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  „Blick zum Horizont” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   März 2012
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine nächtliche Widerstandsaktion ist der Auftakt sehr merkwürdiger Geschehnisse.
Charaktere:  Liam, Lili, Augur, Sandoval, Da'an
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2011 geschrieben.
 

 

BLICK ZUM HORIZONT

Kapitel 2

 


„Was machst du denn hier?” Augur war unverhohlen entsetzt über die Störung und schob das erwachsene Alienkind eiligst zurück in den Lift. „Du kannst doch nicht einfach ...”
„Welcher Tag ist heute, Augur?”
„Dienstag ...”
Liam schob den Schwarzen wieder aus dem Lift und sich an ihm vorbei. „Hi, Lili”, grüsste er die Frau am romantisch gedeckten Tisch, „Hat Sandoval Sie letztens niedergeschossen?”
Sie musterte ihn wie einen Verrückten. „Nein.”
„Der Angriff auf Madjira ist morgen früh?”
„Äh ... ja. Liam, was ist los?”
„Okay, Lili.” Er setzte sich zu ihr und sah ihr in die Augen. „Kollege Gummibaum hat mehr intus als Sie, bei Ihnen zuhause sind die Wände offen, weil die Installateure umgehen, und ...” Jetzt flüsterte er. „Augur ist günstiger als ein Hotel.”
„Liam ...”
„Zeitreise, Lili”, sagte er, „Ich erlebe den verdammten Tag jetzt schon zum dritten Mal.”
„Echt?”, fragte Augur mit überschwappender Begeisterung, „Warum?”
„Ich weiss es nicht ... möglicherweise hängt es mit Sandoval zusammen. Beide Rücksprünge passierten, als ich einen starken Gefühlsausbruch ...”
Der Schwarze winkte ab: „Papperlapapp. Dann hängt es wenn überhaupt eher mit dir zusammen.” Er zerrte Liam vom Tisch weg und drückte ihn auf einen Barhocker, dann fuchtelte er mit einem wild aussehenden technischen Gerät vor seinem Gesicht herum. „Du drehst hohl vor Wut, oder Angst, oder was auch immer du halt gefühlt hast, und der Kimera in dir spielt TARDIS.”
„Hä?”
„Oder DeLorean. Bist du lieber ein Auto oder eine blaue Box?”
Liam zog seine Stirn in tiefe Runzeln und verlieh seinen aktuellen Gefühlen energisch Ausdruck: „HÄ?”
„Egal. Wir brauchen einen Code, damit ich dir beim nächsten Durchgang gleich glaube, dass du in der Zeit reist”, überlegte Augur, „Du kriegst das Programmiermodus-Kennwort für die Kaffeemaschine!”
Liam rollte mit den Augen. „Du glaubst es mir jetzt ja auch ohne das.”
„Oh ... stimmt.”
„Ausserdem werde ich einen nächsten Durchgang tunlichst vermeiden”, beschloss der Kimera, „Diesmal wird Sandoval weder sterben noch uns einkassieren.”

* * *

Liam griff nach seinem piepsenden Global und warf es gegen die Wand. Es piepste weiter. Das war nicht der Wecker! Kurz sah Liam auf die Uhr, es war halb zwei, dann hastete er durch Augurs Gästezimmer und hob das Global wieder auf. „Ja?”
„Der Plan ist kaputt, Sir”, meldete sich Wilson, „Fünf Freiwillige haben Sandoval gerade aus seiner Wohnung geholt, in Handschellen.”
Liam runzelte die Stirn, befahl: „Abbruch”, und kratzte sich am Kopf.
Was hatte er getan, das diesen immensen Unterschied auslösen hatte können? Oder ... gab es noch jemanden, der in der Zeit zurück reiste? Jemand, der ...
Liam warf das Global aufs Bett und stürmte aus dem Raum. „Augur!”
„WAS?”, fauchte ihn ein übermüdeter Zombie vom Sofa aus an.
„Wir haben einen Gegner. Ich weiss nicht, wer, aber es erinnert sich noch jemand an die bisherigen Durchgänge.”
„Sandoval?”, fragte Augur.
„Nnn... vielleicht ...”, überlegte Liam, „Wenn er versucht, zu beweisen, dass nicht er Madjira angreift, ist durchaus nicht auszuschliessen, dass er sich selbst in Schutzhaft nehmen lässt.”
„Hmm.”
„Der Angriff wird nicht stattfinden, was bedeutet, dass er im nächsten Durchgang weiss, dass jemand ihn überwacht.”
„Wenn er es ist”, gähnte Augur, „Geh wieder ins Bett, Da'an kann dir bestimmt sagen, wer Sandoval verhaften hat lassen.”

* * *

„Guten Morgen, Da'an.”
„Guten Morgen, Liam”, grüsste der Taelon, „Es gibt keinen Alarm.”
„Es gibt auch keinen Grund für einen Alarm.”
„Verstehe.” Da'an lehnte sich zurück und leuchtete blau auf. „Gibt es einen Zusammenhang mit der Verhaftung von Agent Sandoval?”
Liam seufzte leise und nickte. „Wir wollten den Angriff ihm in die Schuhe schieben”, erklärte er, „Warum wurde Sandoval denn verhaftet?”
„Das ist mir nicht bekannt.”
Der Kimera runzelte die Stirn, nickte kurz und machte sich dann an sein übliches Tagwerk. Es waren Sicherheitsvorkehrungen im Rathausfestsaal zu überprüfen, kein Taelon traute der hiesigen Polizei das einfach so zu, auch Da'an nicht. Die meisten Taelons trauten es auch Liam nicht zu, weswegen solche Dinge normalerweise von Sandoval nochmals überprüft wurden.
Diesmal nicht. Diesmal war Sandoval anderweitig und vermutlich wörtlich eingespannt, wenigstens in diesem Durchlauf.
Das Global piepste und Liam liess es aufschnappen: „Ja, Zo'or?”
„Agent Sandoval ist ein Verräter”, sagte der Synodenführer kalt, „Captain Lindsays Erfolge liessen zu wünschen übrig.” Was der Taelon im vorletzten Durchlauf getan hatte, wusste Liam noch, und ihm wurde mulmig. „Finden Sie sich hier ein und führen Sie die Befragung fort”, befahl Zo'or allerdings.
„Ja, Zo'or”, bestätigte Liam eilig und machte sich auf den Weg.

* * *

Noch lebte Sandoval, wenn auch nicht in der angenehmsten Situation. Liam wusste, wie Lindsay seine „Schützlinge” behandelte, und wenn Lindsay nicht mehr weiterwusste, dann musste die Behandlung schon extreme Ausmasse angenommen haben. Wie kam Zo'or auf die Idee, Liam könnte da noch einen draufsetzen? Liam war nun wirklich nicht für Folter berühmt.
Er beugte sich vom Kopfende über seinen Vater und grinste ihn an: „So, Sandoval, Sie sind also ein Verräter.”
„Bin ... nicht ...”
„Ja, das sagen sie alle.”
„Glauben Sie mir, Kincaid!” Sandoval sah ihn tatsächlich flehend an.
Liam seufzte leise. „Ich ... möchte es”, sagte er, „aber die Beweise sind erdrückend.” Und gefälscht, wenngleich nicht von Augur. Wer war dafür nur verantwortlich?
„Major ... Kincaid ... ich könnte gar nicht! Das CVI verbietet ...”
„Es wäre nicht der erste Defekt.”
Panik flackerte in Sandovals Augen und er wandte sich im Fesselfeld, irgendetwas knackte und er verzog schmerzlich das Gesicht.
„Die Taelons finden die CVIs vielleicht toll”, sagte Liam, „aber das Risiko eines Ausfalls mit folgendem Verrat ...”
„NEIN! AHH!”
Der Kimera richtete sich besorgt auf und musterte ihn. Was war es? Der linke Arm war länger als der rechte? Nicht doch ... Moment. Sandoval hatte sich tatsächlich die Schulter ausgekugelt. Liam schaltete das Fesselfeld im entsprechenden Segment aus, packte den Arm und liess ihn mit einem gekonnten Ruck samt leichter Drehung wieder einschnappen.
„AHH!”, schrie Sandoval, doch dann sah er Liam verdutzt an und murmelte: „Danke.”
„Ich kann Ihren Arm auch wieder ausrenken”, drohte der Kimera widerwillig, aber er musste irgendwie Zeit schinden, und möglicherweise sah Zo'or gerade zu.
„Kincaid, ich habe nichts getan!”, versicherte Sandoval, „Ich bitte Sie, glauben Sie mir!”
„Wissen Sie ...”
„Major Kincaid, Sie sind ebenso erfolglos wie Lindsay, wie ich sehe”, kam Zo'or hereinstolziert.
„Ich bin sicher, er wird noch singen wie Pavarotti”, erklärte Liam eilig, aber vergeblich.
Zo'or machte eine wegwerfende Handbewegung und befahl: „Töten Sie ihn.”
„Aber ...”
„Major Kincaid, Sie haben Ihre Inkompetenz in Sachen Befragung bereits bewiesen”, wurde die Stimme des Taelons eisig, „Sollten Sie nun auch nicht in der Lage sein, ihn zu eliminieren, wird das zweifellos Konsequenzen haben.”
Das konnte doch nicht wahr sein! Es musste einen Ausweg geben! „Ich habe noch weitere Möglichkeiten, ihn zu befragen”, versicherte Liam, „Ihn jetzt zu töten wäre meiner Meinung nach verfrüht.”
„Nein, töten Sie ihn jetzt.”
Es war zum Haareraufen! Zo'or wollte Sandoval tot sehen, in jedem Durchgang in dem er seiner habhaft wurde bisher. Liam wollte sich nicht darauf verlassen, dass es einen weiteren Durchgang geben würde, und die Alternative, sich offen gegen Zo'or zu stellen, gefiel ihm auch nicht. In diesem Moment wünschte er sich ein CVI, um eine dritte Möglichkeit zu finden.
„Ja, Zo'or”, sagte er möglichst fest, dann zog er seine Dienstwaffe.
Die Entscheidung: Schoss er auf Zo'or oder auf Sandoval?
„RÄBÄÄÄHHHH!”
Liam schloss die Augen und sank erleichtert auf sein Ecksofa. Es gab noch einen Durchgang.

* * *

„Was machst du denn hier?” Augur war unverhohlen entsetzt über die Störung und schob das erwachsene Alienkind eiligst zurück in den Lift. „Du kannst doch nicht einfach ...”
„Lili!”, rief Liam am Schwarzen vorbei, „Bei Ihnen gehen die Installateure um!”
„Äh ... ja”, bestätigte sie verlegen.
„Was?”, fragte Augur, „Sie benutzen mich als Hotel?” Er sah sie vorwurfsvoll an.
Lili seufzte und fuhr sich durch die Haare. „Liam, das hätten Sie nicht sagen sollen”, murmelte sie, „aber woher wissen Sie das überhaupt?”
„Ich erlebe den verdammten Tag jetzt zum vierten Mal”, erklärte Liam, „und ich bin nicht der einzige, der sich an die bisherigen Durchgänge erinnert.”
„Cool!”, war Augur sofort interessiert, „Wer?”
„Weiss ich noch nicht. Aber wer immer es ist, er arbeitet gegen uns.”
„Nicht cool”, stellte der Schwarze fest, „Was ist bisher passiert?”
„Erster Durchgang: Madjira läuft glatt, Sandoval wird gefoltert und umgebracht”, sagte Liam, „Zweiter Durchgang: Haig und Wang werden kassiert, Lili und ich kommen nur durch Shaqarava-Einsatz davon. Ich versuche, Sandoval zu warnen, aber er ist misstrauisch und verschleppt Lili und mich nach Marokko.”
„Marokko!”, staunte Augur.
„Dritter Durchgang: Sandoval wird vor dem Angriff verhaftet, ich blase den Angriff ab. Sandoval wird gefoltert, dann soll er von mir umgebracht werden - bevor ich abdrücken musste war glücklicherweise schon der vierte Durchgang, der jetzt seit knapp zwanzig Minuten läuft.”
„Oh Liam ...”, seufzte Lili und umarmte ihn, er liess sich gerne drücken, während Augur ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter machte. „Wir kriegen das hin”, versicherte sie dem Kimera, „Ich meine, du hast offensichtlich Zeit, oder?”
„Das wissen wir nicht”, fand der Schwarze zu einer weniger genervten, eher besorgten Haltung zurück, „Wer immer sich sonst erinnert, könnte dafür verantwortlich sein und womöglich die Schleife unterbrechen, sobald ihm das Ergebnis passt.”
„Oh!”, machte Liam und richtete sich erschrocken auf. Daran hatte er noch gar nicht gedacht! Aber er hatte in den bisherigen Durchgängen eben ganz andere Sorgen gehabt.
„Hast du jemanden im Verdacht?”, fragte Augur, „Oder irgendwelche Hinweise?”
Liam seufzte. „Anfang des letzten Durchgangs vermutete ich Sandoval, aber inzwischen schliesse ich es aus”, sagte er, „Vielleicht ein Taelon, das ist wahrscheinlicher.”
„Zo'or?”, schlug Lili vor.
„Malen Sie nicht gleich den Teufel an die ...” Er griff nach seinem piepsenden Global und liess es aufschnappen. „Ja, Da'an?”
„Sie leben, Liam!”, war der Taelon unverhohlen erleichtert, was Liam einen arg verdutzten Blick ins Gesicht zauberte.
„Äh, ja, Da'an”, brachte der Kimera heraus, „Warum sollte ich nicht ...?”
„Jemand, ich weiss nicht wer, hat das Waffensystem des Mutterschiffes aktiviert”, sagte Da'an, „und einen Schuss auf Washington abgefeuert.” Zur Bestätigung gingen soeben einige Alarme an Augurs Computeranlage los. „Ihre Wohnung ist im Bereich, Liam”, fuhr der Taelon fort, „Lilis und Sandovals ebenfalls.”
Lili wurde blass.
„Lili ist hier”, sagte Liam.
Da'an leuchtete erneut erleichtert auf, dann befahl er: „Kommen Sie in die Botschaft, beide. Dem muss nachgegangen werden.”
Der Kimera nickte: „Ja, Da'an.” Er schloss das Global und schob es in seine Jacke, dann blickte er zu Augur und Lili. „Ich fürchte, derjenige, der da geschossen hat, erinnert sich. Bisher ist das nämlich nicht passiert.”
„Dann finden wir heraus, wer geschossen hat”, sagte sie fest und griff nach ihrem Mantel.

* * *

„Da'an”, grüsste Liam, Lili nickte dem Taelon knapp zu.
„Major, Captain”, neigte Da'an den Kopf, „Es ist ein Drittel von Washington zerstört.”
„Wir haben es gesehen”, sagte Lili und schauderte sichtlich, „Das pure Chaos dort draussen. Wer immer das war, hat den Taelons viele Feinde gemacht.”
„Den Angriff auf Madjira habe ich abgeblasen, einige der Leute waren aus der Gegend”, ergänzte Liam.
Da'an leuchtete blau auf und sagte dann: „Madjira ist zweifellos nachrangig. Die meisten Beschützer sind damit beschäftigt, die Regierungen der Welt zu beruhigen.” Er wurschtelte besorgt mit beiden Händen durch die Luft. „Angeblich handelte es sich um eine fatale Fehlfunktion”, fuhr er fort, „und tatsächlich glauben das auch die meisten Taelons. Es erklärt nicht, weshalb Washington überhaupt als Ziel eingestellt war.”
„Sie glauben nicht an eine Fehlfunktion, Da'an?”
„Keinesfalls. Und Zo'or auch nicht, er hat das Mutterschiff komplett abgeriegelt und sucht nach dem Verantwortlichen.”
Liam wechselte einen Blick mit Lili. „Wenn das Mutterschiff abgeriegelt ist ... wie können wir helfen?”
Da'an lehnte sich zurück und einige blaue Linien zogen über seine Fassade. „Es muss ein Taelon sein”, gab er sichtlich ungern zu, „und kein Taelon wird sich verraten. Die Information muss dem Mutterschiff entlockt werden.”
„Aber?”, fragte Lili.
„Sie ist nicht vorhanden, Captain. Versteckt oder gelöscht, ich kann das nicht unterscheiden - aber Sie kennen jemanden, der das kann.”
Liam musterte ihn verblüfft. Da'an meinte Augur! „Sie wissen aber schon, dass Sie diese Beweise aller Wahrscheinlichkeit nach niemandem werden vorlegen können”, gab er zu bedenken, „Ich meine, woher sollten Sie sie haben?”
„Das ist mir klar, Major, dennoch bitte ich darum.”
Wieder wechselten die beiden Widerstandskämpfer einen kurzen Blick, dann nickte Liam. „Ich kümmere mich darum, Da'an.”
„Danke, Major. Und ...”
„Ja?” Liam, der sich schon halb umgewandt hatte, sah wieder zum Taelon.
„Ich möchte Sie bitten, aufs Mutterschiff zu fliegen. Ich bin sicher, dass ich Zo'or überzeugen kann, trotz der Sperre jemanden an Bord zu lassen.”
Jetzt war Liam wirklich perplex. Da'an war vermutlich nicht grundlos so zuversichtlich, was seine Überzeugungsfähigkeiten anging, doch diese Forderung Zo'or gegenüber in dieser Situation würde dem Botschafter mit Sicherheit grossen Ärger bringen - möglicherweise sogar über mehr als einen Durchgang hinweg.
„Lili, informieren Sie Augur”, sagte er leise, dann trat er zwei Schritte auf den Taelon zu und erklärte: „Ich halte es für keine gute Idee. Wenn Sie möchten, kann ich Zo'or selbst versuchen zu überzeugen ...”
„Sie werden kaum Erfolg haben, Liam.”
„Dann können immer noch Sie Ihren Versuch starten”, stellte er fest, „Da'an, was halten Sie davon, mir den offiziellen Auftrag von der Regierung zuzuschanzen, dem Schuss auf den Grund zu gehen?”
„Das ... wäre möglich”, überlegte Da'an, dann richtete er sich auf und beschloss: „Fliegen Sie los, Sie werden Ihren Auftrag haben, bevor Sie das Mutterschiff erreichen. Die Presse wird davon allerdings erfahren.”
Liam schüttelte sachte lächelnd den Kopf. „Das macht nichts.” Dann eilte er Richtung Hangar davon.

* * *

„Major Kincaid, Zo'or ist von Ihrer Anwesenheit an Bord nicht begeistert”, grüsste Captain Lindsay sauertöpfisch, „Sie werden beizeiten über das Ergebnis der Untersuchung informiert, verlassen Sie die Ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten nicht.”
Liam richtete sich zu seiner vollen Grösse auf und reckte das Kinn. „Ich bin hier, um bei der Untersuchung zu helfen.”
„Es besteht kein Bedarf, Major.”
„Gut”, zuckte er mit den Schultern, „dann gehe ich eben wieder.” Er wandte sich um und setzte an, in sein Shuttle zu steigen, doch der plötzliche Schmerz eines Skrilltreffers warf ihn nieder.
„Ihre zugewiesenen Räumlichkeiten haben sich soeben geändert”, erklärte ihm Lindsay kühl, „Ihnen ist nicht gestattet, bis zum Abschluss der Untersuchung das Mutterschiff zu verlassen, und um das sicherzustellen, werden Sie in einer Zelle untergebracht.”
Liam blickte auf und musterte den Agent mit dem glühenden Skrill und die beiden herbeimarschierenden Freiwilligen. „Ich glaube, Zo'or weiss schon, wer Sandovals Nachfolger wird”, stellte er trocken fest.
Er liess sich von den Freiwilligen nicht durch das Schiff zerren, wie Lindsay es offensichtlich gerne gehabt hätte - nein, er ging selbst seinen Weg in die Zelle und auch selbst hinein. Sein Global wurde er auf dem Weg los, auch seine Kleidung musste der wenig modischen grauvioletten Gefangenenkluft mit dem Netz weichen.
„Ich kann Ihnen versichern, Da'an wird von dieser Behandlung seines Beschützers nicht angetan sein”, tat er noch kund, bevor die drei ihn in seiner Zelle alleine liessen. Reaktion darauf gab es jedenfalls keine.

* * *

Da war Liam nun, Gefangener auf dem Mutterschiff. Lili hatte den Teufel an die Wand gemalt, als sie vermutet hatte, es wäre Zo'or, der sich der Schleife bewusst war - nun fand Liam es selbst sehr wahrscheinlich. Es war bezeichnend, wie wenig Zo'or offensichtlich Konsequenzen befürchtete, und es war ihm auch zuzutrauen, einfach so in einem Durchgang mal schnell auf Washington zu schiessen.
Damit war auch klar, dass Zo'or keinesfalls erfahren durfte, dass sich auch Liam an die vorigen Durchgänge erinnerte - wenn Zo'or ohne Störung handeln können wollte, würde er vermutlich durchaus auch Washington komplett von der Landkarte tilgen, nur um den Kimera loszuwerden. Konsequenzen hatte er ja keine zu befürchten.
Liam allerdings auch nur begrenzt. Er würde also seine Zeit in der Zelle absitzen und sich dann in seinem Arbeitszimmer wiederfinden. Aber das dauerte noch. Sehr genau hatte er die Dauer der Schleifendurchgänge bisher noch nicht gemessen, aber zwanzig lange Stunden würden es wohl etwa sein.
Energisch schlug der Kimera gegen das virtuelle Glas und sah den ihn bewachenden Freiwilligen böse an. Es hatte keine Wirkung, ausser der, seinen Ärger und seine Genervtheit deutlich darzustellen. Also setzte Liam sich in eine Ecke und starrte ins Leere. In einem ähnlich menschenunwürdigen Gefängnis auf der Erde könnte er wenigstens Kakerlaken zählen ...

* * *

„Major, stehen Sie auf”, verlangte Zo'or. Liam beeilte sich, der Anweisung zu folgen, und trat ans virtuelle Glas. „Ich benötige Ihre Unterstützung”, sagte der Taelon.
„Das hätten Sie vor einigen Stunden haben können, Zo'or”, gab der Kimera patzig zurück, „Jetzt sollten Sie sich besser erst einmal entschuldi...”
„Sie haben nichts zu verlangen! Captain Lindsay ist anderweitig beschäftigt, also werden Sie mich bei der Befragung unterstützen. Umgehend!”
„Ja, Zo'or.”
Liam wurde die Gnade gewährt, seine eigene Kleidung wieder anziehen zu dürfen, dann begleitete er den Taelon. Das Mutterschiff machte den Eindruck eines Polizeistaates oder einer Militärdiktatur. Der Kimera fand es verwunderlich, dass sich dem keiner entgegensetzte, aber andererseits würde ein Aufmucken wunderbar einen Sündenbock für den Schuss auf Washington liefern - das funktionierte also auch bei Taelons.
Zo'or führte Liam in ein Zwischending zwischen Verhörraum und Labor - Sandoval lag da und mehrere Nadeln waren in seinen Kopf gebohrt. Wie unerwartet treffend der Agent zwei Durchgänge früher doch vermutet hatte, Zo'or würde seine sämtlichen Gehirnlappen am lebenden Objekt sezieren wollen ...
Liam schluckte heftig.
Aber wenigstens war Sandoval am Leben und nicht in seiner Wohnung im Schlaf verkohlt.
„Ich dachte, er wäre tot”, sprach Liam genau das an.
„Ich habe glücklicherweise knapp vor dem Schuss veranlasst, dass er an Bord gebracht wird”, sagte Zo'or kühl, „Es gibt genügend Indizien, dass er ein Verräter ist und einen Angriff auf das Madjira-Forschungszentrum plante. Sie, Major, werden das Geständnis beschaffen. Ich habe mich um die nötigen technischen Voraussetzungen bereits gekümmert.” Damit eilte der Taelon davon und liess den Kimera mit dem Agent auf dem Foltertisch alleine.
Zunächst prüfte Liam Sandovals körperlichen Zustand - nicht lebensbedrohlich, aber definitiv mehr als unangenehm. Die Nadeln führten direkt ins Schmerzzentrum und wenn sie aktiviert wurden ... das war ein ganz anderes Kaliber als Schmerzinduktion von aussen oder auf periphere Nerven.
„Okay, Sie haben gehört, was Zo'or gesagt hat. Ich hätte dann mal gerne ein Geständnis, bitte.”
„Kincaid ... ich ...” Sandoval suchte den Blick des Kimera und atmete tief durch. „Ich habe nichts getan, ich habe nichts geplant, ich ... ich weiss nicht, woher Zo'or das zu wissen glaubt!”
„Ja, das sagen sie alle.”
„Ich ... ja, ich weiss.” War er zuvor womöglich noch ein klein bisschen zuversichtlich gewesen, jetzt war jede Hoffnung verschwunden. „Was ist mit Madjira? Wissen Sie, was Zo'or damit gemeint hat?”
„Nein”, sagte Liam und setzte sich auf den schmalen Hocker.
„Werden Sie mein Nachfolger?”, fragte Sandoval.
Liam runzelte die Stirn. „Ich weiss nicht. Warum fragen Sie?”
„Wissen Sie, was im Madjira-Zentrum erforscht wird?”
„Krebs.”
„Nein”, flüsterte Sandoval, „und es spielt keine Rolle mehr, was ich davon halte. Ich bin so gut wie tot. Hirnlose Menschen werden dort gemacht, Kincaid, als steuerbare Kämpfer gegen die Jaridians. Und ich wünschte, ich hätte etwas dagegen unternommen ...”
„Ah so?”, fragte Liam. Das war interessant, und er glaubte ihm das auch.
„Aber Sie ... Sie ...” Sandoval knirschte hörbar mit den Zähnen. „Sie machen vielleicht einen aufmüpfigen Eindruck, aber sie räumen jede Leiche weg, die die Taelons produzieren! Mich dann auch, ja? Wissen Sie schon, wie Sie mich umbringen werden?”
Liam versuchte, kein zu verdutztes Gesicht zu machen. Das war es, was Sandoval von ihm dachte? Der Speichellecker des Synodenführers hielt ausgerechnet Liam für den gnadenlosen Schergen der Taelons! Aber es bewies, dass das Cover gut war und selbst so misstrauischen Augen wie Sandovals gegenüber hielt.
„Kincaid ...”
„Ich höre?”, sagte Liam kühl.
„Was ist? Keine Folter? Ich habe Ihnen eine gute Vorlage gegeben, es sollte Ihnen nicht schwer fallen, mich dazu zu bringen, daraus ein Geständnis zu machen.”
Liam stand auf und musterte seinen Vater. „Mit Sicherheit nicht”, stellte er fest, „aber ich ziehe vor, Ihnen einen Deal vorzuschlagen.”
„Einen Deal?”
„Kopfschuss statt der anderen Idee - dafür gibt es Ihr Geständnis gleich.” Immerhin war er sich angemessen sicher, dass es einen weiteren Durchgang geben würde - Zo'or war verantwortlich, das war inzwischen ja klar, sonst hätte er nicht Madjira angesprochen, und Zo'or würde es keinesfalls bei dieser Situation mit dem Schuss auf Washington belassen.
„Ohhh nein, Kincaid, Sie müssen Ihre Arbeit schon tun, ich habe immerhin soeben meine Würde zurückerlangt.”
Soviel dazu ... Liam starrte seinen Vater an und blickte dann an die Decke. Irgendwo da draussen sah wahrscheinlich Zo'or auf einen Datenstrom und wunderte sich über den niedrigen Schreipegel. Widerwillig löste Liam einen kurzen Schmerzimpuls mit der niedrigsten Einstellung aus.
„AHHHH!”
Niedrigste Einstellung bedeutete bei direkter Stimulation des Schmerzzentrums immer noch unvorstellbare Qualen. Leider.
„Sandoval, Sie können sich das alles ersparen, ich will Ihnen helfen.” Der Kimera verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, wie typisch dieser Satz in einem Verhör war - aber er meinte ihn tatsächlich ernst. „Also, was hatten Sie wegen Madjira ...”
„Liam!” Ein Datenstrom erschien und Augur sah entsetzt daraus hervor.
Der Kimera liess sich erleichtert auf den Hocker fallen und seufzte tief. „Augur ... ich hoffe, du hast jegliche Überwachung umgeleitet?”
„Komplett gekappt vielmehr.” Der Schwarze normalisierte seinen Gesichtsausdruck und seufzte ebenfalls: „Er ist es übrigens, er hat auf Washington geschossen und gräbt jetzt auf der Suche nach dem Täter die privaten Daten seiner Mittaelons durch. Ich habe ihm ein paar Steine in den Weg gelegt. Also, konkret habe ich mit Da'ans Hilfe seine Zugangsberechtigung komplett gesperrt und ihn auf der Brücke eingeschlossen.”
„Gut.”
„Das ist also ein Information-Sammel-Durchgang für Zo'or”, fuhr Augur fort, „Wie lange dauert ein Durchgang genau?”
„Etwa zwanzig Stunden. Das heisst, noch fünf Stunden.”
„Okayyy”, murmelte der Schwarze gedehnt, „Mach Sandoval los und nimm das nächste Portal zu mir - ich jage die Folterkammer in die Luft, für den Fall, dass Zo'or doch rauskommt. Fünf Stunden Zeit für Pläne.”
Liam stand auf und tippte zwei Symbole im holographischen Steuerfeld an - die Nadeln zogen sich aus Sandovals Kopf zurück und liessen fünf kleine, dunkelrote Punkte zurück. Der Agent runzelte die Stirn und sah den Kimera nachdenklich an, bevor er sich von ihm aufhelfen liess. Liam stützte ihn und brachte ihn zum nächstbesten Portal, wo er Augurs Portalkennung eingab und das Portal dann aktivierte.

* * *

„Hier”, hielt Augur Sandoval einen Espresso unter die Nase, „und Klamotten liegen auf dem Sofa. Ihr Netzoverall wäre bloss in der Blue Oyster Bar angemessen.” Der Agent nahm Kaffee, Kleidung und Seitenhieb wortlos zur Kenntnis und verschwand im Gästezimmer.
„Du lässt ihn hierher?”, fragte Liam ungläubig, „Und bedienst ihn dann noch so?”
„Jaja ... aber nicht im allerletzten Durchgang! Verstanden?”
„Verstanden”, rollte er mit den Augen.
„So, jetzt komm ...” Augur zog ihn zur Computeranlage und wies auf den Bildschirm. „Da siehst du es, Zo'or hat sich auf einen Notfallbeschluss berufen und einfach die privaten Daten abgefragt - das Mutterschiff hat den Beschluss akzeptiert.”
„Da'ans?”
„Hat er noch nicht abgefragt, soweit ich das sehe. Aber ich bezweifle auch, dass Da'an gefährliche Informationen auf dem Mutterschiff speichert.”
Sandoval kam sichtlich nicht allzu glücklich aus dem Gästezimmer zurück, er trug eine enge schwarze Hose und ein goldenes Hemd mit schwarzer Weste. Liam biss sich auf die Lippen, um sich das Lachen zu verkneifen. Augur hingegen, der mit seiner weinroten Weste und Hose und dem silbergrauen Hemd farblich und im Stil ähnlich eingekleidet war, schien gar nicht wahrzunehmen, wie ungewöhnlich dieser Anblick war.
„Kannst du mir sagen, was knapp vor dem Schuss auf Washington passiert ist?”, fragte Liam, „Was hat Zo'or da gemacht?”
„22 Minuten zuvor: Anruf an Lindsay”, sagte Augur, „knapp eine Minute zuvor: Anruf von Lindsay. Ersterer ins Globalnetz, zweiterer aus einem Shuttle.”
„Shuttleposition?”
„Meine Güte, Liam ...” Der Schwarze rief eine andere Datenbank auf und zog eine Disc aus einem Regal, um den nötigen Handabdruck zur Identifikation liefern zu können, was tellergrosse Augen bei Sandoval verursachte. „Washington, Northwest, ... ja, wie ich dachte, quasi vor Sandovals Haustüre.”
Liam blickte zum Agent, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand. „Der Schuss war gut zwanzig Minuten nach dem Beginn des Durchgangs, nach Augurs Daten wohl 22”, stellte er fest, „Der erste Anruf war also unmittelbar nach Beginn des Durchgangs. Damit ist eindeutig klar, dass Zo'or sich der Zeitschleife bewusst ist, denn nichts, was ich in diesen paar Augenblicken getan habe, könnte diese Änderung auslösen. Ganz abgesehen davon, dass er nur aus den bisherigen Durchgängen vom Angriff auf Madjira wissen konnte - in diesem Durchgang gab es ihn ja nicht.”
„Zeitschleife”, wiederholte Sandoval misstrauisch.
„Sie haben die Arschkarte gezogen, Sandoval”, erklärte Liam, „Zo'or hat Sie im Visier, in jedem Durchgang. Einmal sind Sie schon gestorben. Einmal habe ich versucht, Sie zu warnen - daraufhin haben Sie mich nach Marokko verschleppt.” Er zog ein schiefes Grinsen. „Mir ist klar, warum. Immerhin räume ich ja in Ihren Augen jede Leiche weg, die die Taelons produzieren.”
„Dem ist nicht so, das sehe ich”, stellte Sandoval fest, „Widerstand?”
„Der Boss persönlich”, warf Augur ein.
Der Agent runzelte die Stirn. „Sie haben mir also all die Schwierigkeiten gemacht - und währenddessen noch den Musterbeschützer gemimt.”
Liam grinste: „Ja. Entschuldigung.”
Sandoval rollte mit den Augen und blickte auf den Bildschirm. „Also, Zo'or hat Lindsay mich aus dem Bett holen lassen und dann ... was? Auf Washington geschossen?”
„Ein Drittel der Stadt ist zerstört, unter anderem Ihre Wohnung. Nun, Zeitschleife, er hat keine Konsequenzen zu befürchten.” Liam runzelte seine Stirn und kratzte sich am Kopf, der Agent sah ihn fragend an. „Ich könnte in die Verlegenheit kommen, Sie unter weniger dramatischen Umständen von der Zeitschleife überzeugen zu müssen”, erklärte der Kimera, „Ich muss Sie bitten, mir ein Geheimnis anzuvertrauen.”
„Bitte?”
„Nichts Wichtiges, Sandoval, nur etwas, was Sie sonst noch niemandem gesagt haben. Ihr erster Schwarm meinetwegen ...”
„Liam!”, protestierte überraschenderweise Augur.
„Mein erster Schwarm, wie Sie meinen”, schmunzelte Sandoval, „Melany Corbett.”
„Sie sind mutig, Sandoval!”, stellte der Schwarze fest.
„Eine andere Melany Corbett. Die halbe Schule hat sie damit aufgezogen.”
„Die männliche Hälfte, vermute ich”, bemerkte Liam, „Augur, wie sieht es auf dem Mutterschiff aus? Ist Zo'or noch eingesperrt?”
Augur klapperte kurz mit den Fingern auf der Tastatur und nickte dann: „Die Brücke ist dicht und er ist drin. Und ...” Er grinste bis zu den Ohren und wandte sich zu den beiden Beschützern um. „Da'an liest ihm die Leviten, Lili ist mit ihm raufgeflogen.”
„Das wird Zo'or für zukünftige Durchgänge vermutlich vermeiden”, stellte Liam fest, „Ich würde es jedenfalls.”
„Was weiter?”, fragte Sandoval, „Wissen Sie bereits, was die Schleife verursacht?”
„Nein”, seufzte Liam, „Das heisst ... vielleicht! Augur, kam nicht gestern in den Nachrichten etwas über die Alien-Ausstellung? Was war da?”
„Die Stücke wurden zur Reinigung aufs Mutterschiff gebracht”, antwortete statt des Schwarzen der Agent, „Sie glauben, eines ist dafür verantwortlich?”
„Ja, definitiv. Zufall ist das keiner”, nickte Liam, „Augur ...”
„Ausstellungsstück 51, jaja, ich suche es.”
„51”, wiederholte Sandoval, „Steinartig, torförmig, Einbuchtung an einer Seite?”
„Genau das”, zeigte Augur auf seinen Bildschirm, auf dem das fragliche Stück abgebildet war, „Alle anderen sind samt Position in der Liste verzeichnet - dieses ist verschollen. Ich vermute also: Bei Zo'or!”
„Solange er auf der Brücke eingesperrt ist ...”, richtete Liam sich auf, doch dann lehnte er sich wieder an die Wand und schüttelte den Kopf. „Nein, zuerst etwas anderes.” Er starrte auf den Bildschirm, ohne ihn wirklich anzusehen. „Möglicherweise wiederholt Zo'or den Schuss im nächsten Durchgang. Das heisst, wir müssen Sie rechtzeitig vor dem Schuss in Sicherheit bringen, ohne dafür Lindsays Shuttle zu benutzen - das würde bloss wieder in der Folterkammer enden.”
„Ihr Shuttle?”
„Ist zu dem Zeitpunkt in der Botschaft und ich bin zuhause, das würde ich nicht schaffen”, schüttelte Liam den Kopf, „Ich könnte vielleicht mit dem Auto zu Ihnen fahren und Lindsay auflauern ... möglicherweise braucht es aber nicht nur einen Versuch, um das fehlerfrei abzuspulen.”
„Er war allein unterwegs”, widersprach Sandoval, „Es ist machbar - sein Shuttle parkte im Garten.”
„Ich würde ja einen Lokalaugenschein vorschlagen, wenn die Gegend nicht Asche und Trümmer wäre”, seufzte Augur, „Ach, ich werfe das Simulationssystem an. Um die Stromrechnung brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen.” Er klapperte mit den Fingern auf der Tastatur und grinste die beiden dann breit an, im nächsten Augenblick flackerte die Umgebung und sie standen auf der Strasse vor Sandovals Wohnblock. „Langsam, bitte, die gravitative Kopplung hat noch ihre Macken”, erklärte Augur.
„Es wirkt real”, stellte Sandoval fest und berührte den sorgfältig getrimmten englischen Rasen auf dem kleinen nicht asphaltierten Stück Boden neben der Türe.
„Ja!”, nickte Augur, „Und wir haben es ohne die Hilfe der Taelons erfunden!”
„Tatsächlich? Die Taelons haben auch unauffällig unterstützt.”
„Nicht mich!”, knurrte er, „Und Street auch nicht!”
„Wer ist Street?”, fragte Liam, doch Augur winkte nur ab.
Sandoval betrat das Wohnhaus und blieb verdutzt stehen. „Das wirkt nun nicht mehr real”, stellte er fest. Liam folgte ihm und sah sich in einer klar computergerenderten Vorhalle mit Treppe und Fenster zum Conciergezimmer um. Alle Flächen waren einheitlich weiss, das Licht schien von überall her zu kommen.
„Aufnahmen von innen habe ich nicht”, erklärte der Schwarze, „nur die Baupläne. Ich kann das Material als Beton definieren, dann ist der Matrix-Look weg.”
„Das ist nicht nötig.” Sandoval hielt auf ein mittelblau schimmerndes Rechteck in der gegenüberliegenden Wand zu und berührte es kurz, bevor er hindurch ging. Dahinter wirkte die Umgebung wieder real, sie befanden sich im Garten. „Hier stand das Shuttle”, erklärte der Agent und wies direkt neben eine Hecke, „Ich bin sicher, Sie stimmen mir zu, Major, das ist der beste Landeplatz hier.”
„Richtig”, nickte Liam, „Gibt es drinnen etwas, was ich dann beachten muss?”
„Der Concierge war bewusstlos und das Frisch-gewischt-Schild können Sie zweifellos auch selbst interpretieren.”
„Allerdings.” Der Major wandte sich zu Augur um und fragte: „Wie kommen wir hier jetzt wieder raus?”
„Wie gesagt, die gravitative Kopplung hat ihre Macken”, erklärte der Hacker, „Ich habe noch nicht die Notwendigkeit gesehen, einen expliziten Ausgang zu implementieren.” Mit diesen Worten tat er einen sehr plötzlichen Satz und verschwand in einem orangen Blitz. Einige Augenblicke später verblasste die virtuelle Umgebung und sie standen wieder vor der Computeranlage. „Ich weiss, eine virtuelle Welt ohne Ausgang ist böse und wendet sich garantiert gegen ihren Schöpfer”, grinste Augur, „Nein, das gibt es nur im Film.”
„Auch wenn wir jetzt noch in der Simulation stecken würden”, bemerkte Liam und blickte auf seine Uhr, „ich jedenfalls nicht mehr lange.”
Der Schwarze blickte starr auf einen Bildschirm und sagte dann: „Zo'or ist nach wie vor auf der Brücke, Da'an hat es inzwischen aufgegeben und ist auf dem Weg zurück in die Botschaft. Die Freiwilligen rotieren, weil ein gewisser T'than angekommen ist und die Explosion untersuchen lässt - gegen den Schuss auf Washington hat er offenbar nichts.”
„Ich dachte, wir kennen alle Taelons?”, runzelte Liam die Stirn.
„Nein, sie haben auch noch einen Kriegsminister, eben T'than.” Augur las eine neue Meldung auf einem Bildschirm und zog sein Grinsen bis zu den Ohren. „Er wurde soeben automatisch eingesperrt, weil er versucht hat, Zo'or freizubekommen.”
„Ich bin überrascht, dass der Widerstand dazu in der Lage ist”, sagte Sandoval, „Weshalb haben Sie das nicht schon früher getan?”
„Ohne Da'ans Hilfe wäre das nicht möglich gewesen”, gab der Hacker zu, „Und ... Liam, Liam! Ich muss dir erklären, was Da'an mir erklärt hat, und du musst dir alle Codes merken! Da'an wird das nicht wieder herausrücken, wenn keiner auf Washington schiesst!”
„Okay!” Liam trat einen Schritt näher und stützte sich mit den Händen auf.
„Hier, das ist der primäre Zugangscode, leider auf Eunoia und mit Bedeutungsvarianten versehen, ich habe keine Ahnung, wie man es ausspricht, geschweige denn, sich merkt ... Du musst es dir dann halt im nächsten Durchgang gleich aufschreiben.”
„Geht schon. Li'zaisheeva ne'qa ...”
„Sie können das flüssig lesen?”, wirkte Sandoval beinahe entsetzt, „Aber Sie sind ein unimplantierter Mensch!”
„Übersetzen auch. Die Halle der Ehre, oder auch Würde, befindet sich im Inneren der ...”
„Jajaja”, machte Augur, „Ich drucke es dir aus, du lernst es dann auswendig, du hast ja noch ein bisschen Zeit. Und gib nicht so an, wir erinnern uns daran dann ja sowieso nicht.”
„Sonst würde ich es nicht wagen”, grinste Liam, was Augenrollen bei Hacker und Agent zur Folge hatte.
„Hier, der Code zur Hauptkontrolle - er variiert zwar gelegentlich, aber das spielt in der Zeitschleife ja keine Rolle.”
„Das sind zufällige Zeichen, okay.”
„Hier, das ist Zo'ors Kennworthash, der wäre sehr nützlich, dann kann ich mir nämlich den Angriff auf den Synodenkennwortspeicher sparen.”
„Okay”, nickte Liam wieder, „Das Kennwort selbst brauchst du nicht?”
Augur grinste wieder und erklärte: „Ich habe es nicht. Aber das Authentifikationssystem hat eine Schwachstelle wie im Hacker-Lehrbuch. Welcher Depp hat das entworfen?”
„Gib nicht so an”, knuffte Liam ihn, „Ich muss mir das womöglich noch öfter anhören.”
„Dein Pech”, grinste der Schwarze ihn an und drückte ihm ein Blatt Papier in die Hände, „Da, auswendiglernen.”

 

Ende von Kapitel 2

 

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