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  „Blick übers Wasser” von Veria  (Emailadresse siehe Autorenseite),   April 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Liam, Ron und Ava besuchen Irland in der Vergangenheit. Nachdem sie mit einer Begleiterin in die Gegenwart zurückkehren, beauftragt T'than den Mord an Zo'or.
Zeitpunkt: vor 27 Jahren sowie in der Jetztzeit / nach „Blick ins Tal”
Charaktere:  Liam, Ron, Ava
 
Anmerkung:  Diese Geschichte wurde als Teil des Adventskalenders 2015 geschrieben.
 

 

BLICK ÜBERS WASSER

Kapitel 7

 

Ron fand sich knapp vor dem inaktiven Portal in einer Lagerhalle in Washington wieder - links neben ihm Melody und Ava, rechts Liam. Ava sank auf ihre Knie und atmete tief durch, ihre Arme zitterten.
„Ava?” Ron war sofort bei ihr und hielt sie an den Schultern fest.
„Es geht schon”, flüsterte sie, „es tut nicht mehr weh.”
Er half ihr hoch, legte seine Arme um sie und drückte sie fest an sich.

Liam betrat fröhlich grinsend Da'ans Räumlichkeiten in der Botschaft und formte den Taelongruß. „Guten Morgen, Da'an.”
„Major”, sagte der Taelon sanft und begleitet von einer überaus hübschen Handbewegung.
„Was kann ich heute für Sie tun?”
„T'than wünscht Ihre Anwesenheit auf dem Mutterschiff”, sagte Da'an, „Er befürchtet, dass Zo'or der Synode und besonders deren Ansehen bei den Menschen empfindlichen Schaden zugefügt hat und möchte auf Ihre Expertise bauen.”
„Ich bin leider kein Werbefachmann, aber ich werde natürlich sehen, was ich tun kann.”
„Ich danke Ihnen, Major.”
Liam wandte sich um und machte einige Schritte in Richtung des Weges zum Hangar der Botschaft, dann blieb er stehen und sah zum Taelon. „Da'an, ich kenne eine absolut vertrauenswürdige Werbefachfrau”, sagte er, „Ms. Melody Anderson könnte mit Sicherheit sehr hilfreich sein.”
Da'an begann eine hübsche Handbewegung, stoppte sie allerdings und sah den Kimera mit seinen taelonblauen Augen sehr durchdringend an. „Widerstand?”
„Keineswegs, Da'an, tatsächlich ist sie ein Taelon.”
Da'ans elegant gehaltene Hand folgte plötzlich der Schwerkraft. „Erklären Sie das, Major!”, verlangte er.
„Ma'el hat seine Energie mit einem Menschen verbunden und lebt nun bereits seit fast tausend Jahren als Mensch unter Menschen”, sagte Liam, „Ich habe Melody kürzlich auf einer Reise nach Irland getroffen.”
„Bitte sorgen Sie dafür, dass ich Ma'el treffen kann”, bat der Taelon.
„Wie Sie wünschen.”
„Ich danke Ihnen. Fliegen Sie zum Mutterschiff, Major.”
„Natürlich, Da'an.”

Sowie der Hybrid sein Shuttle aus dem Hangar gesteuert hatte, schüttelte er sein Global, bis es aufsprang, und sagte: „Lili.” Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Gesicht der dunkelhaarigen Pilotin auf dem kleinen Bildschirm erschien. „Hallo Lili, würden Sie bitte Melody zu Da'an in die Botschaft bringen?”
„Natürlich”, sagte sie, „Ist sie vom Widerstand?”
„Nicht in dem Sinne. Sie ist Ma'el in Menschenform.”
„Oh! Verstehe. Ich kümmere mich darum.”
Liam lächelte. „Danke, Lili.” Dann schob er sein Global zu und schob es in seine Jackentasche.
Nach einem kurzen Abstecher in die Interdimension kehrte das Shuttle in den normalen Raum zurück und Liam landete es im Hangar des Mutterschiffes, wo er dann ausstieg. Ronald erwartete ihn und begleitete ihn zur Brücke, wo Synodenführer in Vertretung T'than auf seinem Thron saß.
„Guten Morgen, T'than”, grüßte Liam.
„Sie kommen spät, Major”, sagte T'than schneidend und sah die beiden von oben herab an, „Ich wünsche, dass Zo'or terminiert wird. Der Beschluss wurde von der Synode gefasst und Sie werden ihn ausführen.”
„Die irdische Justiz wird auf das plötzliche Ableben des Delinquenten nicht positiv reagieren”, gab Ronald zu bedenken, „Es könnte das Ansehen der Synode weiter beschädigen.”
„Das wurde berücksichtigt. Mit'gai wird Ihnen ein langsam wirkendes Gift zur Verfügung stellen, es kann in die Belüftung der Justizanstalt eingebracht werden und wird auf Menschen keine Wirkung haben.” T'than machte eine wenig elegante, wedelnde Handbewegung und schloss: „Gehen Sie jetzt.”
„Natürlich, T'than”, nahm Liam Ronalds Worte vorweg und neigte knapp den Kopf, dann verließen beide die Brücke.
„Wie geht es Ihnen?”, fragte Ronald, „Sie sehen gesund aus.”
„Ich fühle mich auch gesund”, bestätigte Liam, „Scheint wohl wirklich nur eine, wenngleich üble, rein irdische Erkältung gewesen zu sein.” Er bog ab und fand sich im Reich des Taelonheilers wieder. Er und Ronald strafften sich und formten für Mit'gai den Taelongruß. Der Heiler ignorierte sie und bewegte völlig ungestört seine Finger durch die holographische Kontrolle eines medizinischen Gerätes.
„T'than bat uns, ein Zo'or zu verabreichendes Gift von Ihnen in Empfang zu nehmen”, sagte Ronald sogleich.
„Gedulden Sie sich, Agent Sandoval”, gab Mit'gai unzufrieden zurück.
Liam wechselte einen Blick mit Ronald, der sich deutlich merkbar ein sehr ausgiebiges Seufzen verkneifen musste. „Wie Sie wünschen, Mit'gai”, sagte der Implantant dann.
Das würde dauern ... zum dritten Mal jetzt.
Ronald und Liam warteten fast eine halbe Stunde, bis der Heiler sich endlich dazu herabließ, ihnen eine filigran aussehende blauviolett melierte Kugel zu überreichen, die eben jene halbe Stunde in einer kleinen Mulde auf der Ablage neben ihm gelegen war. Ohne Gruß scheuchte Mit'gai die Menschen dann hinaus und verschloss die Türmembrane hinter ihnen.

Entgegen T'thans Anweisung brachten sie das Gift nicht in das Gefängnis, in dem Zo'or untergebracht war, sondern in eine Abstellkammer im Widerstandsversteck unter der Kirche. Untersuchen mussten sie es nicht mehr, sie wussten bereits, worum es sich handelte. Im Hauptraum des Verstecks trafen sie Augur am Computer an. Der Duft von Curry beherrschte die Luft und aus der Küche erklang appetitliches Brutzeln, dem Ronald sofort folgte.
„Hallo, Augur”, sagte Liam, „Ruf bitte Haig und Wang, wir hauen Zo'or aus dem Gefängnis.”
Augur sprang auf. „Was?” Dann entspannte er sich. „Ah, Zeitschleife, Ava hat es schon gesagt.”
„Richtig, Zeitschleife.”
„Du könntest mich da auch mal mitmachen lassen.”
„Lieber Augur”, gab Liam zurück, „du würdest die Schleife doch nur dafür nutzen, die Aktienkurse vorherzusagen.”
„Ach ... und das ist schlimmer als eure Lotto-Vorhersage, ja?”
Der Kimera zog sein Grinsen bis über beide Ohren. „Ja. Und jetzt ruf bitte Haig und Wang.”
„Ja, schon gut ...” Der Hacker wandte sich dem Computer zu und rückte die bunte Brille zurecht.
Liam begab sich nun ebenfalls in die Küche, wo Ronald das Rühren übernommen hatte und Ava auf einem Stuhl saß und recht geschafft aussah - plötzlich begriff Liam. „Oh, Ava!”, sagte er besorgt, „Sie wurden gefoltert!”
„Nur zwei oder drei Minuten lang, dann war Reset”, sagte sie leise, „aber es war unvorstellbar schmerzhaft.”
„Sie hat es mir erspart”, ergänzte Ronald, „Bevor Lindsay bei mir wieder loslegen konnte, hat sie mich erschossen.”
„Und Lindsay auch”, sagte sie, „Ich dachte, es dauert dann ein bisschen, bis der nächste Folterknecht ankommt.” Liam runzelte die Stirn, Ava seufzte leise. „T'than hat es persönlich übernommen und sich nicht mit den niedrigen Stufen aufgehalten - vermutlich wäre ich mit Lindsay besser dran gewesen.”
Ronald hörte auf zu rühren und starrte sie an. „T'than selbst?”
Sie nickte.
„Der ist also auch, wie Zo'or, ein Selbermacher”, stellte er fest - dann stellte er fest, dass das Curry anzubrennen begann und rührte eilig weiter.
Liam seufzte ausgiebig. „Also sind wir womöglich vom Regen in die Traufe geraten”, sagte er, „Zo'or hat erst auf extensive Folter zurückgegriffen, als er in der Zeitschleife keinerlei Konsequenzen fürchtete.”
„Das ist ein unangenehmer Gedanke.”
„Nun, wir haben das Zeitportal und damit einen großen Vorteil - vielleicht werden wir T'than irgendwie los.” Er schnüffelte voll Vorfreude, als Ronald das Curry vom Herd nahm und in drei Teller umfüllte. „Wir könnten ihm irgendetwas anhängen ... Ideen?”
„Dass er Zo'or befreien will?”
„Also, wir befreien Zo'or und hängen das dann T'than an”, überlegte Liam, „Ich befürchte, das zieht nicht - T'than würde den schwarzen Peter recht problemlos Da'an zuschieben.”
„Das stimmt”, sagte Ronald, während er sich setzte.
„Besprechen wir das nachher mit Da'an und Melody ... und eventuell sogar mit Zo'or”, beschloss Liam, „Ich kann mir vorstellen, dass Zo'or da einige Ideen hat, auch wenn wir sie sicher nicht genau so ausführen werden, wie er es sich vorstellt.”
Der Implantant musterte ihn einige Momente lang. „In der Zeitschleife können wir das machen, richtig. Und Ideen hat der sicher reichlich.”
Liam griff nach der Gabel und nahm einen Bissen. „Das ist gut - ist das originale Seychellen-Küche?”
„Nein.” Ava schüttelte den Kopf und grinste. „Das ist nur einmal alles zusammengeworfen, was da ist, und noch ordentlich würzen.”
„Ah. Ist aber jedenfalls gut - nur verdammt heiß.” Er wischte sich die tränenden Augen trocken. „Und scharf ... uiuiui.”
„Eben - und noch ordentlich würzen”, wiederholte Ava.
„Ich merke es mir, bei Ihrer Kochkunst etwas vorsichtiger zu sein”, sagte er, dann stand er auf und holte sich ein großes Glas Wasser, um wann immer benötigt, kühle Linderung zu verschaffen.
„Bereits vor einiger Zeit hat Zo'or mich beauftragt, eine Möglichkeit zu erarbeiten, einen Häftling aus dem Sondergefängnis zu befreien”, ergriff Ronald das Wort, „Das ist mir gelungen.”
„Ja, mir auch”, sagte Liam.
„Wie?”
„Augur macht die äußeren Türen auf, dann kommt ein Manöver mit Verkleidung und wir gehen rein und sprengen die Zelle auf. Raus dann per Portal, weil ich mir Zo'or nicht rennend vorstellen kann.”
„Ah”, machte Ronald, „Mein Plan ist sehr viel technischer - unter anderem muss durch ein Bohrloch ein komprimiertes Portal rein geschossen werden.”
„Kennt Zo'or ihn?”, fragte Ava. Er nickte. „Dann sollten wir Liams Plan nehmen, damit Zo'or nicht gleich vermutet, du würdest ihn raushauen.”
„Ja, guter Gedanke.
Es folgte allgemeines Schweigen, sie konzentrierten sich auf die Mahlzeit - Liam holte sich dabei zweimal ein neues Glas Wasser, weil ihm das Curry doch deutlich zu scharf war. Ava hatte, natürlich, kein Problem und auch Ronald schien scharfes Essen durchaus gewöhnt zu sein.
Schlussendlich räumte Liam die leeren Teller weg und verschwand im Bad, wo er sich das überhitzte Gesicht wusch. Als er zurück kam, standen schon vier Tassen Kaffee bereit - Augur wollte auch eine.
„Haig ist schon auf seinem Beobachtungsposten, Wang bringt die Ausrüstung hin”, sagte der Hacker, „ich habe gesagt, die Befreiung steigt in drei Stunden.”
„Passt”, sagte Liam und nahm einen großen Schluck Kaffee, den er dann fast wieder ausspie. „Kriege ich etwa schon wieder so einen Mörderschnupfen?”, rief er ärgerlich, „Das ist ja wohl die Höhe! Diesmal bin ich nicht mit nassen Haaren aus dem Haus!”
Ronald streckte seine Hand aus und legte sie dem Kimera auf die glühende Stirn. „Fieber”, stellte er fest, „Sie sollten in Betracht ziehen, dass es möglicherweise doch am Qiya'lai liegt.”
„Unsinn - mit dem Reset ging es mir ja wieder gut.”
„Das stimmt allerdings”, gab Ronald zu, „Schließen Sie Qiya'lai dennoch nicht einfach aus.”
„Ich werde jetzt ein paar Medikamente einwerfen”, beschloss Liam, „und ganz heiß duschen und nachher föhnen, damit ich nicht mit nassen Haaren raus muss.”
„Tun Sie das - ich kümmere mich um die Vorbereitungen für die Befreiung.”
Liam nickte knapp, dann begab er sich ins Gästezimmer und von dort ins Gästebad. Im Medizinschränkchen fand er eine Schachtel eines entzündungshemmenden Medikaments, wovon er gleich eine Tablette schluckte, dann legte er Föhn und Handtücher bereit, zog sich aus und stellte sich unter die sehr heiße Dusche.
Das war doch lebenswert, so eine richtig schöne, richtig heiße Dusche.
Er machte die Augen zu und ließ das Wasser einfach auf allen Seiten über seinen Körper rinnen, dass nirgendwo mehr ein kühler Luftzug an ihn heran kam.

Frischgeföhnt und gut in warme Kleidung eingepackt begab sich Liam wieder in den Hauptraum, wo er neben Ronald, Ava und Augur auch Lili und Melody antraf - und Da'an.
„Ähm ... Ronald?”, fragte er.
Der Implantant hob den Blick, folgte kurz Liams zu Da'an und sagte dann: „Sie haben es gestattet - erinnern Sie sich nicht?”
Darauf verwies Ronald tatsächlich? Liam erinnerte sich zwar, aber er wusste genau, dass im vorigen Durchgang vor allem das Fieber aus ihm gesprochen hatte - und der Implantant wusste das ebenso. „Oh, ja, richtig”, sagte Liam aber, „Kein Problem.” Er trat näher und setzte sich zu den anderen um den Sofatisch. „Wie ist der Status?”
„Augur hat den Plan erklärt, Melody hat angeboten, sich zu beteiligen”, sagte Ronald, „Ich meine, sie wäre durchaus hilfreich.”
„Welchen Teil würdest du übernehmen wollen, Melody?”
„Position zwei.”
„Lili?”
„Sie würde meine Position nicht komplett übernehmen”, korrigierte die Pilotin, „sondern wir würden sie uns teilen.”
„Also gut, in Ordnung.” Liam nickte. „Ronald, wir beide sind dann auf Position eins, Wang und Haig machen wie gehabt Position drei, Ava und Augur Position vier.”
„Passt”, sagte Augur.
Da'an sah Liam mit seinen taelonblauen Augen an. „Weshalb tun Sie das, Liam?”, fragte er.
„Zo'or befreien?” Der Kimera atmete tief durch. „T'than beauftragte mich, ihn zu töten”, sagte er, „Das geht mir dann doch zu weit - und der Auftrag wird früher oder später an beispielsweise Lindsay gehen, der diesbezüglich keinerlei Skrupel hat, also muss Zo'or da weg und untertauchen.”
„Ich verstehe. Ich danke Ihnen, Liam.”
Liam sah auf die Uhr. „Es wird langsam Zeit. Lili, Sie müssen ja noch Da'an zurück in die Botschaft ...”
„Marble Hall”, widersprach Lili, „wo wir dann auch Zo'or unterbringen werden.”
„Auch gut.” Liam nickte und stand auf, dann kam Bewegung in die ganze Gruppe.

Ron duckte sich hinter dem Gebüsch und spähte zum Eingang des Gefängnisses. Auf dem Flug hatte er Liam noch das weitergehende Märchen für die Taelons erklärt und ihm auch kurz Augurs gefälschte Daten gezeigt. Zunächst musste nun aber natürlich Zo'or befreit werden - die Eingangstür des Wachgebäudes des Gefängnisses öffnete sich soeben. Der schwarz vermummte Implantant sprang auf, neben ihm auch Liam, gegenüber hinter einem weiteren Gebüsch Lili und Melody, jeweils ebenfalls vermummt. Alle vier schossen sie je eine Wache nieder, wobei weder Shaqarava noch Skrill zum Einsatz kamen, dann eilten Ron und Liam durch den Eingang.
Aus dem Augenwinkel sah Ron Ava, Wang und Haig heran huschen - die drei und auch Augur waren mit falschen Identitäten bereits seit fast 20 Minuten im Wachgebäude und hatten hier alles unter Kontrolle gebracht. Dass Augur fehlte, deutete allerdings auf gewisse technische Schwierigkeiten hin, die noch gelöst werden mussten.
Und dabei kamen die großen Schwierigkeiten noch: Die Eindringlinge mussten über den offenen Platz zwischen Wachgebäude und eigentlichem Gefängnis. Vermummt und huschend war das unmöglich, denn drüben waren natürlich auch Wachen. Darum brauchte es Ava, Wang und Haig, die sich, gekleidet wie Gefängniswachen, hier frei bewegen konnten.
Liam und Ron stopften ihre schwarzen Schimützen hinten in den Kragen, zogen orange Gefängniskluft über und hielten die Hände mit den Waffen versteckt auf dem Rücken, zur Vermeidung der Gesichtserkennung trugen sie beide überaus wirre Langhaarperücken.
Ron war sich absolut sicher, dass er überaus lächerlich aussah, aber die Strategie entpuppte sich als wirksam. Sie kamen unbehelligt bei der Sicherheitsschleuse im Gefängnisgebäude an, wo die Fingerabdrücke der drei angeblichen Wachen abgesegnet wurden.
Danach schossen die drei angeblichen Wachen und die beiden angeblichen Gefangenen die echten Wachen nieder - um Kameras mussten sie sich dank Augur überhaupt keine Sorgen machen.
Ron schälte sich aus seiner orangen Schale und der fürchterlichen Perücke und vermummte sich wieder, Liam tat es ihm gleich. Ava überreichte dem Implantanten noch die kleine Ausrüstungstasche, die bisher hinten an ihrem Gürtel befestigt gewesen war. Nur die beiden Vermummten machten sich dann auf den Weg zu Zo'ors Zelle, deren Tür sich mit dem richtigen, explosiven Werkzeug leicht öffnen ließ - danach war ein entfaltbares Portal massiv dabei behilflich, den Taelon und seine beiden Befreier in die Marble Hall zu bringen.
Marble Hall war ein unpassender Name. Der Raum war eher klein und die Wände mit Spanplatten verkleidet.
Da'an nahm Zo'or lächelnd und mit überaus sanften Handbewegungen in Empfang, dann sah er zu den Vermummten. „Ich danke für Ihre Hilfe”, sagte er, „lassen Sie uns jetzt bitte allein.”
„Es tut mir leid, Da'an, aber nein”, sagte Liam und nahm seine Schimütze ab.
„Major Kincaid, Ihr Widerspruch ist unakzeptabel”, fuhr Zo'or ihn an.
Ron nahm seine Schimütze ebenfalls ab. „Zo'or, Sie sind hier nicht, weil die Synode Ihre Befreiung angeordnet hätte”, sagte er, „T'than befahl uns Ihre Ermordung.”
„Also”, sagte Zo'or zugleich eisig und auffordernd, „ermorden Sie mich!”
„Nein.”
Der Taelon wirkte äußerst verblüfft.
„Von einigen Seiten wurden wir darauf aufmerksam gemacht, wie schädlich T'thans Verhalten für die Taelons und die Menschen ist”, sagte Liam, „Es fanden sich auch starke Indizien, dass tatsächlich er veranlasst hat, dass Washington im Zielspeicher war.”
„Um Sie loszuwerden, Zo'or, vermuten wir”, fuhr Ron fort.
Der Taelon war noch verblüffter als zuvor, aber er kam mit einer äußerst energischen Handbewegung darüber hinweg und sagte: „Das erscheint naheliegend, Agent, Major. Was schlagen Sie vor?”
„Etwas gegen T'than zu unternehmen”, sagte der Implantant, Liam nickte dazu. „Ich schlage vor ...”
Der Kimera nieste. „Entschuldigung, es war kalt beim Gefängnis.”
„Ich schlage vor”, wiederholte Ron, „T'thans Absichten, inklusive Mordauftrag, öffentlich zu machen, dann wird bereits die öffentliche Meinung schnell umschwenken.” Er legte die Hände auf den Rücken und straffte sich. „Die nötigen Daten, auch die Aufzeichnung seines Befehls an uns, sind bereit.”
Zo'or musterte ihn mit durchdringendem Blick. „Ich verstehe.”
„Allein die öffentliche Meinung wird allerdings nicht genügen”, ergriff Liam das Wort, „T'than muss von seiner Machtbasis auf dem Mutterschiff getrennt werden.”
„Töten Sie ihn”, schlug der Taelon vor.
„Davon rate ich ab”, widersprach Ron, „Zu diesem Zeitpunkt erschiene sein Tod als das Opfer eines Sündenbocks, und der Verdacht, Washington als Ziel eingestellt zu haben, würde wieder auf Sie fallen.”
„Das wäre nicht ratsam”, brachte sich Da'an ein, „Ich stimme Agent Sandoval und Major Kincaid darin zu, dass T'thans Entmachtung ohne seinen Tod vonstatten gehen muss.” Liam nieste wieder. „Major, geht es Ihnen nicht gut?”, fragte der Taelon.
„Es ist nichts Ernstes”, sagte der Kimera - und nieste prompt wieder.
„T'thans Macht basiert auf seinen Erfolgen als Kriegsminister”, sagte Zo'or eisig, „Ihnen als Menschen wird keinesfalls möglich sein, ihm eine entsprechende Niederlage beizubringen, die zumal natürlich auch dem Kriegsverlauf nicht schaden darf.”
Liam nieste, zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und schnäuzte gründlich. Dann zog er aus der anderen Hosentasche eine Tablettenpackung und warf sich eine Tablette ein.
„Liam, sind Sie sicher, dass es nichts Ernstes ist?”, fragte Ron leise.
„Immerhin liege ich nicht flach, oder?”
Das stimmte allerdings: Zu dieser Zeit im letzten Durchgang war Liam bereits blass und mit geröteten Augen und besonders auch recht schwer von Begriff gewesen. Hier und jetzt allerdings wirkte er im Grunde normal, abgesehen von der etwas geräuschvolleren Atmung.
Da'an musterte den Kimera dennoch besorgt.
„Wenn genügend Mitglieder der Synode sich gegen T'than stellen, wird ein anderer seine Stelle einnehmen können”, ergriff Zo'or wieder das Wort, „Das ist äußerst unwahrscheinlich, ist aber die einzige Möglichkeit.”
Liam runzelte die Stirn. „Wer immer sich gegen T'than stellt, wird Mit'gai auf seiner Seite haben, sofern er selbst mächtig genug ist. Zo'or, wen schätzen Sie als den, abgesehen von T'than, mächtigsten Taelon ein?”
Zo'or sah ihn abschätzig an. „R'am selbstverständlich.”
So selbstverständlich fand Ron das nicht. R'am war zwar als lateinamerikanischer Companion nicht gerade unwichtig, hatte aber auf dem Mutterschiff nie eine merkbare Rolle gespielt.
„Wir müssen herausfinden, wo R'am steht”, stellte Liam fest, „Wartet er ab? Plant er bereits etwas? Oder ist ihm T'than als Synodenführer in Vertretung ganz recht?”
„Das sollte sich herausfinden lassen”, sagte Ron.
„Ja. Heute noch?”
„Warum nicht? Wenn es Ihnen gut geht.”
„Es geht mir gut”, bestätigte Liam.
„Gut, dann kommen Sie.” Ron wandte sich um zum Portal und stellte sich hinein. Auf dem Tastenfeld stellte er das Ziel ein - und zusätzlich noch eine verzögerte Überladung. Liam stellte sich zu ihm, einen Moment später standen sie in Augurs Versteck.
„Sie haben Da'an und Zo'or zusammen eingesperrt”, stellte der Kimera fest.
Ron zuckte mit den Schultern. „Dieser Durchgang ist ohnehin bald vorbei.” Er begab sich ins Gästezimmer, wo er seinen Anzug zurückgelassen hatte, und zog diesen an, dann kehrte er in den Hauptraum zurück. Danach verschwand Liam ins Gästezimmer und kam wenig später ebenfalls umgezogen zurück - und nieste.
Aber solange er nur nieste war es wirklich nicht so schlimm.

Es war für zwei Companionbeschützer kein Problem, recht zeitnah zu einer Audienz bei einem Taelon zu kommen. Nachteilig äußerte sich dabei allerdings, dass auch R'ams Beschützer Teniente Coronel Arias anwesend war und dem Gespräch definitiv von Anfang bis Ende beiwohnen würde.
Außerhalb einer Zeitschleife wäre aber ohnehin schon das Gespräch selbst viel zu riskant.
Ron erklärte R'am den falschen Sachverhalt ebenso wie zuvor Zo'or - dass T'than an allem Schuld war und sein Verhalten Taelons und Menschen gleichermaßen gefährdete. Liam beteiligte sich am Gespräch nur wenig und schien hauptsächlich damit beschäftigt, weiteres Niesen zu unterdrücken.
Vielleicht hätte Ron allein herkommen sollen - andererseits wäre es nicht schlecht, wenn nicht nur er allein sich daran erinnern würde.
R'am wartete geduldig ab, bis der Implantant fertig war, dann sah er zu seinem Beschützer und machte eine hübsche Handbewegung. „Teniente Coronel, sagen Sie alle Termine der nächsten Tage ab.”
Arias nickte knapp und begab sich abseits, um an seinem Global zu arbeiten, er verließ den Raum aber nicht.
„Ihr Verdacht erregt Besorgnis”, sagte der Taelon dann, „doch noch ist es nur ein Verdacht.”
„Dem ist nicht so, R'am”, widersprach Ron, „Die Indizien sind sehr stark.”
R'ams Blick kühlte ab. „Übermitteln Sie sie Teniente Coronel Arias!”, verlangte er.
„Wie Sie wünschen, R'am”, sagte Ron, zückte sein Global und tat, wie befohlen. Augurs Fälschungen waren ohnehin bei weitem gut genug, um der Prüfung durch einen Implantanten standzuhalten.
„Wünschen Sie, dass ich die Daten sofort ansehe, R'am?”, fragte Arias.
R'am machte eine hübsche Handbewegung. „Ja.”
„Sehr wohl.” Damit widmete sich der Implantant zweifellos gleich Augurs Fälschungen.
Ron straffte sich und wartete, was R'am für Liam und ihn beschließen würde. Allerdings wartete er nicht.
„R'am! Die Annahme ist sehr plausibel”, meldete Arias bereits jetzt, „Die Daten legen durchaus auch nahe, dass T'than plant, weitere Synodenmitglieder zu diskreditieren.”
So? Da hatte Augur aber etwas vorausgegriffen - aber umso besser.
Kurz schien durch die Haut des Taelons das Blau seiner Energie hindurch, dann stand er von seinem violetten Thron auf und kam einige Schritte auf Ron und Liam zu. „Ihre Warnung wird berücksichtigt”, sagte er, „Erklären Sie sich bereit, gegen T'than vorzugehen?”
„Ja, R'am”, sagte jetzt Liam, „bedauerlicherweise fehlen uns Informationen zu taelonischer Politik, um das erfolgreich zu tun.”
„Ihre Unwissenheit ist zweifellos beachtlich”, stimmte der Taelon zu, „Ich werde Sie unterstützen.” Er schlenderte durch einen Durchgang, Arias folgte ihm und winkte Liam und Ron, ihn zu begleiten, was Ron auch sogleich tat.
Einen Moment später hörte er hinter sich einen Aufprall und wandte sich verdutzt um - Liam lag auf dem Boden. Sofort eilte Ron zu ihm und half ihm in zumindest sitzende Position. „Geht es?”
„Schwindelig, aber geht. Ich hab den Türstock mitgenommen.” Der Kimera lehnte sich mit dem Rücken an die violette Wand der lateinamerikanischen Botschaft und atmete tief durch.
Und nieste - wobei für einen Augenblick helles grünes Licht durch seine Haut strahlte.
„Geht schon wieder”, sagte er dann.
Das bezweifelte Ron, denn R'am starrte Liam überaus entsetzt an und wich vor ihm sogar zurück - und Arias war mit glühendem Skrill bereit, den Taelon zu verteidigen. Ron gesellte sich eilig dazu, wobei er vielmehr bereit war, Liam zu verteidigen.
„Er ist Kimera!”, rief R'am, „Töten Sie ihn!”
Arias setzte an, diesem Befehl umgehend Folge zu leisten, worauf Ron ihm kurzerhand in den Skrillarm schoss - schneller, als Liam sich mit seinem Shaqarava wehren konnte, aber sichtbar war es kurz gewesen. R'ams Haut löste sich auf, seine Energie flackerte beinahe panisch.
„Ist es Ihre Absicht, mich zu töten?”, fragte der Taelon mit fast zittrig zu nennender Stimme.
Ron musste lachen. „Unsinn - und hauen Sie schon ab.”
R'am sah ihn einen Moment lang konsterniert an, dann nahm er die Beine in die Hand und rannte, wie Ron noch nie einen Taelon rennen hatte sehen.
Arias, der seinen zweifellos übel schmerzenden Arm mit der linken Hand hielt, bewegte sich zwischen den fliehenden Taelon und Ron - aber dieser hatte wirklich nicht die Absicht, R'am etwas anzutun, ebenso wenig wie Liam, der seine Hände schon wieder sinken hatte lassen. „Was haben Sie vor, Sandoval, Kincaid?”, fauchte Arias.
„Herausfinden, was mit Liam los ist”, sagte Ron.
Prompt nieste Liam und flackerte dabei wieder hellgrün auf. „Gute Idee. Das ist kein normaler Schnupfen.”
„Ich befürchte Qiya'lai, Liam - Sie waren dem offensichtlich doch ausgesetzt.”
„Ich kann es mir aber überhaupt nicht erklären. Die Kugel war die ganze Zeit zu!”
Ron runzelte die Stirn. „Vielleicht nicht? Womöglich war sie undicht.” Das wäre wohl auch eine bessere Erklärung, als dass die Auswirkungen dieses Giftes über mehrere Durchgänge bestehen bleiben konnten, wo ja selbst der Tod nicht endgültig war - und es Liam zu Beginn jedes Durchganges jeweils gut gegangen war. „Die nächste Kugel hole ich allein”, beschloss Ron.
„Gute Idee - ich denke ... ich melde mich krank.” Der Kimera nieste, flackerte und wischte sich mit dem Handrücken über die Oberlippe - die nun auch blutig war.
Arias hatte inzwischen den Durchgang, durch den R'am gelaufen war, erreicht und rannte jetzt ebenfalls los. Ron war es gleich.
„Die werden bald kommen und uns kassieren”, stellte Liam fest, „und es sind noch acht Stunden. Wetten, Mit'gai wird mich implantieren?”
„Wetten, er wird Sie stattdessen sezieren?”, gab Ron zurück.
Niesen, samt flackern, und dann: „Stimmt. Was tun wir?”
„Ich fürchte, es läuft darauf hinaus, dass ich Sie erschießen werden muss.”
„Oder wir kommen hier irgendwie raus - was ist mit dem Portal?”
Ron sprang auf und lief in den Audienzsaal, wo das Portal stand - es war allerdings bereits deaktiviert, alle Eingabefelder waren dunkel, ebenso die Streben. Er kehrte zu Liam zurück und schüttelte den Kopf. „Das Portal ist kein Ausweg”, sagte er, „und die Eingänge sind mit Sicherheit ebenfalls bereits verschlossen.”
Liam antwortete nicht, sondern kippte seitwärts um.
„Liam?”

Ron kniete bei ihm nieder und tastete über die fieberheiße Stirn und die nasskalten Wangen. Jegliche Farbe war aus dem Gesicht des Kimera verschwunden - und an der Halsschlagader war kein Puls zu spüren.
Wie konnte das so schnell gehen? Nur Minuten zuvor war Liam noch gestanden und hatte nur mit seinem Niesreiz gekämpft.
Ron tastete mit der gesamten Handbreite, doch auch so fühlte er keinen Puls, und schon brach das hellgrüne Licht durch Liams Haut und Kleidung und als das Licht verschwand, war nicht einmal die Kleidung mehr da und Rons Hand schmerzte höllisch - er betrachtete sie und stellte fest, dass sie großflächig verbrannt war.
Immerhin hatte er seinen Sohn nicht erschießen müssen - schon zwei Durchgänge früher war ihm das äußerst schwer gefallen.
Ron richtete sich auf, als die Freiwilligen und Teniente Coronel Arias in den Raum stürmten - letzterer wegen des verletzten Skrillarmes ebenfalls mit einer Dienstwaffe. Es stand nicht zur Debatte, sich einfangen zu lassen - und die Dienstwaffen konnten auf einen Betäubungsmodus eingestellt werden - also setzte Ron sich den Skrill an den Kopf und schoss sich selbigen kurzerhand weg.
Der Schmerz war beachtlich, aber nur äußerst kurz.

 

Ende von Kapitel 7

 

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