Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Blick übers Wasser” von Veria  (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juni 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam, Ron und Ava besuchen Irland in der Vergangenheit. Nachdem sie mit einer Begleiterin in die Gegenwart zurückkehren, beauftragt T'than den Mord an Zo'or.
Zeitpunkt: vor 27 Jahren sowie in der Jetztzeit / nach „Blick ins Tal”
Charaktere:  Liam, Ron, Ava
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2015 geschrieben.
 

 

BLICK ÜBERS WASSER

Kapitel 13

 

So sicher dieses Gefängnis war, Ron wusste dennoch bereits seit Monaten einen Weg, einen Häftling von hier zu befreien. Auf Zo'ors Anweisung hatte er sich diese Möglichkeit damals erarbeitet, inzwischen hatte er die Seiten gewechselt. Es konnte aber trotzdem sein, dass er Zo'or befreien würde - allerdings bestimmt nicht im letzten Schleifendurchgang.
Rons Skrill wurde betäubt, sein Global weggenommen. Liam musste seine Waffe und sein Global ebenfalls abgeben, Melody hatte beides nicht, nur ein Taschenmesser, das sie allerdings auch nicht behalten durfte.
Virtuelles Glas befand sich zwischen dem Gefangenen und den Besuchern. Zo'or wirkte von seiner Haft nur wenig beeindruckt, er sah die Menschen hochnäsig an. „Was wollen Sie?”, fragte er.
„T'than hat Ihren Tod befohlen”, sagte Liam, „Ich bin generell gegen Mord und werde den Auftrag daher nicht ausführen.”
„Erwarten Sie Dankbarkeit, Major Kincaid?”
„Von Ihnen niemals, Zo'or. Von Ihnen erwarte ich eher Folter verschiedenster Art.”
Fast konnte man meinen, ein Lächeln huschte über das Gesicht des Taelons. „Weshalb sind Sie hier?”
Liam wies auf Melody. „Nun, Ma'el möchte wissen, weshalb sie Da'an in der Zeitschleife gefoltert haben.”
Zo'ors Blick wandelte sich zu Verblüffung. „In der Zeitschleife?”
Jetzt ergriff Ron das Wort: „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Zeitschleife ohne irgendjemandes Zutun einfach aufgehört hat ...” Er grinste. „Das waren wir.”
Der Taelon starrte den Implantanten an. „Ich vermutete Sie, Agent Sandoval.” Jetzt musterte er Melody. „Und Sie behaupten, diese Frau sei Ma'el”, sagte er verächtlich, „das erscheint mir unwahrscheinlich.”
Sie blinzelte und zeigte Shaqarava in ihrer linken Hand. „Ich habe meine Energie in einen menschlichen Körper kanalisiert und verschwand dadurch auch aus dem Gemeinwesen”, sagte sie, „Du konntest das damals natürlich nicht spüren, du hast noch nicht existiert.”
„Damals.”
„Im Jahre des Herrn 1104, vierter September - julianischer Kalender.”
Zo'or schwieg einen Moment, dann sagte er: „Tatsächlich bin ich jünger als das, wenn auch nicht viel.”
„Davon konnte ich wiederum nichts spüren”, sagte Melody, „ich war ja nicht mehr im Gemeinwesen. Wer sind deine Eltern?”
Die Energie flackerte blau durch die Haut des Taelons, auch die Augen wirkten blauer als eben noch. „Nenne einen Taelon, der sich von irrationalen Hoffnungen leiten lässt”, brachte er eisig hervor, „und nenne den einen Taelon, der sich dazu überreden ließe.”
Melodys Augen weiteten sich. „Da'an! Und T'than!”
Liam und Ron wechselten einen Blick. T'than?
„Nun, T'than scheint mit dir nicht zufrieden zu sein”, stellte sie fest, „er scheint aber wohl viel geopfert zu haben, du hast reichlich Energie.”
„Er war ein sentimentaler Narr”, spottete Zo'or, „und Da'an ist es noch.”
„Du findest es also eines Elters würdig, den Mord am Kind zu beauftragen. Das Gemeinwesen muss sich sehr verändert haben.” Melody machte nun erstmals eine ganz taelonisch elegante Handbewegung. „Ich glaube, dass Taelons, die solches Vorgehen für normal halten, möglicherweise dem ganzen Gemeinwesen das Überleben vorenthalten.”
„Deinen Weg hältst du für den richtigen, Ma'el?” Zo'or musterte sie ausgiebig von Kopf bis Fuß. „Du bist ein Mensch! Du hast als Taelon nicht überlebt!”
„Das vielleicht nicht”, gab sie zu, „aber ich habe als ich überlebt - und ich werde euch alle überleben, wenn ihr so weitermacht.” Sie sah kurz zu Liam. „Nur er wird mich überleben.”
„Werde ich?”, fragte dieser perplex.
„Schon jemals von Altersschwäche oder Energiemangel bei Kimera gehört? Nein? Also.”
„Kimera!” Für einen Augenblick leuchtete Zo'or entsetzt blau auf, dann betrachtete er den genannten Kimera ruhig. „Sie sind also Kimera, Major Kincaid”, sagte er, „Sie sind also auch in der Lage, das Zeitportal zu bedienen.”
„Es kannte mich bereits.”
„Benutzer eins. Ich vermutete, es sei ein bereits lange toter Kimera, der nicht aus den Daten des Portals gelöscht worden war.”
Liam schmunzelte. „Mein Glück, dass Sie sich nicht damit abgegeben haben, den Schleifenbefehl auf einen Benutzer zu beschränken.” Er sah zu Melody, dann zu Zo'or. „Sie haben die Frage nicht beantwortet, warum Sie in der Schleife Da'an gefoltert haben.”
„Warum auch nicht?”, fragte der Taelon überheblich, „Er ist eine Schande für das Gemeinwesen - und Sie haben einen sehr schlechten Einfluss auf ihn, das weiß ich jetzt.” Er begab sich zum Sitzplatz, einem gewöhnlichen Metallrahmenstuhl mit Kunststoffauflage, und setzte sich, als wäre dieser ein Thron. „Agent Sandoval, ist es korrekt, dass Sie sich nicht an alle Durchgänge erinnern können?”
„Das ist korrekt.”
„Dann interessiert es Sie vielleicht, dass Major Kincaid Sie einmal folterte.” Zo'ors durchdringender Blick war genau in Rons Augen gerichtet.
„Das braucht mich nicht mehr zu interessieren”, gab der Implantant eisig zurück, „Er sagte es mir.”
„Beeindruckend!” Zo'or sah zu Liam. „Sie schienen einander beachtlich zu hassen und nur sehr widerstrebend zusammenzuarbeiten. Menschen sind gute Lügner.”
„Oh, glauben Sie mir, ich hasste ihn”, korrigierte Ron, „diesen aalglatten Taelonschergen, der jede Leiche wegräumt. Nur war er das eben nicht.”
„Ich verstehe. Weshalb sind Sie hier?” Zo'or machte eine hübsche Handbewegung und sah jedem seiner drei Gäste in die Augen. „Menschenübliches Smalltalk? Ich nehme an, wir befinden uns auch jetzt in einer Zeitschleife.”
„Dem ist so”, bestätigte Liam.
Zo'or stand wieder auf und kam näher zum virtuellen Glas. „Dann erkläre ich mich bereit dazu”, sagte er, „Ich werde Ma'els Weg gehen - ob auch im letzten Durchgang, das wird noch entschieden. Dazu müssen Sie mich allerdings in diese Zeitschleife aufnehmen.”
Ron zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen”, sagte er, „Liam?”
„Klar. Ich habe allerdings keine Lust, ständig eine Befreiung zu organisieren”, sagte der Kimera, „Wir hauen Zo'or also jetzt raus und starten eine Schleife ab dann.”
„Wie wollen Sie mich befreien?”, fragte Zo'or misstrauisch.
Liam grinste und legte seine Hand gegen das virtuelle Glas, worauf dieses wild aufflackerte. „Gehen Sie hindurch, es hält Sie nicht.” Der Taelon starrte verdutzt auf die schimmernde Lücke in der Festigkeit des virtuellen Glases, dann fasste er sich und trat hindurch in den Besucherbereich. Liam ließ die Energie frei, die sich jaulend wieder zu festem virtuellen Glas formte.
„Was weiter?”, fragte Melody.
„Ronald, Ihr Skrill”, sagte Liam und streckte seine Hände aus, Ron trat zu ihm, worauf der Kimera seine glühenden Hände auf den betäubten Körper des Skrills legte und diesen so aufweckte. „Ronald, Melody, wir setzen die Wachen außer Gefecht. Die Kameras werden davon nichts übertragen und hören kann uns auch niemand.”
Melody nickte. „Verstanden.”
„Ohne Schleife wäre das ein schlechter Plan, Liam”, sagte Ron, ließ aber den Skrill aufleuchten und zischen.
Liam grinste schief. „Dann gut, dass wir eine haben.” Er klopfte gegen die Türe, die Wache öffnete und fiel sofort von Shaqarava getroffen rückwärts um.
Ein weiterer Wachmann wurde vom Skrill getroffen, dann drängte sich Melody nach vorne und zerschmolz das Schloss der nächsten Türe, die Ron dann auftrat. Zwei weitere Wachen gingen zu Boden, dann erreichten der Häftling und seine drei Fluchthelfer die Sicherheitsschleuse und traten hinaus auf den freien Platz zwischen dem eigentlichen Gefängnisgebäude und dem Wachgebäude.
Ron zielte und zerstörte zwei erhöhte Wachstellungen, dann rannten die vier über den Platz.
Taelons konnten beeindruckend schnell sein, Zo'or konnte rennen!
Im Wachgebäude gingen wieder Wachleute von Shaqarava und Skrill zu Boden und schließlich schoss Liam die Eingangstür auf - im nächsten Moment traf ihn eine Entladung und er ging bewusstlos zu Boden.
Wo war da noch ein Wachmann? Ron wandte sich mit hell glühendem Skrill um und stellte fest, dass Zo'or den Schützen überwältigt hatte.
Taelons konnten also auch kämpfen!
Zo'or ließ den Wachmann nicht fallen, er leuchtete grellblau auf und seine Haut wurde so durchscheinend, bis sie sich schließlich auflöste. Die blaue Energie drang in den Menschen, die verbliebenen Hauptenergiebahnen glühten dunkelrot und der letzte Rest des Taelonkörpers stürzte zu Boden und begann, sich zu verflüchtigen.
„Gehen wir!”, forderte der Taelon in Menschenform energisch.
Ron hob sich Liam auf die Schulter und rannte hinaus, um die Hecke und ins Shuttle. Melody und der nun menschliche Zo'or folgten ihm - letzterer setzte sich auf den Pilotensessel und brachte das Shuttle in die Interdimension.
„Agent Sandoval, ich brauche ein Ziel!”, fauchte er.
„Melody, Sie fliegen”, bestimmte Ron, „Sie wissen, wo das Zeitportal ist.” Er schüttelte Liam, dieser rührte sich allerdings nicht.
Melody verscheuchte Zo'or vom Pilotensessel und nahm selbst Platz. Sie stellte den Kurs ein und wandte sich dann um. „Fühlt sich gut an”, sagte sie grinsend, „Ich bin schon so lange nicht mehr geflogen ...”
Ron sah zu ihr und zu den Kursdaten. „Sie fliegen nicht zum Zeitportal”, stellte er fest.
„Nein, ich fliege zu einem meiner Labore”, sagte sie, „dem im Grasland ganz konkret. Ich will erst Zo'or untersuchen.”
„Das Grasland ist nicht mehr dasselbe”, bemerkte Ron.
„Ja, da hat sich viel verändert. Nur vier Kilometer entfernt befindet sich eine Großstadt.” Sie rief eine Autopilot-Funktion auf und es gab tatsächlich ein Leitsystem. Das Shuttle verließ die Interdimension und stand in einer bläulich ausgeleuchteten Höhle.
Ron stand auf und starrte die blassviolett schimmernde Schale, die ebenfalls in der Höhle parkte, an. In dieser Schale war er vor achttausend Jahren bewusstlos gelegen!
„Die Siedlung von damals?”, fragte er, „Wo ist die?”
Melody stieg aus dem Shuttle und ließ mit einer knappen Handbewegung einen Datenstrom erscheinen. „Die Gegend ist bewaldet. Es führt ein Wanderweg in dreihundert Metern Entfernung an der damaligen Siedlung vorbei. Das ist siebzehn Kilometer von hier entfernt, auf der anderen Seite der Stadt.”
„Welche Siedlung?”, fragte Zo'or eisig, „Kann das so wichtig sein?”
Sie sah ihn an und lächelte. „Es geht um die Siedlung, in der Ronald und Liam mich vor achttausend Jahren das erste Mal getroffen haben.”
Zo'or wirbelte herum und starrte Ron an, dieser zuckte mit den Schultern und sagte: „Zeitreise.”
Inzwischen regte sich Liam und stemmte sich hoch. „Wo sind wir?”
„Wo früher mal das Grasland war”, sagte Ron, „Zo'or hat übrigens einen Wachmann übernommen.”
Der Kimera saß sofort senkrecht und starrte den Taelon in Menschenform an, dann schmunzelte er und stellte fest: „Das ist leicht ersichtlich. So überheblich kann kaum ein Mensch gucken.”
„Zo'or”, rief Melody, „Komm, ich will dich untersuchen.”
Gemächlich und begleitet von sehr taelonischen Handbewegungen stieg Zo'or aus dem Shuttle und folgte Melody. Ron und Liam liefen den beiden ebenfalls nach, bis in ein Labor. Zo'or stellte sich auf eine weiß leuchtende Plattform in der Mitte, Melody aktivierte das Gerät und dieses tastete den Taelon in Menschenform energetisch ab.
Liam legte den Kopf schief. „Und?”
„Seine Energie ist in gesunder Form und fast völlig passiv. Die Lebenserwartung beträgt dreieinhalbtausend Jahre.”
Zo'ors überhebliche Miene verschwand mit einem Mal. „Dreieinhalbtausend Jahre?”, fragte er nach, „Ich hätte noch vier Jahre gehabt!”
Liam verschränkte die Arme. „Ich nehme an, die sehr begrenzte Lebenserwartung gilt für alle Taelons”, sagte er kühl. Melody hob den Blick zu ihm und nickte. „Dann bleibt wohl kaum eine große Wahl”, bemerkte der Kimera, „Die Taelons müssen die so untaelonische Lösung wohl annehmen.”
„Eine Sache allerdings”, warf Ron ein, „Es steht nicht zur Debatte, einfach so irgendwelche Menschen zu übernehmen. Wir werden uns um übernehmbare mehr oder weniger menschliche Wesen ohne eigenen Verstand kümmern.”
Zo'or starrte ihn an. „Madjira.”
„Genau solche”, bestätigte Ron.
„Fliegen wir zum Zeitportal”, schlug Liam vor, „und dann sehen wir nach den weiteren Brutkastenanlagen.”
Melody deaktivierte das Gerät und trat zum Kimera. „27 Jahre sind mehr als genug Zeit, einen menschlichen Körper vollständig ausreifen zu lassen”, sagte sie, „und meine Labore waren die letzten 27 Jahre nicht in Verwendung und ohne meine Überwachung.”
„Waren sie tatsächlich nicht in Verwendung?”
„Soll ich das wirklich überprüfen? Würde uns das nicht den freien Willen nehmen?”
„Nahm es mir nicht meinen freien Willen, als du damals sagtest, deine Energie reiche nicht mehr?”
Sie runzelte die Stirn. „Das tat es wohl. Deswegen hast du mir so bereitwillig von deiner Energie gegeben - du wusstest, wie lange ich als Taelon leben würde.”
„Es spielt keine Rolle, ob du es jetzt überprüfst”, sagte Liam, „Ich habe die Entscheidung bereits getroffen - die Labore waren in Verwendung!”
Melody ließ einen Datenstrom erscheinen und ihre Finger elegant durch das Hologramm gleiten. „Du hast recht”, stellte sie fest, „In etlichen Laboren sind Brutkammern besetzt.” Sie ließ den Datenstrom wieder verschwinden. „Heißt das auch, dass unser Vorhaben zwingend gelingen wird?”
Liam grinste. „Wir sind in einer Zeitschleife - glaubst du, ich stoppe die, bevor alles perfekt läuft?”
„Keinerlei Spannung im Leben”, gab sie zurück, „aber bei so großen Dingen verstehe ich das sehr gut.”
Er schmunzelte und wies auf den Ausgang. „Fliegen wir zum Zeitportal.” Sie kehrten zum Shuttle zurück, Liam startete es und brachte es in die Interdimension. „Ich denke, ich werde T'than melden, dass der Mord etwas schneller als erwartet ablief”, sagte er dann.
„Ich rate davon ab”, sagte Ron, „Sie erscheinen inkompetent und Mit'gai wird Sie implantieren.”
„Und dann was? Was wir hier machen ist definitiv zum Besten der Taelons.”
„Ich rate dennoch davon ab”, beharrte Ron - seine eigene Neuimplantation stützte Liams Theorie, aber auch Liam war bereits implantiert worden und er hatte angesetzt, alles an Mit'gai zu verraten. Aber daran erinnerte sich der Kimera ja nicht, er hatte sich ja aus der Schleife nehmen müssen.
„Wie Sie meinen, Ronald”, sagte Liam, dann kehrte das Shuttle aus der Interdimension zurück und setzte direkt neben dem Zeitportal auf. Der Kimera sprang aus dem Shuttle und legte seine Hand gegen die Einbuchtung des Portals, danach kam er ins Shuttle zurück und setzte sich wieder auf den Pilotensessel. „Die Schleife beginnt im Besucherbereich des Gefängnisses”, erklärte er, „Ich lasse nicht zu, dass der Wachmann so bleibt.” Er sah Zo'or durchdringend an und wies auf dessen menschlichen Körper.
„Lassen Sie sich das nächste Mal eben nicht niederschießen, Major Kincaid”, gab der Taelon in Menschenform eisig zurück.
„Bestimmt nicht. Wo befindet sich eine weitere Brutkastenanlage wie in Madjira?”
„Major, Sie haben nicht einfach zu verlangen ...”
„Madjira ist gesprengt, es gibt weitere”, knurrte Liam, „Wo?”
„Stockholm.”
Der Kimera gab als Ziel die Taelonische Klinik in Stockholm ein und sprang in die Interdimension. Etwas später blinkte eine holographische Anzeige und Liam wischte hindurch.
Augur erschien im Datenstrom. „So blöd hast du dich noch nie angestellt, dein Global nach der Befreiung einfach im Gefängnis liegen zu lassen.”
„Spielt keine Rolle, Zeitschleife”, sagte Liam.
„Aber jetzt sind alle hinter euch her”, beharrte der Hacker, „Ich habe das Shuttle aus der Ortung genommen, aber ihr könnt euch nirgendwo blicken lassen! In diesem Schleifendurchgang seid ihr ziemlich eingeschränkt.”
„Macht nichts”, sagte Liam, „Ich melde mich später.” Er wischte durch den Datenstrom und brachte das Shuttle in den Normalraum zurück. „Wir müssen uns gegebenenfalls durchkämpfen”, sagte er, „aber es kann gut sein, dass die hier noch überhaupt nichts vom Gefängnisausbruch respektive Mord wissen.”
Ron griff nach dem bisher unbeachteten Rucksack, sprang als erster aus dem Shuttle, das auf dem Helipad auf dem Dach des Krankenhauses stand, und lief zum Dacheingang, Liam, Melody und Zo'or folgten ihm. „Companion-Agent”, sagte der Implantant kühl, als ihn ein Pfleger aufhalten wollte, und zeigte seinen Ausweis.
„Aber das Shuttle muss da weg!”, beharrte der Pfleger, „Es kann jederzeit der Hubschrauber anfliegen.”
„Kümmern Sie sich darum!”, fuhr Ron Zo'or an, der daraufhin beinahe zu kochen begann, sich in Anbetracht der Lage aber entschied, dem Befehl Folge zu leisten.
„Welche Richtung zum Forschungsflügel?”, warf Liam ein, der Pfleger wies nach links. „Danke.” Der Kimera hastete voran, Ron und Melody folgten ihm.
Der Eingang öffnete sich allerdings weder für Rons noch für Liams Ausweischip - bevor Ron beschließen konnte, die Türe mit seinem Skrill einzuschmelzen, identifizierte sich Melody mit ihrer Energie als Taelon und der Forschungsflügel stand ihnen offen.
In viele Richtungen wurde hier geforscht, einige legitim, andere weniger. Die drei gingen an weiß bekittelten und auch an zwei rotgrün kariert gekleideten Wissenschaftlern vorbei, bis sie schließlich den Raum mit den Brutkammern erreichten.
Fünfzig winzige Menschen, die aus sich selbst nie zu mehr als Reflexen fähig wären.
„An all den Forschern kommen wir nicht jeder mit einer Brutkammer unter dem Arm vorbei, ganz zu schweigen davon, was die wiegen”, stellte Melody fest, „Möglicherweise sollten wir das im nächsten Durchgang über ganz offizielle Kanäle versuchen.”
„Ich hätte da eine Lösung”, sagte Ron und ließ den Rucksack vor sich auf den Boden fallen. Liam zog den Reißverschluss auf und ein faltbares Portal heraus, das er dann mitten im Raum aufstellte. „Ich schlage vor, wir nehmen jetzt einmal drei Kammern mit”, bemerkte Ron und steckte sogleich eine der Kammern ab und wuchtete sie mit einiger Mühe in den Erfassungsbereich des Portals.
Liam grinste. „Eine reicht.” Er winkte Melody, sich zu ihm ins Portal zu stellen.
Auch Ron stellte sich dazu, dann trug die Interdimension ihn fort. „Was mit Zo'or?”, fragte er dann unter der Kirche.
„Augur, ruf das Shuttle an”, bestimmte Liam.
„Was macht ihr denn hier?”, war der Hacker entsetzt, „Was ist dieser ... Mikrowellenofen da?”
„Brutkasten. Ruf das Shuttle an.”
„Brutkasten?”
Liam sah Augur an und wies auf die Computeranlage, daraufhin fügte sich der Hacker seufzend.
Wenig später erschien Zo'or auf dem Bildschirm und fauchte: „Was denken Sie sich dabei, Sandoval? Das war eine Behandlung, wie Sie sie einem Taelon niemals zukommen lassen dürften. Sie haben mir nichts zu befehlen!”
„Sie haben den Befehl aber sehr tüchtig befolgt”, gab Ron spöttisch zurück.
„Sie erhalten Zielkoordinaten, wir treffen uns dort”, sagte Liam, dann wandte er sich Augur zu und sagte: „Marble Hall, vorher evakuieren.”
Der Schwarze runzelte die Stirn und übertrug alle nötigen Anweisungen, nicht nur an das Shuttle, sondern auch an die Marble Hall. Nachdem Liam die Verbindung unterbrochen hatte, fragte Augur matt: „War das etwa Zo'or?”
„Das war Zo'or”, bestätigte der Kimera.
„Das muss ein Scherz sein ... der ist jetzt plötzlich ein Mensch?”
„Er scheint es überraschend wenig grauenvoll zu finden”, bemerkte Liam belustigt, „aber ausstehen kann ich ihn trotzdem nicht, schon allein, weil er den Mann, dem der Körper vorher gehört hat, einfach umgebracht hat.”
„Da ist er ja auch nicht der einzige ...”, zischte Augur mit einem Seitenblick zu Melody.
Diese wandte ein: „Ich würde es nicht mehr tun.”
„Der Wachmann wird im nächsten Durchgang wieder leben”, sagte Liam, „und statt ihm wird Zo'or schlussendlich eines dieser Wesen übernehmen.” Er wies auf die Brutkammer.
„Ein Baby ...”
Der Kimera grinste. „Wir haben ein Zeitportal, und Melody hat ihre Labore seit 27 Jahren nicht betreten.” Er lehnte sich lässig an die Computeranlage. „Etliche Brutkammern in den Laboren waren in der Zeit übrigens besetzt ... warum wohl?”
Augur sprang auf und nahm seine bunte Brille ab. „Das ist großartig! Aber dieser Schleifendurchgang kann nicht der letzte sein. Warum hast du den Brutkasten geklaut?”
„Damit ich das Wesen untersuchen und in eine meiner Brutkammern transferieren kann”, ergriff Melody das Wort, „Gibt es in der Marble Hall ein Portal?” Liam nickte. „Gut, dann steigen wir dort ins Shuttle und fliegen wieder ins frühere Grasland.”
Ron stellte sich sogleich wieder neben die Brutkammer, die inzwischen drohenden Energiemangel meldete, und gab das Ziel ein - als Liam und Melody neben ihm standen, aktivierte er das Portal. Wieder blieb es an ihm hängen, die Brutkammer zu tragen, aber wenigstens war es nicht weit bis zur Garage der Marble Hall, wo sie wie erwartet Zo'or und das Shuttle vorfanden.
Der Taelon in Menschenform kochte vor Wut, mehr als je zuvor. Hätte er in diesem Moment die Kontrolle über das Mutterschiff, Ron würde um den Planeten Erde fürchten.
Liam folgte dem Kurs, den Melody eine knappe Stunde zuvor schon geflogen war, und aktivierte wie sie den Autopilot. Wieder übernahm die alte Taelon-Einrichtung die Kontrolle über das Shuttle und landete es neben der blassvioletten Transportschale in der bläulich ausgeleuchteten Höhle.
Diesmal, endlich, musste nicht Ron die Brutkammer tragen - Melody veranlasste, dass der Boden einen Ausläufer ausbildete, der das schwere Ding in jenes Labor beförderte, in dem schon Zo'or untersucht worden war.
Melody ließ die Brutkammer energetisch abtasten, dann verbanden sich zwei Ausläufer vom Boden mit den Steckern der Kammer, die sogleich keinen drohenden Energiemangel mehr meldete. „Das Wesen ist gesund”, sagte Melody, „und hat definitiv keine aktiven Hirnfunktionen.” Sie wischte durch ein Symbol. „Es ist implantiert”, stellte sie verdutzt fest, „das Implantat unterdrückt jegliche Aktivität, aber es kann deaktiviert werden, beispielsweise durch einen energetischen Befehl.”
„Das weiß er”, sagte Ron, „Er ließ auch daran forschen, das mit Erwachsenen zu machen.”
Melody drehte sich langsam um und musterte Zo'or kurz. „Ja, das war von dir zu erwarten.”
„Es ist bisher nicht gelungen”, sagte dieser beiläufig, „Sowie das Implantat wieder deaktiviert wird, kann sich ein Erwachsener gegen die Kontrolle durch einen Taelon wehren.”
„Ein primitiver Mensch kann das also”, warf Ron ein, „Wussten Sie, dass es auf diesem Planeten so gut wie keinen reinen Menschen gibt?”
„Erläutern Sie, Agent Sandoval!”
„Liam ist der Urahn der Menschheit.”
Zo'or ging einige Schritte, wandte sich um und machte eine elegante taelonische Handbewegung. „Ihre Zeitreise war offenbar ... erfolgreich!”, sagte er dann spöttisch zum Kimera.
„Ich habe sein Blut eingekreuzt”, warf Melody ein, „Reine Menschen sind nicht zu Taelons kompatibel.” Sie deaktivierte das Gerät und verschränkte die Arme. „Was planst du weiter, Liam?”
Der Kimera grinste bis über beide Ohren. „Oh, das wird ein Spaß - aber erst im nächsten Durchgang, und Zo'or muss im Gefängnis bleiben.”
„Bis dahin?”
Er zuckte mit den Schultern. „Eine kleine Wanderung zur damaligen Siedlung?”

Es waren drei Stunden vergangen und Liam mochte sich ohrfeigen. Taelons wurden alt, sehr alt, wenn sie genug Energie hatten, das bedeutete aber auch, dass ein so junger Taelon wie Zo'or im Grunde noch ein Kind war. Das war erschreckend deutlich, wann immer er fragte, wie weit es noch war.
Selbst Niki hatte nicht so sehr genörgelt - und Niki hatte viel genörgelt.
Ein Kind als Synodenführer! Ein Kind mit der Kontrolle über das Mutterschiff! - Bis zur Verhaftung jedenfalls.
Andererseits musste Liam zugeben, dass auch ein Kind den Widerstand anführte. Aber er fragte wenigstens nicht ständig, wie weit es noch war. Jedenfalls nicht laut - sich selbst fragte er das durchaus, denn hier sah alles gleich aus. Links Bäume, rechts Bäume, und in der Mitte der unebene Wanderweg, und das an bereits sehr dunklem Abend, dass die vier Wanderer die Umgebung per Shaqarava und Skrill ausleuchten mussten.
Melody hatte aus ihrer Taelon-Einrichtung ein Gerät zur Positionsbestimmung mitgenommen und vermutlich wusste dank des Implantats auch Ronald, wo sie sich befanden, aber Liam und Zo'or hatten effektiv keine Ahnung, wo sie waren. Noch schwieriger war es, da die seltenen Beschilderungen, wenn trotz all der Gleichförmigkeit doch einmal ein anderer Wanderweg abzweigte, kyrillisch geschrieben waren.
„Hier”, sagte Melody schließlich und blieb stehen, „von hier aus ist der Weg zur damaligen Siedlung am kürzesten.” Sie schlüpfte zwischen zwei Bäumen in den Wald, Ronald, Liam und Zo'or folgten ihr.
Der Boden war sehr uneben und von unzähligen Wurzeln durchzogen, die unter Gras, Moos und Farnen mitunter schwer zu sehen waren, gerade bei so wenig Licht. Immer wieder stolperte jemand, keiner blieb verschont. Ausgerechnet Zo'or legte sich sogar einmal auf die Nase, was Liam ihm von Herzen gönnte.
Es war aber tatsächlich nicht mehr weit und schließlich blieb Melody stehen. „Hier”, sie wies auf einen Fleck Erde, der sich in nichts von er Umgebung unterschied, „war die große Feuerstelle.” Sie wies etwas nach links. „Zwanzig Meter in diese Richtung das Haus des Ältesten.”
„Wo haben Sie mich überwältigt?”, fragte Ronald.
Melody ging einige Schritte und zeigte auf einen jungen Baum. „Dort.”
Liam setzte sich neben die Stelle, wo früher das Feuer gewesen war, griff nach zwei abgebrochenen Ästen, die er jeweils auseinanderbrach und dann vor sich auf den Boden legte. Per Shaqarava entzündete er das Holz, schnell züngelten kleine Flammen über die Äste. Ronald legte mehr Feuerholz daneben und setzte sich dann ebenfalls.
Zo'or starrte das Feuer und die beiden Männer zitternd an, schien aber nicht auf die Idee zu kommen, dass er gerade fror und das Feuer dagegen helfen konnte.
Melody brachte wenig später auch noch etwas Feuerholz und setzte sich ans schon deutlich lodernde Feuer.
Liam zog eine Packung Schokoriegel aus seiner Jackentasche. „Mag noch jemand?”, fragte er.
Ronald nickte. „Gerne.” Er nahm einen Riegel entgegen, befreite ihn von der Folie und biss hinein.
„Was ist das?”, fragte Zo'or.
„Nahrung”, gab Ronald kauend zurück.
Zögernd setzte sich der Taelon in Menschenform. „Ich will das auch”, sagte er, worauf Liam ihm einen Riegel in die kalten Hände drückte. Zo'or nestelte einige Zeit an der Folie herum, bis er sie endlich geöffnet hatte, dann biss auch er ab. Einen Moment später stand ihm die Überraschung ins Gesicht geschrieben und er biss noch einmal ab.
Liam wechselte einen amüsierten Blick mit Ronald und biss in seinen eigenen Riegel.

 

Ende von Kapitel 13

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang