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  „Blick zum Horizont” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Februar 2012
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine nächtliche Widerstandsaktion ist der Auftakt sehr merkwürdiger Geschehnisse.
Charaktere:  Liam, Lili, Augur, Sandoval, Da'an
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2011 geschrieben.
 

 

BLICK ZUM HORIZONT

Kapitel 1

 

Es war halb zehn am Abend, Liam sass in seinem Wohnzimmer, hatte die Füsse hochgelegt und ein wirklich grosses Glas Kirsch-Eistee auf dem Tisch stehen - und mit Kirsch waren Prozente gemeint. Im Fernsehen stahlen Audrey Hepburn und Peter O'Toole eine Venus aus einem Museum, wobei sie sich akut gerade küssten. So konnte es gehen in Hollywood. Liam griff nach seinem Eistee und nahm einen grossen Schluck, und noch einen, und noch einen. Soviel Kirsch hatte er ja auch wieder nicht hineingetan.
Aber zu wenig Zucker. Er stellte gemächlich das Glas ab, langsam den rechten und dann den linken Fuss auf den Boden, überlegte noch einmal, ob der Zucker das Aufstehen wert wäre, und begab sich dann doch in die Senkrechte und in die Küche. Mit fünf Zuckerwürfeln kam er dann zurück und stellte fest, dass er auch noch einen Löffel holen musste. Nun, er stand ja schon, also tat er es, umzurühren wäre nämlich definitiv eine gute Idee.
Dann setzte er sich wieder, legte die Beine hoch und nippte am Eistee. Ja, so war es gut. Wobei die Alarmanlage im Film doch recht laut war ... Liam schaltete lieber etwas leiser, nicht dass das vierzehnmonatige Nachbarskind erwachte, denn dann könnte er ganz bestimmt die ganze Nacht nicht schlafen. Oder vielleicht waren es zwei Nachbarskinder, die sich beim Schreien abwechselten, oder drei, vielleicht sogar vier.
Liam schaltete die Lautstärke lieber noch ein bisschen zurück, als das nächste Mal ein Bumerang Anstalten machte, durch die Lichtschranke zu fliegen. Zurecht, es klingelte schon wieder recht ohrenbetäubend, weckte den neben dem Museum wohnhaften französischen Präsidenten und ging überhaupt allen Museumswächtern gewaltig auf die Nerven.
Sie schalteten die Anlage aus. Verständlich, aber von Liam würden sie dafür einen gewaltigen Rüffel kassieren.
Von nebenan erklang Babygeschrei. Verdammte Filmalarmanlage ... das war es also mit dem schönen Filmabend. Liam schaltete den Fernseher aus, ergriff sein Eisteeglas und flüchtete ins Arbeitszimmer, das von der schreienden kleinen Nachbarin am weitesten weg war. Der kleine Fernseher dort durfte den Film jetzt übernehmen, sofern Liam es schaffte, den richtigen Sender zu finden.
Oder Sendersuchlauf? Wie ging das denn? Er riss eine Schreibtischschublade auf und die Bedienungsanleitung heraus. Im Hintergrund zählte ein Nachrichtensprecher auf, was er zu sagen hatte.
„Laura Finn und Don Kippy haben sich getrennt. Das Traumpaar aus Hollywood ...” - Liam schlug heftig auf die Stumm-Taste und widmete sich lieber der Anleitung: „Drüken Menue Taste Vierskündig bestatigen nach mit de Taste gelb, um zu Beginn Sucklauf starten senden. Nach an wählen Geschütz Taste hoch/tief der Freguens Bereich an. Bereich fragen freidlich bei Ihnen Seilbetrieb.” Er liess das Heftchen entnervt auf den Schreibtisch fallen. „Super.”
„Räbäääähhhhhh! RÄBÄÄÄHHHHHHH!”
Das hatte inzwischen ja die Tonqualität einer startenden Flugzeugturbine! Liam schaltete den Ton der Nachrichtensendung wieder ein, zur Geschreikompensation.
„... versichert, dass die Exponate nach Ihrer Reinigung an Bord des Mutterschiffes wieder ausgestellt werden. Ein Preisnachlass von zwanzig Prozent gilt, solange die Exponate auf dem Mutterschiff sind.”
Zwanzig Prozent? Nur? Was blieb in diesem Museum denn noch zu sehen, wenn die Taelon- und Kimeraexponate weg waren?
Gut ... der originalgetreue Nachbau von Kolumbus' Santa Maria, oder die nachgebaute Mondlandekapsel. Aber den Preis rechtfertigte das auch nicht, solange man Schiff und Kapsel nur von aussen angucken durfte.
„Der australische Premierminister Gawain White hat aufgrund der Korruptionsvorwürfe angekündigt, von seinem Amt zurückzutreten, da er nicht verantworten könne, mit derart beschädigter Glaubwürdigkeit sein Land weiterhin zu vertreten. Er sei dennoch unschuldig und habe nicht gewusst, dass es sich nicht um eine reguläre Spende gehandelt habe.”
„Politiker”, nuschelte Liam augenrollend in seinen Kirsch-Eistee und nahm einen grossen Schluck.
„Die australische Bildungsministerin und frühere Pornodarstellerin Melany Corbett nannte ihn daraufhin mehrfach einen Feigling und Lügner. Sie schäme sich für ihn. Das Wetter: Starker Wind von Osten braust über Washington, die Temperaturen sinken auf sieben bis zehn Grad. Auch die weiteren Aussichten sind nicht erfreulicher, die Sonne zeigt sich in der folgenden Woche nur sehr spärlich, ab übermorgen Donnerstag ist mit beinahe durchgehendem Regen und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt zu rechnen. Es besteht vor allem am Morgen Glatteisgefahr durch überfrierende Nässe. Ich wünsche einen schönen Abend, danke fürs Zusehen. Das war Corey London für WCC Washington City Channel.”
Überfrierende Nässe ... genau was Liam brauchte. Da froren ihm ja die Passagestreben am Shuttle ein. Er schaltete den kleinen Fernseher aus und betrachtete noch einmal kurz die unverständliche Bedienungsanleitung.
„RÄBÄÄÄÄÄÄHHHHHHH! WAHHHHHH! BÄÄÄHHHHH!”
War die Kleine tatsächlich die Nachrichten durch still gewesen? Oder hatte er sie nur nicht wahrgenommen? Er trank seinen Eistee aus und stellte das Glas ab. Dann füllte er seinen Rucksack mit Zahnbürste, Rasierzeug und Pyjama, vermummte sich in seine dickste Jacke und die pelzgefütterten Stiefel und machte sich auf den Weg zu Augur.
Er brauchte den Schlaf und das Geschrei entnervte einfach.

* * *

„Was machst du denn hier?” Augur war unverhohlen entsetzt über die Störung und schob das erwachsene Alienkind eiligst zurück in den Lift. „Du kannst doch nicht einfach ...”
„Die Kleine von den Hendersons, das ist nicht auszuhalten. Ich brauche dein Gästebett, Augur.”
„Nein!”
„Ach, komm schon”, rollte Liam mit den Augen, „Lili wird so oder so nicht hier übernachten.”
„Was? Du kannst da nicht sicher sein!”, erklärte Augur energisch, „Ins Auto setzen darf sie sich jedenfalls nicht mehr, wenn sie ihren Wisch behalten will.” Er lehnte sich verschwörerisch zum Kimera und erklärte: „Bester brasilianischer Rotwein. Und zartestes Rindsfilet in einer ...”
„Jajaja, ich bin müde.” Mit diesen Worten schob Liam den Schwarzen wieder aus dem Lift und sich an ihm vorbei. „Hi, Lili”, grüsste er die Frau am romantisch gedeckten Tisch und hastete ins Gästezimmer.
„Liam!”, rief Augur ihm ärgerlich nach, aber die geschlossene Türe half: Liam hatte seine Ruhe, besuchte noch kurz das Gästebad und fiel dann ins Bett.

* * *

„Nananana nananana Batmaaaan!”
Liam zwängte seine Augen auf, packte sein dudelndes Global und warf es gegen die Wand, worauf es still war. Er war ja schon wach, er stand ja schon auf. Trotz noch mit Watte gefülltem Kopf wankte er ins Badezimmer und putzte die Zähne, den Rasierer würde er sicherheitshalber erst später in die Hände nehmen, da konnte zu viel passieren.
Er zog sich an, fuhr sich kurz mit etwas Gel durch die Haare und stapfte aus dem Raum. Augur lag zerknautscht auf dem Sofa und schnarchte, Lili sass breit grinsend am Tisch und schlürfte Kaffee.
„Morgen”, nuschelte Liam.
„Morgen”, flötete sie, „Nicht zu laut, sonst grantelt er den ganzen Tag nur rum.”
„Noch mehr als sowieso?”
„Hmm”, machte sie, „Ich riskiere das lieber nicht. Muffins?”
Liam setzte sich zu ihr und griff zu. „Mwiefo wawen Fie mit ihm effem?”
Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Wie bitte?”
„Wieso waren Sie mit ihm essen?”, wiederholte er verständlicher. Lili zog eine Fratze. „Schon okay”, winkte er ab, „Sagen Sie nichts.”
„So viel habe ich auch gar nicht getrunken, wie er meint”, sagte sie und wies auf den Gummibaum, „Der Kollege da hat mehr intus als ich.” Liam musste lachen. „Erzählen Sie Augur bloss nichts! Bei mir zuhause gehen die Installateure um, überall sind die Wände offen, ich habe kein kaltes Wasser, geschweige denn warmes ... und Augur ist günstiger als ein Hotel.”
„Allerdings”, nickte Liam, „Ich bin vor dem brüllenden Nachbarsbaby geflüchtet.”
„Die kleine Kitty Henderson? Die ist süss.”
„Keinesfalls! Laut ist sie!” Er stutzte. „Woher kennen Sie die Hendersons denn? So oft sind Sie nicht bei mir.”
„Ähja ...”, wurde Lili höchst verlegen und lief leicht rot an, „nur so ...”
„Ah.” Er kratzte die Kurve und wechselte das Thema: „Sind die Waffen alle vor Ort für den Angriff heute?”
„Die Waffen, die Störsender, die Fluchtfahrzeuge, ja”, nickte sie, „Haig hat sich regelmässig gemeldet, und Wang ist auch seit einer Stunde unten und beobachtet.”
„Gut”, sagte er, „Wecken wir Augur vorher?”
„Quatsch, er bringt uns um, wenn wir ihn um fünf schon wecken. Rasieren Sie sich, ich schreibe ihm einen Zettel.”

* * *

Liam hob den Kopf und spähte über die Hügelkuppe. Wie Haig und Wang gemeldet hatten, patrouillierten die Wachen nur in einem eher kleinen Bereich vor dem Haupttor, während das rückwärtige Tor stattdessen durch technische Spielereien geschützt wurde. Damit war die Entscheidung klar: Es musste das Haupttor sein, denn das Zirpen der Bewegungsmelder war für Liam mit seinem Bewegungsdrang ein schwer zu überwindendes Hindernis.
Haig tänzelte um die Spuren der Suchscheinwerfer herum und überwältigte lautlos und blitzschnell eine der Wachen. Wang, nur ganz knapp hinter ihm, zog den Bewusstlosen an die Mauer und deckte ihn mit einem dunklen Tuch zu, während Haig selbst die Patrouillenroute übernahm.
Lili überprüfte ihre Waffe und zupfte an der Skimaske, Liam tat es ihr gleich.
Knapp zehn Minuten lang liessen sie eventuelle Unruhe bei den anderen Wachen abflauen, dann huschten Lili und Liam leise nach rechts, während Haig links Alarm schlug und damit drei der vier Wachen aus dem Weg lockte. Liam packte den letzten am Kragen und dotzte ihn gegen die Mauer, Lili versteckte den Bewusstlosen notdürftig unter einer braungrünen Tarndecke, während Liam sich wie zuvor Haig als falsche Wache betätigte.
Diesmal liessen sie den Wachen aber keine Ruhe. Wang wurde vermeintlich von Haig entdeckt und sprintete zu seinem Fluchtfahrzeug, und Liam und Lili hatten freie Bahn, sich mit einem von Sandoval gestohlenen Chip den Zugang zu verschaffen. Die paar Kameras waren gleich überlistet, dann bog Lili in den Serverraum ab, um Augurs Virus abzuliefern, während Liam sich schnell auf eine mitgebrachte Waage stellte und dann über die druckempfindlichen Bodenplatten spazierte.
Liam plus Kleidung plus Waffe plus ein halbes Kilo Sprengstoff ergaben genau das Gewicht, das in Sandovals Zugangsdaten vermerkt war. Kein Alarm.
Gewissenhaft klebte der Kimera seine Kawumm-Päckchen an die Brutkammern, stellte jedes einzelne scharf und wartete dann auf Lilis Signal. Ohne die Päckchen wäre er zu leicht für die Bodenplatten und es musste schnell gehen ...
Moment!
Wer immer hier an diesem Projekt arbeitete, hatte ein Faible für Gummibärchen. Liam zog zwei Päckchen aus dem Regal, riss eines auf und leerte ein gutes Drittel des Inhalts auf den Boden. Nun wieder ein halbes Kilo schwerer kehrte er auch unbehelligt zurück und packte die Waage wieder ein.
Lilis Signal kam, der Decoder in Liams Ohr piepste die Melodie von Tetris. Kurz darauf folgten, ebenfalls gepiepst, „Good Day Sunshine” von Haig und „Born to be Wild” von Wang. Liam meldete seinen Status mit „Boom!” und befahl dann mit „Get Back” den Aufbruch. Am Hintertor traf er auf Lili, kurz blickte er auf die Uhr und nickte, dann liefen sie gemeinsam ins Freie und lösten so den Alarm der Bewegungsmelder und die Übertragung der Kameraaufzeichnungen aus. Aber das Fluchtfahrzeug war da und sie brausten den anrückenden Wachen mit einem Affenzahn davon.
Während Lili das Motorrad steuerte und hinter ihnen das Gebäude in die Luft flog, übertrug Liam zufrieden „Bicycle Race”.
Von Wang kam „Duck Tales”, von Haig „Home Boys Home”. Bestens. Lili bremste und versenkte das Motorrad im Abspringen in einem trüben Bewässerungskanal, dann stiegen sie und Liam auf den Traktor mit mit Christbäumen beladenem Anhänger, zogen die Masken aus, grobe Arbeitsjacken und passende Mützen an und tuckerten gemächlich los.
Die Verfolger kamen heran ... und brausten vorbei. Kein Problem. Liam schickte „Winter Wonderland”, grinste bis über beide Ohren und begann, die erbeuteten Gummibärchen zu verspeisen.

* * *

„Guten Morgen, Da'an, Agent Sandoval.”
„Sie kommen spät, Major!”, fuhr Sandoval Liam an, „Haben Sie den Alarm nicht bekommen?”
Der Kimera rollte mit den Augen. „Das hilft nicht, wenn vor mir ein Förster seinen Traktor samt Anhänger gegen einen Ampelmast setzt. Ich musste den Notruf wählen.”
Sandoval richtete sich auf und fragte: „Was hatte er geladen?”
„Christbäume.” Liam hielt inne und dachte kurz nach, dann fragte er: „Was ist mit dem Alarm? Wo wurde der ausgelöst? Was ist passiert?”
Da'an hob eine Hand und stand von seinem Thron auf. „Eine Widerstandsgruppe hat ein Forschungslabor zerstört”, sagte er, „Das Madjira-Zentrum für Krebsforschung.” Er fixierte Sandoval. „Suchen Sie nach den Angreifern, Agent”, wies er ihn an, „Ich werde Major Kincaid die bisherigen Erkenntnisse mitteilen.”
„Natürlich, Da'an”, nickte der Implantant ergeben, gönnte Liam einen spöttischen bis schadenfrohen Blick und verliess den Raum dann.
„Da'an?”, fragte Liam.
„Sie haben das Labor zerstört”, stellte der Taelon fest.
„Ja.”
Da'an neigte knapp den Kopf. „Gut. Die Kreaturen sind tot?”
„Alle”, nickte Liam, „Erklären Sie, was dort passiert ist!”
Da'an setzte sich wieder und wurschtelte ausgiebig mit beiden Händen durch die Luft. „Es handelt sich um verzerrte menschliche Wesen, hirntot und bereit, von einem taelonischen Verstand kontrolliert zu werden.”
„Warum?”, fragte der Kimera, „Ich kenne keinen Taelon, der freiwillig in einen menschlichen Körper schlüpfen würde.”
„Ein Taelon könnte tausende dieser Wesen kontrollieren und in den Krieg schicken, Liam.” Da'an senkte seine Hände und seinen Blick. „Noch müssen sie in Brutkammern aufwachsen, aber Zo'or liess auch daran forschen, lebende Menschen zu ... ja, ich denke, das ist das richtige Wort: Entkernen.” Liam verzog angeekelt das Gesicht. „Leider war dies nicht das einzige Labor. Es wäre allerdings nicht klug, für Zo'or offensichtlich zu machen, welches Projekt das Ziel ist. Ich werde Ihnen in vier Monaten sagen, wo sich das andere Labor befindet.”
„Danke, Da'an”, sagte Liam und zückte sein piepsendes Global, „Ja, Zo'or?”
„Folgen Sie Sandoval und nehmen Sie ihn fest!”, fauchte der Synodenführer aus dem kleinen Gerät, „Er war im Madjira-Zentrum kurz bevor es zerstört wurde!”
„Ja ... Zo'or ...” Warum redete Liam mit einem schwarzen Bildschirm? Zo'or erwartete sowieso, dass seine Befehle befolgt wurden. Der Kimera rief Lili an.
„Major, was gibt es?”, fragte sie vom Pilotensessel, Sandoval hinter ihr nickte Liam knapp zu.
„Wo sind Sie, Lili?”
„Im Landeanflug auf das Forschungszentrum”, sagte sie.
„Fliegen Sie zum Mutterschiff, wir treffen uns dort, wir haben eine Spur.”
„Ja, Sir”, sagte sie.
„Eine Spur?”, fragte Sandoval.
Liam nickte knapp und schob sein Global zu. Kurz verabschiedete er sich von Da'an, dann machte er Anstalten, den Raum zu verlassen.
„Wollen Sie Sandoval aus dem Weg haben?”, fragte der Taelon.
„Nein.”
„Was werden Sie also tun?”
„Überlassen Sie das mir, ich habe einen Plan”, erklärte Liam und ging.

* * *

Nur mit knapp einer halben Minute Abstand landeten beide Shuttles im Hangar des Mutterschiffes. Lili und Sandoval warteten ab, bis Liam ausstieg, und begrüssten ihn dann. „Major, was ist die Spur?”, fragte der Implantant.
„Es wurde einer der Angreifer identifiziert, ich habe mir auf dem Weg die Daten angesehen. Da hat jemand eine Kamera übersehen ...” Er wandte sich den beiden bewaffneten Freiwilligen zu: „Sie wurden informiert?”
„Ja, Sir!”
„Gut. Nehmen Sie ihn fest.”
Sandoval klappte seinen Mund beeindruckend weit auf, als er sich unversehens als Verdächtiger wiederfand. „Das ist ein Fehler, die Daten müssen gefälscht sein ...!”
„Ja ... das sagen sie alle ...”, lächelte Liam nur und blickte den Freiwilligen und dem weiterhin protestierenden Agent hinterher.
Lili lehnte sich zu ihm. „Liam, wissen Sie”, murmelte sie, „Sie können ganz schön fies gucken.”
„Das war harmlos”, schüttelte er grinsend den Kopf, „Warten Sie nur ab ...”

* * *

„Ronald Sandoval, Widerstandskämpfer”, begrüsste Liam den auf dem Foltertisch liegenden, „Wer hätte das gedacht, hmm? Immerhin haben Sie ein Implantat ... aber bei Ihnen ist ja schon mal eines ausgefallen.” Er stützte seine Hände links und rechts von Sandovals Kopf auf und beugte sich vom Kopfende über ihn. „Erstaunlich, dass das immer Ihnen passiert ...”
„Es ... funktioniert ... Kincaid!”
„Ja, das ist auch erstaunlich, dass keine Fehlfunktion zu finden ist”, gab Liam zu, „abgesehen davon, dass Sie eben ein Labor in die Luft gejagt haben ... ich finde, das zählt als Fehlfunktion.”
„War ... nicht ... nicht ...”
„Wer dann, Sandoval? Wer, wenn nicht Sie?” Er fuchtelte durch die Luft, worauf ein Datenstrom die von Augurs Virus gefälschte Aufzeichnung anzeigte: Sandoval kam herein, klebte den Sprengstoff an die Brutkammern und ging wieder.
„Das ... bin nicht ich!”, war Sandoval plötzlich hochkonzentriert, „Er ist zu gross, meine Schultern wären unterhalb der Brutkammerluken, seine sind es nicht!”
„Ja ... das ist Ihr Plan b”, nickte Liam wissend, „Sie hätten Ihre Stelzschuhe nicht einfach ins Gebüsch werfen sollen.” Er hob die fast nur aus gut zwanzig Zentimeter dickem Sohlengummi bestehenden Schuhe vom Boden auf und grinste fies, richtig fies: „Ups, erwischt!”

* * *

„Wie geht es ihm?”, fragte Lili leise und stellte die Passagedifferenz ihres Shuttles neu ein.
Liam liess sich auf einen Passagiersessel fallen und seufzte: „Nicht gut. Captain Lindsay nimmt ihn ziemlich hart ran.” Sie sah ihn an und biss sich auf die Lippen. „Er wird ihn nicht umbringen”, sagte er.
„Nicht von allein. Aber wenn Zo'or auf die Idee kommt ...”
„Sie meinen, ich soll in der Nähe bleiben?”
Lili atmete tief durch, schob sich vom Pilotensitz und trat zu ihm. „Liam, wenn Ihnen etwas an Ihrem Vater liegt, überlassen Sie es nicht Zo'ors Laune. Gehen Sie schon.”
Er nickte knapp: „Ja, Sie haben Recht, Lili, es wäre unverantwortlich.” Er sprang auf und lief eilig zurück in die Folterzelle. „Mir ist etwas eingefallen ... Zo'or.” Wieso war Zo'or hier?
„Denken Sie das nächste Mal schneller!”, fauchte der Taelon Liam an, „Er sagte nichts, er war nutzlos. Lindsay, entsorgen Sie den Leichnam.”

* * *

„Aber ... aber ...” Der Kimera fühlte sich, als würde die ganze Welt über ihm einstürzen. Das hatte er nicht gewollt. Er hatte ihn auf dem Gewissen, seinen eigenen Vater. Lili hatte ihn gewarnt, aber es war zu spät. Zu spät. Liam war Vollwaise, mit gerade mal zehn Monaten.
Irgendwie schaffte er es mit halbwegs normalem Gesichtsausdruck zurück in den Hangar und in Lilis Shuttle, und kaum dass sie in der Interdimension waren nahm Lili ihn ganz fest in den Arm und wiegte ihn sachte hin und her. Er war schuld, er hatte ihn umgebracht, er hatte entschieden, ihn für die Explosion anzuschwärzen, und darin versagt, ihn zu beschützen.
Liam kannte die Taelons! Er kannte Zo'or! Er wusste, wozu dieser Taelon fähig war, er hatte es durch das Gemeinwesen gesehen!
Und er hatte seinen Vater im Stich gelassen ... er war schuld ... Liam klammerte sich an Lili fest, an einem Kissen, einer Armlehne, an allem, was er zu fassen bekam.

„RÄBÄÄÄÄHHHH!”

Er konnte es der kleinen Nachbarin nachfühlen, ihm war auch zum Schreien zumute. Liam rollte sich auf dem kleinen Ecksofa in seinem Arbeitszimmer zusammen und drückte seinen Kopf in das kratzige blaue Zierkissen. Lili war wohl schon wieder weg ... vermutlich erzählte sie es Doors, als ob es den kümmern würde.
„Wäähhh, Bähhhh, Räbääähhhhh!”
Heute störte ihn das Geschrei nicht, überhaupt nicht. Heute half es ihm, zu fühlen, dass er nicht allein war. Er würde nicht gut schlafen, womöglich überhaupt nicht, aber es spielte keine Rolle.

* * *

Widerstrebend zog Liam sein piepsendes Global aus der Tasche. Lili war dran, er öffnete. „Hey ...”
„Wo sind Sie, Liam?”, fragte sie.
„Was? Zuhause! Warum?”
„Sie sind zu spä... was ist mit Ihnen los? Sie sehen völlig verheult aus, was ist passiert? Liam?” Das fragte sie? Was passiert war? „Aber kommen Sie, stehen Sie auf, Sie sind zu spät, Liam”, sagte sie eindringlich, „Was immer passiert ist, es muss warten, wir können den Angriff nicht verschieben.”
„Äh ... Angriff?”
Sie runzelte die Stirn. „Angriff auf das Madjira-Zentrum. Wir haben Alibis für heute, nicht für irgendeinen anderen Tag.”
Madjira! „Lili, was ist ... was ist mit Sandoval?”, fragte er aufgeregt.
„Meine Güte, es ist halb sechs, was wird er wohl machen ausser zu schlafen?”
Liam sah sich in seinem Arbeitszimmer um und spürte, wie seine Mundwinkel nach oben wanderten. „Ein Traum ...”, flüsterte er, „nur ein Traum.” Er begann zu lachen. „Ein verdammter Albtraum! Oh so realistisch, aber nur ein Traum! Lili, ich bin unterwegs!”

* * *

Liam hob den Kopf und spähte über die Hügelkuppe. Wie Haig und Wang gemeldet hatten, patrouillierten die Wachen nur in einem eher kleinen Bereich vor dem Haupttor, während das rückwärtige Tor stattdessen durch technische Spielereien geschützt wurde. Damit war die Entscheidung klar: Es musste das Haupttor sein, denn das Zirpen der Bewegungsmelder war für Liam mit seinem Bewegungsdrang ein schwer zu überwindendes Hindernis.
Haig tänzelte um die Spuren der Suchscheinwerfer herum und überwältigte lautlos und blitzschnell eine der Wachen. Wang, nur ganz knapp hinter ihm, zog den Bewusstlosen an die Mauer und deckte ihn mit einem dunklen Tuch zu, während Haig selbst die Patrouillenroute übernahm.
Lili überprüfte ihre Waffe und zupfte an der Skimaske, Liam runzelte die Stirn, es war alles ... genau gleich. Aber genau so war der Angriff ja auch geplant worden.
Knapp zehn Minuten lang liessen sie eventuelle Unruhe bei den anderen Wachen abflauen, dann huschten Lili und Liam leise nach rechts, während Haig links Alarm schlug und damit drei der vier Wachen aus dem Weg lockte. Liam packte den letzten am Kragen und dotzte ihn gegen die Mauer, Lili versteckte den Bewusstlosen notdürftig unter einer braungrünen Tarndecke, während Liam sich wie zuvor Haig als falsche Wache betätigte.
Diesmal liessen sie den Wachen aber keine Ruhe. Wang wurde vermeintlich von Haig entdeckt und sprintete zu seinem Fluchtfahrzeug, und Liam und Lili hatten freie Bahn, sich mit einem von Sandoval gestohlenen Chip den Zugang zu verschaffen. Die paar Kameras waren gleich überlistet, dann bog Lili in den Serverraum ab, um Augurs Virus abzuliefern, während Liam sich schnell auf eine mitgebrachte Waage stellte und dann über die druckempfindlichen Bodenplatten spazierte.
Liam plus Kleidung plus Waffe plus ein halbes Kilo Sprengstoff ergaben genau das Gewicht, das in Sandovals Zugangsdaten vermerkt war. Kein Alarm.
Gewissenhaft klebte der Kimera seine Kawumm-Päckchen an die Brutkammern, zögerte dann aber. Die Kammern waren ... kalt, in seinem Traum waren sie warm gewesen. Er schüttelte den Gedanken aus seinem Kopf, stellte jedes einzelne Päckchen scharf und wartete dann auf Lilis Signal. Ohne die Päckchen wäre er zu leicht für die Bodenplatten und es musste schnell gehen ...
Moment!
Wer immer hier an diesem Projekt arbeitete, hatte ein Faible ...
Gummibärchen! Wie im Traum, jedes Päckchen 300 Gramm schwer, woher hatte Liams Unterbewusstsein das gewusst?
Liam zog zwei Päckchen aus dem Regal, riss eines auf und leerte ein gutes Drittel des Inhalts auf den Boden. Nun wieder ein halbes Kilo schwerer kehrte er unbehelligt über die druckempfindlichen Bodenplatten zurück und packte die Waage wieder ein.
Lilis Signal kam, der Decoder in Liams Ohr piepste die Melodie von Tetris. Kurz darauf folgten, ebenfalls gepiepst, „Beds are Burning” von Haig und „Highway to Hell” von Wang. Es ging schief, es ging schief! Verdammt! Im Traum war alles glatt gegangen, bis ... bis ...
Liam wischte sich die Träne aus dem Augenwinkel, sendete „Boom!” und „Get Back” und lief los. Er prallte an einer Abzweigung beinahe mit Lili zusammen und rannte mit ihr zum Hintertor ... zum verschlossenen Hintertor.
„Verdammt!”, rief Lili und schlug mit der Faust dagegen.
Liam raufte sich die Skimaske. „Nicht so! Niemals so!” Er wich einige Schritte zurück, streckte seine Hände aus und schoss die Türe einfach durch.
Lili sah ihn an und dann ins Freie. „Okay ... okay, los!” Sie rannte, Liam rannte ihr nach, und das Fluchtfahrzeug war da. Es war da! Es ging nicht alles schief!
Sie brausten auf dem Motorrad den Wachen davon, während das Labor explodierte. Liam übertrug „Bicycle Race”. Antwort kam nur eine, und zwar „In the Jailhouse Now”. Verdammt. Lili bremste und versenkte das Motorrad im Abspringen in einem trüben Bewässerungskanal, dann stiegen sie und Liam auf den Traktor mit mit Christbäumen beladenem Anhänger, zogen die Masken aus, grobe Arbeitsjacken und passende Mützen an und tuckerten gemächlich los.
Die Verfolger kamen heran ... und brausten vorbei.
„Lili ... ich wurde ... gewarnt”, flüsterte Liam, „Der Traum war sehr ... real.”
„Es ging schief in Ihrem Traum?”, fragte sie, „Genauso?”
Er sah sie an und schüttelte den Kopf: „Nein, zuerst ging alles glatt, aber dann habe ich Sandoval angeschwärzt und Zo'or hat ihn umgebracht.”
„Das hat nichts mit unserer Situation zu tun, Liam.” Er hielt ihr eine Packung Gummibärchen unter die Nase. „Nicht jetzt ...”
„Davon habe ich geträumt, Lili!”, sagte er fest, „Im Traum fand ich im Labor Gummibärchen, ich nahm sie als Ersatzgewicht. Und dann waren sie wirklich dort! Woher sollte ich das wissen?”
„Liam, Sie waren vor einem Monat schon einmal dort!”, erklärte Lili, „Möglicherweise waren damals auch Gummibärchen dort und Sie haben es unbewusst wahrgenommen. Entspannen Sie sich, da vorne ist die Garage und Sie müssen bei der Sache sein.”
„Um Haig und Wang rauszuhauen.”
„Ja.” Sie bremste und sprang ab. „Hi, Diane, Pete.”
Die beiden Förster übernahmen das geliehene Gefährt, während Liam in die Garage huschte und die Plane von seinem Auto zog. Lili hingegen wurde von einem weiteren Verbündeten an einer Querstrasse eingesammelt. Pete setzte den Traktor wie geplant gegen den nächsten Ampelmast, Liam rief den Notruf, unterdessen trudelte auch der Alarm durch die Explosion auf seinem Global ein.
Dieser Teil des Plans lief also wieder wie am Schnürchen.

* * *

„Guten Morgen, Da'an, Agent Sandoval.”
„Sie kommen spät, Major!”, fuhr Sandoval Liam an, „Haben Sie den Alarm nicht bekommen?”
Der Kimera rollte mit den Augen. „Das hilft nicht, wenn vor mir ein Förster seinen Traktor gegen einen Ampelmast setzt. Ich musste den Notruf wählen.”
Sandoval richtete sich auf und fragte: „Was hatte er geladen?”
Liam runzelte die Stirn. „Christbäume”, sagte er, schüttelte die Verwunderung über dieselbe Frage im Traum beiseite und fragte: „Was ist mit dem Alarm? Wo wurde der ausgelöst? Was ist passiert?”
Da'an hob eine Hand und stand von seinem Thron auf. „Eine Widerstandsgruppe hat ein Forschungslabor zerstört”, sagte er, „Das Madjira-Zentrum für Krebsforschung.” Er fixierte Sandoval. „Suchen Sie nach den restlichen Angreifern, Agent”, wies er ihn an, „Ich werde Major Kincaid die bisherigen Erkenntnisse mitteilen.”
„Natürlich, Da'an”, nickte der Implantant ergeben, gönnte Liam einen spöttischen bis schadenfrohen Blick und verliess den Raum dann.
Der Kimera sah zum Taelon und atmete tief durch.
„Ich bedaure den teilweisen Fehlschlag”, sagte Da'an, „aber Sie haben das Labor zerstört.”
„Ja.”
Da'an neigte knapp den Kopf. „Gut. Die Kreaturen sind tot?”
Liam setzte an, das zu bestätigen, doch er zögerte. „Da'an, welche Temperatur haben die Brutkammern?”
„39 Grad Celsius.”
„Sie waren kalt, Da'an. Ich vermute auch: Leer.”
Da'an setzte sich wieder und wurschtelte ausgiebig mit beiden Händen durch die Luft. „Sie vermuten Verrat oder eine Falle”, stellte er schliesslich fest.
„Ja, Da'an.” Der Taelon wurschtelte wieder, deutlich besorgt, bis Liams Global piepste. Der Kimera griff danach und meldete sich: „Ja, Zo'or?”
„Folgen Sie Sandoval und nehmen Sie ihn fest!”, fauchte der Synodenführer aus dem kleinen Gerät, „Er war im Madjira-Zentrum kurz bevor es zerstört wurde!”
Derselbe Wortlaut, derselbe Zeitpunkt. Liam rief Lili an.
„Major, was gibt es?”
Er blickte kurz zu Sandoval, der hinter ihr im Shuttle sass. Diesmal würde er ihn nicht ausliefern, er würde nicht seinen Tod verantworten. „Wir haben eine Spur”, sagte Liam, „Wir treffen uns in Maher Field.”
„Ja, Sir”, sagte sie.
„Eine Spur?”, fragte Sandoval.
Liam nickte knapp und schob sein Global zu. Kurz verabschiedete er sich von Da'an, dann machte er Anstalten, den Raum zu verlassen.
„Wollen Sie Sandoval aus dem Weg haben?”, fragte der Taelon.
„Nein.”
„Was werden Sie also tun?”
„Ihn warnen.”

* * *

Fast gleichzeitig landeten die beiden Shuttles auf der riesigen teilweise verschneiten Wiese, Liam, Lili und Sandoval stiegen aus und trafen sich. „Die Spur ist hier?”, fragte der Implantant ungläubig.
Liam schüttelte den Kopf. „Sehen Sie sich das an!”, forderte er ihn auf und zeigte die gefälschte Kameraaufzeichnung auf seinem Global.
„Sie verdächtigen mich!”, stellte Sandoval fest, wich einen Schritt zurück und musterte Lili und Liam aufmerksam.
„Ich war letzten Monat dort, Sandoval. Die Brutkammern sind niedrig und, das soll keine Beleidigung sein, Sie sind auch niedrig.” Der Kimera spulte etwas zurück, bis der Angreifer direkt neben einer Brutkammer zu sehen war. „Sie sind definitiv ein ganzes Stück kleiner als der Kerl. Die Aufzeichnung ist gefälscht.”
„Sie verdächtigen mich nicht”, sagte Sandoval, „Aber weshalb Maher Field?”
„Zo'or sucht einen Sündenbock”, erklärte Liam, „Sie sind auf der Flucht, halten Sie den Kopf unten, bis wir den echten Angreifer gefunden haben. Und ...” Er sah entschuldigend Lili an. „Schiessen Sie Lili nieder, nur ein bisschen.”
„Was?”, riss sie die Augen auf, „Ich glaube, ich höre nicht re...!” Sandoval störte sich am Protest nicht und schoss.
Liam fing sie auf und trug sie in sein Shuttle, der Agent wandte sich um und lief los. „Hey! Wo wollen Sie hin?”, rief Liam ihm nach.
„Ich bin auf der Flucht, wie Sie sagen, Kincaid!”
„Zu Fuss? Unsinn. Steigen Sie schon ein.” Mit gerunzelter Stirn kehrte Sandoval zum Shuttle zurück und setzte sich. Liam initialisierte den Antrieb, startete und griff dann nach seinem Global. „Captain Lindsay, nehmen Sie ein Team und suchen Sie nach Sandoval. Maher Field ist sein letzter bekannter Aufenthaltsort, ich habe Captain Marquette bewusstlos in ihrem Shuttle gefunden und fliege sie jetzt ins Krankenhaus.”
„Ja, Sir!”, kam zackig zurück.
„Warum?”, fragte Sandoval, als Liam das Global weggesteckt hatte, „Sie missachten damit Zo'ors Befehle.”
„Zo'or ist nicht unfehlbar, und wenn es derart offensichtlich ist, sehe ich kein Problem darin, seine Befehle zu missachten.”
„Das bezweifle ich”, sagte der Implantant kühl, „Sagen Sie, Kincaid, wie lauten Ihre richtigen Befehle? Sie bringen mich zu Zo'or, während alle anderen glauben, ich wäre noch da draussen?” Liam wandte sich um und setzte an, zu widersprechen. „Genügend Zeit, meine sämtlichen Gehirnlappen am lebenden Objekt zu sezieren, während alle woanders nach mir suchen”, ergänzte Sandoval und liess seinen Skrill aufglühen, „Landen Sie, Rabat, Marokko.”
„Was?”
„Glauben Sie mir, ich kann dieses Ding fliegen, nicht so kunstvoll und elegant wie Sie, aber ich bringe es ans Ziel. Marokko, sagte ich!”
Liam drehte sich wieder zur Steuerung und rollte mit den Augen: „Wie Sie meinen, Sandoval.” Er sprang aus der Interdimension und landete mitten in einem Satellitendorf der marokkanischen Hauptstadt. „Was jetzt?”
„Ich habe meine Möglichkeiten”, sagte Sandoval kühl und hielt ihm den Skrill an den Kopf.

* * *

„Liam! Liam, wachen Sie auf!” Lili schüttelte ihn heftig und der Kimera richtete sich erschrocken auf. „Können Sie etwas dagegen machen?”, fragte sie ihn und wedelte mit ihren gefesselten Händen vor seinen Augen hin und her.
„Ja, sicher”, sagte er und hob seine Hände, die ebenfalls gefesselt waren. „Okay ... das ändert die Situation. Was ist passiert?”
„Sagen Sie es mir! Sie haben Sandoval gesagt, er soll mich niederschiessen, und dann erwache ich gefesselt ... hier.”
Hier. Liam sah sich um, sie waren in einem Badezimmer mit äusserst hässlichen orangebraunen Fliesen und olivgrünem Flauschteppich. Und dieser graukarierte Duschvorhang ... fürchterlich. Das Fenster war winzig, die lacksplitternde Türe von aussen verriegelt.
„Sandoval ...”, knurrte Liam und brannte per Shaqarava seine Fesseln durch, „Der kann was erleben!” Kräftig trat er gegen die Türe und hätte beinahe aufgejault. Die war stabiler als sie aussah. Also gut, dann wieder Shaqarava.
Ein hübscher gefliester Vorraum mit Oberlicht und drei weiteren Türen und durch eine davon blickte Sandoval, mit sehr grossen Augen und glühendem Skrill. „Wie haben Sie das gemacht, Kincaid?”
„Ich hatte nicht den Befehl, Sie im Geheimen zu Zo'or zu bringen!”, fauchte Liam, „Glauben Sie mir, Sie hätten mich daran überhaupt nicht hindern können.”
„Sie sind ein vertrauensseliger Kerl, Sie haben nicht eine Sekunde vermutet, ich würde Ihnen misstrauen!”, gab Sandoval spöttisch zurück.
„Es gab keinen Grund für Misstrauen! Aber jetzt, ganz ehrlich, bin ich stinksauer auf Sie. Ich meine, ich warne Sie, ich rette Ihr Leben. Sie sollten ... wie lange arbeiten wir schon zusammen? Nach zehn Monaten sollten Sie langsam wissen, dass ich die Dinge nicht wie Zo'or sehe sondern eher wie Da'an, und Ihre Hirnlappen am lebenden Objekt zu sezieren nicht meine Vorstellung ...”
„RÄBÄÄÄHHHH!”
Räbäh?
Verdutzt blickte Liam auf das Ecksofa in seinem Arbeitszimmer. Was war hier los?

 

Ende von Kapitel 1

 

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