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  „Blick übers Wasser” von Veria  (Emailadresse siehe Autorenseite),   Mai 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam, Ron und Ava besuchen Irland in der Vergangenheit. Nachdem sie mit einer Begleiterin in die Gegenwart zurückkehren, beauftragt T'than den Mord an Zo'or.
Zeitpunkt: vor 27 Jahren sowie in der Jetztzeit / nach „Blick ins Tal”
Charaktere:  Liam, Ron, Ava
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2015 geschrieben.
 

 

BLICK ÜBERS WASSER

Kapitel 11

 

Liam fand sich knapp vor dem inaktiven Portal in einer Lagerhalle in Washington wieder - links neben ihm Ronald, Melody und Ava. Er straffte sich, sah kurz zu seinen Begleitern und setzte sich dann in Bewegung. Vor dem Tor der Lagerhalle stand sein Auto - alle vier Zeitreisenden setzten sich und der Kimera fuhr zur Kirche, um Melody abzuliefern.
„Guten Morgen, Liam”, grüßte Augur, „welche reizende Dame bringst du da denn mit?”
„Melody Anderson”, stellte Melody sich vor und streckte ihm ihre Hand hin. Er ergriff sie, lächelte charmant und küsste den Handrücken.
„Sie braucht eine neue Identität”, sagte Liam.
„Mit dem Namen Melody Anderson”, ergänzte Melody schnell, „Das ist nicht mein ursprünglicher Name.”
„Und wie heißen Sie wirklich?”, fragte Augur.
Ronald brachte sich ein: „Ma'el.”
Augur machte einen recht passablen Satz und fauchte: „Was?” Der Implantant grinste, Liam rollte mit den Augen. „Was auch immer, ich mache ihr jetzt eine hübsche Identität und ihr lasst mich in Ruhe.”
„Ja, das hatte ich vor”, sagte der Kimera, „Ich habe jetzt nämlich gleich Dienst.”
„Ich auch”, warf Ava ein.
„Und ich auch”, sagte Ronald.
Augur wandte sich um und sah von Liam zu Ava, von Ava zu Ronald und von Ronald zu Liam. „Ihr lasst mich hier mit einem Taelon allein?”
„Ja”, sagte der Kimera trocken und machte sich auf den Weg zurück in die Garage. „Bis später!”, rief er noch zurück. Er setzte sich in sein Auto und schnallte sich an, da setzte sich Ronald auf den Beifahrersitz. „Sie haben auf dem Mutterschiff Dienst, ich in der Botschaft.”
„Richtig. Und ich habe den Tag schon fünf Mal erlebt und Sie nicht.”
Liam blinzelte verdutzt. „Ernsthaft?”
„Natürlich. Und darum fahren wir jetzt als erstes wieder zum Zeitportal, wo Sie sich wieder in die Schleife einfügen.”
Er starrte Ronald an. „Wieder?” Warum war Liam denn nicht in der Schleife?
Ein trauriges Lächeln huschte über das Gesicht des Implantanten. „Es gibt ein taelonisches Gift, dessen Wirkung über die einzelnen Schleifen hinweg besteht”, sagte er, „Es gab keine andere Möglichkeit, Sie mussten sich aus der Schleife nehmen, um nicht wieder und wieder, jedes Mal früher als zuvor, dahinzusiechen.”
Dahinzusiechen. Das klang unangenehm, Liam schüttelte sich. „Also gut”, sagte er dann, „Fahren wir zum Zeitportal. Und während der Fahrt erzählen Sie mir, was sonst noch alles passiert ist.” Er drehte den Schlüssel und fuhr los.
„Sie wurden implantiert, ich habe Sie erschossen, ich wurde gefoltert, Ava hat mich erschossen, ich habe mich auch selber erschossen, Ava wurde auch mal gefoltert, Melody hat sich Da'an offenbart, einmal sogar R'am. T'than hat fünfmal einen Giftmord an Zo'or beauftragt, obwohl er mit der Idee in der Synode überstimmt wurde.”
„Was für ein Intrigant.”
„Das allerdings.”
Der Kimera fädelte sich durch den morgendlichen Verkehr, denselben Weg zurück zur Lagerhalle, den er kaum zuvor in die andere Richtung gefahren war. „War das alles?”, fragte er nach ein paar Straßen.
Ronald schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich erzähle lieber erst weiter, wenn das Auto steht.”
Liam seufzte laut auf. „Oje.” Was konnte denn noch schlimmer sein als wiederholtes Dahinsiechen?
„Sie müssen nicht besorgt sein”, beruhigte ihn Ronald, „aber mindestens scharf bremsen würden Sie vermutlich schon.”
„Ha! Was kann denn noch sein? Ich bin der Urahn der Menschheit, was soll mich da noch so umhauen, dass ich scharf bremse?”
„Fahren Sie zur Lagerhalle, es ist nicht einmal mehr eine Minute bis dort”, beharrte der Implantant.
Liam rollte mit den Augen, ordnete sich in der richtigen Spur ein und bog schließlich auf den Platz vor dem Hallentor ab, wo er das Auto parkte und den Motor abstellte. „So, jetzt?”
„Kurz und schmerzlos?”, fragte Ronald.
„Ich bitte darum, Sie haben mich lange genug neugierig gemacht.” Liam sah ihn aufmerksam an - der Implantant wirkte etwas unruhig, straffte sich aber. Was denn nun?
„Liam ...”
„Ja?”
„Sie sind mein Sohn, und ich weiß es.”
Liam spürte sein Kinn auf dem Brustkorb aufliegen. Wie hatte Ronald das denn erfahren? Hatte Liam es ihm im Sterben liegend noch anvertraut? Hatte Melody es herausgefunden und hinausposaunt?
„Wie ...?”
„Ich fragte mich, rein rhetorisch, was Ha'gel wohl über mich dachte”, sagte Ronald, „Sie haben die Frage beantwortet. Sie erinnern sich daran, wie er ich war.”
Liam starrte ihn an, und da war ein Lächeln im Gesicht seines Vaters. Das war nicht die Reaktion, die er befürchtet hatte, und doch hatte Ronald bei der Rückkehr aus der Steinzeit noch gesagt, dass er nicht mit Liam verwandt sein wollte.
„Ist meine Reaktion so übel?”, fragte der Implantant. Langsam machte Liam den Mund wieder zu und schüttelte den Kopf. „Sie hatten gute Gründe, es mir nicht zu sagen”, fuhr Ronald fort, „und das schon ohne meine Äußerung nach dem Abenteuer im Grasland.”
„Daran dachte ich auch gerade ...”
„Ich war überrumpelt, das ist alles.”
Liam entspannte sich. „Überrumpelt war ich auch”, sagte er, „Ihre Reaktion ist nicht übel. Danke, dass Sie es mir gesagt haben.”
„Ich habe es Ihnen versprochen”, sagte Ronald, „Ich habe Ihnen konkret sogar versprochen, das gesamte Gespräch wörtlich zu rezitieren.”
„Nicht jetzt!” Liam stieg aus dem Auto aus und betrat die Halle. Sein Vater folgte ihm hinein und bis ans Zeitportal, wo der Kimera seine Hand in die Einbuchtung legte und sich konzentrierte.
Liam war derzeit wirklich nicht in der Schleife, er fügte sich also wieder ein.
„So. Auf der Rückfahrt dürfen Sie mir etwas rezitieren.”
„Fahren Sie gleich zur Botschaft, Da'an wird Sie ohnehin zu T'than schicken, da brauchen wir uns nicht erst oben wieder zu treffen.”
Der Kimera lächelte. „Wie Sie meinen, Ronald.”

Liam betrat fröhlich grinsend Da'ans Räumlichkeiten in der Botschaft und formte den Taelongruß. „Guten Morgen, Da'an.”
„Major”, sagte der Taelon sanft und begleitet von einer überaus hübschen Handbewegung.
„Was kann ich heute für Sie tun?”
„T'than wünscht Ihre Anwesenheit auf dem Mutterschiff”, sagte Da'an, „Er befürchtet, dass Zo'or der Synode und besonders deren Ansehen bei den Menschen empfindlichen Schaden zugefügt hat und möchte auf Ihre Expertise bauen.”
„Ich bin leider kein Werbefachmann, aber ich werde natürlich sehen, was ich tun kann.”
„Ich danke Ihnen, Major.”
Liam wandte sich um und machte einige Schritte in Richtung des Weges zum Hangar der Botschaft, dann blieb er stehen und sah zum Taelon. „Da'an, ich kenne eine absolut vertrauenswürdige Werbefachfrau”, sagte er, „Ms. Melody Anderson könnte mit Sicherheit sehr hilfreich sein.”
Da'an begann eine hübsche Handbewegung, stoppte sie allerdings und sah den Kimera mit seinen taelonblauen Augen sehr durchdringend an. „Widerstand?”
„Ja, Da'an.”
„Ich werde sie T'than empfehlen. Fliegen Sie zum Mutterschiff, Major.”
„Natürlich, Da'an.”

Sowie der Hybrid sein Shuttle aus dem Hangar gesteuert hatte, wandte er sich zu Ronald um und fragte: „Folgt jetzt der Mordauftrag?”
„Ja, mit Gift.”
„Das Gift, das mich getötet hat.”
„Genau das Gift”, bestätigte Ronald, „Es heißt Qiya'lai und zersetzt die Energiebahnen.”
Liam verzog das Gesicht, dann drehte er sich wieder nach vorne. Er schüttelte sein Global, bis es aufsprang, und sagte: „Augur.” Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Gesicht des schwarzen Genies auf dem kleinen Bildschirm erschien. „Melody braucht eine Identität als geniale Werbefachfrau. Wie geht es Avas Freiwilligen-Identität?”
„Ist wasserdicht”, antwortete Augur, „Wozu brauchst du schon wieder eine neue Identität für Melody? Ich hab doch gerade erst eine gemacht!”
„Ich hab sie Da'an empfohlen, und der wird sie T'than empfehlen, dann kommt sie aufs Mutterschiff und arbeitet die Werbestrategie der Synode aus, wegen dem Ansehensverlust, den die Taelons Zo'or verdanken.”
„Klingt gut. Mache ich dir. Du kriegst meine Rechnung dann morgen.”
Liam grinste schief. „Werden wir sehen. Ich hab eine Zeitschleife über 24 Stunden vorbereitet und werde sie vermutlich ausnutzen müssen.”
„Oh. Du könntest mich da auch mal mitmachen lassen.”
„Lieber Augur”, gab Liam zurück, „du würdest die Schleife doch nur dafür nutzen, die Aktienkurse vorherzusagen.”
„Ach ... und das ist schlimmer als eure Lotto-Vorhersage, ja?”
Der Kimera zog sein Grinsen bis über beide Ohren. „Ja.” Dann schob er sein Global zu und schob es in seine Jackentasche.
Nach einem kurzen Abstecher in die Interdimension kehrte das Shuttle in den normalen Raum zurück und Liam landete es im Hangar des Mutterschiffes, wo er und Ronald dann ausstiegen. Ava erwartete sie und begleitete sie zur Brücke, wo Synodenführer in Vertretung T'than auf seinem Thron saß.
„Guten Morgen, T'than”, grüßte Liam.
„Sie kommen spät, Major”, sagte T'than schneidend und sah die beiden Männer, Ava hatte sich an eine Konsole verdrückt und tat dort sehr geschäftig, von oben herab an, „Da'an hat mir empfohlen, einen menschlichen Spezialisten für Werbung hinzuzuziehen, ich stimme ihm nicht zu. Diese Belange werden nur von Beschützern behandelt.”
„Wie Sie wünschen, T'than”, sagte Ronald beeindruckend unterwürfig.
Der Taelon machte eine Handbewegung, die bei Da'an hübsch ausgesehen hätte, und stand von seinem Thron auf. „Ich wünsche außerdem, dass Zo'or terminiert wird. Der Beschluss wurde von der Synode gefasst und Sie werden ihn ausführen.”
Wie Ronald gesagt hatte.
„Die irdische Justiz wird auf das plötzliche Ableben des Delinquenten nicht positiv reagieren”, gab der Implantant zu bedenken, „Es könnte das Ansehen der Synode weiter beschädigen.”
„Das wurde berücksichtigt. Mit'gai wird Ihnen ein langsam wirkendes Gift zur Verfügung stellen, es kann in die Belüftung der Justizanstalt eingebracht werden und wird auf Menschen keine Wirkung haben.” T'than machte eine wenig elegante, wedelnde Handbewegung und schloss: „Gehen Sie jetzt.”
„Natürlich, T'than”, nahm Liam Ronalds Worte vorweg und neigte knapp den Kopf, dann verließen beide die Brücke, wenige Augenblicke später gesellte sich auch Ava wieder zu ihnen.
„Wie in allen bisherigen Durchgängen”, sagte Ronald, „aber, wie gesagt, die Synode hat tatsächlich dagegen gestimmt.”
Liam nickte knapp, bog ab und fand sich im Reich des Taelonheilers wieder. Er und Ronald, Ava war auf dem Korridor geblieben, strafften sich und formten für Mit'gai den Taelongruß. Der Heiler ignorierte sie und bewegte völlig ungestört seine Finger durch die holographische Kontrolle eines medizinischen Gerätes.
„T'than bat uns, ein Zo'or zu verabreichendes Gift von Ihnen in Empfang zu nehmen”, sagte Ronald sogleich.
„Gedulden Sie sich, Agent Sandoval”, gab Mit'gai unzufrieden zurück.
Liam wechselte einen Blick mit Ronald, der sich deutlich merkbar ein sehr ausgiebiges Seufzen verkneifen musste. „Wie Sie wünschen, Mit'gai”, brachte der Implantant hervor.
Es war offensichtlich, dass Mit'gai gegen Zo'ors Terminierung gestimmt hatte, überstimmt worden war und seinen Ärger jetzt an wehrlosen Menschen ausließ. Und während Liam das jetzt durchlitt, hatte Ronald hier zweifellos schon öfter gewartet.
Sie warteten fast eine halbe Stunde, bis der Heiler sich endlich dazu herabließ, ihnen eine filigran aussehende blauviolett melierte Kugel zu überreichen, die eben jene halbe Stunde in einer kleinen Mulde auf der Ablage neben ihm gelegen war. Ohne Gruß scheuchte Mit'gai die Menschen dann hinaus und verschloss die Türmembrane hinter ihnen.

Entgegen T'thans Anweisung brachten sie das Gift nicht in das Gefängnis, in dem Zo'or untergebracht war, sondern in eine Abstellkammer im Widerstandsversteck unter der Kirche. Untersuchen mussten sie es nicht mehr, sie wussten bereits, worum es sich handelte.
Melody, inzwischen mit einem überaus beachtlichen Resümee einer Werbefachfrau bedacht, wurde von Ava prompt in ein Schachspiel verwickelt. Augur gesellte sich als Zuschauer dazu.
Liam entlockte der Kaffeemaschine zwei Tassenfüllungen und setzte sich mit Ronald an den Küchentisch. „Haben wir bisher erfolgreich ein Hybridexperiment gestoppt?”
„Nein. Wir sind nicht einmal dazu gekommen, es zu versuchen”, sagte Ronald, „Andererseits haben wir sehr sehr viel über taelonische Politik und ihre Familienbande erfahren.”
„Familienbande?”
„Da'an ist Ma'els Kind, Zo'or ist Da'ans Kind, Da'an und T'than sind, oder waren zumindest mal, so was wie verheiratet.”
Liam setzte sich überrascht ganz aufrecht hin. „Ist Zo'or dann auch T'thans Kind?”, fragte er.
„Weiß ich nicht. Jedenfalls hassen sie sich unzweifelhaft aus ganzem Herzen.” Ronald schlürfte von seinem Kaffee. „Die Synode ist in zwei Lager gespalten: T'than, J'dan und Ma'or gegen R'am, Sa'mar und Qi'jai. Bisher stand Da'an wohl auch eher auf T'thans Seite, allerdings wird er den Mordauftrag an Zo'or wohl nicht verzeihen.” Er stellte die Tasse ab und sah zur Küchentüre. „Melody hat uns sehr geholfen, obwohl sie in den meisten Durchgängen von der Schleife wusste.”
Liam runzelte die Stirn. „Sie hat uns also nicht nur nicht geschadet, was bei Wissen um die Schleife zu erwarten gewesen wäre”, sagte er, „sondern tatsächlich auch geholfen.” Er rührte in seiner Tasse. „Ist es denkbar, dass sie wirklich auf der Seite der Menschheit steht?”
„Es ist denkbar, ja, aber ich würde mein Leben nicht außerhalb einer Schleife darauf verwetten.”
„Verstehe.” Liam hob seine Tasse und nahm einen Schluck, dann verzog er das Gesicht. „Meine Güte, wie habe ich denn das geschafft? Das ist ja mehr Zucker als Kaffee!”
„Sie haben zweimal Ihren Kaffee gezuckert”, sagte Ronald, „Wir sollten T'than mit Melody konfrontieren, ohne ihr von der Schleife zu sagen.”
„Weshalb?”
„Zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir wissen, wie T'than reagiert, und wir wissen, wie Melody reagiert.” Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Ich schlage vor, dass ich sie unter dem Vorwand, Da'an habe mir das befohlen, aufs Mutterschiff bringe.”
„Und T'than sagen, wer sie ist.”
Ronald nickte. „Falls er mich dafür einen Kopf kürzer machen lässt, müssen Sie beobachten, was passiert.”
„Einverstanden.”

Ava war auf der Brücke des Mutterschiffes. Gemeinsam mit zwei echten Freiwilligen führte sie einen Scan des Portalsystems durch. Nicht nur Widerstandsaktivitäten wurden befürchtet, es bestand offenbar auch die Möglichkeit, dass Jaridians Portale erbeuteten und benutzten. All diese Befürchtungen waren in diesem Ausmaß auch den echten Freiwilligen neu, aber ein Kriegsminister auf dem Thron bedeutete mehr Information über den Kriegsverlauf.
Es bedeutete auch Besorgnis in den Reihen der Freiwilligen.
Avas Global meldete eine eingehende Nachricht, es war der Plan für diesen Schleifendurchgang. Kurz überprüfte Ava den Zustand ihrer Dienstwaffe, dann betraten schon Ron und Melody die Brücke.
T'than sah die beiden von oben herab an. „Ich habe nicht nach Ihnen verlangt, Agent Sandoval.”
Ron sah ihn durchdringend an. „Ich bin hier, um Ihnen Melody Anderson vorzustellen”, sagte er, „Ma'el in Menschenform.”
Melody wandte den Kopf ruckartig zu Ron und fauchte: „Verräter!”
T'than stand energisch auf, für einen Moment war die blaue Energie unter seiner Haut zu erahnen. „Freiwillige, nehmen Sie Agent Sandoval und diesen ... Menschen fest”, befahl er verächtlich.
Ava zückte ihre Dienstwaffe, Ron wandte sich zu ihr und zielte mit seinem Skrill auf sie - kurz trafen sich ihre Blicke und fast unmerklich huschte ein Schmunzeln über Rons Gesicht, bevor Ava ihn bewusstlos schoss. Melody versuchte, sich per Shaqarava zu verteidigen, und traf einen der Freiwilligen, der andere setzte sie allerdings außer Gefecht.
„Ihre Befehle?”, fragte Ava dann.
T'than starrte Melody an, erst nach einigen Augenblicken schien er zu bemerken, dass Ava ihn etwas gefragt hatte. „Informieren Sie Mit'gai, er soll herausfinden, was sie ist.”
„Wie Sie wünschen. Und Sandoval?”
„In eine Zelle.”
„Natürlich, T'than.” Ava sah zu ihren Kollegen. „Zelle”, bestimmte sie, dann begab sie sich an die Konsole und kontaktierte Mit'gai. „Verzeihen Sie die Störung”, sagte sie, „T'than wünscht, dass eine Gefangene untersucht wird.” Unterdessen wurde Ron von den beiden echten Freiwilligen von der Brücke getragen.
Mit'gai schien nicht glücklich über die Störung, aber er fügte sich T'thans Befehl und befahl seinerseits, die Gefangene zu ihm zu bringen.
Ava nahm Melody einfach auf die Arme und trug sie in das Reich des Heilers, sehr viel wog der Taelon in Menschenform nicht. Mit'gai ging voran in einen Nebenraum, wo Ava ihre Last auf einer Liege ablegte. Der Taelon beachtete die angebliche Freiwillige dann nicht weiter, als sie sich stramm neben der Tür aufstellte, wie um auf mögliche Befehle zu warten.
Melody wurde fixiert, dann mit mehreren medizinischen Gerätschaften untersucht. Nach einiger Zeit kam T'than herbei, er war wohl zu neugierig, um sich nur mit einer Meldung am Ende zufrieden zu geben. Begleitet wurde er von Liam.
Laut Plan kümmerte sich Lili um Ron, hoffentlich gelang das auch und es kam ihr nicht Lindsays Folterwut in die Quere.
„Was ist sie?”, fragte T'than.
Mit'gai sah den Kriegsminister merkbar missbilligend an. „Sie hat Energiebahnen und Shaqarava”, sagte er, „Mehr konnte ich noch nicht feststellen.”
„Ein entkommenes Experiment?”
„Unwahrscheinlich. Keines der Experimente ist so stabil wie diese Frau. Es scheint, als wäre sie mehrere hundert Jahre alt.”
Liam trat einen Schritt näher. „So sieht sie nicht aus. Woran erkennen Sie das, Mit'gai?”
„Zweifeln Sie nicht, Major Kincaid!”, gab der Heiler ärgerlich zurück.
„Entspricht ihre Energie der von Ma'el?”, fragte T'than kühl.
„Ich kann es dir sagen, sobald ich den Vergleich beendet habe”, gab Mit'gai ähnlich kühl zurück, „Es ist schwierig, da ihre Energie durch den menschlichen Körper verzerrt wird.” Der Heiler griff nach einem weiteren Untersuchungsgerät und führte es über Melodys Oberkörper. „Der menschliche Körper hat Narben und Wachstumsfehler aus frühkindlicher Zeit, der Energiekörper wurde demzufolge etwa im Alter von vier Jahren ausgebildet.” Er hob den Blick zu T'than. „Sie ist kein Kind eines Taelons.”
„Ist sie ein Taelon?”, fragte der Kriegsminister.
Mit'gai war sichtlich verdutzt. „Sie? Ein Taelon? Unsinn ...” Er wandte sich zum Datenstrom, in dem eine Benachrichtigung blinkte. „Ihre Energie stimmt mit Ma'els überein.”
„Sie ist nicht Ma'els Kind, sie ist nicht Ma'el, sie ist kein Experiment”, fasste Liam zusammen, „Was dann?”
Der Heiler sah den Kimera abschätzig an und wandte dann den Blick zu T'than. „Ich vermute, sie ist das Ergebnis eines von Ma'el durchgeführten Experiments. Offenbar hatte Ma'el ausreichend Gelegenheit, den Prozess zu verbessern, dass das schlussendliche Ergebnis stabil ist.”
„Ist ihre Energie kompatibel?”
„Allerdings. Leider ist die Energie begrenzt.”
T'than sah ihn von oben herab an. „Begrenzt?”
„Sie bildet die Energie nicht. Alle normalen Körperfunktionen finden rein körperlich statt, ihr Energiekörper ist sehr schwach. Sie könnte das Leben eines Taelons bestenfalls um ein halbes Jahr verlängern.”
„Was ist ihre Lebenserwartung?”, warf Liam ein, was ihm wieder einen abschätzigen Blick einbrachte.
Nach einigen Momenten beantwortete der Heiler diese Frage aber doch: „Ihre verbleibende Lebenszeit beträgt etwa zweitausend Jahre, sofern sie keine schweren Verletzungen erleidet oder anderweitig vorzeitig Energie verbraucht.”
„Verstehe ich das richtig ... ein Taelon könnte mit der Energie ein halbes Jahr leben und ein Mensch lebt etwa 70 Jahre, aber kombiniert wird sie mehrere tausend?”
Zwei Taelons sahen Liam überaus eisig an, worauf der Kimera sich strategisch zurückzog und nun ebenfalls eine Position neben der Türe belegte. Kurz wechselte er einen Blick mit Ava, er sah zufrieden aus, es lief alles nach Plan.
Mit'gai weckte Melody jetzt, T'than trat näher und starrte sie an. „Sie kannten Ma'el”, sagte er, „er hat Sie geschaffen. Wo befindet sich das Labor?”
Sie sah sich kurz um, dann erwiderte sie seinen Blick eisig. „Ich bin Ma'el.”
„Das bezweifle ich.”
„Das ist nicht von Bedeutung. Zeit vergeht.”
Ava sah kurz zu Liam. Wusste Melody, dass eine Zeitschleife bestand?
„Sie werden mir sagen, was ich wissen will”, beharrte T'than, „Ich verfüge über viele Möglichkeiten.”
„Das weiß ich. Keine wird Erfolg haben.”
T'than sah auf und bedeutete Mit'gai, das Foltergerät vorzubereiten. „Wir werden sehen.”
„Sag mir, T'than, wie lange wirst du noch leben?”, fragte Melody, „Du bist schwach, das spüre ich. Lebst du noch ein Jahr? Zwei Jahre?” Sie schaffte es irgendwie, ihn aus ihrer liegenden Position heraus von oben herab anzusehen. „Wirst du versuchen, mir meine Energie zu entziehen? Ich bin ja, wie du glaubst, nur ein Mensch.”
Für einen winzigen Augenblick wirkte der Kriegsminister fast ertappt, dann griff er nach Melodys Arm. „Wenn du nicht kooperierst ...”
Melody schmunzelte. „Wenn du nicht kooperierst ...” Blaues Schimmern drang aus ihrem Arm und verwob sich mit T'thans Energie, der Kriegsminister war offen entsetzt, er versuchte, zurückzuweichen, doch Melody hielt ihn fest. „Du spürst, dass ich stärker bin. Du spürst, dass ich nur zu zupfen brauche, um dir all deine Energie vollständig zu entziehen.”
„Mit'gai! Betäube sie!”, fauchte T'than.
„Ich kann nicht, sie hat die Kontrolle über alle Geräte!”
Der Kriegsminister sah sich hilflos um, sein Blick blieb an Liam hängen. „Major Kincaid, helfen Sie mir”, sagte er, sichtlich widerstrebend.
„Liam!”, rief Melody, „Du bist hier? Wie kommt es, das Ronald mich verraten hat und du jetzt hier bist?”
„Ist das nicht offensichtlich?”, fragte Liam, „Es ist aufschlussreich, zu sehen, wozu du fähig bist.”
„Du riskierst nichts”, stellte sie fest, „Du wirst zurückreisen und ändern, was gerade geschieht.”
„Du siehst, es ist offensichtlich”, bestätigte er, „Was wirst du tun?”
Sie grinste. „Spielt es eine Rolle? Ihr habt mich verraten - jetzt verrate ich dich.” Ihre Energie zwang T'than nieder und er sah sie entsetzt an. „T'than”, sagte sie, „Liam Kincaid ist der Sohn eines Kimera.”
„Kimera!” T'than versuchte, mehr Abstand zu Liam zu gewinnen, doch seine Hand war fest im Griff von Melodys Energie.
„Oh, das ist er, ja. Und er kann durch die Zeit reisen. Er war dort, vor achttausend Jahren, als ich begann, die Menschheit anzupassen, und ich benutzte schlussendlich sein Blut dafür. Er ist der Urahn, von ihm stammen alle Menschen ab, die heute leben.”
„Fast alle”, warf Liam ein, „Die Kleine, die wir aus dem Grasland mitgenommen haben, nicht.”
„Ja, die Kleine ... der einzige reine Mensch überhaupt.” Sie lächelte T'than an, dann Mit'gai. „Du machst Experimente mit Menschen, denkst du. Es sind keine richtigen Menschen mehr, Mit'gai”, sagte sie, „Du hast noch nie einen richtigen Menschen gesehen. Sie sind alle teilweise Kimera. Und du denkst, du weißt, was du tun musst - ohne Liams Blut habe ich hunderte von Jahren gebraucht, bis die Anpassungen stabil waren und sich durchsetzen konnten. Du wirst scheitern. Zeit vergeht - doch du hast sie nicht.”
Der Heiler wich einen Schritt zurück, blaues Schimmern zog über seine Haut und verschwand wieder. „Du bist Ma'el!”, sagte er.
T'than riss an seiner Hand und sah fast panisch zu Liam. „Lass mich los, Ma'el! Er ist ein Kimera!”
„Und doch steht er nur hier und tötet dich nicht”, sagte Melody belustigt, „Ich kann mich nicht erinnern, dass du früher so furchtsam warst, T'than. Bist du nicht Kriegsminister? Hast du nicht gekämpft? Hast du nicht dem Tod ins Auge gesehen?”
„Er ist Kimera!”
„Oh ja, das ist er. Aber sieh ihn doch an! Sieh den Menschen an! Menschen, die du gering schätzt und für so primitiv hältst ... aber sie alle sind auch Kimera! Sie alle! Und jetzt sieh ihn an!”
T'than hob langsam den Blick, sehr vorsichtig, als könnte der Anblick des Kimera ihm etwas antun. Er betrachtete Liam unruhig - der Kimera lächelte freundlich.
„Was wollen Sie, Major Kincaid?”, fragte Mit'gai plötzlich - sehr unerwartet, dass der Heiler den Mund aufbekam.
Liam sah kurz zu Ava, dann zum Heiler. „Es wäre mir ganz recht, wenn nicht weiter an Menschen herumexperimentiert würde.”
„Aber ... wie sollen wir überleben?”
„Ich weiß nicht ... ihr könntet es wie Ma'el machen, oder nicht? Die Lebenserwartung ist doch ganz beachtlich.”
Mit'gais Haut verschwand völlig und das Entsetzen war ihm deutlich anzusehen. „Sie ist nicht Ma'el! Sie hat seine Energie und sein Wissen, aber sie ist kein Taelon, sie ist ... sie ist falsch!”
„Sie ist am Leben!”, mischte sich Ava ein, „Wie lange seid ihr es noch?”
„Niemals werde ich so tief fallen!”, spie Mit'gai aus.
Ava hörte Schritte und wich von der Tür weg. Ron trat ein und schoss sofort auf Liam, der Kimera löste sich in Luft auf. Das war nicht nach Plan!
Es war auch nicht nach Plan, dass auch R'am hier war.
Ava drückte sich in eine Nische, eine heiße Entladung sauste an ihr vorbei. Ihr Blick traf Rons - kein Zwinkern, kein Schmunzeln, nur Kälte. Ava schoss und Ron plumpste zu Boden, rechts unter dem Kieferknochen war eine frische Einstichstelle zu sehen.
„Was ist passiert?”, rief Melody.
„Ron ist reingekommen und hat rumgeschossen”, sagte Ava, „Er hat ein neues CVI bekommen.” Sie richtete ihre Waffe auf R'am und bedeutete ihm, sich neben Mit'gai zu stellen.
Merkwürdig war es dennoch. Warum hatte Ava ausweichen können? Ron hatte gewusst, dass sie hier war.
Ava hielt ihre Waffe auf R'am gerichtet und trat zur Tür. Wieder hörte sie Schritte, ein kurzer Blick durch den Türdurchgang zeigte, dass Arias und Lindsay im Anmarsch waren.
Da blieb keine Wahl mehr. Ava schoss erst Ron in den Kopf, dann sich selbst. Es tat weh, aber nur kurz.

 

Ende von Kapitel 11

 

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