Teilnehmer der Schleife von Zo'or und mir zu ihm und mir geändert haben. Er erinnert sich an zwei Durchgänge, ich an zehn.”
Das machte in dieser Kürze allerdings keinen besonderen Eindruck, was Kincaid auch nicht störte. Er war ohnehin genug mit seinem Teil der Alientexte beschäftigt und Sandoval ging es genauso. Es war auch gut nachvollziehbar, dass der Kimera sich die Erklärung auf den letzten Durchgang aufsparte. Der Aufwand reichte einmal wirklich.
Sandoval warf eine übersetzte Seite einfach auf den Boden und blätterte auch auf seinem Notizblock um. Liam brachte zwei Tassen Kaffee und verursachte eine kleine Überschwemmung, der Agent zückte ein Taschentuch, hob die Tasse an und wischte darunter sauber. Es war fast hypnotisch, wie das Tuch den Kaffee aufsog und dann unter der Tasse wieder sauber und Platz war, dass Ronald sie abstellen konnte.
Er runzelte die Stirn und versuchte, den Gedanken zu fassen zu bekommen. Und dann hatte er ihn.
„Kincaid! Die Lösung ist ganz einfach!”, platzte er schliesslich heraus.
„Was? Wie bitte?”
„Was passiert, wenn Zo'or in allem Erfolg hat?”
„Das wäre eine Katastrophe”, sagte der Alien.
„Denken Sie nach, Major!”, beharrte Sandoval, „Er wäre zufrieden, er würde seine Schleife beenden - aber unsere würde noch bestehen! Er würde sich nicht einmal daran erinnern, weswegen er so zufrieden war.”
Liam richtete sich auf und liess seinen Stift auf den Block fallen. „Sie ... haben Recht”, murmelte er, „Es ist tatsächlich so einfach, jedenfalls ... solange man es als einfach bezeichnen kann, sich bewusst erschiessen zu lassen.”
„Nein ...” Ronald zog die Stirn in tiefe Runzeln, es war eine dumme Idee, alle sterben zu lassen, denn dann könnte Zo'or sich womöglich doch wieder einen Vorteil verschaffen. „Sie werden nicht erschossen!”, sagte der Agent fest, „Wir brauchen ein gutes Versteck für Sie, damit Sie falls notwendig Zo'or aufhalten können, wenn er versucht, eine neue Schleife einzurichten, eine weitere Schleife in der Schleife.”
Der Major hob den Blick und musterte das Lüftungsgitter. „Ich bezweifle, dass Zo'or und die Freiwilligen die Lüftung überprüfen”, stellte er fest, „Also sehen wir uns einmal an, ob ich da hineinpassen würde.” Er stand auf und ging in Raum 21, Sandoval folgte ihm und half ihm auf das Metallregal, dann machte er sich auf die Suche nach einem Schraubenzieher. Schliesslich war das Werkzeug gefunden und das Lüftungsgitter entfernt. „Eng, aber möglich”, stellte Liam fest, „Die Frage ist dann nur, wie ich wieder herauskomme, ohne Kopf voran herunterzufallen.”
„Müssen Sie es?”
Der Alien stutzte sichtlich, dann grinste er. „Sie haben Recht, Sandoval. Zo'or wird sich daran nicht erinnern können, ich kann ihn also problemlos wirksam aus der Ferne bedrohen.”
„Ich wünschte”, schmunzelte Sandoval, „ich könnte dann sein Gesicht sehen, aber ich werde zu dem Zeitpunkt wohl gerade tot sein.”
Liam seufzte leise und sprang vom Regal. „Da wäre noch ein Problem”, sagte er, „Sie akzeptieren es, dabei draufzugehen, aber die anderen wohl kaum.”
„Es wird also nicht funktionieren. Um Zo'or zu täuschen muss es echt sein, also erst im nächsten Durchgang.”
„Oder nur Sie erinnern sich.”
„Mit welcher Begründung?”
„Mit welcher Begründung ich?”, gab Kincaid zurück, „Für Zo'or ist es ein Rätsel, wie sich irgendjemand ausser ihm erinnern kann.” Er grinste breit. „Versuchen wir es. Wenn es nicht klappt, haben wir ja noch ein paar Durchgänge.”

* * *

Der modifizierte Plan war wirklich nicht schlecht. Sandoval hockte mit feuerbereitem Skrill und zusätzlich einer geladenen Waffe in der anderen Hand hinter dem Sofa, Kincaid lag mit reichlich Kunstblut übergossen und angemessen verbrannt riechend neben dem Kopierer, Papier war im ganzen Raum keines mehr zu finden und die Laptops waren ebenfalls entfernt. Sie warteten nicht lange, bis wie einige Durchgänge zuvor vier Freiwillige in den Raum stürmten.
„Zo'or, Sir, hier ebenso!”, meldete der Corporal.
Zo'or trat ein und nickte knapp. „Das war zu erwarten.” Er sah sich um. „Die Texte wurden gestohlen”, stellte er fest, er trat an den Tisch und fragte Doors: „Wer war es?”
Der Multimilliardär knirschte nur mit den Zähnen, also wandte der Taelon sich Rose zu, die sich sehr klein machte und die Frage beantwortete: „Sandoval.”
„Was ist mit Kincaid?”
„Sandoval ... einfach ... einfach ...” Sie schrumpfte ängstlich in ihrem Klappstuhl zusammen.
„Corporal, bringen Sie eine Antwort aus ihr heraus”, befahl Zo'or, „Sergeants, schaffen Sie die Leiche fort.”
Die Freiwilligen sagten im Chor: „Ja, Sir!”, und machten sich an die Arbeit.
Zwei Freiwillige trugen Liam weg, ein weiterer trug Rose samt Klappstuhl durch die Türe, blieben noch ein Freiwilliger und Zo'or, der seine Gefangenen einige sehr sehr lange Momente sehr sehr zufrieden musterte.
„So, Mr. Doors”, setzte der Taelon schliesslich ein überaus freundliches Lächeln auf, „Sie haben mir ja bereits vom Widerstandsforschungszentrum in Chicago erzählt ... bitte erzählen Sie mir mehr darüber. Corporal Carey wird sicher bald Zeit für Sie haben, um Sie nach Ihrem geheimnisvollen Top-Spion auszufragen, aber bis dahin werden wir uns eben einfach unterhalten, nicht wahr?” Er setzte sich Doors gegenüber auf einen Klappstuhl und sah ihn beinahe erwartungsvoll an.
Genau diesen Augenblick wählte Sandoval, um den letzten Freiwilligen zu erschiessen, worauf Zo'ors Gesichtsausdruck sich beachtlich wandelte.
„Beenden Sie die Schleife!”, verlangte der Agent.
„Sie können mir nicht drohen”, gab Zo'or zurück, „Ich werde die Schleife nicht beenden, und Sie können es nicht.”
Ronald grinste verhalten. „Sie weigern sich also. Nun, ich habe alle nötigen Dinge für eine mentale Sondierung beschafft. Folgen Sie mir bitte, bevor Ihre Hampelmänner zurückkommen.” Er packte den Taelon am Arm, schob ihn in Raum 21 und schoss bei der Gelegenheit auch gleich den Corporal bewusstlos. Rose auf ihrem Klappstuhl machte grosse Augen.
Draussen auf dem Korridor folgte Sandoval den Kunstblutspuren, und schon nach zwei Biegungen und knapp hundert Metern kamen ihm die beiden Freiwilligen entgegen. Zo'or wehrte sich jetzt plötzlich energisch, der Implantant verlor beinahe das Gleichgewicht, schaffte es aber, einen der Freiwilligen zu erschiessen.
Der andere allerdings traf.

 

Ende von Kapitel 5

 

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