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  „Blut” von Veria   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Oktober 2010
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Ronald Sandoval und Liam Kincaid finden ein lange verschollenes Shuttle und stehen Jaridians gegenüber.
Zeitpunkt:  sechs Wochen später
Charaktere:  Ronald, Liam, Augur, Vorjak, Lili, (Dr. Belman, Tonio Arias, Zo'or)
 

 

BLUT

Kapitel 4: Veränderung I

 


Ronald Sandoval war ein neuer Mensch. Der Companion-Agent war nur mehr eine Rolle, ohne selbst einen Rest des Motivationsimperativs war Rons wahres Ich wieder zum Vorschein gekommen. Langsam legte Ronald auch die kalte Maske der Rolle ab, er fühlte sich unwohl, wann immer er sie trug, er wollte nicht so kalt, unnahbar und arrogant scheinen - insbesondere nicht gegenüber seiner Familie, denn zwar wusste sein Sohn Liam, was es hiess, eine Rolle zu spielen, doch die inzwischen sechs Wochen alte Harmony würde das erst in etlichen Jahren begreifen.
Also wurde der Companion-Agent freundlicher, aber das vorsichtig und gemächlich und zunächst nur mit der Begründung, dass Da'an ihn gebeten hatte, das Kind nicht zu erschrecken.
Das hatte Da'an ihn tatsächlich gebeten, und Ronald hatte ihn zunächst nur mit dem Gesichtsausdruck eines Fisches angestarrt. Nicht dass Da'an mit dem Baby etwas plante! Bitte nicht! Immerhin musste dem Taelon klar sein, dass Harmony als Liams Tochter zum Teil Kimera war, auch wenn ihr weder davon noch von ihren anderen ausserirdischen Teilen bisher irgendetwas anzumerken war. Ihre genetische Ausstrahlung war absolut menschlich, auch wenn sie mit dem tatsächlichen Genom genausowenig zusammenstimmte, wie es bei Liam der Fall war.
Sandoval schaffte es auch, zunehmend offen Achtung für Major Liam Kincaid (der natürlich auch als alleinerziehender Vater die Arbeit für die Taelons bestens erledigte) zu zeigen, ohne, dass Zo'or oder Da'an sich darüber zu sehr wunderten. Ein paar Monate noch und eine Freundschaft würde der Rollenentwicklung auch nicht mehr widersprechen.
Zwar hatte jener eine Moment damals, in dem er noch nicht vergessen hatte, aber sein Motivationsimperativ schon regeneriert gewesen war, ihm bewiesen, dass das nicht wirklich er war, der all diese Gräuel begangen hatte, doch Ron fühlte sich durchaus schuldig. Noch ein Grund, mit aller Kraft Widerstand zu sein - um nach Möglichkeit wieder gut zu machen, was er angerichtet hatte. (Wäre er religiös, würde er wohl von Sühne sprechen.)

Der Reihe nach offenbarte sich ihm ein Freiwilliger nach dem anderen als Widerstandsmitglied, fast ein Viertel der Freiwilligen der Botschaft zählte zum Widerstand. Sandoval hätte nie gedacht, dass es so viele wären. - Auf dem Mutterschiff allerdings waren es weitaus weniger, die Sicherheitsüberprüfungen vor der Zulassung zum Mutterschiffsdienst gingen ja sehr viel tiefer.
Aber Ronald wusste von Liam, dass viele vom Widerstand ihm noch immer nicht trauten. - Wer konnte es ihnen verdenken?

Sandoval ging ein und aus, sowohl bei Liam zu Hause als auch bei Augur unter der Kirche. So sehr Augur ihn zu Anfang nur böse ansehen hatte können, seit Rons Erwachen mit neuem CVI war der Computerspezialist weitaus freundlicher geworden - allerdings vermutlich nur auf Bitte von Liam hin. Ronald riskierte es jedenfalls nicht, Augur in irgendeiner Form zu verärgern, es wäre nur zu verständlich, wenn dieser ihm das Verhör immer noch gewaltig übel nähme.
Auch Dr. Julianne Belman gelang es zunehmend, sich der Familie zuzuwenden, wenngleich sie noch vorsichtiger sein musste als Ronald, immerhin gab es offiziell kaum eine nennenswerte Verbindung. Also hatte Liam einmal geklagt, Harmony habe Fieber, zufällig gerade als Julianne einmal in der Botschaft gewesen war. Harmony hatte kein Fieber gehabt (sie hatte nie Fieber, ihr Immunsystem war perfekt), aber seitdem hatte die Ärztin einen offiziellen Grund, gelegentlich nach ihrer Enkelin zu sehen.

Ron fühlte sich wohl! So war es. Selten zuvor war er so lebendig gewesen wie jetzt.

Und das, obwohl er auf der Brücke des Mutterschiffes stand und auf Zo'ors Befehl hin den ganzen Planeten nach Energiesignaturen illegaler Portale absuchte. Nachgewiesenermassen waren Augurs Portalverzerrer so sicher, dass es dabei kein Risiko gab, also gab Sandoval sich tatsächlich alle Mühe - und fand erwartungsgemäss gar nichts, er kassierte nur einen Rüffel vom Synodenführer, schliesslich war ja Ron inkompetent und keinesfalls bestand die Möglichkeit, dass der Widerstand fähige Leute hätte.
Zo'or mochte nicht, wenn man ihn im Gespräch nicht ansah, von daher hätte Ronald beinahe den blinkenden Punkt auf der Anzeige übersehen. Doch schliesslich beendete der Taelon seine Standpauke: „Arbeiten Sie weiter, Sie machen hier nicht Urlaub, Agent!”
„Natürlich, Zo'or”, nickte Ron und blickte auf die Anzeige. Ein Objekt flog in den Erdraum ein. Was war das? Er tippte einige Schaltflächen an und erstarrte. Verdammt! Es war ein Shuttle ... und er kannte die Kennung ...
Und dieses Shuttle wurde mit Sicherheit gerade nicht nur von ihm gesehen.
„Zo'or!”, rief er, „Das vermisste Shuttle ist wieder da.”
Der Synodenführer hob sein Kinn, drehte seinen Thron etwas und öffnete einen Datenstrom. Nach einem Augenblick sah er Ron an: „Schiessen Sie es ab!”

Abschiessen!
Nein, das würde Ronald nicht tun, aber es nicht zu tun, war schwierig. Er rief die Waffenkontrollen auf und liess eine zu schwache Streuung berechnen, bevor er das Shuttle ins Visier nahm und schoss. So konnte das Shuttle diesen Schuss überstehen und der Pilot (Pilotin? Ron hoffte es!) hatte die Möglichkeit, den weiteren auszuweichen.
Tatsächlich überstand das Shuttle den ersten Schuss und es begann, Haken zu schlagen. Ron traf nur ein weiteres Mal, was das Shuttle glücklicherweise auch nicht zerstörte, danach war es dem Planeten nahe genug, um auch in der Interdimension wieder exakt navigieren zu können, und führte einen, wenn auch instabilen, Sprung aus.
Ron meldete, dass es nur abgestürzt war, nahm den Vorwurf der Inkompetenz schweigend hin und liess sich zur Suche nach dem Shuttle abkommandieren. Kaum hatte er die Brücke verlassen, hakte er sein Global vom Gürtel und zog es auseinander. „Kincaid, Liam.”
„Agent Sandoval, was gibt es?”, fragte sein Sohn.
„Sie erinnern sich bestimmt an das Shuttle, das vor einem Jahr verschwunden ist, Major. Es ist wieder hier, wir sollen die Absturzstelle aufspüren”, erklärte Ronald, „Wir treffen uns in fünf Minuten.”
„Verstanden, bis dann.”

Sandoval schob das Global zu und beschleunigte seine Schritte in Richtung des nächsten Portals. Er kannte den Portalcode von Augurs Versteck, und diesmal benutzte er ihn, überlagert vom Code jenes Portals, das Liams Wohnung am nächsten war.
„Was machen Sie hier?”, wurde er von Augur mürrisch begrüsst.
„Das Shuttle, mit dem ich Captain Marquette nach Jaridia geschickt habe, ist wieder hier”, sagte Ronald, „Ich schlage vor, Sie suchen nach dem Landeplatz.”
Lili?”, sprang Augur strahlend auf, „Sie ist zurück? Oh, ich könnte Sie für diese gute Nachricht küssen, Sandoval!”
„Lassen Sie es lieber, ich kann nämlich nicht garantieren, dass sie an Bord ist.” Sehr intensiv dachte Ron an die letzte Standpauke von Zo'or, um seiner Fantasie nur ja keine Möglichkeit zur Visualisierung eines Kusses von Augur zu geben - er kannte seine verfluchte Fantasie.
Augur rief gerade die Sensordaten des Mutterschiffes ab, als Liam aus dem Lift kam. „Ich habe dich richtig verstanden, Vater?”, rief er, „Lili ist wieder zurück?”
„Zumindest das Shuttle, ja”, nickte Ron, „Ich weiss nicht, ob sie an Bord ist ... wenngleich die Fähigkeit des Piloten, den Schüssen auszuweichen, auf sie deutet.”
Augur richtete sich auf, drehte sich zu ihm und sah ihn finster an: „Wollen Sie damit sagen, Sie haben auf Lili geschossen?”
Tja, das hatte Ronald getan. „Mit fehlerhafter Streuung!”, verteidigte er sich aber.
„Augur, was hätte er unter Zo'ors Augen sonst machen sollen?”, fragte Liam, „Nein, Zo'or, ich schiesse nicht, das ist eine Freundin vom Widerstand!” Augur verzog das Gesicht. „Hast du das Shuttle schon?”, murmelte Kincaid.
„Nein”, brummte der Computerspezialist, „aber ich finde es!” Sandoval zweifelte nicht daran. Augur hatte schon so viele technische Wunder vollbracht. „Falls sonst jemand sucht, habe ich eine Spur in die Antarktis gelegt”, grinste der Hacker, „Dort ist das Shuttle nämlich schon mal nicht. Südpazifik, Australien und Südamerika sind auch ausgeschlossen.”
„Können wir irgendwie helfen?”, fragte Ron.
„Durch Stille”, brummte Augur und konzentrierte sich auf die Daten.

Sandoval sah zu Liam, der sich mit aller Kraft ein Gähnen verkniff. „Komm, ich mache einen Kaffee”, murmelte er und wandte sich zur Küche, „Du kannst ihn brauchen.”
Kincaid folgte ihm und gähnte wieder. „Wie das mit dem Durchschlafen geht hat Harmony noch nicht raus”, seufzte er, „Ich bin verdammt froh, dass mir wenigstens die Mittagspause zum Schlafen bleibt.”
„Das Kindermädchen ist gut?” Ronald stellte zwei Tassen in die Kaffeemaschine und drückte den Knopf.
„Harmony scheint sich bei ihr wohl zu fühlen”, nickte Liam, „auch wenn ich nicht gar so davon angetan bin, dass sie ständig Rap zu hören bekommt.”
Rap?”, hob Ron die Brauen und reichte seinem Sohn eine Tasse und das Milchkännchen.
„Rap, ja, das ist das mit überdurchschnittlich viel Motherfucker in den Texten - oder jedenfalls in den Texten der Lieder, die Harmony vom Kindermädchen zu hören bekommt, schliesslich kenne ich schon auch anderen Rap.”
„Ah”, nickte Ron und schlürfte Kaffee, „Ob es etwas bringt, wenn du ihr eine Platte mit babytauglicherer Musik gibst?”
„Davon hab ich doch genug herumliegen”, rollte Kincaid mit den Augen, „Vielleicht sollte ich ihr Kopfhörer geben? Aber dann hört sie Harmony womöglich nicht mehr schreien.”
„Ich hab das Shuttle!”, erklang Augurs Jubel. Ronald und Liam eilten zu ihm und blickten auf die Karte auf dem Bildschirm. „Ihr solltet euch beeilen, es ist im Meer gelandet”, fügte Augur hinzu, „Nordpazifik.”

Sie beeilten sich. Die halbvollen Kaffeetassen blieben einfach stehen und Sandoval und Kincaid begaben sich so schnell sie konnten in den Hangar der Taelonbotschaft und stiegen dort in ein Shuttle. Liam aktivierte das holographische Interface und schüttelte dann sein Global, sodass es aufsprang.
„Augur, ändere bitte die Position meines Transpondersignal”, sagte er, „Lass mich in die Antarktis fliegen! Ich aktiviere das Sensorstörsignal.” Er tippte eine Kontrolle im Interface an.
„Kein Problem, niemand wird dir folgen”, antwortete der schwarze Hacker.
„Und die genauen Koordinaten von Lilis Shuttle bitte.”
„Hast du schon, Liam”, sagte Augur, „Viel Glück.”
Kincaid schob das Global zu und steckte es in die Jackentasche, dann initialisierte er den Antrieb und hob ab. Geschickt steuerte er das Shuttle aus dem Hangar, dann sprang er in die Interdimension.
„Woher kannst du eigentlich fliegen?”, fragte Ron.
„Du weisst, wie es geht, und Mutter wusste, wie es geht.”
„Ist sie denn geflogen?”, fragte er weiter, „Ich bin es nie.”
Liam drehte sich im Pilotensitz halb um. „Nun, sagen wir, Ha'gel kannte ähnliche Fluggeräte”, erklärte er, „Er ist geflogen, und das und euer theoretisches Wissen genügt, um es wirklich zu können.”
„Ich könnte es ja einmal versuchen”, schmunzelte Sandoval.
„Gerne”, lächelte Liam und drehte sich wieder nach vorne. Er hob eine Hand und rief das Navigationssubsystem auf. „Nordpazifik”, murmelte er, „Augur hat zwar die Absturzstelle, aber wenn das Shuttle noch antriebsfähig ist, könnte es sich von der Stelle wegbewegt haben, kontrolliert oder unkontrolliert.” Er machte die Handbewegung, die das Shuttle in den Normalraum zurückbrachte. Vor ihnen war nur endloses Meer.
„Findest du es?”
„Ich sehe es jedenfalls nicht, Vater”, seufzte Liam und rief die Sensorkontrollen auf. Dann beschleunigte er das Shuttle und begann, eine weite Spirale zu fliegen. „Was wirst du ihr sagen, wenn sie im Shuttle ist?”, fragte er.
„Dass es mir leid tut”, sagte Sandoval, „Dass ich damals dem Motivationsimperativ gefolgt bin, glaubt sie mir ohnehin nicht, das glaubt sie nur dir.”
„Ja, das stimmt wohl”, nickte Liam und stoppte das Shuttle, „Siehst du das?”
Ronald runzelte die Stirn und blickte hinaus aufs Meer. Dort war ein violetter Farbtupfer. „Ein Stück der Hülle?”
„Es ist organisch”, murmelte Kincaid, „und violett. Ich denke schon.” Er stellte die Sensoren neu ein. „Es gibt noch mehr davon”, sagte er, „Das Shuttle hinterlässt Brotkrumen.”

Während sie der Spur aus Hüllenfragmenten folgten, analysierte Liam die Stücke und setzte sie virtuell zusammen, bis er erkannte, wovon sie stammten. „Die linke Passagestrebe ist abgerissen und zerschmettert worden”, erklärte er, „damit hat das Shuttle die Flugfähigkeit komplett verloren.”
„Aber schwimmen kann es”, stellte Sandoval fest, „und antriebsfähig ist es auch.”
„Offensichtlich, es muss ziemlich schnell unterwegs sein, sonst hätten wir es längst erreicht”, bestätigte Liam, „aber ich habe ja jetzt den Kurs, ich fliege schneller.” Er hob die Hände in die holographische Steuerung, worauf das Shuttle mit einem Affenzahn losschoss.
Der Kurs war korrekt, sie sahen bald tatsächlich ein zweites Shuttle am Horizont. Wie Liam gesagt hatte, schwamm es statt zu fliegen und hatte nur mehr eine Passagestrebe und selbst diese schien nur mehr an einem Stück Aussenhaut zu hängen. Kincaid bremste sein Shuttle ab, dass es nur noch wenig schneller war als das andere, dann brach er nach links aus dem Kurs aus und startete ein autobahnreifes Überholmanöver, schliesslich passte er die Geschwindigkeit an und senkte sein Shuttle ab, sodass es ebenfalls schwamm.
„Tja”, sagte er dann, als er nach rechts gespäht hatte, „der Pilot ist ein Jaridian.”
„Hmm.”
Kincaid rief das Kommunikationssystem auf und stellte eine Nahfrequenz ein. „Liam Kincaid an das Shuttle rechts von meinem”, sagte er, „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?” Keine Antwort. „Hallo, ich sehe Sie”, fuhr er fort, „Winken Sie bitte, wenn Sie mich hören.” Liam spähte nach rechts. „Na gut, die Zeichen einer angeregten Diskussion darüber, ob Sie mir antworten sollen, genügen als Hinweis darauf, dass Sie mich hören”, sagte er dann, „Würden Sie mir jetzt doch bitte antworten? Oder winken Sie, wenn Sie nicht wissen, wie sie eine Nahfrequenz einstellen können.”
Einen Augenblick war es still, dann erklang eine tiefe Stimme: „Ich weiss, wie ich eine Nahfrequenz einstelle.”
„Sehr schön”, lächelte Liam zufrieden, „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?”
Diesmal eine längere Pause, dann die etwas zerknirschte Frage: „Wie bekomme ich dieses Shuttle dazu, zu fliegen?”
„Ohne beide Passagestreben leider gar nicht”, erklärte Liam, „Ich kenne jemanden, der es bestimmt reparieren kann.” Er blickte nach rechts und winkte, dann fragte er: „Wie lautet Ihr Name?”

Stille. Entweder dachten Jaridians sehr langsam, oder sie besprachen alle Antworten sehr intensiv miteinander.
„Ich bin Trigal”, kam schliesslich die Antwort.
„Gut, Trigal, ich sage es Ihnen ganz offen: Ohne Hilfe bekommen Sie Ihr Shuttle nie wieder in die Höhe. Nehmen Sie meine Hilfe an?”

Wieder Stille. Sandoval begann, sich zu langweilen. Aber schliesslich kam die Antwort doch: „Was schlagen Sie vor?”
„Wie viele Passagiere haben Sie?”, fragte Kincaid.
„Wir sind zu viert.”
Liam tippte einige Kontrollen an und Ron bemerkte überrascht, dass das Shuttle aus seiner Innenhaut zwei Passagiersitze gebildet hatte. „Halten Sie Ihr Shuttle an und kommen Sie herüber”, sagte Liam, „Ich nehme Ihr Shuttle dann an den Haken.”

Diesmal dauerte es sehr lange, bis er schliesslich die Geschwindigkeit drosselte und eine Vierteldrehung nach rechts drehte, Trigals Shuttle war ebenfalls zum Stillstand gekommen und nun war der Abstand zwischen den Shuttles gering genug, um dazwischen nicht ins Meer zu fallen.
Als der erste Jaridian in voller Kampfmontur herübersprang, wurde Ron mulmig und er schob möglichst schnell seinen rechten Ärmel ganz über den Skrill. Ein zweiter Jaridian folgte, dann nahmen die beiden von ihrem Artgenossen eine bewusstlose, dunkelhaarige, menschliche Frau entgegen.

Captain Lili Marquette.

Als die Jaridians sie auf den Passagiersitz neben Sandoval setzten und sorgfältig anschnallten war auch gut zu sehen, dass sie hochschwanger war. - Da wäre also das nächste teilweise ausserirdische Baby.
Der dritte Jaridian blieb im anderen Shuttle, auch als Liam ihm zurief, herüber zu kommen. Ron lud seinen Skrill, da war etwas im Busch. - Und er hatte recht. Einer der Jaridians richtete seine glühenden Hände auf ihn, der zweite auf Liam.
„Verlassen Sie den Pilotensitz, Liam Kincaid!”, verlangte Trigal.
„Tja, ich habe nur leider das Shuttle gesperrt ...”
Trigal packte Kincaid an der Jacke und zog ihn hoch, so gut das bei geschlossenem Pilotensicherheitsverschluss ging. „Dann lösen Sie die Sperre wieder!”
„Trigal, ich gehöre zum Widerstand - und lassen Sie mich besser los, bevor ich mich vergesse!”
„Widerstand ... ja ...”, brach der Jaridian in Gelächter aus.
„Tut mir leid, ich vergesse mich”, erklärte Liam lächelnd, dann drückte er ihm eine Hand auf die Brust - und Trigal sackte bewusstlos zusammen. Nun war auf die beiden verbleibenden Jaridians je eine glühende Hand gerichtet - und der Jaridian bei Ron hatte einen sehr dummen Gesichtsausdruck. „Ja, Widerstand!”, sagte Kincaid kühl, „Könnten wir die Feindseligkeiten jetzt vielleicht lassen?”
„Einverstanden, Kimera Liam Kincaid”, stimmte der Jaridian, der noch im anderen Shuttle war, zu, „Ich bin Vorjak.” Er sprang herüber und hievte gemeinsam mit seinem wachen Artgenossen den bewusstlosen Trigal auf einen Passagiersitz, bevor die beiden sich auch setzten.

Liam reaktivierte das virtuelle Glas und hob ab, er manövrierte sein Shuttle direkt über das beschädigte und fuhr den Greifer aus, dann beschleunigte er.
„Weshalb springen Sie nicht in die Interdimension?”, fragte der noch namenlose Jaridian.
„Weil ich das mit dem Anhängsel nicht kann”, erklärte Liam, „und besonders schnell fliegen kann ich so auch nicht.” Er schüttelte sein Global. „Augur.”
„Hast du es? Ist sie da?”
„Ja und ja”, sagte er, „ich brauche in meiner Nähe einen Platz, um das Shuttle abzustellen, wo es aber keiner findet.”
„Klar, versuch mal das”, erklärte Augur, „dichtester Wald, und wenn du ein Sensorstörsignal dort lässt, kommt auch keiner auf die Idee, dort nachzusehen.”
„Okay, danke, Augur.” Und das Global war wieder zu, Kincaid änderte den Kurs.
Wie gerne sässe Ronald ganz hinten, von wo aus er die Jaridians alle im Blick haben könnte. Aber dort, wo er jetzt sass, hatte er sie alle hinter sich, und wenn einer beschlösse, ihn umzubringen, sähe er das Ende nicht einmal kommen.

* * *

Es dauerte eine ganze Weile, bis eine bewaldete Insel in Sicht kam. Liam flog einen Bogen in eine kleine Bucht, hob das Shuttle etwas höher, während er nach einem passenden Ort für das beschädigte Shuttle suchte. Schliesslich liess er die Last in einer Lücke zwischen einigen sehr dichten Bäumen ab.
„Ich brauche einen der Sensorstörsender”, sagte er dann.
„Ich hole ihn”, nickte Ron und löste seine Gurte, immer bedacht, den Skrill bedeckt zu halten. Er liess das Shuttle die Antriebswartung öffnen und zog eines der darin versteckten Geräte heraus, dann trat er nach vorne zu Liam und hielt sich gut fest. Sein Sohn deaktivierte das virtuelle Glas und Sandoval beugte sich hinaus und liess das Gerät direkt auf das andere Shuttle fallen.
Dann nahm er wieder Platz und schnallte sich an, Liam reaktivierte das virtuelle Glas und sprang direkt in die Interdimension.

„Wohin bringen Sie uns?”, fragte Vorjak.
„In ein Widerstandsversteck”, sagte Liam.
„Wie?”, fragte Ron, „Einen Spaziergang durch die Botschaft können wir wohl kaum machen.”
„Natürlich nicht”, drehte sich Kincaid grinsend um, „ich fliege nach Alaska zu einem Portal.” Nach einem Augenblick wurde sein Grinsen zu einem strahlenden Lächeln. „Lili, Sie sind ja wieder wach!” Ronald blickte zur Seite und stellte fest, dass Marquette tatsächlich mehr oder weniger wach war.
Sie starrte den Major an, sichtlich erfreut, aber auch mehr als erstaunt. „Liam?”, fragte sie, „Wie haben Sie uns aufgespürt?”
„Ich gar nicht, das Lob gebührt Augur”, lächelte Liam, „Lili, ich bin verdammt froh, dass Sie nicht tot sind.”
Sie erwiderte das Lächeln flüchtig und sah dann zu Sandoval, der sich nicht wirklich wohl fühlte. Ach, was hiess das, er fühlte sich nicht wirklich wohl - er wollte im Boden versinken! Erde, tu dich auf und verschlinge mich! Nur leider standen seine Füsse auf dem blauvioletten Boden des Shuttles, das seinem Wunsch überhaupt nicht entsprach.
Nach einem sehr langen Augenblick wandte Lili sich wieder Liam zu: „Und was macht er hier?” Ihre Stimme war erfrierend eisig, dass Ron sofort fröstelte.
„Er hat ein neues CVI ohne Motivationsimperativ, er ist mein Vater und ich vertraue ihm bedingungslos”, sagte Liam. Und zack, Sandoval fror nicht mehr - ob dieser offenen Erklärung wurde ihm sogar angenehm warm.
„Sie wissen aber schon, dass damals sein Motivationsimperativ auch schon ausgefallen war?”
„Nicht ausgefallen, Lili”, erklärte Kincaid, „nur beschädigt.”
„Ah”, nickte sie, aber so ganz überzeugt schien sie nicht.

Nach kurzer Zeit regte sich Trigal wieder, und er war sichtlich wenig begeistert, so überrumpelt worden zu sein. Er löste die Gurte und sprang auf: „Sie!” - Liams linke Hand vollführte einen kleinen Schlenker in der holographischen Steuerung, worauf Trigal stürzte und Sandovals Magen Kontakt zum Gaumensegel suchte.
„Bah ... könntest du das lassen? Mir wird schlecht ...”, grummelte Ron zerknirscht, „Zo'or hat mich mit seinem blöden Portalscan schon um mein Frühstück gebracht, ich will wenigstens mein Mittagessen behalten.”
„Tschuldigung, Vater.” Liam stabilisierte die Fluglage wieder. „Trigal, würden Sie sich bitte wieder hinsetzen?”, bat er den Jaridian dann und dieser gehorchte ohne Widerworte, vermutlich wegen des ärgerlichen Knurrens von Vorjak.

* * *

Der Flug nach Alaska dauerte nicht lange. Das Shuttle verliess die Interdimension und Kincaid hatte alle Hände zu tun, es verdammt schnell abzubremsen und intakt zu landen. - Er hatte latenten Wahnsinn bewiesen und war doch tatsächlich in eine gewöhnliche Doppelgarage gesprungen.
Gut, da würde auch keiner suchen.
Liam schaltete den Antrieb ab und öffnete die Luken. Vorjak und der immer noch namenlose dritte Jaridian halfen Lili auf, Trigal starrte Ron möglichst in Grund und Boden - aber der Agent hatte Übung und wer Zo'ors Blick aushielt, hielt fast alles aus. Kincaid führte sie alle durch das hübsch eingerichtete Haus, dann in den Keller hinunter und schliesslich durch eine per Genscan geöffnete Geheimtüre, hinter der sich ein Widerstandsstützpunkt befand - keiner war hier, aber immerhin gab es ein Portal.
Während Liam die Geheimtüre wieder sorgfältig verschloss, gab Ronald Augurs Portalcode ein. Sein Sohn trat dann in das Portal, doch Lili Marquette schüttelte knapp den Kopf. „Sie kontrollieren das Ziel, Liam!”, verlangte sie.
„Gut, wie Sie meinen”, nickte er und trat zur Konsole, „und der Code stimmt, Augurs Portal unter der Kirche ist das Ziel.”
„Dann los”, sagte sie und stellte sich ins Portal - und alle drei Jaridians stellten sich zwischen sie und Ron. Als dann auch Kincaid in den Erfassungsbereich trat, aktivierte sich das Portal. Begrüsst wurden sie von Geschrei. Augur stapfte mit Harmony auf den Armen hin und her und wiegte und schaukelte sie erfolglos.
Liam sprang sofort und nahm ihm das Kind ab, das auch gleich leiser wurde. „Warum ist sie denn hier?”, fragte er besorgt, „Ist etwas mit dem Kindermädchen?”
„Oh ja”, nickte Augur, „Lucy hat mich angerufen, dass dein wunderbares Kindermädchen statt beim Baby im Flat Planet rumhängt.”
„Ja sieh mal einer an”, stellte Lili amüsiert fest, „Liam Kincaid ist Vater geworden!”
Augur runzelte seine Stirn und grinste: „Und Lili Marquette wird Mutter, ja sieh mal einer an.” Er huschte an Liam vorbei und zu ihr, beugte sich über ihren dicken Bauch und legte seine Arme um ihre Schultern. Sandoval zog sich derweil möglichst dezent zurück, so dass er dann Kincaid zwischen sich und dem Rest hatte.
Marquette befreite sich breit lächelnd aus Augurs Umarmung und wandte sich Liam zu: „Sie haben also eine Familie gegründet, Liam.”
„Kann man wohl so sagen, ja”, nickte er, „auch wenn sich die offizielle und die inoffizielle Familie sehr unterscheiden.”
„Sie haben adoptiert”, vermutete sie, „immerhin haben Sie da ein Baby und keinen erwachsenen Kimera.”
Kincaid musste lachen und heftig den Kopf schütteln, dann erklärte er: „Harmony ist meine leibliche Tochter, nur fährt sie nicht den Kimera-Eilzugmodus wie ich damals.” Jetzt ging das Geschrei wieder los, und Liam schaukelte die Kleine sanft. „Ich bin gleich wieder da”, erklärte er und wandte sich zur Küche, „Ich mache ihr nur schnell ein Fläschchen.”

Und da war Ronalds Schutzschild davonspaziert. Zwangsläufig fiel Lilis Blick jetzt auf Sandoval.

Er stand auf festem Boden, in Kontakt zu Mutter Erde. Verschlinge mich!, doch Mutter Erde sah davon ab, unter Ronald Sandoval eine Erdspalte zu öffnen. Einerseits schade, andererseits würde auch diese Konfrontation vorübergehen und dann wäre es blöd, tief im Erdinneren zu sitzen.
„Es tut mir leid”, sagte Ron vorsichtig.
„Leicht gesagt.” Lili sah ihn kühl und mit streng verschränkten Armen an und die drei Jaridians teilten ihren Blick. Mehr noch, die Jaridians schienen nur mit viel Mühe einen gewaltigen Vulkan an Wut zurückhalten zu können.
Ron vermied es, daran zu denken, was sie mit ihm machen konnten. „Ja”, nickte er, „es macht nichts ungeschehen, das ist wahr.” Langsam trat er einige Schritte näher. „Aber ich kann Ihnen versichern, wenn mein Motivationsimperativ ganz ausgefallen ...”

„Ich glaube Ihnen nicht, Sandoval!”

„Das ist Ihr gutes Recht.” - War er immer schon so diplomatisch gewesen? Er verwunderte sich glatt selbst.
„Stimmt aber”, ergriff Augur das Wort, „die CVI-Scans sprechen da schon für sich und wenn Liam ein Sharing macht ist sowieso alles klar.”
Noch ein Wunder! Der Hacker ergriff für Ronald Partei!
„Sharing!”, hob Marquette die Brauen.
Ron nickte: „Ja, und das erste davon hat überhaupt erst einmal den Motivationsimperativ komplett zerstört.”
„Stimmt”, bestätigte Augur.
„Ah”, runzelte sie die Stirn, „und wann war das?”
„Vor drei Monaten”, antwortete vorsorglich gleich schon Augur, „Dann hat das CVI sich voll regeneriert und Liam musste sein Gedächtnis löschen, und fünf Wochen drauf war dann das modifizierte neue CVI fertig und das Gedächtnis wurde wiederhergestellt.”
„Interessant”, bemerkte Lili, „Sie trauen ihm also?” Augur verzog das Gesicht und druckste herum. „Also nicht”, verstand sie.
„Naja ... schon”, seufzte Augur, „aber nur mit dem Verstand.” Er sah Ron neugierig an, als dieser das piepsende Global vom Gürtel hakte. „Wer?”
„Zo'or”, grummelte Sandoval, „Augur, ich brauche einen Shuttlehintergrund.” Der Hacker eilte zu seiner Computeranlage und in der nächsten Sekunde rollte sich eine grellgrüne Leinwand aus. Ronald stellte sich davor und liess das Global aufschnappen. „Ja, Zo'or”, sagte er.
„Sie haben das abgestürzte Shuttle immer noch nicht gefunden?”, zeigte der Taelon sich so verärgert wie hochnäsig.
„Die Suche gestaltet sich im Schneesturm recht schwierig und ...”
„Schieben Sie Ihre Inkompetenz nicht auf meteorologische Vorgänge!”, fauchte Zo'or, „Finden Sie es!”
„Ja, Zo'or”, sagte Sandoval tonlos, dann schob er sein Global zu und seufzte lautstark auf.
„Zo'or wird Ihnen den Hals umdrehen, wenn Sie das Shuttle nicht finden”, stellte Lili fest.
Ronald grinste und erklärte: „Das macht nichts - immerhin ist mein Hals sowieso schon spiralförmig.”
Lili Marquettes Gesichtsausdruck zeigte blankes Erstaunen und sie umkreiste Sandoval halb, sie musterte ihn von Kopf bis Fuss und runzelte irritiert ihre Stirn. „Augur ... seit wann macht Sandoval Scherze?”, fragte sie schliesslich.
„Seit einem Monat oder so”, murmelte der Hacker.
„Und vor der Amnesie”, fügte Liam hinzu, der mit der nun flaschenuckelnden Harmony auf den Armen aus der Küche kam, „Die Humorlosigkeit dürfte allein am Motivationsimperativ gelegen haben.”
„Ich weiss, ich bin eine schöne Vergleichsmöglichkeit mit mir selbst und noch mal mir selbst, aber muss das immer wieder sein?”, sah Ron seinen Sohn an und rollte mit den Augen.
Liam grinste: „Ja.”
„Hmm.” Sandoval verzog sein Gesicht und runzelte die Stirn. Schwankte sein Sohn etwa? Nein, Lili schwankte! Er sprang zu ihr und fing sie auf, als sie zusammenbrach. „Augur, rufen Sie Julianne!”, rief er, während er die Schwangere in stabile Seitenlage zu bringen versuchte, doch Vorjak riss ihn herum und stiess ihn direkt in die Arme der anderen beiden Jaridians.

Ron sah eindeutig zuviel Shaqarava! - Und die Jaridians drohten nicht, sie kämpften, er hatte keine Wahl, als sich zu verteidigen. Mit allem, was sein CVI ihm ermöglichte, setzte er seinen Gegnern zu, und so schlecht erging es ihm dabei nicht. Schliesslich hatte er Trigal direkt vor seinem Skrill und schoss eine eher schwache Entladung ab, dass der Jaridian bewusstlos umkippte.
Im nächsten Moment standen er und Liam Vorjak und dem dritten Jaridian gegenüber: Patt!

„Weshalb griffen Sie meinen Vater an?”, knurrte Kincaid, in dessen rechter Hand sein Shaqarava hell leuchtete. Im linken Arm hielt er noch immer seine Tochter.
Vorjak kochte sichtlich. „Weshalb griff Ihr Vater meine Gefährtin an?”
Augur, der der Auseinandersetzung offenbar mit offenem Mund gefolgt war, warf nun energisch beide Hände in die Luft. „Das war doch nur ein Missver...”, begann er, doch als Vorjak eine Hand auch auf ihn richtete, schwieg der Hacker lieber.
„Hast du Julianne gerufen?”, fragte Liam ruhig.
Noch nicht.”
„Dann tu es jetzt, wir können einen Arzt jetzt gut gebrauchen!”, bestimmte Kincaid, doch Augur blieb mit einem unsicheren Blick zum Jaridian vorsichtshalber ruhig stehen. „Vorjak, niemand hier tut Lili etwas an!”, erklärte Liam, „Sie ist schwanger und braucht einen Arzt!”
„Was sie braucht, ist Taelon-Grundenergie!”, fauchte Vorjak, „Denn ohne diese Energie werden weder sie noch unser Kind überleben.”
„Sie braucht Taelon-Grundenergie?”, liess Ron überrascht seinen Skrillarm sinken, „Wie ist das möglich? Ist das eine Folge ihrer genetischen Veränderung?”
Einen Augenblick lang hing die Situation merkwürdig fest, doch dann senkte Vorjak langsam und vorsichtig seine Hände. „Sie haben mir Lili geschickt”, begriff er erst jetzt.
Sandoval senkte seinen Blick. „Ja, ich habe sie Ihnen geschickt”, flüsterte er. Stolz war er auf seine Tat absolut nicht und er hatte oft gewünscht, sie ungeschehen zu machen, aber das dem Nutzniesser unter die Nase zu reiben wäre sicherlich unklug. Ronald hörte, dass Augur nun leise Julianne herbeirief.
„Sie braucht Taelon-Grundenergie!”, wiederholte Vorjak.
„Das wird Dr. Belman beurteilen können”, sagte Augur.
„Und vielleicht genügt ja Kimeraenergie”, fügte Liam hinzu.

* * *

Das war sehr zu hoffen, denn die Taelons gaben ihre Energie wohl kaum freiwillig her und Ron bezweifelte, dass ein Taelon in eine Falle gehen würde. Nun, vielleicht könnte man ja irgendwie Da'an einfangen, aber Ronald mochte sich lieber nicht vorstellen, was Zo'or ohne Da'an als politischen Gegner alles tun würde.
Die beiden Jaridians hoben Lili auf das Sofa und liessen Trigal achtlos auf dem Boden liegen, na der würde sich bedanken. Überhaupt schien jedesmal Trigal die volle Demütigung der Niederlage abzubekommen, so war es kein Wunder, dass Ron sich mit ihm recht verbunden fühlte, schliesslich hatte der Major dem Agent auch oft genug den schwarzen Peter zugeschoben - natürlich früher, jetzt nicht mehr.
Jetzt war Liam so freundlich, Ron das Baby in die Arme zu legen. Sandoval wiegte Harmony leicht und liess sie einen Finger umklammern. Ob sie wohl auch über das genetische Gedächtnis verfügte? Über Shaqarava? Vermutlich ja, wenn auch noch nicht jetzt. Er hoffte sehr, dass sie nicht von der Erinnerung an seine vergangenen Taten erschreckt würde.
„Wie geht es der Kleinen?”, flog Julianne Belman plötzlich eilig aus dem Lift und kam fast den halben Weg in den Raum, bevor sie stutzte und förmlich mit dem Boden verwurzelte.
„Es geht Harmony bestens”, sagte Augur, „aber wir haben hier noch ein anderes Baby, samt Mutter.” Er wies auf Lili, die noch immer bewusstlos war.
Julianne war reichlich baff: „Captain Marquette?” Nach einer knappen Sekunde eilte sie den restlichen Weg und hockte bei der Schwangeren nieder. „Augur, Sie haben doch einen ID-Tomographen hier?”
Es kam Bewegung in die Sache. Die beiden Jaridians packten mit an und trugen Lili, während Julianne und Augur voraus in den Raum mit dem Tomographen gingen. Ron blieb lieber wo er war, er wollte nicht noch einmal angegriffen werden. „Was sagen wir Zo'or betreffend des Shuttles?”, fragte er.
„Ich weiss noch nicht, vielleicht habe ich eine Idee”, murmelte Kincaid.
Hoffentlich taugte die Idee etwas. Sandoval hatte wenig Lust, sich vom Synodenführer bestrafen zu lassen.

Liam skizzierte seine Idee grob. Er plante, das Shuttle per tragbarem Portal in die Antarktis zu bringen und dann Zo'or den Fund zu melden. Wie er dann gedachte, die Abwesenheit der Passagiere zu erklären, stand allerdings noch in den Sternen. Man konnte wohl kaum Pinguine als angebliche Raumflieger einfangen und Meister Hochnase vorführen.
Nun ja, doch, man konnte, denn Zo'ors inexistentes Interesse für niedere Lebensformen machte es bestimmt leicht, ihm Tiere als Ausserirdische weiszumachen. Nur ... den armen Pinguinen konnte man Zo'or doch nicht zumuten! Vielleicht könnte allerdings T'than in den watschelnden Frackträgern verwandte Seelen finden.
Ron konzentrierte sich auf das Kind in seinen Armen, um seiner lebhaften Fantasie ja nicht die Gelegenheit zu geben, T'than im Frack unter Pinguinen zu visualisieren. Verflixt! Zu spät, zu spät. Ronald lachte laut auf, erntete einen irritierten Blick von seinem Sohn und musste ihm sagen, was er so witzig fand.
Mitten in das äusserst entspannende Gelächter platzten dann wenig später die beiden Jaridians, Julianne und Augur. Die Sorge war spürbar, und Ron und Liam blieb das Lachen im Hals stecken.

„Wie geht es ihr?”, fragte Kincaid.
Vorjak legte Marquette vorsichtig auf das Sofa und sagte: „Lili geht es gut, aber das Kind hat Fieber. Sie können versuchen, es durch Ihre Energie zu kühlen, aber die Ärztin stimmte uns zu, dass nur Taelon-Grundenergie wirklich hilft.”
Der Kimera nahm das als Aufforderung und kniete neben dem Sofa nieder, er legte beide Hände auf Lilis Bauch und schloss die Augen. Seine Haut begann grünweiss zu schimmern, bis helles Leuchten sogar durch die Kleidung brach, wenig später leuchtete Captain Marquette ebenfalls, wenn auch einiges dezenter als er.
„Tja, da er beschäftigt ist”, marschierte Augur zu Ron, „sagen eben Sie mir, wo wir einen Taelon herbekommen!”
Sie würden einen Taelon hier reinlassen?”, starrte Sandoval den Hacker an.
„Da'an”, zuckte Augur mit den Schultern, „der war eh schon hier.” Er warf die Hände in die Luft und relativierte: „Wobei es sehr ungut ist, wenn er uns auch noch mit Jaridians in Verbindung bringen kann.”
„Der Taelon wird nicht überleben!”, mischte sich Vorjak ein.
„Dann lieber Zo'or”, beschloss Ron. Nur wie sollte man Zo'or einfangen, vom Mutterschiff herunterholen und in dieses Versteck bringen, ohne dass das ganze Gemeinwesen davon erfuhr? Konnten die Taelons über das Gemeinwesen überhaupt richtig kommunizieren? Konnte man es ausschliessen, konnte Liam das ausschliessen, wusste er als Kimera darüber gut genug Bescheid?
„Sandoval, hören Sie auf, herumzustapfen”, knurrte der Schwarze gereizt.
Ronald hielt mitten im Schritt, den vorderen Fuss knapp über dem Boden. Er war tatsächlich herumgestapft - das machte er doch sonst nicht! „Können die anderen Taelons ihn über das Gemeinwesen finden?”, fragte er und stellte sich wieder normal hin.
„Nein”, winkte Augur ab, „erstens sowieso eher nicht, zweitens können wir Zo'or ja vom Gemeinwesen trennen.” Er trat an den Computer und klopfte irgendetwas in die Tastatur. „Ich mach's”, fuhr er fort, „ich lasse mir neuronale Energie abzapfen, damit er kein Atavus wird. Die Maschine haben wir, ist inzwischen wieder repariert.”

Maschine? Neuronale Energie? „Sie meinen Sie machen eine Nahtoderfahrung?”, fragte Ron nach.

Augur grinste: „So wie damals, als Sie Maiya und mich zu den Taelons geschleppt haben, um dort unsere neuronale Energie abzuzapfen.”
Ronald ging sicherheitshalber ein paar Schritte von Augur weg, dieses Grinsen war ihm nicht geheuer. Dass er dabei den Jaridians näher kam, war ein unangenehmer Nebeneffekt, aber leider nicht zu ändern. Nur dass der Hacker ihn auch unbedingt an Maiya erinnern musste! Der machte das absichtlich, der erinnerte Ron stets genüsslich an jede Schuld und gab es auch noch zu.
„Sie wollen also wirklich das Jaridianbaby mit einem lebenden Taelon kühlen?”, fragte Julianne fassungslos nach, „Es gibt durchaus noch Grundenergiepräparate in den Kliniken!”
Augur warf die Hände in die Luft. „Nicht genug! Und nicht schnell genug verfügbar.” Er sah die Ärztin mit zusammengezogenen Brauen an. „Sie wissen das!”
„Was würdest du tun, wenn es um Harmony ginge?”, brachte sich Sandoval wieder ein.
Belman seufzte auf und strich sich eine Locke hinters Ohr. „Einen Taelon fangen”, gab sie zu.
Blieb noch die Frage, wie man Zo'or fangen sollte, ohne den Widerstand in grosse Schwierigkeiten zu bringen. Augur rief Zo'ors Terminkalender ab und ruckelte nachdenklich an seiner bunten Brille. Es gab einige Flüge, während derer Zo'or mit Liam alleine in einem Shuttle wäre, doch Liams Tarnung zu gefährden stand nicht zur Debatte. Julianne schlug stattdessen vor, eine Portalreise zu sabotieren, sodass Zo'or beim Widerstand ankäme, anstatt an seinem tatsächlichen Ziel.

Dummerweise benutzte Zo'or kaum jemals ein Portal.

* * *

Liam stellte natürlich sich selbst zur Verfügung, um Zo'or in ein Portal zu schubsen, aber gegen die gemeinsame Überzeugungskraft von Augur, Julianne, Lili und Ronald selbst konnte er sich nicht wehren. Also marschierte nun Sandoval durch das Mutterschiff, kommandierte Freiwillige herum und wartete auf Augurs Meldung, dass dieser Zo'or lokalisiert hätte. Das Shuttle war aus der Doppelgarage in Alaska wieder in die Botschaft zurückgebracht worden, Erfolgsmeldung das abgestürzte Shuttle betreffend gab es allerdings keine, weil die Jaridians es behalten wollten.
Es dauerte. Ron wurde mit jeder Minute nervöser und war sehr froh, dass sein CVI ihm die Möglichkeit bot, äusserlich der bekannte Eiswürfel zu bleiben. Er herrschte eine bedauernswerte rothaarige Freiwillige, die ihm im Weg stand, an und marschierte weiter. Etwas später sah er einen Taelon im Korridor stehen, doch es war nicht Zo'or, sondern R'am. - Nein, den konnte Sandoval jetzt wirklich nicht brauchen.
Endlich piepste das Global, Ron versicherte sich kurz, dass niemand in seiner unmittelbaren Nähe war und zog es auf. „Ich habe ihn”, meldete Augur, „Backbord, 24-A-13, er geht bugwärts.”
Ronald steckte das Global weg, ohne sich zu bedanken. Jetzt mit deutlicher Eile nahm er den Weg, den sein CVI für ihn berechnete. Er musste ein Portal auf Zo'ors Weg erreichen, bevor Zo'or dort vorbeikäme, dieses umprogrammieren und noch dafür sorgen, dass niemand in der Nähe wäre - keine leichte Aufgabe, aber Sandoval meisterte sie. Schliesslich kam Meister Hochnase höchstselbst anstolziert, erfreulicherweise ohne Begleitung, und Ron trat aus seiner Nische gegenüber dem Portal und hob seinen Skrill.

„Agent Sandoval, ist im Schneesturm ihr letztes bisschen Verstand erfroren?”, fuhr Zo'or ihn mit schneidender Stimme an, „Haben Sie das Shuttle denn nun endlich gefunden?”
„Ins Portal!”, knurrte Sandoval und liess den Skrill aufglühen. Jetzt schien der Taelon die Bedrohung wahrzunehmen, er verlor seine Fassade und wich zurück, in die Portalnische. Sehr gut. Nur kam Ronald jetzt in Bedrängnis, die Skrillenergie hatte zweifellos den Alarm ausgelöst und in kaum einer halben Minute wäre ein weiterer Agent hier, um ihn zu unterstützen - jedenfalls bis klar war, dass er nicht auf ein Widerstandsmitglied, sondern auf einen Taelon zielte. Zo'or wusste das wohl, entsprechend langsam wich er zurück. „Flott!”, fauchte Sandoval.
Von links kam nun Tonio Arias, R'ams Beschützer, herbeigelaufen, und Ronald spannte sich an. Es wurde knapp! Ron schoss eine leichte Entladung auf Zo'or ab, was diesen seiner Fassade komplett beraubte und ihn weit genug zurückstiess, dass das Portal ihn erfassen konnte.

Gerade als Sandoval mit in die Energie springen wollte, spürte er sich selbst auf dem Boden aufprallen - der Schmerz des Skrilltreffers von Arias folgte im Moment darauf, und dann auch die Bewusstlosigkeit.

 

Ende von Kapitel 4

 

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