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  „Blick übers Wasser” von Veria  (Emailadresse siehe Autorenseite),   April 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam, Ron und Ava besuchen Irland in der Vergangenheit. Nachdem sie mit einer Begleiterin in die Gegenwart zurückkehren, beauftragt T'than den Mord an Zo'or.
Zeitpunkt: vor 27 Jahren sowie in der Jetztzeit / nach „Blick ins Tal”
Charaktere:  Liam, Ron, Ava
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2015 geschrieben.
 

 

BLICK ÜBERS WASSER

Kapitel 8

 

Ron fand sich knapp vor dem inaktiven Portal in einer Lagerhalle in Washington wieder - links neben ihm Melody und Ava, rechts Liam. Der Kimera wankte, stützte sich am Portal ab und stürzte dann dennoch.
„Liam!” Ron war sofort bei ihm und hielt ihn an den Schultern fest.
„So langsam zu krepieren ist ... schmerzhaft”, sagte Liam leise, „aber jetzt geht es wieder. Sie holen die Kugel diesmal alleine.”

Ron betrat Da'ans Räumlichkeiten in der Botschaft und formte den Taelongruß. „Guten Morgen, Da'an.”
„Agent”, sagte der Taelon begleitet von einer überaus hübschen Handbewegung.
„Was kann ich für Sie tun?”
„Aufgrund Major Kincaids Krankheit werden Sie übernehmen, was T'than von ihm wünscht”, sagte Da'an, „Begeben Sie sich aufs Mutterschiff, T'than wird Ihnen alles Nötige mitteilen.”
„Wie Sie wünschen, Da'an”, sagte Ron und benutzte das Portal, um aufs Mutterschiff zu gelangen.
Lili und Ava, letztere in schwarzsilberner Freiwilligenkluft, erwarteten ihn dort und begleiteten ihn zur Brücke, wo Synodenführer in Vertretung T'than auf seinem Thron saß.
„Guten Morgen, T'than”, grüßte Ron.
„Sie kommen spät, Agent”, sagte T'than schneidend und sah Agent und Pilotin, Ava hatte sich an eine Konsole verdrückt und tat dort sehr geschäftig, von oben herab an, „Ich wünsche, dass Zo'or terminiert wird. Der Beschluss wurde von der Synode gefasst und Sie werden ihn ausführen.”
„Die irdische Justiz wird auf das plötzliche Ableben des Delinquenten nicht positiv reagieren”, gab Ron zu bedenken, „Es könnte das Ansehen der Synode weiter beschädigen.”
„Das wurde berücksichtigt. Mit'gai wird Ihnen ein langsam wirkendes Gift zur Verfügung stellen, es kann in die Belüftung der Justizanstalt eingebracht werden und wird auf Menschen keine Wirkung haben.” T'than machte eine wenig elegante, wedelnde Handbewegung und schloss: „Gehen Sie jetzt.”
„Natürlich, T'than”, sagte Ron und neigte knapp den Kopf, dann verließen er und Lili die Brücke, wenige Augenblicke später gesellte sich auch Ava wieder zu ihnen.
„Was ist passiert?”, fragte diese leise, „Du bist als Verräter erschossen worden.”
„Ich habe mich selbst erschossen”, korrigierte Ron.
„Ah. Was ist mit Liam passiert?”
„Er hat vor R'ams Augen auf kimerianische Art geniest - sprich: aufgeleuchtet”, antwortete er, „und dann ist er an der Nieserei gestorben.”
„Also liegt es am Qiya'lai.”
„Wir vermuten, dass die blöde Kugel undicht ist, darum bin ich diesmal ohne ihn da.” Er bog ab und fand sich im Reich des Taelonheilers wieder. Er und Lili, Ava war auf dem Korridor geblieben, strafften sich und formten für Mit'gai den Taelongruß. Der Heiler ignorierte sie und bewegte völlig ungestört seine Finger durch die holographische Kontrolle eines medizinischen Gerätes.
„T'than bat uns, ein Zo'or zu verabreichendes Gift von Ihnen in Empfang zu nehmen”, sagte Ron sogleich.
„Gedulden Sie sich, Agent Sandoval”, gab Mit'gai unzufrieden zurück.
Ron wechselte einen Blick mit Lili, die ihn verdutzt ansah - aber sie wusste auch nicht, dass er diese Warterei jetzt zum vierten Mal durchmachte.
Sie warteten auch diesmal fast eine halbe Stunde, bis der Heiler sich endlich dazu herabließ, ihnen eine filigran aussehende blauviolett melierte Kugel zu überreichen, die eben jene halbe Stunde in einer kleinen Mulde auf der Ablage neben ihm gelegen war. Ohne Gruß scheuchte Mit'gai die Menschen dann hinaus und verschloss die Türmembrane hinter ihnen.

Entgegen T'thans Anweisung brachten sie das Gift nicht in das Gefängnis, in dem Zo'or untergebracht war - und entgegen der bisherigen Durchgänge auch nicht in eine Abstellkammer im Widerstandsversteck unter der Kirche, sondern sie warfen die Kugel kurzerhand mitten über dem Atlantik aus dem Shuttle. Danach begaben sie sich erst unter die Kirche.
Im Hauptraum des Verstecks trafen sie Augur und Melody beim Kaffee an, der Hacker überschüttete den Taelon in Menschenform mit doch einigem Charme, offensichtlich hatte ihm noch niemand gesagt, wer sie war.
„Augur, Melody”, sagte Ron freundlich, „Wo ist Liam?”
„Küche”, sagte Augur knapp.
„Danke - oh, übrigens: Sie ist ein Taelon.”
Augur sprang auf, machte einen passablen Satz und verschüttete seinen Kaffee. „Was?”, fauchte er.
„Ma'el in Menschenform”, sagte Ron, dann betrat er die Küche.
In der Pfanne schmorten Zwiebeln, der Kimera zerkleinerte soeben Tomaten und Champignons, seine Augen tränten - im ersten Augenblick war Ron besorgt, aber dann drückte auch ihm schon der dicke Zwiebeldunst auf die Tränendrüse.
„Wo ist die Kugel?”, fragte Liam.
„Mitten in Atlantik.”
„Ah.” Er trug das Schneidbrett zur Pfanne und warf das Gemüse hinein. „Hauen wir Zo'or heute wieder raus? Oder machen wir mal Pause?”
„Diese Schleife ist, abgesehen von der Sterberei und der Folter, doch recht gemütlich”, sagte Ron, „und das Zwischenspiel in Gefängnis hat mir sogar Spaß gemacht, abgesehen von dieser unmöglichen Perücke.”
„Soso”, machte Liam und wechselte einen Blick mit Ava, deren Amüsement merkbar war. „Was ist dann nach meinem Tod denn noch passiert?”, fragte der Kimera dann, „Die Botschaft wurde gestürmt, nehme ich an?”
Ron nickte und hielt sich den Skrill an den Kopf. „Ich habe nicht riskiert, nochmal in Lindsays Folterkammer zu landen.” Er sah zu Ava. „Was ist bei dir passiert?”
„Nichts weiter”, sagte sie, „Ich war dabei, als Mit'gai dein Implantat anzapfen wollte, aber du hast es wohl komplett zusammengeschossen, er hatte keinen Erfolg.”
Er runzelte die Stirn. „Warum hat T'than vor zwei Durchgängen die Folter beschlossen?”
„Weil er nicht weiß, dass man die Dinger anzapfen kann. Er war recht erstaunt, als Mit'gai ihm die Möglichkeit erklärt hat.”
„Und Zo'or weiß es auch nicht”, stellte Liam fest, „er hat in der vorigen Schleife ja auch reichlich Folter veranlasst.”
„Dann wissen es vermutlich nur Mit'gai und Da'an”, sagte Ron.
„Da'an?”
„Von Da'an weiß ich es.”
„Ah.” Der Kimera schniefte, griff nach einem Stück Küchenrolle und putzte sich die Nase. „Verdammte Zwiebeln. Ich könnte heulen! Wenn sie nur nicht so gut schmecken würden ...”
„Warum machen Sie das?”, fragte Ron, „Sollten Sie nicht alles, was derartige Wirkung auf die Atemwege hat, vermeiden, damit klar ersichtlich ist, ob Sie diesmal hoffentlich richtig gesund sind oder womöglich doch nicht?”
Liam schnäuzte und entsorgte das Stück Küchenrolle, dann nickte er. „Vermutlich haben Sie recht.”
„Dann raus hier”, befahl Ron, „Ich koche weiter.”
„Ich bereite Zo'ors Befreiung vor”, sagte der Kimera und verließ die Küche, der Implantant griff nach dem Pfannenwender und kümmerte sich um das Gemüse.

Ron duckte sich hinter dem Gebüsch und spähte zum Eingang des Gefängnisses, die Eingangstür des Wachgebäudes öffnete sich soeben. Der schwarz vermummte Implantant sprang auf, neben ihm auch Liam, gegenüber hinter einem weiteren Gebüsch Lili und Melody, jeweils ebenfalls vermummt. Alle vier schossen sie je eine Wache nieder, wobei weder Shaqarava noch Skrill zum Einsatz kamen, dann eilten Ron und Liam durch den Eingang.
Aus dem Augenwinkel sah Ron Ava, Wang und Haig heran huschen - die drei und auch Augur waren mit falschen Identitäten bereits seit fast 20 Minuten im Wachgebäude und hatten hier alles unter Kontrolle gebracht. Dass Augur fehlte, deutete allerdings - auch diesmal wieder - auf gewisse technische Schwierigkeiten hin, die noch gelöst werden mussten.
Und dabei kamen die großen Schwierigkeiten noch: Die Eindringlinge mussten über den offenen Platz zwischen Wachgebäude und eigentlichem Gefängnis. Vermummt und huschend war das unmöglich, denn drüben waren natürlich auch Wachen. Darum brauchte es Ava, Wang und Haig, die sich, gekleidet wie Gefängniswachen, hier frei bewegen konnten.
Liam und Ron stopften ihre schwarzen Schimützen hinten in den Kragen, zogen orange Gefängniskluft über und hielten die Hände mit den Waffen versteckt auf dem Rücken, zur Vermeidung der Gesichtserkennung trugen sie beide überaus wirre Langhaarperücken.
Ron war sich absolut sicher, dass er überaus lächerlich aussah, aber die Strategie entpuppte sich als wirksam. Sie kamen unbehelligt bei der Sicherheitsschleuse im Gefängnisgebäude an, wo Liam erst mal nieste. Dann wurden die Fingerabdrücke der drei angeblichen Wachen abgesegnet und diese und ihre angeblichen Gefangenen schossen die echten Wachen nieder - um Kameras mussten sie sich dank Augur überhaupt keine Sorgen machen.
Ron schälte sich aus seiner orangen Schale und der fürchterlichen Perücke und wandte sich dem Kimera zu. „Also? Sie haben geniest!”
„Es ist kalt da draußen!”, gab Liam zurück.
„Das letzte mal haben Sie hier nicht geniest!”, sagte Ron energisch und legte seine Hand kurzerhand auf Liams Stirn. „Fieber”, stellte er fest, „Liam, es ist keine gewöhnliche Krankheit und Sie waren heute auch keinem Qiya'lai ausgesetzt.”
„Hier ist nicht der richtige Ort, um das zu besprechen”, beschloss Liam, „Befreien wir Zo'or.” Er vermummte sich wieder, Ron tat es ihm gleich. Ava überreichte dem Implantanten noch die kleine Ausrüstungstasche, die bisher hinten an ihrem Gürtel befestigt gewesen war. Nur die beiden Vermummten machten sich dann auf den Weg zu Zo'ors Zelle, deren Tür sich mit dem richtigen, explosiven Werkzeug leicht öffnen ließ - danach war ein entfaltbares Portal massiv dabei behilflich, den Taelon und seine beiden Befreier in die Marble Hall zu bringen.
Liam nieste und hellgrünes Licht drang durch seine Haut.
„Es genügt!”, sagte Ron, zog sich seine Schimütze vom Kopf und warf sie energisch zu Boden, „Liam, sehen Sie es ein, das ist Qiya'lai, und die Wirkung besteht über die Schleifendurchgänge hinweg!”
„Sie!”, brachte Zo'or entrüstet hervor.
„Ja, wir.” Ron zuckte mit den Schultern. „Und Sie sind raus aus dem Zeitschleifenspiel.”
„Ronald ... ich fürchte ...” Der Kimera nieste heftig, wobei er kurzzeitig überhaupt keine Haut mehr zu haben schien, und danach hatte er ordentlich Nasenbluten und putzte sich mit seiner Schimütze die Nase. „Ich fürchte, Sie haben recht.”
„Sie liegen im Sterben, Liam, und das mit jedem Durchgang schneller”, sagte Ron, „Sie müssen sich selbst aus der Schleife nehmen - Melody war dem Qiya'lai genauso ausgesetzt wie Sie, aber sie zeigt keine Symptome, sie ist aber auch nicht in der Schleife.”
Liam sah ihn unzufrieden an. „Dann erinnern Sie sich und ich nicht ...”
„Das ist nur gerecht: Sie erinnern sich an acht Durchgänge der letzten Schleife mehr als ich.”
„Aber nicht ... das.”
„Hm, das ...” Ron legte Liam eine Hand auf die Schulter. „Ich werde es Ihnen in jedem Detail und Wort für Wort erzählen. Versprochen.”
Der Kimera grinste schief, schwankte und hielt sich an Ron fest. „Komme ich noch rechtzeitig zum Zeitportal?”, fragte er leise, „Schaffe ich ...?”
„Kommen Sie”, sagte der Implantant und zog seinen Sohn zum Portal, dem er als Ziel dann das Versteck unter der Kirche angab.
Unter Zo'ors entsetztem Blick verschwanden sie - unter Augurs entsetztem Blick erschienen sie.
„Gute Güte, was ist los?”, fragte der Hacker, noch als Gefängniswache gekleidet, erschrocken.
„Wir müssen so schnell wie möglich zum Zeitportal”, sagte Ron.
„Er muss zu einem Arzt!”
„Zum Zeitportal!”, insistierte der Implantant.
Augur lief voran zur Garage und hielt den beiden die Autotür offen, und als sie saßen brauste er für Rons Geschmack deutlich zu schnell los - und schlich auch deutlich zu oft durch stockenden Verkehr, aber dafür konnte der Hacker natürlich nichts. Ron behielt Liams Zustand im Auge: Der Kimera atmete flach, aber sein Puls war noch deutlich zu spüren.
„Hören Sie mich?”, fragte Ron leise.
Liams Lippen bewegten sich und formten ein Ja, aber zu hören war nichts.
„Wir sind fast da. Halten Sie durch.”
Augur bremste scharf und bog links ab, irgendjemand hupte, dann schlitterte das teure Auto über eine Eisfläche und schlug sich die Nase am Tor der Lagerhalle an. „Und wehe, das ist der letzte Durchgang!”, schrie der Hacker nach hinten.
Ron beeilte sich, seinen Sohn aus dem Fahrzeug und in die Halle zu schleppen, vor dem Zeitportal versuchte er ihn dann möglichst hinzustellen, aber der Kimera schien Beine aus Pudding zu haben. „Liam, wir sind da! Nehmen Sie sich aus der Schleife!”
Keine Reaktion. Ron tastete nach dem Puls - flach, aber spürbar.
„Liam!”, rief er und schüttelte ihn.
Die Augenlider des Kimera flatterten, Liam hob seine rechte Hand etwas und reckte sie nach dem Portal, dann folgte sie doch wieder der Schwerkraft.
Ron legte Liams Hand in die Einbuchtung. „Liam, passen Sie auf, dass Sie nur sich selbst aus der Schleife nehmen. Die Schleife muss weiter bestehen. Verstehen Sie?”
Sowie Ron Liams Hand losließ, rutschte sie ab und baumelte nur mehr dem Hallenboden entgegen.
„Liam!”, rief Ron, Antwort erhielt er keine, der Kimera rührte sich auch nicht. Er fühlte nach dem Puls - und da war keiner.
Vorsichtig legte er seinen Sohn auf den Boden und wich etwas zurück, dann leuchtete der Kimera hellgrün auf und verschwand spurlos.
„Ach du Scheiße!”, erklang Augurs Stimme.
Ron sah auf und atmete tief durch. „Mit dem Beginn des nächsten Durchganges wird er wieder leben”, sagte er fest, „Er ist nicht dauerhaft tot.”
„Sie haben die Sicherheit, ihn wieder zu sehen”, sagte Augur, „Ich nicht.”
Langsam stand Ron auf. „Das tut mir leid. Aber ohne Liams Hilfe ist es zu kompliziert und schwierig, an der Schleife etwas zu ändern, das geht sich bis morgen früh mit Sicherheit nicht aus.”
„Sagen Sie!”, fuhr Augur ihn an, „Wie funktioniert es?”
„Der Befehlsspeicher besteht aus atavanischen Symbolen”, sagte Ron, „Ich kann nicht atavanisch - können Sie es?”
Augur starrte den Implantanten unzufrieden an. „Nein, und Wörterbuch habe ich auch keines ...” Er drehte sich um und stapfte Richtung Ausgang. „Aber im Speicher des Mutterschiffes lässt sich bestimmt eines finden.”
Ron seufzte leise. Trotz aller Genialität, die Augur zu eigen war, würde es diesem mit Sicherheit nicht gelingen, in so kurzer Zeit den Befehlsspeicher des Portals auszulesen, zu übersetzen und einen neuen Befehlsblock einzufügen.
Der Implantant verließ die Halle, Augurs Auto war fort. Da stand Ron, gekleidet wie ein Bankräuber und ohne Mitfahrgelegenheit. Er zückte sein Global und rief Ava an, um sich von ihr abholen zu lassen.

„Wie kommst du klar?”, fragte Ava, als er bei ihr im Auto saß - seinem, er hatte glücklicherweise einen Schlüssel für sie hinterlegt.
„Er ist nicht dauerhaft tot”, sagte Ron.
„Wir haben in der Zeitschleife nur begrenzt Konsequenzen zu befürchten”, stimmte sie zu, „Darum und nur darum hast du mich hinters Lenkrad gekriegt. Ehrlich, Rechtsverkehr ist unglaublich unpraktisch - und dann noch mitten in der Großstadt!”
Er schmunzelte. „Das Auto ist noch ganz.”
Sie wechselte die Spur und bremste, als knapp vor ihr noch jemand auf ihre Spur zog, ohne zu blinken. „Und fahren wie Idioten ... und Rechtsverkehr, und mitten in der Großstadt. Ohne die Zeitschleife würde ich hier um mein Leben fürchten.”
„Hier mehr als auf dem Mutterschiff?”
„Man glaubt es kaum, aber so ist es.”
„Da vorne links”, sagte er, „Fahren wir zum umziehen zu mir nach Hause, dann kann uns Augur nicht mit seinen Versuchen, sich in die Schleife einzufügen, auf die Nerven gehen.”
Ava setzte den Blinker und stellte sich in die Schlange vor der roten Ampel. „Er versucht es? Warum?”
„Er will Liam wieder am Leben sehen.”
„Hm.” Sie sah zu Ron und musterte ihn. „Das ist ein verständlicher Grund, finde ich”, sagte sie, „Du willst ihn ja auch wieder am Leben sehen.”
„Es ändert trotzdem nichts daran, dass selbst ein Genie wie Augur das in der kurzen Zeit nicht schaffen wird.” Ron lächelte matt. „Damals, in der ersten Schleife, haben die Menschen sich abgemüht - und dann geht Liam her und übersetzt die Befehlsblöcke, als müsste er sie nur abschreiben.”
„Ich dachte, du kannst auch recht gut Eunoia.”
„Schon. Aber die Befehlsblöcke sind atavanisch geschrieben, das kann außer Liam niemand.”
„Ah.” Die Ampel wurde grün. „Was haben wir in diesem Durchgang noch vor?”
„Liam hat sich noch nicht aus der Schleife genommen, und er war der Idee auch äußerst abgeneigt”, sagte Ron, „Daher versuchen wir in diesem Durchgang noch, ob wir an das Gegengift kommen - und gegebenenfalls dann natürlich im nächsten Durchgang noch einmal.”
„Wir könnten Melody oder Da'an um Hilfe bitten”, schlug Ava vor.
„Ja, so dachte ich mir das auch - ich habe schon einen Plan.” Er zückte sein Global und rief Lili an, um den Plan auch ihr zu erklären.

Auf dem Mutterschiff wurden Ron und Ava von Lili begrüßt, die sie neben dem Portal erwartet hatte. Er ging voraus, die beiden Frauen folgten ihm auf die Brücke. Ava verdrückte sich sogleich an eine Konsole und tat möglichst beschäftigt, so dass Synodenführer in Vertretung T'than nur Ron und Lili eiskalt von oben herab ansah.
„Ich nehme an, Sie sind gescheitert.”
„Teilweise”, sagte Ron, „Wir konnten Zo'or dem Gift aussetzen, allerdings ist er wenig später aus dem Gefängnis geflohen.”
„Weshalb sind Sie dann hier? Verfolgen Sie ihn!”
„Da'an hat Zo'or kurz vor dessen Flucht besucht”, ergriff Lili das Wort, „und sich dabei dem Gift ebenfalls ausgesetzt.”
Ron ergänzte: „Ich vermute, wenn wir Da'an folgen, finden wir Zo'or - und Da'an finden wir dort, wo ein Gegengift ist.”
T'than starrte Ron recht verblüfft an. „Begeben Sie sich zu Mit'gai”, sagte er, „er wird Ihnen zeigen, wo das Gegengift aufbewahrt wird.”
„Wie Sie wünschen, T'than.” Ron machte auf dem Fuß kehrt und verließ eilig die Brücke, Lili und etwas später auch Ava folgten ihm.
„Das lief überraschend gut”, sagte letztere schließlich, „Er hat nicht nach Lindsay gerufen.”
Ron nickte erleichtert, bog ab und fand sich im Reich des Taelonheilers wieder. Diesmal wandte Mit'gai sich seinen Gästen sofort zu, als sie eintraten, er musterte Ron. „Da'an wurde der Substanz ausgesetzt?”
„So ist es, Mit'gai”, sagte der Implantant.
Mit'gai hatte nun einen beinahe traurigen Gesichtsausdruck, auch seine Hände bewegten sich in eher bedrückten Formen durch die Luft. „Verstehe”, sagte er, „T'than informierte mich, Da'an habe Zo'or zur Flucht verholfen.”
„Die Wahrscheinlichkeit ist groß, ja.”
„Sie haben also keine Sicherheit?”
„Nein, Mit'gai.”
Der Heiler musterte erst Ron, dann Lili, dann bedeutete er ihnen, ihm zu folgen, und ging voran durch mehrere Labore und blieb schließlich in einer Halle voller violetter Regale stehen. „Da'an wird hierher kommen, wenn er das Gegengift sucht”, erklärte er, „Setzen Sie ihn fest und informieren Sie mich dann umgehend.”
„Er wird uns nicht zu Zo'or führen, wenn er bemerkt, dass wir ...”
„Das ist nicht von Bedeutung. T'than hat Da'ans Sondierung angeordnet.” Mit'gai formte eine äußerst energische Geste. „Wenn Da'an herkommt ist seine Schuld bewiesen.”
„Ich stimme nicht zu”, sagte Lili, „Er selbst kann sich dem Gift auch ausgesetzt haben, ohne an Zo'ors Flucht beteiligt gewesen zu sein.”
Der Taelon sah sie durchdringend an. „T'than hat Da'ans Sondierung angeordnet. Führen Sie meinen Befehl nun aus.”
„Wie Sie wünschen”, sagte Ron, Mit'gai eilte von dannen.
Lili wies auf die unzähligen Regale und seufzte. „Ich nehme an, das sind lauter verschiedene Dinge.”
„Das befürchte ich auch”, stimmte der Implantant zu, „also suchen wir ...” Er griff nach der ersten Kugel und fand darunter einige Schriftzeichen. Es handelte sich wohl um ein Betäubungsmittel.
„Puh, das wird dauern ...”, stellte Lili fest, die ebenfalls eine Kugel angehoben hatte und unzufrieden auf die Schriftzeichen darunter starrte.
Ron überlegte kurz - achtzig Kugeln pro Regalfach, acht Regalböden pro Regal, vier Regale je Reihe, 82 Reihen. Wenn er für jede Kugel zwei Sekunden brauchte und Lili ebenso schnell Eunoia lesen könnte, wären sie nach knapp sechzig Stunden fertig.
Allein für die Suche also drei Schleifendurchgänge ... die sie nicht hatten.
„Es muss hier irgendwo ein Verzeichnis geben”, überlegte Ron, „ich kann mir nicht vorstellen, dass Mit'gai sich das alles merken kann.”
Lili legte ihre Kugel hin und sah ihn an. „Das ist wahr.”
„Suchen Sie einen Datenstrom”, bestimmte er, „Ich frage Mit'gai.” Er wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern machte sich auf den Weg, durch all die Labore, bis er schließlich vor dem Taelon stand.
„Ich bezweifle, dass Da'an bereits hier ist”, sagte Mit'gai kühl.
„Das ist er tatsächlich nicht”, sagte Ron, „Ich kam zum Schluss, dass es nützlich wäre, zu wissen, welche Substanz aus tausenden Da'an braucht.”
„Kehren Sie umgehend auf Ihren Posten zurück”, befahl der Taelon, wandte sich ab und widmete sich wieder seiner vorigen Beschäftigung.
Ron kehrte zu Lili zurück, die mit den Armen wedelnd durch die Halle lief, ohne bislang einen Datenstrom aufgespürt zu haben. „Mit'gai ist keine Hilfe”, sagte er, „Die Wahrscheinlichkeit, das Gegengift ohne ihn zu finden, ist leider gering.”
„Wie gering?”
„Zehn, fünfzehn Prozent - wenn wir die ganze Nacht suchen können, ohne von T'than zuvor bestraft zu werden.”
Lili sah ihn an. „Augur könnte vielleicht helfen.” Er nickte knapp, worauf sie ihr Global zückte und den Hacker anrief. „Augur, ich brauche deine Hilfe.”
„Ich kann gerade nicht, ich übersetze”, kam wenig freudig zurück.
„Augur, wir suchen das Gegengift für Liam”, sagte sie fest, „Kannst du uns ein Verzeichnis des Arzneilagers auf dem Mutterschiff auftreiben?”
„Oh, klar.” Einige Momente war es still, dann erklang: „Du hast es.”
„Danke.” Lili tippte eine Abfrage ein und machte dann ein sehr langes Gesicht.
„Was ist?”, fragte Ron.
„Laut Verzeichnis befindet sich das Gegengift zu Qiya'lai seit einigen Stunden nur mehr in einem hochgesicherten Arzneilager auf einem Planeten namens Qo'rag”, sagte sie, „Das ist aber das Verzeichnis direkt aus dem Speicher. Offenbar wird auf reguläre Anfragen eine ältere Version ausgeliefert.”
„T'than und Mit'gai täuschen also vor, das Gegengift wäre hier, während es fort ist”, verstand Ron.
„Fehlschlag also.”
Er schüttelte den Kopf. „Sehen Sie nach, wo das Gegengift vor ein paar Stunden war und wann das war.”
„Oh, natürlich.” Lili rief wieder Augur an.
„Was denn noch?”, beschwerte er sich.
„Augur, wie alt ist das alte Verzeichnis?”
„Das ist alles? Dreizehn Stunden.”
Ron nickte zufrieden. „Das genügt. Wir haben also zwei Stunden, das Gegengift zu holen, bevor T'than es wegbringen lässt.”
„Danke, Augur”, sagte Lili, dann atmete sie tief durch und tippte wieder eine Abfrage ein. „Hab es - hier.” Sie eilte durch die Halle und blieb vor dem elften Regal der dritten Reihe stehen, wo sie auf eine Kugel im vierten Fach zeigte.
Ron nahm die Kugel hoch und las die Schriftzeichen darunter. „Sie haben es wirklich wegbringen lassen”, stellte er fest, „das hier ist ein Zellgift, das auf irdische Tiere wirkt.”
„Aber wenn es vor dreizehn Stunden hier war, dann werden Sie es hier im nächsten Durchgang finden”, sagte Lili, „Wir können jetzt also hier verschwinden. Aber wie?”
Das war einfach. Ron meldete Mit'gai einfach, Da'an sei von Major Kincaid aufgespürt worden, worauf der Heiler die beiden Menschen ohne Widerspruch gehen ließ.

Öffentlich konnten sie sich natürlich nicht blicken lassen und Augur gingen sie auch lieber aus dem Weg, und dem schloss sich auch eine überaus genervte Melody an. Weder Lilis noch Rons Wohnung waren groß genug für vier schlafbedürftige Personen und Widerstandsverstecke waren nicht gerade überaus gemütlich, also lief es auf einen Strandausflug hinaus.
Ava kannte nicht nur die großen Touristenstrände auf den Seychellen, sondern auch kleine Strände auf kleinen, unbewohnten Inseln. Und da lag Ron dann im heißen Sand und ließ sich die Vorderseite braten, links neben ihm Ava, rechts Melody und Lili.
Was für eine Vorstellung ... ein in der Sonne bratender Taelon.
Etwas Kaltes streifte Rons linken Arm und der Implantant öffnete die Augen. Ava reichte ihm ein Glas Ananassaft frisch aus dem Kühlkoffer, er reichte diesen und noch einen weiteren nach rechts durch, den dritten behielt er und stieß mit Ava an.
„Zeitschleife”, sagte Melody nachdenklich - sie hatten es ihr gesagt. „Wie oft erlebten Sie diesen Tag bereits?”
„Das ist der vierte Durchgang.”
„Was ist bisher passiert?”
„Ich bin dreimal gestorben und wurde einmal gefoltert”, erzählte er, „Ava wurde einmal gefoltert, Liam ist zweimal, nun, jetzt dreimal gestorben.”
„So gefährlich erschien mir dieser Tag nicht. Zo'ors Befreiung verlief doch absolut unproblematisch.”
Er schüttelte den Kopf. „Die hat uns auch noch nie in Schwierigkeiten gebracht. T'than ist es, der uns Ärger macht. Er befahl den Mord an Zo'or und die Sondierung von Da'an - das allerdings erst nachdem ich Da'an der Fluchthilfe für Zo'or bezichtigt habe.”
„T'than?” Melody schien ehrlich verblüfft. „Seit wann kann der Da'an etwas antun?”
„Sagen Sie es mir, Melody, wie stehen T'than und Da'an zueinander?”
„Wären sie Menschen, wären sie verheiratet.”
„Dann sind sie jetzt wohl im Streit geschieden”, kam trocken von Lili.
Melody seufzte. „Vielleicht hat es etwas mit Zo'or zu tun”, überlegte sie, „Wer ist er? Er muss sehr jung sein, jünger als ich in Menschenform. Aber wie konnte er in so kurzer Zeit zum Synodenführer aufsteigen? Das erscheint mir sehr merkwürdig.”
„T'than hasst Zo'or, das ist unbestreitbar”, sagte Ron, „Da'an allerdings ... ich würde nicht so weit gehen, dass er Zo'or mag, aber er scheint ihm nicht übel zu wollen.”
„Vielleicht hat Zo'or T'than den, äh, Taelon ausgespannt”, kam von Lili.
„Aber Zo'or ist doch noch nicht einmal richtig erwachsen”, protestierte Melody, „Als Mensch wäre er vielleicht vierzehn.”
„Ein Teenager als Synodenführer”, sagte Ava grinsend, „Na so was.”
„Und der Anführer des Widerstandes”, brachte Ron sich wieder ein, „ist noch jünger.” Melody seufzte, leerte den Ananassaft und ließ sich rücklings in den Sand fallen. „Und Sie sind uralt, Melody”, ergänzte Ron, „Haben Sie irgendwelche Ratschläge für uns?”
„Nein.”
„So erfahren, wie Sie sind?”
„Fragen Sie sonst immer Greise um Rat?”
„Nein”, musste Ron zugeben.
„Dann tun Sie nicht so, als schätzten Sie meinen Rat - Sie schätzen nur mein Wissen.”
„Wie Sie meinen”, sagte er, leerte ebenfalls seinen Ananassaft und stand auf. „Wenn Ihnen doch noch etwas einfällt, was Sie mir unbedingt mitteilen wollen, wecken Sie mich, bevor der nächste Durchgang beginnt. Sie wissen ja, wann das ist. Gute Nacht.” Damit begab er sich zu einem der vier kleinen klimatisierten Zelte und kroch hinein.

 

Ende von Kapitel 8

 

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