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  „Freundschaft” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Dezember 2004
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Da'an und Liam können den taelonischen Code knacken. Doch ihre Zeit wird immer knapper.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, zwischen „Liebe deinen Feind” und „Die Agentin”
Charaktere:  Da'an, Liam
 

 

FREUNDSCHAFT

Kapitel 22

 

Liam war an seine Konsole zurückgekehrt. Sowohl er als auch Da'an waren davon überzeugt, dass die graphischen Zeichnungen eine wichtige Rolle spielten - spielen mussten, denn soviel Möglichkeiten mehr standen ihnen nicht zur Verfügung. So kamen sie also überein, sich besonders darauf zu konzentrieren. Der Taelon machte darüber hinaus noch den Vorschlag, dass zunächst jeder für sich arbeiten sollte. „Das Ziel ist immer noch die Gemeinsamkeit, aber wir verdoppeln unsere Erfolgsquote, wenn jeder seine eigenen Fähigkeiten als Grundlage verwendet.” Liam hatte nichts dagegen. Tatsächlich war er sogar froh, dass er nicht mehr so dicht bei Da'an stehen musste. Seitdem seine eigene Kimeraenergie aktiviert worden war, spürte er eine starke Anziehungskraft von seinem Companion ausgehen, aber es wäre ihm viel zu peinlich gewesen, darüber zu sprechen, obwohl es vermutlich eine einfache Erklärung gab - schließlich war Da'an ein Energiewesen und er hatte seine, Liams, Energie aktiviert. Aber irgendwie wollte Liam im Moment gar nicht so genau wissen, was es mit diesen seltsamen Empfindungen auf sich hatte. Also versuchte er, es zu verdrängen und vermied es auch, die Aura seines Körpers zu beobachten - jedoch nur mit mäßigem Erfolg.

Aber auch Da'an war alles andere als bei der Sache, obwohl er vorgab, sich sehr intensiv mit den technischen Details des tachyonischen Antriebs zu beschäftigen. Seine Gedanken schweiften immer wieder vom Zentrum seiner Aufmerksamkeit ab und richtete sich nach innen, suchend, forschend, der Quelle seines Unbehagens auf der Spur. Seine energetische Harmonie war außer Takt geraten, etwas, dass ihn unter anderen Umständen sofort veranlasst hätte, einen Heiler aufzusuchen. War die Disharmonie nur die Folge der Anspannung, unter der er stand oder ein erstes Anzeichen einer ernstzunehmenden Schädigung? Und welche Gefahr konnte sich daraus ergeben? Der Taelon verspürte eine wachsende Unsicherheit, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Er war ein Diplomat, kein Wissenschaftler. Der einzigen Quelle, die ihm in solchen Situationen Zuspruch und Unterstützung gewähren konnte, musste er sich verschließen, solange, bis er sicher sein konnte, dass die Darlegung der Existenz dieser Station keine negativen Auswirkungen innerhalb des Gemeinwesens verursachte. Was aber, wenn sich sein eigener Zustand verschlechterte und er irgendwann nicht mehr in der Lage war, objektiv zu entscheiden? Das Wohl des Kollektivs musste unter allen Umständen gewahrt werden. „Liam”, sagte er, einen Entschluss fassend, „sollte mir etwas zustoßen ... etwas, das mich handlungsunfähig macht, müssen Sie die Synode über diese Station in Kenntnis setzen.”

Liam sah ihn nicht wenig überrascht an. „Wie kommen Sie so plötzlich darauf, dass Ihnen etwas zustoßen könnte? Gibt es etwas, was Sie mir bisher verschwiegen haben und das ich besser wissen sollte?”

„Nein. Es ist alles in Ordnung”, versicherte ihm Da'an. „Mir gingen gerade nur einige Dinge durch den Kopf. Die Datenbanken dieser Station enthalten einen wissenschaftlichen Fundus, der für die Taelons sehr wichtig ist. Deshalb muss die Synode darüber informiert werden, auch und vor allem dann, sollte ich selbst dazu nicht in der Lage sein.”

Liam wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Die Synode war wohl so ziemlich das Letzte, was ihm in einen solchen Fall in den Sinn käme. Selbst wenn die Station keinerlei Datenbanken besäße, so würde er sie zunächst erst einmal den Menschen zur Verfügung stellen, bevor er die Taelons darüber informierte. Doch das wusste Da'an. Warum also wies er seinen Beschützer auf etwas hin, das im Grunde nur zum Gegenteil dessen führte, was er eigentlich beabsichtigte?

Es sei denn...

... genau darin läge seine Absicht.

Wenn Da'an etwas zustieß, würde T'than endgültig die Führung der Taelongemeinschaft übernehmen. Es gab dann praktisch niemanden mehr, der sich ihm in den Weg stellen konnte. Zumindest kannte Liam niemanden innerhalb der Synode, der ebenfalls einen Anspruch erheben könnte. Und sollte es doch jemanden geben, so würde T'than es zu verhindern wissen, dass ein anderer den von ihm angestrebten Platz einnahm. Vielleicht war es genau das, was Da'an beunruhigte und ihn zu dem etwas ungewöhnlichen Verhalten veranlasste.
T'than besaß einen gänzlich anderen Führungsstil als Zo'or. Er hatte zudem deutlich gemacht, dass er die bisherige Vorgehensweise für ineffektiv, ja sogar ausgesprochen selbstzerstörerisch hielt. Deshalb würde seine erste Amtshandlung vermutlich auch darauf hinauslaufen, sie entsprechend zu ändern. Für die Menschen konnte das zweierlei bedeuten: Entweder verließen die Taelons die Erde und hinterließen überall dort ein Chaos, wo irdische Computersysteme mit Taelon-Technologie verbunden waren - und das betraf den größten Teil der weltweiten Infrastruktur - oder aber sie zeigten ihr wahres Gesicht als skrupellose Kriegstreiber und versklavten die Menschen, um ihren Kampf gegen die Jaridians voranzutreiben. Beides waren keine schönen Aussichten.
Liam wusste nicht, wie T'than Ma'el gegenüberstand. Da dessen Aufzeichnungen, wie Da'an es immer wieder behauptete, lediglich dazu dienten, das Verständnis zwischen Menschen und Taelons zu verbessern, würde der neue Führer der Synode nicht zögern, diese Station hier, die sich seit mehr als 2000 Jahren im Orbit der Erde befand, zu zerstören.
Was aber, wenn Ma'el doch mehr als nur ein paar frühgeschichtliche Aufzeichnungen gesammelt hatte - von dem tachyonischen Raumschiff mal ganz abgesehen... Da'an konnte nicht riskieren, sie zu verlieren. Er musste also jemanden für den Notfall auswählen, der ihm in dieser Hinsicht Sicherheit versprach. Liam gab es nicht gern zu, aber er war für seinen Companion die beste Garantie. Da'an wusste genau, dass er, Liam, das Leben höher bewertete als alles andere und dass er nicht tatenlos zusehen würde, wenn lebenswichtige Informationen den Taelons vorenthalten wurden.

„Sie brauchen sich wirklich keine Gedanken machen, Liam.”

Liam sah den Taelon jetzt bewusst an und begriff, dass er diesen eine ganze Weile stumm angestarrt hatte. Rasch wandte er sich wieder seiner Konsole zu. Da'ans Worte gingen ihm jedoch nicht aus dem Sinn. Er versuchte die möglichen Konsequenzen für sich abzuschätzen. Bisher war es ihnen nicht gelungen, die Kontrolle über den Hauptcomputer zu erlangen - obwohl sie zu zweit waren! Wie - bitte schön! - sollte es ihm dann allein gelingen? Und vor allem: was war das, was Da'an zustoßen konnte? Und wieso bedeutete es keine Gefahr für seinen Beschützer? Oder war es etwas, womit er besser zurechtkam als ein Taelon? Wer sagte überhaupt, dass er diese ominöse Gefahr richtig einschätzte?
Liam wollte Klarheit haben. In ihrer jetzigen Situation hatten sie schon genug Probleme. Da musste sie sich nicht noch zusätzlich welche aufhalsen.

Neben Da'ans seltsamen Andeutung gab es aber noch etwas, das den jungen Beschützer die ganze Zeit über unterschwellig beschäftigt hatte und sich jetzt wieder in Erinnerung rief. Er hatte das Wissen um die Existenz von Ma'els Schiff seinem Companion vorenthalten. Auch wenn sie inzwischen auf weit mehr gestoßen waren und dies allein dem besonderen Umstand ihres Aufeinandertreffens zu verdanken hatten, so konnte er nicht davon ausgehen, dass Da'an diesen Vertrauensbruch so einfach abtat. Bei einem Menschen konnte man das schon eher erwarten, schon allein deshalb, weil es wenig Sinn machte, Kraft und Zeit für etwas aufzuwenden, das angesichts der neuen Entdeckung belanglos war. Mit einem Vertrauensbruch konnte man sich schließlich auch noch später befassen, wenn er wieder relevant wurde oder sich ein Nutzen daraus ziehen ließ. Doch wer vermochte schon zu sagen, was in einem Taelon vor sich ging.

Liam spürte, wie verunsichert er mittlerweile war, weil Da'an nicht mehr länger die Position eines Freundes und Mentors einnahm, sondern manchmal auch die eines Feindes. Es gefiel ihm nicht, dass er gezwungen war, die Handlungen seines Companions zu hinterfragen. Einem Menschen, der sich schützend vor einen Taelon stelle, könne er nicht vertrauen, hatte ihm Jonathan Doors seinerzeit vorgeworfen. Es sei nicht möglich, mit dem Feind zu kooperieren, denn irgendwann würde man in einen Zwiespalt geraten und nicht mehr objektiv entscheiden können. Bei dem Versuch, beiden Seiten gerecht zu werden, würde man sich immer mehr in eine ausweglose Situation hineinmanövrieren. Damals hatte Liam dem Milliardär und ehemaligen Anführer des Widerstandes Ignoranz und Unfähigkeit vorgeworfen, aber inzwischen hatte er begriffen, dass Doors Einwände gar nicht so unberechtigt waren. Sowohl Liam als auch Da'an standen auf unterschiedlichen Seiten und vertraten unterschiedliche Ansichten. Was sie verband, war der Wunsch nach einer friedlichen Lösung, die beiden Völkern gerecht wurde. Darüber hinaus verspürte Liam eine weitere Verbundenheit, der er sich erst heute zum ersten Mal wirklich bewusst geworden war - die Verbundenheit zu einem Energiewesen.

Liam trat entschlossen vor seinen Companion. „Ich möchte wissen, was Sie auf dieser Station bedroht”, sagte er.

„Eine Frequenzverschiebung”, antwortete Da'an.

Keine Ausflüchte. Kein vorsichtiges Herumlancieren. Liam sah ihn perplex an, denn mit dieser Antwort hatte er wirklich nicht gerechnet. Er hatte sich auf einen verbalen Kampf eingestellt und sich vorgenommen, den Taelon solange zu bearbeiten, bis er mit der Wahrheit herausrückte oder zumindest soviel preisgab, dass er sich einen Reim darauf machen konnte. Sollte das Unmögliche geschehen sein, dass Da'an die Zusammenarbeit wirklich ernst nahm? Oder war die Gefahr am Ende doch viel größer?

Tatsächlich hatte sich Da'an auch einige Gedanken gemacht und war zum Schluss gekommen, dass er seinem Beschützer keinen guten Dienst erwies, wenn er ihn unvorbereitet ließ. In einer Notfallsituation musste dieser rasch und effektiv handeln. Er durfte seine Zeit nicht damit vergeuden, dass er nach der Ursache für den Zusammenbruch seines Companions forschte oder gar die Rettung seines Companions vor die eigene Sicherheit stellte.

Da'an wählte einfache Worte, als er Liam von seinen Beobachtungen berichtete, und ebenso hielt er seine Erklärung sehr kurz. Es war ihm wichtig, dass ihn sein Beschützer verstand und nicht durch zu viele Details abgelenkt wurde.

„Frequenzverschiebung”, wiederholte Liam bedächtig, nachdem der Taelon schwieg. Er ließ dieses Wort in seinem Geiste nachklingen, immer wieder. „Und Sie meinen, es könnte tatsächlich für Sie zu einer Gefahr werden?” fragte er nach, um ganz sicher zu gehen.

„Um es korrekt zu benennen, muss ich sagen: Ich kann es nicht ausschließen”, sagte Da'an, „aber erst genaue wissenschaftliche Untersuchungen könnten Aufschluss darüber geben, mit welchen Auswirkungen zu rechnen ist.”

„Vielleicht handelt es sich um einen ganz normalen Vorgang”, überlegte Liam. „Ihr Organismus versucht vielleicht nur, sich wieder an den Urzustand anzugleichen...”

„Auch das wäre möglich.”

„Haben Sie schon eine Theorie, wie es zu dieser Frequenzverschiebung gekommen ist?” Je mehr sie darüber wussten, um so größer wurde ihre Chance, Alternativen zu finden. Liam war auf jeden Fall nicht bereit, so einfach hinzunehmen, was mit seinem Companion möglicherweise geschehen konnte.

„Unsere Wissenschaftler haben schon vor einer geraumen Zeit entsprechende Hypothesen entwickelt, die auf eine Veränderung der Energiematrix hinwiesen”, erwiderte Da'an ausweichend. „Allerdings gab es keine Möglichkeit für eine Überprüfung.”

„Nun, die haben Sie jetzt gefunden”, sagte Liam. „Vorausgesetzt, wir schaffen es, von dieser Station wieder herunterzukommen. Sein Blick wanderte durch den Hangar und kehrte wieder zu der Kontrollkonsole zurück. „Ich habe irgendwie das Gefühl, als würden wir die ganze Angelegenheit von der falschen Seite anpacken. Wir sollten es von der oberen Etage aus noch einmal versuchen.”

„Ich glaube nicht, dass wir auf den gleichen Weg wieder zurückkommen”, wandte der Taelon ein.

„Die Selbstreinigungsfunktion der Station”, fiel es Liam wieder ein. „Sie stellt tatsächlich ein Problem dar. Ich möchte Sie auch ungern noch einmal dieser Gefahr aussetzen.” Er überlegte kurz. „Können Sie eine Kom-Verbindung herstellen?”

„Ich glaube schon. Aber was haben Sie vor, Liam?”

„Wir teilen uns auf.”

„Aber wir weichen damit von unserem ursprünglichen Plan ab”, gab der Taelon zu bedenken.

„Wieso? Wir arbeiten doch noch immer zusammen.” Liam ging mit raschen Schritten auf den Ausgang zu. Da'an verfolgte ihn mit seinen Blicken. „Was ist los?” fragte er, als sein Beschützer keine Anstalten machte, den Gang zu betreten, sondern nur einen Arm ausstreckte.

Liam starrte in den Verbindungstunnel ... vielmehr in das, was es vorher einmal darstellte. Die Auswüchse an den Wänden waren so dick angeschwollen, das sie ein Durchkommen praktisch unmöglich machten. Wie Schleimhäute, die bei einer Erkältung anschwollen. „Die Station hat wohl einen Schnupfen.”

„Was sagen Sie da, Liam?”

„Dass ein Durchkommen unmöglich ist!” rief der Beschützer. „Der Gang ist völlig zugeschwollen. Gibt es vielleicht noch eine andere Möglichkeit, den Hangar zu verlassen? Ein Notausgang vielleicht?”

„Es existiert ein weiterer Gang”, bestätigte der Taelon und deutete auf die Frontseite des Raumes. „Allerdings erhalte ich keinen Zugriff. Sämtliche Korridore sind in das Sicherheitsprotokoll integriert.”

Liam runzelte die Stirn. „Man könnte meinen, Ma'el hat all die Schwierigkeiten eingebaut, um ganz sicher zu gehen, dass auch nur die geeignetsten Kandidaten zum Ziel kommen.”

„Er konnte unmöglich voraussehen, dass wir es mit einem Energieproblem zutun bekommen”, belehrte ihn Da'an. „Wenn er uns hätte testen wollen, wäre er ganz anders vorgegangen.”

„Da bin ich mir nicht so sicher”, sagte Liam und kehrte zu seiner Konsole zurück. „Die Sache mit diesen Kontrolleinheiten hier war schon sehr raffiniert. Dass wir sie aktivieren konnten, war doch mehr oder weniger Zufall.”

Da'an sah ihn aufmerksam an. „Sie dürfen eines bei der ganzen Sache nicht vergessen: Wir wurden mit erschwerten Bedingungen konfrontiert, nachdem wir die Station entdeckten. Unter normalen Umständen hätten wir diesen Hangar vermutlich erst gar nicht aufgesucht, sondern sehr viel später...”

„Wie viel Zeit bleibt uns noch?” unterbrach ihn Liam. Er wurde langsam nervös, weil sie nicht vorankamen.

Der Taelon ging in die Hocke und legte eine Hand auf den Boden. „Ich kann keine augenblickliche Gefahr wahrnehmen”, teilte er dann seinem Beschützer mit. „Es scheint, dass sich das Energieniveau erst einmal wieder stabilisiert hat, aber wir müssen damit rechnen, dass es sehr plötzlich zu einer kritischen Situation kommt.”

Liam dachte an den zugeschwollenen Gang. Die Auswüchse hatten sich seltsam angefühlt, irgendwie organisch. Hoffentlich kam die Station nicht auf die Idee, sich mit einem kräftigen Niesen von ihren Plagegeistern zu befreien. „Machen wir uns wieder an die Arbeit...”

Da'an nickte, und so wandten sie sich ihren Konsolen zu.

Erneut betrachtete Liam die graphischen Zeichnungen auf dem Display und hielt Ausschau nach einem Hinweis, irgendeinem kleinen Detail, dass ihnen weiterhelfen würde. Frustriert wechselte er in das vorangegangene Menü, das ihm die Passwort-Aufforderung zeigte. Was mochte Ma'el durch den Kopf gegangen sein, als er sich dieses System erdachte, an dem allenfalls Ingenieure oder Physiker ihren Spaß hätten...

... oder vielleicht ein Computergenie wie Augur.

Liam seufzte innerlich. Wäre Augur jetzt hier, hätten sie das Problem sicher schon längst gelöst. Augur war ein Genie, was das Knacken von Sicherheitssystemen anging. Vielleicht wäre dieses System etwas Neues für ihn, eine neue Herausforderung, der er sich um so begeisterter widmen würde. Vielleicht würde ihn überraschen, dass er nur einen sehr begrenzten Zugriff zum Computer bekäme und dass er das Passwort noch nicht einmal selbst eingeben konnte; es gab keine Tastatur für entsprechende Eingaben und auch der Bildschirm wies keine numerischen oder alphabetische Möglichkeiten auf. Das Passwort konnte nur durch einen Taelon mittels energetischer Datenübertragung in das System übertragen werden. Ob Ma'el damit bewusst seiner eigenen Art einen Vorteil verschaffen wollte?
Irgendwo in Liams Verstand wurden die Worte „Augur” und „Passwort” separiert. Sie drängten sich in den Vordergrund, so als wollten sie ihn auf etwas hinweisen. Aber das einzige, was ihm dazu momentan einfiel, war ihre Verbindung zueinander. Augur hatte ihm einmal etwas über Passwörter erzählt, aber er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. Es war in eine unwirkliche Ferne gerückt. Dr. Park, die ihn nach seiner Geburt immer wieder sehr ausgiebig untersucht und getestet hatte, um mögliche Schäden frühzeitig zu erkennen, hatte ihm vor ein paar Monaten auf eine entsprechende Frage folgendes geantwortet: Er sei zwar mit voll entwickelten Fähigkeiten zur Welt gekommen und auch seine Gehirnleistung entspräche ganz normalen Werten, aber so wie sich ein erwachsener Mensch nicht an seine eigene Geburt oder an die ersten Lebensjahre erinnern könnte, weil er nämlich nicht mehr in der Lage war, entsprechend einfach zu denken, so würde er, Liam, auch vieles aus seinem ersten Lebensabschnitt vergessen. Seine Erinnerungen wären nicht gänzlich weg, und da man nicht sagen konnte, welche Fähigkeiten sein kimerianisches Erbe barg, war es durchaus denkbar, dass er sie bewusst wieder zurückholen konnte.
Liam konzentrierte sich. Er durchforstete seine Gedächtnis und rief sich vor allem die Details in Erinnerung, die mit Augur zutun hatten. Und plötzlich...

... Ich sage dir eines, Liam: Viele Menschen sind unglaublich nachlässig, was ihre Passwörter angeht. Da wird einfach das Geburtsdatum genommen oder der Vorname der Ehefrau oder des Ehemannes oder vielleicht ein Spitzname - alles Worte oder Zahlen, auf die man sehr schnell kommen kann, sofern man nur ein bisschen seine Hausaufgaben macht. - Ich sage dir, ich bin über Firmennetzwerke gestolpert, die durch Begriffe wie „Supervisor” oder „Administrator” geschützt wurden. Einer schoss jedoch den Vogel ab. Sein Passwort lautete: „passwort?” ...

„Was geht Ihnen durch den Kopf, Liam?” fragte Da'an. Obwohl er eifrig an seiner eigenen Konsole arbeitete, war sein Blick immer wieder zu seinem Beschützer gegangen. Liam war oftmals impulsiv und ungestüm, aber er besaß auch eine Reihe von Eigenschaften, die in einer Situation wie dieser hier ganz nützlich waren und dazu zählten Hartnäckigkeit und Entschlossenheit, Neugierde und Phantasie - vor allem Phantasie, die den Taelons fehlte. Taelons benötigten keine allzu große Vorstellungskraft, da ihr Streben der geistigen Vollkommenheit galt. Für einen Menschen aber war sie unerlässlich, um das eigene Handeln auf mögliche zukünftige Situationen abzustimmen. Da'an beneidete Liam um diese Vorstellungskraft. Er selbst hatte all seine Fähigkeiten eingesetzt - doch ohne Erfolg. An seinem jungen Freund würde es liegen, ob es sich das Blatt doch noch zu ihren Gunsten wenden würde.

Liam wandte sich ihm zu. Er erinnerte sich so lebhaft an das Gespräch mit Augur, als hätte es erst vor wenigen Minuten statt gefunden. Rasch berichtete er seinem Companion davon.

„Sie wollen damit andeuten, dass Ma'el möglicherweise einen sehr einfachen Code verwendet hat”, schlussfolgerte der Taelon. Sein Gesichtsausdruck blieb neutral. Vermutlich war er von der Idee seines Beschützers wenig angetan, wollte sie aber nicht von vornherein ablehnen.

„Genau das ist es”, stieß Liam aufgeregt hervor. „Selbst wenn Ma'el davon ausgegangen ist, dass seine Station von einer ganzen Abordnung Menschen und Taelon aufgesucht werden würde ... warum sollte er ein kompliziertes und schwer zu erratendes Passwort wählen?”

„Fahren Sie fort.”

Liam wanderte umher, während er nachdachte. „Ma'el mochte die Menschen. Er hatte die Hoffnung, dass sich unsere Völker eines Tages als gleichberechtigte Partner begegneten. Deshalb geht meine Überlegung dahin, dass er etwas genommen hat, was Erde und Taelon verbindet.”

Da'an sah ihn erwartungsvoll an. „Und das wäre?”

„Die Verbindungs-Koordinaten beider Planeten.”

Der Taelon nickte bedächtig. „Eine gute Schlussfolgerung. Aber leider muss ich Sie enttäuschen. Ich habe diese Möglichkeit selbst erwogen und bereits ausprobiert, jedoch ohne Erfolg.”

Doch Liam ließ sich davon nicht entmutigen. Er sah sich suchend um, während er angestrengt nachdachte. Sein Blick fuhr über den ebenmäßigen Boden. Dann rannte er plötzlich zum Ausgang, wo seine Jacke lag und kehrte mit einem Filzstift zurück. Der Taelon beobachtete ihn ebenso fasziniert wie verständnislos. Liam hatte sich auf den Boden gehockt und mit ungelenken Strichen eine Weltkarte gezeichnet. „Ma'els Grab befindet sich hier, in Irland. Sein Schiff liegt hier unten in Peru. Von Augur weiß ich, dass Jemen Tyler diese Plätze aufgesucht hat und außerdem die Pyramiden von Ägypten.”

„Das klingt alles sehr interessant, Liam, aber ich weiß beim besten Willen nicht, worauf Sie hinaus sind.”

„Überlegen Sie doch mal, Da'an. Tyler trug Ma'els Botschaft in sich, und sie suchte diese drei Plätze auf. Vielleicht ist es absolut verrückt, darin eine Verbindung zu sehen. Aber manchmal sind es gerade diese verrückten Dinge, die am Ende einen Sinn ergeben.” Liam verband Irland, Peru und Ägypten mit einer Linie. „Sagt Ihnen das etwas? Ich meine, wenn Sie diese Zeichnung auf eine Sternenkarte übertragen.”

Da'an sah ihn noch immer verständnislos an. „Das ergibt keinen Sinn, Liam.”

„Vielleicht für Sie”, sagte Liam und sah ihn aufmerksam an. Er ahnte, dass der Taelon ein entsprechendes Gegenstück bereits gefunden hatte und es als zu phantastisch - oder vielleicht zu schockierend? - empfand. „Die Richtungskoordinaten, die sich bei einer Umwandlung dieser analogen Daten ergeben würde, führen nach Taelon und Jaridia, nicht wahr? Deshalb ergibt es für Sie keinen Sinn.”

Der Companion senkte den Blick, während ein Energieschauer sein Gesicht bläulich erglühen ließ. „Aber es ergibt sehr wohl einen Sinn”, fuhr Liam fort, der sich in seiner Vermutung bestätigt sah. „Denken Sie nur an das Raumschiff hier. Die Taelons benötigen es nicht, da sie bereits über die Interdimensionstechnologie verfügen. Für die Menschen ist es ebenfalls bedeutungslos, da wir bereits über sehr viel Grundwissen der Taelon-Technologie verfügen und irgendwann von allein zu unserem Ziel kommen. Vielleicht ist Ma'els Einstellung über eine friedliche Verständigung zwischen Menschen und Taelons hinausgegangen und er hat die Jaridians mit ein eingeschlossen.”

Da'ans Gesichtsausdruck zeigte nun deutlich Widerwillen und Abscheu; aber er schwieg nach wie vor.

„Ma'el wusste, dass eine friedliche Verständigung nur dann möglich sein würde, wenn Taelons und Jaridians begreifen, dass der Krieg zwischen ihnen keinen Sieger hervorbringen kann.”

„Der tachyonische Antrieb würde eine Patt-Situation zwischen unseren Völkern schaffen”, sagte Da'an. Liam ahnte, welche Gedanken dem Taelon in diesem Moment durch den Kopf gingen. Allein die Tatsache, sich mit derartigen Überlegungen zu beschäftigen, bedeutete schon Hochverrat. Da'an musste befürchten, dass seine geistige Abschirmung nicht ausreichend war, diese Gedanken vor dem Gemeinwesen zu verbergen und dass er sich eines Tages dafür verantworten musste. Darüber hinaus wurde ihm das Schicksal der Taelons und auch der Jaridians in die Hände gelegt. Er lag nun an ihm zu entscheiden, ob Ma'els Traum nur ein Traumgespinst blieb.

„Tja, noch ist es nicht so weit”, sagte Liam und betrachtete seine Zeichnung auf dem Boden. „Und im Moment bin ich auch mit meinem Latein am Ende. Zumindest weiß ich nicht, wie man aus einem spitzwinkligen Dreieck Koordinaten ableiten soll, die dann auch noch ein Passwort ergeben...” Fröstelnd rieb er sich die Arme. Mittlerweile war die von Da'an vorgenommene Temperaturabsenkung spürbar.

„Auf der Basis des menschlichen Koordinatensystems ist das auch nicht möglich”, erklärte Da'an. „Sie verwenden zwei- oder dreidimensionale Berechnungen, wir Taelons jedoch vierdimensionale.”

Liam hielt unwillkürlich den Atem an. Seine Idee mit Ma'el und dessen friedfertigen Ambitionen hatten ihn geradezu euphorisch gestimmt, um sich nur wenig später enttäuscht eingestehen zu müssen, dass es letztendlich doch nicht funktionieren konnte. Nun gab es plötzlich wieder neue Hoffnung.

„Worin sich unsere Systeme zunächst nicht unterscheiden, ist der Koordinatennullpunkt. Ohne ihn können wir keinen Zielort finden.”

Liam betrachtete erneut seine Zeichnung und hierbei besonders die beiden Länder Irland und Ägypten, die er als Äquivalent zu Jaridia und Taelon ansah. „Ein Nullpunkt bei zwei Planeten ... wollen Sie einfach die Mitte wählen?”

„So in etwa”, sagte Da'an. „Spiral-Galaxien wie die Milchstraße oder Mhuruwa rotieren, noch dazu mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, so dass keine allgemein gültigen Navigationsdaten festgelegt werden können. Deshalb wird eine kleine Gravitationsanomalie zwischen unseren Welten als Navigationshilfe benutzt. Sie erlaubt uns, die vierdimensionale Berechnung der Koordinaten. Diese Gravitationsanomalie ist sowohl den Taelons als auch den Jaridians bekannt.”

„Und wo ist der Haken?” fragte Liam skeptisch. Irgendwie konnte er nicht glauben, dass sie Ma'els Passwort gefunden hatten.

„Es gibt keinen”, sagte Da'an, „zumindest nicht in der Theorie. Allerdings wäre dies der richtige Augenblick, um eine menschliche Redensart zu zitieren”, fügte er hinzu und legte seine Hand auf den Bildschirm seiner Konsole.

„Die da lautet?”

„Drücken Sie mir die Daumen, dass meine Berechnungen richtig sind.”

„Heißt das, Sie wollen die Koordinaten im Kopf berechnen?” fragte Liam ungläubig.

„Sie vergessen, dass ich ein Energiewesen bin. Wäre ich zu einer solchen Berechnung nicht fähig, müsste ich mich wohl zu Recht fragen, was meine Spezies in den vergangenen Millionen Jahren eigentlich gemacht hat.” Der Taelon warf seinem Beschützer einen heiteren Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf seine Eingabe.

 
* * *
 

Liam stand hinter seinem Companion und schaute über dessen Schulter gebannt auf den Bildschirm. Da'ans Energie ließ ein Zeichen nach dem anderen in dem dafür vorgesehenen Feld der Passwortabfrage erscheinen. Nach Liams Empfinden dauerte die Prozedur viel zu lange, aber er bezwang seine Ungeduld. Je weniger er den Taelon störte, um so schneller konnte dieser sein Werk vollenden.

Schließlich war der Code komplett eingeben. Und es...

... geschah nichts. Es gab weder eine Bestätigung noch eine Ablehnung. Der Monitor zeigte unverändert das gleiche Bild. Oder gab es eine Veränderung, die so minimal war, dass er sie nicht sofort wahrnahm? Liam sah genauer hin und prüfte beinahe jeden Zentimeter der Darstellung. Der Gedanke, dass sich seine Idee letztendlich als Fehlschlag herausstellen könnte, erzeugte in seinem Magen ein beklemmendes Gefühl. Zugegeben, sie war ziemlich phantastisch, aber welche Möglichkeiten hatten sie schon. Das war wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Und diese hier bot wenigstens eine gewisse Aussicht auf Erfolg.
Er widerstand der Versuchung, Da'an zu fragen, was die Verzögerung verursachte, obwohl die Darstellung auf dem Bildschirm den Eindruck vermittelte, als sei das interne Programm abgestützt.
Wie brachte man einen Computer bei, Worte zu erfühlen? Liam wandte seinen Blick von dem Monitor ab und richtete ihn statt dessen auf seinen Companion. Da'an wirkte auf dem ersten Blick ruhig und in sich gekehrt. Seine Hand berührte noch immer den Bildschirm. Aber die Energiebahnen, die dort sichtbar waren, wo er sein menschliches Aussehen nicht länger aufrechterhielt, pulsierten viel heftiger. Ohne Zweifel - Da'an war noch immer in Kontakt mit der Maschinerie. Liam fühlte eine prickelnde Neugierde in sich aufsteigen; er wusste, dass er das, was Da'an tat, rational nicht erklären konnte ... um es zu verstehen, musste man es fühlen...

In diesem Augenblick fuhr der Taelon zurück. „Wir haben es geschafft, Liam”, verkündete er und schien seinen Sinnen doch kaum zu trauen.

Liam konnte noch immer keine Veränderung auf dem Bildschirm erkennen. „Sind Sie sicher?”

Da'an presste erneut seine Handfläche gegen den Monitor und nickte dann bestätigend. „Wir haben vollen Zugriff auf alle Systeme. Es gibt keinerlei Beschränkungen. - Ihre Intuition ist wirklich bemerkenswert. Ehrlich gesagt ... ich habe nicht damit gerechnet, dass wir Erfolg haben würden.”

„Letztendlich war es unsere Zusammenarbeit, die Erfolg hatte”, sagte Liam, ohne den Blick von dem Monitor zu nehmen.

Da'an bedachte ihn mit einem sehr langen Blick, der Überraschung offenbarte. „Da haben Sie wohl Recht.” Einen Augenblick lang wirkte er sehr nachdenklich, doch dann straffte sich seine Gestalt. „Lassen Sie uns in das Labor zurückkehren. Wir haben sehr viel Zeit verloren...”

„Warten Sie! Müsste nicht irgendwie eine Veränderung sichtbar sein? Das System verlangte ein Passwort. Da wäre es doch logisch, wenn es die Richtigkeit bestätigen würde...”

Da'ans Hand bewegte sich geschmeidig durch die Luft, und das taelonisches Äquivalent einer Kontrolleinheit erschien als Hologramm. „Mein Fehler. Entschuldigen Sie, Liam. Obwohl ich jetzt schon soviel Zeit mit Ihnen und überhaupt mit den Menschen verbrachte, vergesse ich hin und wieder, wie wichtig visuelle Beweise für Sie sind. Dadurch, dass ich diese Konsole als Taelon aktiviert habe, wurde sie automatisch in den entsprechenden Modus geschaltet. Ich könnte das ändern, so dass auch Sie sich von dem Status überzeugen können”, fügte er hinzu, doch Liam schüttelte bereits den Kopf.

„Wie gehen wir jetzt vor?”

„Ich werde zunächst die Energiereserven aktivieren, damit eine ausreichende Versorgung gewährleistet ist und anschließend beide Energiekreisläufe wieder von einander trennen”, erklärte der Taelon. „Damit sollte uns genügend Zeit bleiben, die Station zu sichern.”

„Dann kümmere ich mich um Ma'els Aufzeichnungen”, schlug Liam vor. Er rechnete nicht damit, von Da'an an die Überwachungs-Konsolen gelassen zu werden; wenn sie ebenfalls im Taelon-Modus liefen, machte es ohnehin nicht viel Sinn. Aber er wollte sich wenigstens etwas nützlich machen.

„Das kann warten”, erwiderte Da'an zu seiner Überraschung. „Zunächst muss die Funktionalität des Portals geprüft werden, und anschließend brauche ich Sie zur Überwachung des Energieniveaus.” Erneut glitt seine Hand durch die Luft und die holographische Darstellung veränderte sich. Bevor Liam erkennen konnte, welche Funktion der Taelon aufrief, war das Hologramm schon wieder deaktiviert. Dafür öffnete sich an der Frontseite des Hangars ein Durchgang in der Wand. „Dieser Korridor führt uns direkt in die obere Etage. Rasch, Liam. Die Zeit drängt.”

Während der junge Beschützer davonstürzte, um seine Jacke zu holen, eilte Da'an bereits den gewundenen Gang hinauf. Liam warf einen letzten Blick auf das tachyonische Raumschiff und empfand so etwas wie leichte Enttäuschung, weil sie es jetzt doch nicht benutzen würden. Dann folgte er seinem Companion.

Oben im Labor angekommen, wies ihm Da'an eine Konsole zu. „Diese Einheit befindet sich jetzt in einem Modus, der für eine menschliche Bedienung geeignet ist. Nachdem Sie das Portal kontrolliert haben, wechseln Sie in die Energiekontrolle und zwar über diesen Punkt hier.”

Liam betrachtete aufmerksam den Bildschirm. Er sah eine Reihe von seltsamen Symbolen, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es waren keine taelonische Zeichen. Vielleicht wissenschaftliche. Das war naheliegend, denn irdische Wissenschaftler hatte Ma'el vermutlich erwartet. Er hielt sich nicht damit auf, ihre Bedeutung zu erraten. Wichtig war für ihn nur ein Symbol, nämlich das von Da'an gezeigte: zwei kurze Reihen unterschiedlich großer Quadrate, von denen jeweils eins in der oberen und eins in der unteren Reihe sich zudem farblich von den anderen unterschied.

Da'an berührte das Symbol kurz und die Darstellung wechselte, zeigte nun ein komplexes Muster an Linien. „Das hier ist der Hauptenergiestrom, dieser schwächere hier der Energiefluss der Station. Wenn ich erfolgreich bin, werden beide Ströme gleich stark angezeigt und pulsieren und vor allem werden sie getrennt verlaufen. Sehen Sie diesen Schnittpunkt hier, der beide noch verbindet?”

Liam schnaufte leise. Es würde schwierig werden, in dem Wirrwirr an Linien die Übersicht zu behalten. „Wie kann ich erkennen, ob alles ordnungsgemäß verläuft?”

„Die Gefahr bei der Trennung des sekundären Energiestromes vom primären besteht darin, dass es zu unkontrollierten Fluktuationen und Schwankungen kommen kann. Wenn ich mit der Station verbunden bin, habe ich selbst keine Möglichkeit der Überwachung. Deshalb müssen Sie diese Aufgabe übernehmen. Behalten Sie beide Ströme genau im Auge und melden mir jede Auffälligkeit, alles, was Ihnen seltsam erscheint.”

„Und was hat es hiermit auf sich?” fragte Liam weiter und deutete auf den linken Rand des Bildschirmes, wo ein umfangreiches Menü sichtbar war, deren einzelne Punkte unterschiedlich aufblinkten. „Data Protect? Code Protect? Power up Timer? - Was bedeutet das?”

„Das sind Überwachungs-Einheiten. Bei einer Störung innerhalb des Energieniveaus zeigen Sie die Gefährdung primärer Bereiche an.”

„Muss ich das nicht ebenfalls im Auge behalten?”

Da'an zögerte. Wie alle Schutzmaßnahmen konnten auch diese hier nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie sinnvoll genutzt wurden. Doch dazu bedurfte es qualifiziertes Personal. Bisher hatte Liam nicht allzu viel bei der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten beitragen können. Verständlicherweise wollte er der ihm übertragenden Aufgabe gerecht werden. Sein Eifer war allemal lobenswert. Ihm nun unverblümt zu offenbaren, dass er eine korrekte Überwachung dieser Konsole gar nicht gewährleisten konnte, war sicher kein geschickter Zug und würde die Frustration des jungen Mannes nur erhöhen.
Der Taelon war es aber schlichtweg leid, sich ständig mit Vorwürfen und Nörgeleien herumzuplagen und entschied sich deshalb für ein kleines Ausweichmanöver. „Das Sicherungssystem hat bestimmte Pufferzonen, die relevante Daten oder Programme ständig zwischenspeichern. Da Sie mir laufend den Zustand der Energieströme melden, kann ich sofort reagieren, sobald eine Gefährdung sichtbar wird.”

Liam nickte, ohne den Blick von dem Bildschirm zu nehmen. „Ich will mir nur die Darstellung der Ströme einprägen”, sagte er, als ihn Da'an daran erinnerte, dass er sich zunächst um das Portal kümmern sollte. „Bilde ich mir das nur ein oder verändern sich die Energiebahnen tatsächlich hin und wieder? Es sieht fast so aus, als würden sie sich wie Blutbahnen plötzlich verästeln ... und dann scheinen sie sich wieder zusammenzuziehen.”

„Sie täuschen sich nicht”, bestätigte der Taelon seine Beobachtung. „Diese Station ist zu 70% ein lebender Organismus, Probleme müssen deshalb immer unter biokybernetischen Aspekten betrachtet werden.”

„Sie meinen, man sollte besser Mediziner und Ingenieur sein.”

„Für unsere Zwecke sind Ihre Fähigkeiten ausreichend.”

Während sich Da'an auf der gleichen Weise mit der Station verband, so wie er es zuvor getan hatte, als er die Energieströme miteinander verbunden hatte, kontrollierte Liam die Einstellungen des Portals. „Das Portal ist einsatzbereit”, meldete er nach einer Weile. „Die Energiewerte liegen bei knapp 70% - Tendenz steigend. Allerdings sehr langsam.”

„Das dürfte den normalen Werten entsprechen!” rief ihm der Taelon zu. „Sobald ich die Energieströme getrennt habe und wir auf die eigentlichen Reserven zurückgreifen können, wird sich die Leistung erhöhen. Starten Sie jetzt die Selbstdiagnose.”

„Das Programm läuft.” Während Liam auf das Ergebnis wartete, blickte er hin und wieder zu seinem Companion hinüber. Dieser war kaum noch zu erkennen, schien sich in einem Feld wirbelnder Energieturbulenzen völlig zu verlieren. „Die Selbstdiagnose ist abgeschlossen. Alles scheint soweit in Ordnung zu sein. Allerdings werden hier leichte Schwankungen in den Messströmen angezeigt.”

„Das dürfte sich ebenfalls normalisieren, sobald die 100% Leistung erreicht werden. Bevor wir das Portal aktivieren, lassen wir eine zweite Selbstdiagnose laufen - zur Sicherheit.”

„Einverstanden. Dann werde ich mich jetzt an die Überwachung der Energieströme begeben. Wie weit sind Sie, Da'an?”

„Ich bin bereit und warte auf Ihr Zeichen, Liam.”

Der Companion-Beschützer wechselte in das Energie-Überwachungsprogramm. „Sie können loslegen, Da'an.”

Das konzentrierte Beobachten der Energiewerte erwies sich als weitaus schwieriger als Liam es sich vorgestellt hatte. Es war auch viel anstrengender. Er musste sich vorn überbeugen, um die zum Teil sehr kleinen automatischen Meldungen überhaupt verfolgen zu können. Schließlich stützte er sich mit den Handflächen seitlich an der Konsole ab.

„Ich habe die Energieweiche reaktiviert und werde beide Ströme nun trennen!” rief ihm Da'an zu. „Es kann ein paar Minuten dauern, bis Veränderungen sichtbar werden. Achten Sie jetzt besonders auf jedes abnormes Verhalten.”

Leichter gesagt als getan, dachte Liam, während sein Blick hin und her ging, um nur ja nichts zu übersehen. Nach einer Weile bemerkte er, dass sich seine Aufgabe wesentlich leichter gestaltete, wenn er sich nicht so sehr darauf versteifte, den gesamten Bildschirm zu überwachen. Bei der Vielzahl an Energiebahnen, die an manchen Stellen wie feines Nervengeflecht wirkten, war das ohnehin kaum möglich. Indem er nun seinen Blick einfach auf die Mitte konzentrierte, beinahe so, als wollte er sich selbst in Trance versetzen, bekam er eine ganz andere Perspektive. Es schien, als würde sich die Gesamtdarstellung schichtweise zerlegen, so dass vor seinem geistigen Auge das Abbild eines dreidimensionalen Raumes erschein, das sich wiederum in einzelne Segmente aufteilte und die sich erst dann in seinen Fokus schoben, sobald sie relevant wurden. Liam hatte nach einer Weile keinen blassen Schimmer mehr, wie viel er real auf dem Monitor sah und wie viel sich nur in seinem Geiste wiederspiegelte. Er konnte auch nicht sagen, ob die Kimeraanteile in ihm diesen besonderen Kontakt ermöglichten. Seine Haut war noch immer von einer ganz schwachen Energieaura überzogen; möglicherweise war sie es sogar, die in Reaktion mit der Taelon-Technologie ging. Da es weder unangenehm war noch unheimlich, sah er keinen Grund, die Verbindung zu unterbrechen. Eigentlich war es sogar ausgesprochen faszinierend und begann langsam Spaß zu machen. Er stellte fest, dass die besonders feinverästelten Energiebahnen sehr schnell dazu neigten, auszubrechen und sich zu Klumpen verdichteten. Dadurch beeinflussten sie aber das gesamte Energieniveau. Wenn er sie vom Nachschub trennte, ihnen also praktisch das Wasser abgrub, lösten sich diese Klumpen wieder auf und die feinen Energiebahnen kehrten zum primären Strang zurück.
Die beiden Hauptenergiestränge hatten sich inzwischen von einander getrennt und flossen gleichmäßig, wenn auch sehr träge. Damit war Liams Aufgabe erfüllt. Dennoch konnte er sich irgendwie nicht ... lösen. Es war nicht so, dass ihn etwas zwingend festhielt oder er sich in dem Anblick der Energiebahnen derart verlor, dass er um sich herum alles vergaß. Nein, er wusste sehr genau, wo er sich befand und was er tat. Es war eher so, wie wenn man etwas sehr Faszinierendes beobachtete, von dem man sich nicht trennen konnte, obwohl man sich ganz dringend anderen, wichtigeren Dingen zuwenden musste und sich selbst dann ein gewisses Zeitlimit zugestand ... nur noch eine Minute ... nur noch eine klitzekleine ...

Eine Hand legte sich Liam auf die Schulter, und er zuckte schuldbewusst zusammen. „Entschuldigen Sie, Da'an”, sagte er und drehte sich nach seinem Companion um. Doch da war gar kein Taelon. Eine fremde Gestalt stand vor dem jungen Mann. Eine gleißende Erscheinung mit sehr vagen menschlichen Gesichtszügen, und sie starrte ihn an.

 

Ende von Kapitel 22

 

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