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  „Blick übers Wasser” von Veria  (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam, Ron und Ava besuchen Irland in der Vergangenheit. Nachdem sie mit einer Begleiterin in die Gegenwart zurückkehren, beauftragt T'than den Mord an Zo'or.
Zeitpunkt: vor 27 Jahren sowie in der Jetztzeit / nach „Blick ins Tal”
Charaktere:  Liam, Ron, Ava
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2015 geschrieben.
 

 

BLICK ÜBERS WASSER

Kapitel 18

 

Liam drückte mit dem Finger auf die Tischplatte, selbige gab nach, dann bückte er sich und schob einen Bierdeckel unter das Tischbein. Ein weiterer Test verlief zufriedenstellend, der Tisch wackelte nicht mehr.
Augur kam herbei, in den Armen ein sternbesticktes Bündel aus dunkelrotem Stoff. „Das Tischtuch müsste lang genug sein”, sagte er, „versuch mal.” Liam griff nach zwei Ecken des Tischtuches und zog es über den Tisch. Es war knapp, es hing an beiden Enden nur ganz wenig herunter, aber es ließ keine Ecke der Tischplatte unbedeckt. „Na also, passt”, sagte Augur und stapfte in die Küche, um einen Stapel Teller zu holen.
Liam betrachtete eine schmale Seite des Tisches unzufrieden. Er fand es nicht so passend, dass unter dem noblen Tischtuch stählerne Tischbeine mit Schweißnähten zum Vorschein kamen. Vielleicht hätte er seine Idee mit dem Beistelltisch für den großen Gänsebräter energischer vertreten sollen. Die Leute hätten ja um den normalen Tisch problemlos Platz, nur dieses unförmige Ding von Bräter versperrte alles.
Und die Schüssel für die Knödel. Und die Schüssel mit dem Rotkraut. Und der Dekanter. Und das Gesteck mit den Kerzen.
Liam holte Besteck und legte es neben den von Augur schon verteilten Tellern auf. Als nächstes legte er Servietten auf, während Augur schon die Schüsseln und den Dekanter herbeitrug. Den Bräter trug dann Liam, und das Ding wog reichlich, das war definitiv eine Riesengans und dazu kamen der Bratensaft und die Füllung. Ächzend stellte Liam ihn ab und betrachtete die schön braune Kruste.
Die Gans musste einfach schmecken. Sie roch ja schon überaus köstlich.
Die Lifttüre öffnete sich, Lili trat heraus. „Hallo, Liam. Hallo, Augur. Kann ich helfen?”
„Zünden Sie die Kerzen an”, sagte der Hacker und stellte das Gesteck auf den Tisch, „Ein Feuerzeug liegt auf dem Küchentisch.”
Die Pilotin lehnte ihre Handtasche an das Sofa, wickelte sich aus Schal und Mantel aus und verschwand kurz in der Küche, dann widmete sie sich den dunkelroten Kerzen auf dem Gesteck und den Teelichtern, die in kleinen Gläschen auf allen Flächen im Raum verteilt standen. „Sie haben es hier nett dekoriert”, sagte sie dann, „Die Girlande ist auch hübsch.”
Liam hob den Blick und stellte überrascht fest, dass eine mit rotem Lametta umwickelte grüne Girlande quer durch den Raum hing. Vor lauter Sorgen um die Gans hatte er die Girlande noch gar nicht wahrgenommen.
„Das war aber ein Riesenaufwand, die da an die Decke zu kriegen”, sagte Augur, „In Zukunft mache ich das auch mit einem Hologramm.”
Liam stellte die Weingläser auf den Tisch und holte dann das Tranchiermesser, schließlich sah er auf die Uhr, deren Minutenzeiger soeben auf die Zwölf sprang. Offenbar legte es Ronald darauf an, auf die Minute pünktlich zu sein, denn genau jetzt öffnete sich die Lifttüre und der Implantant, Ava, Melody und Da'an traten heraus.
Der Kimera blinzelte verdutzt - Melody trug eine Weihnachtsmann-Mütze auf dem Kopf!
„Setzt euch!”, rief Liam, „Meine Güte, seid ihr alle pünktlich.”
Ronald schmunzelte. „Gewohnheit, Liam, alles Gewohnheit.” Er trat an den Tisch und nahm Platz, Ava ihm gegenüber, Melody links neben jener und Lili rechts. Augur beeilte sich und schnappte sich den Platz Lili gegenüber. Da'an nahm nahe Melody am Kopfende Platz, wo kein Teller stand.
Liam grinste in die Runde und tranchierte die Gans, teilte jedem außer Da'an ein Stück zu und setzte sich dann. Unterdessen hatte Augur Rotkraut verteilt und Ronald Knödel, Lili hatte den Wein eingeschenkt. „Guten Appetit”, wünschte der Kimera, griff nach dem Besteck und begann zu essen.
Melody nahm einen Bissen Rotkraut und runzelte die Stirn. „Du hast gekocht, Liam?”
„Ja. Stimmt etwas nicht?”
„Ich bin überrascht”, gab sie zu, „aber natürlich verfügst du über das Gedächtnis deiner menschlichen Eltern, und zumindest deine Mutter lernte mit Sicherheit, wie man kocht. Mairéad war immer eine sehr eifrige Hausfrau, die ihrer Tochter zweifellos viel beibrachte.”
„Das ist wahr, ja.” Er lächelte versonnen. „Meine Mutter konnte gut kochen.”
Sie probierte auch von den Knödeln. „Und dein Vater?”
„Er kann sich an Rezepte halten.” Liam stellte fest, dass die Mundwinkel seines Vaters zuckten.
„Das ist auch nicht schlecht”, sagte Melody, „Ich durfte feststellen, dass das alles andere als selbstverständlich ist.”
„Wie haben Sie das festgestellt?”, warf Augur ein.
„Durch Beobachtung.”
Der Hacker sah sie einen Moment lang unzufrieden an, dann widmete er sich dem Stück Gänsebraten auf seinem Teller und nahm auch einen Schluck Wein.
„Melody, sagen Sie”, ergriff Ronald das Wort, „wie sehr haben Sie sich am Leben der Leute beteiligt? Liefen Sie manchmal Gefahr, als ... anders erkannt zu werden?”
„Ich nahm am Dorfleben Teil wie jeder andere dort”, sagte Melody, „aber tatsächlich wurden manche Leute misstrauisch.” Sie überlegte einen Bissen lang offensichtlich, wie sie sich am besten ausdrücken sollte, dann erklärte sie: „Die meisten Leute dort habe ich implantiert, um bei Bedarf einige Erinnerungen löschen zu können.”
„Wie oft hast du das getan?”
„Tatsächlich habe ich es nur selten gebraucht. Meist, weil mich sehr alte Leute erkannten, wenn ich nach einigen Jahrzehnten als neue Person zurückkam. Ich altere ja nicht.”
„Auch meine Mutter?”, fragte Liam.
Melody nickte. „Sie, Mairéad, Jack, Liam, die ganze Familie war implantiert.”
„Weil ...?”
„Es führte alles auf dich hin. Ich wollte mich für alle Fälle absichern.”
„Verstehe - das klingt doch recht taelonisch. Hast du davon Gebrauch gemacht?”
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nie.” Sie widmete sich vor allem dem Rotkraut und den Knödeln, nach einigen Bissen sah sie wieder auf. „Was ist mit deiner Mutter passiert?”
Liam schluckte den Bissen Knödel hinunter und sagte: „Sie ist gestorben.”
„Woran?”
„Ein Sturz.”
„Das tut mir leid”, sagte sie, „Deinem Vater geht es gut?”
„Ja, es geht ihm gut.”
Sie nickte langsam und trank einen Schluck Wein, dann widmete sie sich wieder dem Essen. Nun legte sie auch ihre Hand gegen Da'ans, zweifellos, um diesem eine Ahnung vom Geschmack zu übermitteln. Dem Gesichtsausdruck des Taelons nach zu urteilen, schmeckte diesem das Essen ebenfalls. Möglicherweise war ihm dies auch noch ein Anreiz mehr, später selbst einen menschlichen Körper zu übernehmen.
Lili stand auf und schenkte Augur, Ronald und sich selbst vom Wein nach. Ava nahm sich noch etwas Rotkraut.
„Lili, sagen Sie”, ergriff der Implantant das Wort, „Mir ist aufgefallen, dass Sie von Sa'mar als Pilotin angefordert wurden. Wohin will der denn?”
„Der besucht ganz geheim allerlei irdische Politiker, die sich bitte dafür einsetzen sollen, dass T'than an die Synode ausgeliefert wird.” Sie wedelte mit der Gabel. „Vergeblich wohl allerdings. Es schwebt der Verdacht im Raum, dass nicht wenige Taelons T'than liebend gerne tot sähen.”
„Das entspricht den Tatsachen”, sagte Da'an, „Sa'mar und R'am wünschen T'thans Tod, wobei es sich dabei allerdings um das handeln würde, was auf der Erde als Justizmord bekannt ist.”
„Justizminister Sa'mar könnte das wohl auch durchsetzen, wenn er T'than hätte”, ergänzte Melody, „und sobald R'am Synodenführer ist, ginge es noch leichter.”
Da'an zog seine Hand von ihr zurück und machte eine energische Bewegung. „Er ist noch nicht Synodenführer. Es ist wahr, dass nur wenige auf meiner Seite stehen, jedoch gebe ich noch nicht auf.”
„Sie wollen Synodenführer werden?”, fragte Augur perplex nach.
„So ist es”, bestätigte der Taelon.
Der Hacker hob sein Weinglas. „Na dann viel Glück!”
Liam hob sein Glas und wiederholte: „Viel Glück!”
Auch die anderen Gläser wurden gehoben und Da'an sah sich erstaunt um. „Ich danke Ihnen”, sagte er dann, „und ich fühle mich durch Ihr Vertrauen in mich geehrt.”
Liam schmunzelte. Das klang wie die Rede eines prototypischen irdischen Politikers, aber im Gegensatz zu irdischen Politikern meinte Da'an, was er gerade sagte.
Melody legte ihr Besteck quer über ihren Teller und lehnte sich zurück. „Ich könnte für dich stimmen, Da'an”, sagte sie, „Ich wurde nie aus der Synode ausgeschlossen - und nun, durch Zo'ors und T'thans Ausfall, könnte ich mir meinen rechtmäßigen Platz womöglich wieder holen.” Sie lächelte. „Es wurde doch noch kein Ersatz für Zo'or benannt, oder? Und T'thans Ausschluss wird von Sa'mar und R'am keinesfalls lange hinausgezögert.”
„Ich bezweifle, dass du akzeptiert würdest, Melody”, sagte Da'an, „Du bist ... zu menschlich.”
„Das ist wohl wahr, das bin ich. Keines der anderen Synodenmitglieder ist so offen wie du.”
„Oder Zo'or”, warf Ronald ein, „Er hat immerhin einen menschlichen Körper.”
„Aus purer Verzweiflung”, widersprach Liam, „Mensch oder Tod, das war die Wahl, die er sah.”
Ronald legte sein Besteck sorgfältig parallel auf seinem Teller ab. „Darauf läuft es bei allen Taelons hinaus.”
Da'an nickte. „Agent Sandoval hat recht. Es ist unwahrscheinlich, dass das Gemeinwesen eine andere Alternative finden sollte.”
„Eine gibt es”, sagte Melody fest, „aber ich bezweifle, dass Liam sich dazu überreden ließe.”
Liam ließ seine mit Gans bestückte Gabel etwas sinken. „Das bezweifle ich auch”, sagte er kühl, „Es hat gereicht, dass ich dir Jahrtausende gegeben habe! Ich werde nicht zur Futterstation für das gesamte Gemeinwesen!”
„Ich korrigiere mich”, sagte sie, „das ist die dritte Alternative.”
Er blinzelte. „Es gibt noch eine?”
„Es gab eine Zeit, da wussten die Taelons, wie man Grundenergie herstellt.”
Seine Gabel landete klirrend auf dem Teller. „Das schlägst du vor? Zurückzugehen und das zu lernen? Damit die Taelons dann frisch und fröhlich durchs Universum brausen, den Jaridians das Fell über die Ohren ziehen und sich generell wie ein Elefant im Porzellanladen aufführen?”
„Ich dachte mir, dass du das ablehnst”, sagte Melody, „und ich verstehe es. Tatsächlich sind menschliche Körper die einzige sinnvolle Zukunft für das Gemeinwesen.”
Da'an hielt seine Finger in der Mitte einer Bewegung still, sein Blick ruhte auf Liam. Der Kimera runzelte die Stirn und erwiderte den Blick dann. „Liam, können Sie zurückgehen?”, fragte der Taelon.
Liam griff nach seiner Gabel und nickte. „Ja, ich habe ein kimerianisches Zeitportal.” Er schob sich den Bissen Gans in den Mund, kaute ausgiebig und ignorierte Da'ans erstauntes Aufflackern. Schließlich legte er sein Besteck auf den Teller und lehnte sich zurück - Augur und Lili aßen noch, Ava war auch gerade fertig geworden.
„Sie haben die gezüchteten Wesen durch die Zeit gebracht und natürlich ausreifen lassen”, stellte Da'an fest.
„Ja, habe ich.”
„Erstaunlich”, fasste der Taelon seinen Gesichtsausdruck diesmal sogar in Worte.
Augur legte sein Besteck ab, stand auf und ging zur Computeranlage, einen Moment später flackerte es mitten im Raum grün und eine prächtige Tanne stand da, große rote Kugeln hingen an den Ästen und eine silberne Girlande drapierte sich um den Baum. Der Hacker griff in einen halb zerfledderten Karton, holte einige hübsch eingewickelte Päckchen heraus und legte sie unter seinen holographischen Baum.
Liam stand auf und eilte ins Gästezimmer, um dort ebenfalls einige Päckchen zu holen. Als er zurückkam, war ein Gewusel um den Baum und es lagen bereits etliche Päckchen mehr da. Er war dennoch nicht der letzte, denn Lili aß noch gemütlich fertig, bevor sie ihre Päckchen dazulegte.
Alle sieben betrachteten den Baum und die Geschenke darunter, dann erklang ein Glöckchen. Liam runzelte die Stirn und sah sich um, gerade noch sah er, dass Augur eilig sein Global wegsteckte. Aber das war wohl der Startschuss gewesen.
Liam stürzte sich auf die Geschenke und suchte nach jenen, auf denen sein Name stand. Neben ihm hatte Ava bereits eines für sich gefunden und riss das Papier auf. Dann fand Lili eines, danach auch Da'an - und es war nicht das von Liam. Der Kimera wunderte sich langsam - waren die Geschenke für ihn denn so gut versteckt? Oder bekam er nichts? Er griff nach einer hohen Schachtel, drehte sie und las seinen Namen.
Endlich!
Aber vorher schielte er zu Ava, die gerade eine Halskette mit einem goldenen Muschelanhänger auspackte. Das musste von Ronald sein.
Liam öffnete seine Schachtel und fand eine Flasche Weißwein. Einen irischen Weißwein, er hatte gar nicht gewusst, dass in Irland Wein gemacht wurde. Ein genauerer Blick auf den Herkunftsort verriet, dass das in unmittelbarer Nähe des Dorfes war, in dem seine Mutter aufgewachsen war.
Rascheln links, Ronald packte Shampoo und Zahnpasta aus. Liam grinste - das war von Da'an. Der Taelon hatte gefragt, was Menschen so zu Weihnachten schenkten, und die Antwort erhalten, dass es etwas Nützliches sein sollte.
Der Kimera streckte seinen Arm aus, da war noch etwas mit seinem Namen drauf. Er riss das blaue Papier auf und fand eine Schachtel Kokospralinen vor. Darunter war gleich noch ein Päckchen für ihn, aber er spähte noch zu Da'an, der endlich, sorgfältig und ohne das Papier zu zerreißen, sein Geschenk geöffnet hatte.
Der Taelon starrte auf die kleine tönerne Statue mit blauen Augen. Auch Liam starrte die Statue an. Das war aus dem Grasland! Das war eine achttausend Jahre alte menschengemachte Statue!
Es fiel Liam schwer, sich wieder seinem Geschenk zuzuwenden, speziell, da nun Augur ein Päckchen geöffnet hatte. Darin waren, Überraschung, Rasierschaum und Seife - unzweifelhaft von Da'an.
Liam riss sein Päckchen auf und hielt ein blauviolettes, fließend geformtes Objekt in den Händen. Er strich mit einem Finger darüber und ein sanfter, leiser Ton erklang, während die Spur hinter seinem Finger rötlich aufleuchtete und wieder erlosch. Was war das? War es von Melody oder von Da'an?
Das wüsste Liam, wenn er am Ende ein Päckchen mit Duschgel oder ähnlichem gefunden hätte, oder eben nicht.
Er strich an einer anderen Stelle über das Objekt, die Spur leuchtete auf und es erklang ein etwas tieferer Ton. Ein Musikinstrument? Er strich mit zwei Fingern gleichzeitig, zwei Spuren leuchteten auf und zwei Töne erklangen zugleich. Das war ein taelonisches Musikinstrument! Er legte es beiseite und suchte den Haufen Papier nach noch nicht ausgepackten Päckchen ab.
Lili hatte zwei Päckchen geöffnet. In einem war ein roter Pullover, der war von Liam, im anderen Shampoo und eine Gesichtscreme - Da'an.
Inzwischen hatte auch Melody ein Päckchen gefunden und geöffnet. Shampoo und Seife.
Liams Grinsen zog sich bis zu den Ohren, dann schielte er zu Ronald - dessen eben geöffnetes Päckchen enthielt eine grellgelbe Krawatte. Augur hatte es sich offensichtlich nicht verkneifen können. Auch Liam hatte gerade das Geschenk von Augur gefunden, es war ein modischer, dunkelgrauer Pullover.
Ava hatte ein Päckchen offen, es enthielt eine Schachtel Pralinen. Auch Augur war durch sein Verpackungspapier durch und fand ebenfalls Pralinen. Liam tippte auf Lili, wühlte weiter und fand ein Päckchen. Pralinen. Von Lili.
Liam spähte um sich und fand noch zwei Pralinenschachteln, eine bei Ronalds Sachen, eine bei Melodys. Es sah so aus, als hätte Lili einfach einen Rundumschlag Pralinen verschenkt. Aber an Da'an doch nicht, oder? Der Taelon packte gerade gemächlich ein Päckchen aus und hielt schließlich ein Buch in den Händen.
Ein Buch über Philosophie. Das konnte von Lili sein.
Liam riss am Papier und hatte gleich wieder ein Päckchen offen. Rasierschaum und Haargel. Damit war das Musikinstrument definitiv von Melody. Augur hatte ebenfalls ein Geschenk ausgepackt und hielt rot und gelb karierte Socken in den Händen, von Liam.
„Oh!”, erklang von Melody, sie hielt eine alte Zeitung in den Händen und richtete sich auf.
„Was ist es?”, fragte der Kimera.
Sie drehte die Zeitung um und zeigte mit dem Finger auf einen bebilderten Artikel - bebildert mit ihr. „Spurlos verschwunden”, las Liam und runzelte die Stirn, „Ein Verbrechen kann nicht ausgeschlossen werden, drei Verdächtige wurden kurz zuvor auf dem Kirchplatz gesehen.” Er sah auf und brach in Gelächter aus. „Wir sind Verdächtige in einem 27 Jahre alten irischen Vermisstenfall! Wahnsinn!”
„Oha”, sagte Ava und rupfte an rotem Geschenkpapier, wenig später hatte sie ein Go-Brett und ein Säckchen Go-Steine befreit. Das musste von Augur sein, der sich durch ihre Schachkunst in seiner Genialität gekränkt fühlte.
Auch Ronald hatte gerade ein Päckchen vom Geschenkpapier befreit und betrachtete eine kunstvoll bemalte Holzschale, in der ein Säckchen Kekse festgebunden war. Liam erinnerte sich, dass Ava genau dafür einmal hier die Küche besetzt hatte, das war also von ihr.
Lili hielt eine elegante Jacke hoch, die war zweifellos von Augur. Bei Ava und Melody kamen fast gleichzeitig zwei Badekugeln zum Vorschein - da war Liam nur wenig kreativer als Da'an gewesen.
Da'an hatte endlich wieder ein Päckchen, sein letztes, vom Papier befreit, es war Liams Geschenk, ein Buch mit Taelonwitzen. Der Taelon sah recht ratlos aus.
Melody nahm ihm das Buch aus den Händen und schlug es auf. „Geht ein Taelon zum Frisör”, las sie vor.
Lachen rundum, auch Melody lachte, Da'an sah noch ratloser aus als zuvor. „Ein Taelon benötigt keinen Haarschnitt”, sagte er verwirrt.
„Darum ist es ja witzig”, sagte Melody, „Hier, der ist auch gut. Was macht ein Taelon in der Schokoladefabrik?”
Da'ans Verwirrung verstärkte sich. „Ich weiß es nicht.”
Melody schnaufte vor unterdrücktem Lachen heftig. „Er lässt sich einpacken!”
Ronald hatte unterdessen, lachend, das letzte, sehr kleine, Päckchen geöffnet. In dem mit Schneemännern bedruckten Papier versteckte sich eine kleine Schachtel, in jener ein Stein, in den einige Eunoia-Symbole graviert waren. Ronald runzelte die Stirn, es gelang ihm sichtlich nicht, die Symbole zu übersetzen.
Da'an betrachtete den Stein einige Momente, dann sagte er verblüfft: „Das ist kimerianisches Eunoia!”
„Sehr kimerianisch”, ergänzte Melody, „für mich ergeben die Symbole keinerlei Sinn, aber ich kenne auch die kimerianischen Subtextregeln nicht.”
Jetzt weiteten sich Ronalds Augen. „Liam”, sagte er, „Die Shiqa'at-Variante ...?” Er wies auf ein Symbol.
„Nishe'i”, half Liam.
„Es ergibt immer noch keinen Sinn”, stellte Melody fest, „Es fehlt der Subtext.”

Aber mit kimerianischem Subtext hatte Ron sich mit Liams Hilfe bereits in der ersten Zeitschleife intensiv beschäftigt, um die Texte im Zeitportal zu übersetzen. Er steckte den Stein in seine Hosentasche und sah auf, sein Blick traf Liams und er lächelte verstehend - und recht überwältigt. Der Kimera erwiderte das Lächeln fröhlich.
„Was bedeutet es denn nun?”, fragte Melody.
„Es ist für mich bestimmt”, sagte Ron, „ein ... Geheimnis, wenn Sie so wollen.”
Wieder sah er Liam an - den Sohn, der ihm im Grunde das kimerianische Äquivalent von „Hab dich lieb, Papi” geschrieben hatte.

 

Ende

 

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