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  „Freundschaft” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2004
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Sandovals Leben und das des Jaridian sind buchstäblich miteinander verbunden.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, zwischen „Liebe deinen Feind” und „Die Agentin”
Charaktere:  Sandoval, Go'rik
 

 

FREUNDSCHAFT

Kapitel 20

 

Gierig trank Sandoval von dem Wasser, das er von Go'rik erhalten hatte. Wie durstig er mittlerweile war, war ihm erst bewusst geworden, als ihm der metallene Behälter, den ihm der Jaridian geschickt auf den Oberkörper geworfen hatte, beinahe entglitt. Nun hielt er ihn so fest umklammert, als wollte er ihn nie wieder hergeben.

„Sie sollten sparsam mit dem Wasser umgehen”, bemerkte Go'rik. „Die Nacht ist lang.”

Widerstrebend gehorchte Sandoval. Er schob den Behälter in seine Jacke und griff dann wieder nach dem Gürtel, der ihn mit dem Jaridian verband und seinen Halt sicherte. „Was ist mit Ihnen?” fragte er nach einer Weile. Obwohl er normalerweise keine Skrupel kannte, sich egoistisch zu verhalten, hatte die großzügige Geste des Jaridian Eindruck bei ihm hinterlassen. „Sie brauchen doch bestimmt auch Wasser.”

„Machen Sie sich darum keine Gedanken. Ich kann eine sehr lange Zeit ohne auskommen.”

Sandoval bezweifelte dies insgeheim. Da er aber keine Möglichkeit sah, den Behälter zurückzugeben, beließ er es dabei. Im Grunde sollte es ihm auch egal sein. Nur ein Narr verschenkte Wasser, obwohl er es selbst benötigte. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Wenn er doch nur etwas schlafen könnte! Diese Warterei war zermürbend. Warten. Nichts anderes als warten. Dazu die quälende Ungewissheit, ob Go'riks Leute rechtzeitig eintrafen.

Auch der Jaridian empfand die Warterei als quälend. Aber anders als Sandoval machte er sich weniger Sorgen um ihre Rettung. Er vertraute darauf, dass seine Gefährten sein Fernbleiben richtig interpretierten und sofort nach Tagesanbruch einen Suchtrupp losschickten. Seine Gedanken galten mehr Ra'nun und der Kolonie. Er machte sich mittlerweile Vorwürfe, den Plänen Ra'nuns nicht energisch genug entgegengetreten zu sein. Zwar hatte dieser erreicht, wonach ihm verlangte. Und mit Zo'or befand sich nicht nur irgendein Taelon auf Muruwi, sondern sogar deren Anführer. Aber es hatte bereits Komplikationen gegeben, und Go'rik befürchtete, dass dies nur der Anfang war. Um sich abzulenken, wandte er sich an Sandoval. „Wie kommt es, dass sich die Menschen von den Taelons als Handlanger benutzen lassen?”

Der FBI-Agent hob den Kopf. „Sie wissen nicht viel über die Menschen, oder?”

„Mir genügt, was ich sehe, um mir ein Bild zu machen”, erwiderte der Jaridian und ließ seinen Blick über den Canyon schweifen. Die scharfen Grate und Zinnen, die tagsüber in einem intensiven Rotbraun geleuchtet hatten und damit der Landschaft eine einzigartige Lebendigkeit verliehen, wirkten jetzt wie in Silber getauchte Gestalten, die sich auf eine geheimnisvolle Wanderung begaben.

„Und was sehen Sie?”

„Ein Wesen mit zwei Gesichtern”, antwortete Go'rik und wandte sich ihm wieder zu. „Sie geben vor, unser Verbündeter zu sein und tragen doch die Waffe der Taelons. Sie verbergen Ihre wahren Absichten.”

„Vielleicht haben wir doch mehr gemeinsam, als Sie sich vorstellen können.”

Der Jaridian grunzte verächtlich. „Wohl kaum. Mein Volk verkauft sich nicht, um daraus einen Vorteil zu erlangen.”

Sandoval bewegte sich vorsichtig auf dem Vorsprung. Er hatte das Gefühl, dass ihm seine Kehrseite eingeschlafen war - offensichtlich gab es keinen Körperteil, der nicht irgendwie in Mitleidenschaft gezogen war. „Ich sagte Ihnen bereits, ich bin nicht Ihr Feind.”

„Ihre Handlungsweise drückte aber etwas anderes aus.”

Diesmal gelang dem Asiaten nicht, seine Emotionen zu unterdrücken. „Ich habe mich lediglich so verhalten, wie es jeder Gefangene tun würde.”

„Wollen Sie uns etwas vorwerfen, dass wir Sie grundlos gefangengenommen haben?” fragte der Jaridian angriffslustig.

„Es gab klare Abmachungen, an die Sie sich nicht gehalten haben. Es war nie die Rede davon gewesen, einen Taelon nach Jaridia zu holen.”

„So wie es auch nie die Rede davon war, uns einen Companion-Beschützer zu schicken”, gab Go'rik zurück.

„Meine Anwesenheit hier wäre doch gar nicht erforderlich gewesen. Die Interdimensionstechnologie war Verhandlungsobjekt. Das Portal sollte erst dann eingesetzt werden, wenn es voll funktionstüchtig ist. Sie haben sich darüber hinweggesetzt.”

„Wer sind die Menschen, dass sie für uns bestimmen können!”

„Sehr wichtige Verbündete...”

„Ha! Wir brauchen sie nicht, um die Taelons zu vernichten.”

„Da bin ich aber anderer Meinung. Oder warum ist es Ihrem Volk noch nicht gelungen ... nach wie viel Millionen Jahren? ... die Taelons zu bezwingen.”

„Wir haben bereits die Galaxis durchstreift, als die Menschheit noch nicht einmal existierte”, trumpfte Go'rik auf.

„Aber trotz all dieser Zeit ist es Ihnen nicht gelungen, in Besitz der Interdimensionstechnologie zu gelangen. Dazu benötigen Sie die Hilfe eines Menschen ... Meine Hilfe.”

„Ha!” stieß der Jaridian abermals wütend hervor. „Bilden Sie sich nur nicht zuviel ein. Wer hoch hinaus will, kann auch sehr tief fallen...” Er hatte sich so ereifert, dass er für einen Augenblick ins Schwanken geriet. Unwillkürlich hielt er den Atem an, während er rasch seinen Halt sicherte. Als er ins Sandovals Gesicht blickte, erwartete er dort Spott. Statt dessen sah er jedoch nur die gleiche Verlegenheit angesichts ihrer Leichtsinnigkeit. „Wir sollten besser damit aufhören”, murmelte er, „bevor wir wirklich noch abstürzen.”

„Einverstanden”, erwiderte der Asiate.

Eine Weile blieb es still zwischen ihnen, und jeder hing seinen Gedanken nach. Während Sandoval damit beschäftigt war, seine bisherigen Informationen zu einem einheitlichen Bild zusammenzusetzen, dachte Go'rik über das nach, was er zuvor erfahren hatte. Wenn die Interdimensionstechnologie tatsächlich das Objekt der Vereinbarung war - wie der Mensch behauptete ... wie viel wusste Ra'nun darüber und warum hatte er es nie erwähnt? Ein Vertrauensbruch kam für Go'rik nicht in Frage, und deshalb schob er diesen Gedanken sofort beiseite. Zwar war nicht völlig auszuschließen, dass Ra'nun ihnen etwas verheimlichte, aber der Jaridian sah keine Logik in diesem Verhalten. Die gesamte Kolonie stand hinter ihrem Gefährten und unterstützte ihn. Wenn er den Interdimensionsantrieb absichtlich nicht angegeben hatte, dann einzig und allein aus dem Grund, dass er es für unwichtig hielt. Was sollten sie auch auf Muruwi damit!
Go'riks Gedanken begannen zu wandern ... spielten mit der Möglichkeit einer völlig veränderten Kriegslage - und die würde zweifellos entstehen, sobald die Taelon ihren einzig strategisch wertvollen Vorteil verlören - bis hin zur deren Kapitulation. Vor seinem inneren Auge zeigten sich Sequenzen einer erbitterten Raumschlacht. Er sah zerstörte Raumschiffe, schwerverletzte und sterbende Jaridian, die auch in größter Gefahr nicht ihren Posten verließen, ihre Münder zum Schrei geöffnet ... doch im Vakuum des Weltraumes war kein Schrei zu hören ... nur unendliche Stille ... Die Bilder veränderten sich, zeigten nun eine mögliche Zukunft, in der sich Jaridian und Taelon zum ersten Mal nach langer Zeit wieder Auge in Auge gegenüberstanden, um die Kapitulation auszuhandeln ... Und dann ...


... war plötzlich nur noch Schwärze zu sehen.

Go'rik war so erschrocken, dass er jäh in die Wirklichkeit zurückkehrte. Nach und nach dämmerte ihm, dass er versucht hatte, sich eine Zeit nach dem Krieg vorzustellen - nur, dass es ihm nicht möglich war, weil ihm dazu die entsprechenden Bilder fehlten. Er hatte seltsamerweise nicht die leiseste Vorstellung, wie es sein könnte, obwohl er schon so lange von den Kämpfen ausgeschlossen war. Während seiner aktiven Kommandozeit ergab sich in den Übergangszeiten während einzelner Angriffe oder wenn er gezwungen war, sich zurückzuziehen, um Versorgungsgüter aufzunehmen oder um schwerwiegende Schäden zu reparieren, hin und wieder die Situation, dass die Mannschaft beieinander stand und über den Frieden sprach und jeder äußerte dazu seine Wünsche und Pläne. Aber es waren immer ganz seltsame Vorstellungen, die da zutage kamen, geradezu absurd. So sprach ein ganz junger Untergebener davon, sich nach Kriegsende in ein Shuttle zu setzen, um dann einfach drauf loszufliegen, ohne Ziel, ohne etwas erreichen zu wollen oder zu finden. Hatten sie alle vielleicht längst das Ziel aus den Augen verloren? Und vielleicht die Taelons ebenfalls?

Go'riks Gedanken kehrten wieder an den Anfang seiner Überlegungen zurück, zur Interdimensionstechnologie. Wenn sie tatsächlich den Jaridian zur Verfügung gestellt werden sollte ... wozu dann das Portal? Es schien nicht dafür vorgesehen zu sein, technische Daten und Materialien zu transportieren. Was hatte der Companion-Beschützer noch gleich gesagt? Das Portal sollte erst eingesetzt werden, wenn es voll funktionstüchtig war. Vielleicht plante das Oberkommando einen Angriff der besonderen Art. Sobald die Taelons begriffen, dass ihr strategischer Vorteil hinfällig war, würden sie vermutlich alles daran setzen, sich eine kleine Pause zu verschaffen, um sich auf die neue Situation einzustellen. In dieser Zeit würden sie unaufmerksam sein - wenn auch nur für kurze Dauer. Es würde aber vermutlich ausreichen, ein Elite-Team durch das Portal zu schicken...

Der Jaridian konnte nicht verhindern, dass ein aufgeregtes Prickeln durch seinen Körper lief und ihn die Jagdleidenschaft packte. Sich aus einem Hinterhalt der Taelons zu bemächtigen, war zwar nicht so ehrenvoll wie ein direkter Kampf, aber es erforderte ein höchstens Maß an Weitsicht, Mut und Entschlossenheit sowie Intelligenz und Phantasie - eine Vorgehensweise, von der Go'rik sehr angetan war und die er sehr aufregend fand, auch wenn er dies niemals einem anderen Jaridian gegenüber zugeben würde.
So vielversprechend der Plan aber auch klang, innerhalb des Oberkommandos würde es zu Recht kritische Stimmen geben und das wusste Go'rik. Der größte Unsicherheitsfaktor würde hier nämlich die Spezies Mensch darstellen. Der Jaridian blickte zu Sandoval hinüber und musterte ihn. Um abschätzen zu können, wie sich Menschen verhielten, musste man wissen, wie sie über die Situation dachten, welche Prioritäten sie für ihr eigenes Volk setzten und vor allem welche biologischen Aspekte verhaltenssteuernd waren. Und das konnte man nur, indem man ihnen persönlich begegnete, sie studierte und sich mit ihnen austauschte.
Über genau diese Argumente würde das Oberkommando diskutieren, und deshalb war es eigentlich ausgeschlossen, dass sie die Portalverbindung zum Planeten Erde als Ausgangsbasis für eine erfolgsversprechende Strategie ansahen. Nicht solange das Risiko eines Hinterhaltes nicht ausreichend minimiert werden konnte oder geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden konnten.

Obwohl Go'rik vom Krieg ausgeschlossen war, verspürte er ein großes persönliches Interesse, dem Ganzen auf dem Grund zu geben, zumal sich ihm durch die Anwesenheit des Companionbeschützers die einmalige Gelegenheit bot, eine entsprechende Studie direkt am Objekt vorzunehmen. Auch wenn seine Erkenntnisse niemals Akzeptanz geschweige denn Anerkennung des Imperiums finden würde, so mussten sie deshalb nicht nutzlos sein. Schließlich konnte man Forschungsergebnisse vielseitig verwenden.

„So wie Sie mich anstarren, könnte man meinen, Sie sind noch nie zuvor einem Menschen begegnet”, unterbrach Sandoval die tiefe Versunkenheit des Jaridian.

Go'rik sah ihn überrascht an. Es war ihm gar nicht bewusst gewesen. Ein unentwegtes, direktes Anschauen war etwas, dass die Menschen gar nicht schätzten, zumindest dieser hier - soviel hatte Go'rik bereits herausgefunden. Er wollte die an ihn gerichtete Bemerkung zuerst ignorieren, entschied sich dann aber anders. Wenn er etwas über die Beweggründe dieses Menschen herausfinden wollte, kam er nicht umhin, sich etwas aufgeschlossener zu zeigen. „Bin ich auch noch nie”, sagte er.

Mit dieser Antwort hatte der FBI-Agent nicht gerechnet. Er war davon ausgegangen, dass die Anwesendheit Lili Marquettes innerhalb des Imperiums kein Geheimnis bleiben würde, zumindest nicht bei allen ranghöheren Mitglieder. Entweder hatte er sich geirrt, was Go'riks Position betraf oder aber seine Vermutung, dass er sich fernab von Jaridia und seiner Befehlsgewalt befand, traf zu. Nun, wie dem auch sei, er musste weiterhin vorsichtig bleiben und so wenig Informationen wie möglich preisgeben. Allerdings hatte er den Jaridian mit seiner unvorsichtigen Bemerkung aufmerksam gemacht. Vielleicht würde er nicht sofort begreifen, aber sicher war es nur eine Frage der Zeit...

„Es hätte ja sein können, dass Sie auch an den Verbündeten Ihrer Feinde ein gewisses Interesse haben”, erklärte er möglichst beiläufig. „Zumindest wäre das doch naheliegend.”

„Sicher”, erwiderte Go'rik ebenso beiläufig.

Wieder schwiegen beide und wechselten nur hin und wieder einen kurzen Blick. Es wäre so einfach gewesen, den Mund zu öffnen und die Fragen auszusprechen, die ihnen auf der Zunge brannten, und doch konnten sie sich nicht überwinden.

„Glauben Sie wirklich, dass uns Ihre Leute finden werden?” fragte Sandoval nach einer Weile. Die Krämpfe in seinem Körper hatten etwas nachgelassen, aber das Taubheitsgefühl im Unterleib erstreckte sich langsam auch auf sein linkes Bein, und das machte ihm Angst.

„Sie werden uns finden”, sagte Go'rik zuversichtlich. „Rechtzeitig.”

Sandoval musste tief durchatmen, um der drohenden Panik Herr zu werden. „Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch so halten kann.” Obwohl er es hasste, seine Schwäche zuzugeben, überwog seine Angst, in den Abgrund zu stürzen.

Der Jaridian musterte ihn kurz. „Bis jetzt machen Sie es ganz gut.” Er selbst hatte bereits Schwierigkeiten, sich in der Felswand zu halten, und die Nacht hatte gerade erst begonnen... Erneut betrachtete er den Menschen. „Ist Ihnen kalt? Sie zittern.”

Sandoval nickte. „Ich habe das Gefühl, als wäre die Temperatur gefallen.”

„Ja, das ist richtig. Sie wird auch weiter sinken. Das scheint für Sie ein Problem zu werden.” Go'rik überlegte kurz und sagte dann: „Ich werde Ihnen meine Jacke geben. Ich muss ohnehin meinen Fuß für eine Weile auf Ihr Bein stellen.”

In den kommenden Minuten vergaß Sandoval Kälte und Schmerz. Geradezu starr vor Angst beobachtete er den Jaridian bei seiner akrobatischen Meisterleistung. An nur einer Hand hangelnd, den Fuß auf Sandovals Bein und das Gürtelende zwischen den Zähnen haltend, wand sich der Krieger mit erstaunlicher Biegsamkeit aus der einen Seite der Jacke. Dann drehte er sich etwas, wechselte den Halt und packte mit den Zähnen nun auch noch den rechten Ärmel, um sich das Kleidungsstück ganz abzustreifen. Es sah so leicht aus, so als würde er es jeden Tag auf diese Weise machen. Sandoval wurde allein vom Zusehen so schlecht, dass er sich beinahe übergeben musste. Wenig später lag die Jacke über ihn ausgebreitet, und Go'rik kehrte in seine Ursprungsposition zurück.

„Ich hoffe nur, Sie kommen nicht irgendwann auf die Idee, die Jacke wieder anziehen zu wollen”, sagte der FBI-Agent mit einem erleichterten Seufzen.

Der Jaridian schüttelte energisch den Kopf. „Ich glaube kaum, dass ich derartiges noch einmal wiederholen möchte.”

„Unsere Situation verlangt einiges von Ihnen ab.” Sandoval sah ihn nun direkt an. „Danke.”

„Schon gut. Ich hoffe nur, es nützt wenigstens etwas.”

„Ich wünschte, ich könnte ebenfalls etwas tun.”

„Das können Sie. Halten Sie einfach nur durch. Und wenn Sie mir zudem ab und zu erlauben, mich auf Ihrem Bein abzustützen, dann wäre das ebenfalls sehr hilfreich.” Go'rik sicherte erneut seinen Halt.

Wieder blieb es für eine Weile zwischen ihnen still. Dann unterbrach der Jaridian die Schweigsamkeit. „Glauben Sie an eine höhere spirituelle Macht, die das Schicksal eines jeden Lebewesens bestimmt?”

Sandoval sah überrascht auf. „Wie?”

„Glauben Sie an eine spirituelle Macht?” wiederholte Go'rik seine Frage.

„Das ... das lässt sich nicht so einfach beantworten”, sagte Sandoval, und ihm wurde bewusst, wie wenig er darüber bisher nachgedacht hatte. Sein Leben musste man fest in beide Hände nehmen, nichts dem Zufall überlassen und schon gar nichts dem sogenannten Schicksal überlassen - das war stets seine Devise gewesen.

„Glauben die Menschen an ein Leben nach dem Tod?” fragte Go'rik weiter.

„De Menschen haben eine Vielzahl von Glaubensvorstellungen, die eine Wiedergeburt oder Auferstehung versprechen. Das kommt auf die jeweilige Religion an. Aber es gibt auch sehr viele, die nicht an ein Leben nach dem Tod glauben.”

„Ich bin ein Anhänger der Lehren von 'nka'ru”, sagte der Jaridian. „Das mag seltsam erscheinen, da ich ein Ma-Krieger bin, ein erleuchteter Krieger. Früher habe ich gedacht, darin müsse ein besonderer Zusammenhang liegen, und ich habe meine Gefühle und mein Wissen sehr gründlich erforscht. Aber jetzt weiß ich, dass es nicht nur eine Unvereinbarkeit zwischen diesen Glaubensvorstellungen gibt, sondern dass die Erleuchtung, das ‚Ma’ nichts anderes als eine Illusion ist und lediglich dazu dient, dem Kampf gegen die Taelons einen zusätzlichen spirituellen Antrieb zu geben. Wenn ich in diesen Abgrund stürze und sterbe, dann höre ich auf zu existieren. Alles was ich darstelle, wird ausgelöscht. Und dieser Gedanke ist sehr erschreckend.” Im Nachhinein konnte Go'rik nicht sagen, warum er etwas so Persönliches diesem Menschen anvertraute, von dem er noch immer nicht wusste, ob er Feind oder Freund war. 'nka'ru war ein Tabuthema, das niemals öffentlich diskutiert wurde, es sei denn, man war auf Konfrontation aus und scheute nicht die damit verbundenen Risiken. Go'rik konnte sich nur an einen einzigen Zwischenfall erinnern, als sich eine sehr alte Kriegerin zu diesen Lehren bekannte. Er war damals noch sehr jung gewesen, und es hatte ihn sehr erschreckt, als er miterleben musste, wie diese Weibliche verspottet und bloßgestellt wurde. Er wusste nicht, was aus ihr geworden war, aber er hatte sich damals geschworen, niemals etwas zutun, was unehrenhaft war oder der Gemeinschaft schadete. Aber seit jenem Tag war ihm das Mysterium 'nka'ru nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Je mehr er sich diesen Lehren entzog, um so faszinierender wurden sie für ihn. Kein anderer Jaridian wusste von seinem Geheimnis, nicht einmal seine erste Gefährtin, mit der ihn eine tiefe Zuneigung verbunden hatte. Vielleicht war seine Offenheit gegenüber dem Menschen ein Versuch, einmal eine neutrale Meinung zu hören. Jemand, der nicht wie jaridianischer Krieger dachte oder fühlte, würde das Ganze vielleicht objektiver betrachten.

„Haben Sie Kinder?” fragte Sandoval. „Nachkommen?”

„Ich weiß, worauf Sie hinaus sind. In meinen Nachkommen werde ich in gewisser Weise weiterleben. Aber betrachten wir es doch mal ganz nüchtern: Es sind meine Gene, die ich weitergebe, nicht mein persönliches Selbst.”

Sandoval wurde sich seiner eigenen Kinderlosigkeit bewusst. Dee Dee und er hatten sich damit Zeit lassen wollen, bevor sie eine Familie gründeten ... und nun war es zu spät. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, sagte er: „Was beinhalten die Lehren von ...”

„'nka'ru? Nun, im Grunde ist es ganz einfach. Jedem Lebewesen steht eine gewisse Zeitspanne zur Verfügung. Sie ist einmalig, nicht wiederholbar und sollte deshalb auch sehr bewusst wahrgenommen werden.”

„Ich verstehe. Man soll das Leben genießen und jeden Tag so betrachten, als könnte es der letzte sein. Im Grunde eine sehr vernünftige Einstellung, aber auch egoistisch.”

„Nicht unbedingt”, sagte der Jaridian. „Wenn ich auf Kosten anderer lebe, nehme ich mir viel von meiner eigenen Zufriedenheit und werde wohl kaum glücklich sein. Lebe ich jedoch in einer Gemeinschaft, in der es allen gut geht, dann erhalte ich um so mehr zurück. Liebe, Freundschaft, Geborgenheit. Aber auch Schmerz und Leid, dass ich teilen kann, wird auf diese Weise weniger oder leichter zu ertragen.”

„Aber Sie sind ein Jaridian”, wandte Sandoval ein, der sich nicht ganz sicher war, wie er die plötzliche Offenheit des Kriegers verstehen sollte. „Sie wurden geboren, die Taelons zu jagen und zu vernichten. Ihr ganzes Leben ist dem Kampf gewidmet, nicht der eigenen Erfüllung. So ist es doch, nicht wahr?”

Go'rik gab keine Antwort, aber Sandoval sah darin nur eine Bestätigung seiner Worte. Doch warum erzählte ihm der Jaridian davon? Was bezweckte er damit?
Was mochte einen Krieger dazu bewegen, die Lebensweise seines eigenen Volkes anzuzweifeln? Doch nur aus dem Gefühl heraus, versagt zu haben... „Ich glaube, ich verstehe so langsam”, sagte er. „Das hier ist nicht Jaridia und vermutlich auch keine seiner Kolonien. Vermutlich sind wir sogar sehr weit entfernt von jeglichem Zugriff durch Ihr Oberkommando. Sie haben ohne deren Wissen das Portal für Ihre eigenen Zwecke benutzt. Ich weiß zwar nicht, wie Sie es angestellt haben, aber offensichtlich ging es Ihnen einzig und allein um Zo'or.” Und dann, ohne weiter zu überlegen, platzte es aus ihm heraus: „Sie sind ein Deserteur.”

Go'riks Kopf fuhr herum. „Warum beleidigen Sie mich, Mensch?” fauchte er. Der Zug am Gürtel verstärkte sich plötzlich, und einen schrecklichen Augenblick lang befürchtete der FBI-Agent, der Jaridian würde ihn von dem Sims reißen. „Halt! Warten Sie! Es tut mir leid!” rief er erschrocken. „Ehrlich. Ich wollte Sie nicht beleidigen.”

„Ich - bin - kein - Deserteur.” Go'rik spie diese Worte förmlich aus. „Sie haben ja überhaupt keine Vorstellung von unserem Leben hier. Sie wissen gar nichts über mich. GAR NICHTS.”

„Ich sagte es Ihnen bereits: Es tut mir leid”, wiederholte Sandoval diesmal schärfer. „Es war eine unüberlegte Äußerung von mir, aber ich hatte nicht die Absicht, Sie zu beleidigen.”

Go'riks Wut verrauchte so schnell, wie sie gekommen war. Er ärgerte sich bereits darüber, die Beherrschung verloren zu haben. Es war nicht nur leichtsinnig, es war auch ausgesprochen dumm. Wie konnte er die einfachsten Verhaltensregeln vergessen! Er konnte von Glück reden, wenn dieser Mensch gar nicht begriffen hatte, was da gerade passiert war. „Sie sind kein Krieger, oder?” sagte er, nachdem er tief durchgeatmet hatte.

„Ich bin kein Soldat, wenn Sie das meinen”, erwiderte Sandoval. „Aber ich weiß sehr wohl zu kämpfen. Ich mache es nur auf eine andere Weise.”

„Also doch nur ein Handlanger der Taelons...”

„Entweder beleidigen Sie mich jetzt absichtlich, um sich zu revanchieren oder Sie wollen mich provozieren”, sagte der Asiate scharf. „Wie dem auch sei, ich antworte mit Ihren Worten: Sie wissen gar nichts über mich. Und Sie wissen auch nicht, was in meiner Heimatwelt vor sich geht.” Sandoval hatte eigentlich nicht vorgehabt, sein Schweigen zu brechen, aber ihm war plötzlich bewusst geworden, dass es sich als einen taktischen Fehler erweisen konnte, wenn er diesen Jaridian gegen sich aufbrachte. Vor allem, wenn er mit seiner Vermutung tatsächlich Recht hatte und sie sich fernab vom jaridianischen Oberkommando befanden. Er würde jemanden brauchen, der ihn nicht von vornherein ablehnte und willens war, ihm zuzuhören. Sein Plan hatte sich schließlich nicht geändert, er musste nur einen kleinen Umweg akzeptieren.

„Wollen Sie mir etwa weismachen, dass Sie nicht beabsichtigen, den Taelon zu retten?” fragte Go'rik spöttisch. Dieser Mensch machte ihn nun wirklich neugierig, zumal er einige interessante Parallelen zu Mitgliedern seines eigenen Volkes, vor allem zu denjenigen, die zu den Nichtkämpfenden gehörten, erkannte. Wenn Ruhm und Ehre nicht durch einen Kampf gewonnen werden konnten, musste man sich andere Wege suchen. Es hieß zwar: Dem Imperium zu dienen, sei Ehre genug, aber es gab da doch sehr unterschiedliche Auffassungen. Wenn dieser Companion-Beschützer ähnlich ambitioniert war, dann verbarg sich hinter seiner ruhigen Fassade ein ausgesprochen gefährlicher Charakter. Gespannt wartete er auf dessen Antwort.

„Das will ich ganz und gar nicht. Trotzdem bin ich Ihnen und Ihrem Volk nicht feindlich gesinnt.”

„Das müssen Sie mir schon genauer erklären.”

Sandoval antwortete nicht sofort. Er suchte nach den richtigen Worten wie auch nach dem richtigen Tonfall, um überzeugend zu wirken.

„Die Taelons waren die ersten außerirdischen Lebewesen, die mit uns Kontakt aufgenommen haben”, begann der FBI-Agent. „Sie besaßen eine Technologie, die der unseren weit überlegen war. Für mein Volk bedeutete es einen enormen Entwicklungssprung nach vorn, und deshalb griffen wir zu, ohne weiter nachzudenken oder mögliche Konsequenzen zu bedenken...”

„Ziemlich unüberlegt”, warf der Jaridian ein. „Bevor Sie wussten, wie Ihnen geschah, hatten die Taelons Sie bereits in den Fängen und manipulierten Sie ganz nach Belieben.”

Sandoval runzelte die Stirn. „Ich gebe zu, wir waren tatsächlich ziemlich gutgläubig”, räumte er ein. „Aber Sie irren sich, wenn Sie glauben, dass wir uns so ohne weiteres versklaven lassen.”

„Schon gut. Damit erklärt sich aber noch immer nicht, warum Sie Zo'or schützen und gleichzeitig behaupten, ein Freund der Jaridian sein zu wollen.”

„Nun, das ist ganz einfach. Die Taelons repräsentieren in unserem System eine Macht, der wir im Augenblick noch unterlegen sind. Wir haben nicht die Möglichkeit, Ihnen offensiv zu begegnen. Zo'or ist der Führer der Synode. Als sein persönlicher Beschützer befand ich mich ständig in seiner Nähe und hatte somit Einblick in Taktik und Strategie der Taelons. Außerdem kann ich ohne jede Übertreibung von mir behaupten, derzeit der einzige Mensch zu sein, der mehr über die Jaridian weiß, als sonst irgendjemand.”

Go'rik wollte ihn erneut unterbrechen, unterließ es dann aber.

„Meine umfassenden Kenntnisse über die Taelons gestatten es mir, Prognosen für die Zukunft zu erstellen”, fuhr der Asiate fort, „und die sind alles andere als beruhigend. Was die Menschen derzeit brauchen, sind Verbündete. Starke Verbündete. Aber ebenso unerlässlich ist es, dass Zo'or seinen Platz als Synodenführer behält, denn nur dann kann eine effektive Strategie entwickelt und umgesetzt werden.”

Go'rik hatte ihm sehr aufmerksam zugehört. Jetzt legte er den Kopf ein wenig auf die Seite und dachte nach. „Ich befürchte, das reicht nicht” sagte er schließlich. „Ihr kleiner Plan hat nämlich einen Fehler: Wir verzichten auf Zo'or und erhalten dafür keine Gegenleistung...”

„Das ist nicht ganz korrekt”, warf Sandoval ein. „Was ist mit der Interdimensionstechnologie? Sie ist bei weitem mehr wert als Zo'ors Leben.”

„Oh nein. Nein, nein, nein”, sagte der Jaridian und lachte auf. „Sie sind ein cleverer Bursche, aber versuchen Sie mir nicht ein Geschäft zu unterbreiten, das Sie schon mit dem Oberkommando getroffen haben und für das Sie bereits eine Gegenleistung erhalten. - Ich sage Ihnen etwas: die Interdimensionstechnologie und das Portal, das zu Ihrer Heimatwelt führt, sind zwei mächtige Waffen. Werden sie richtig eingesetzt, dürfte der Krieg gegen die Taelons bald beendet und die Erde wieder ein freier Planet sein. Und wissen Sie, was mir daran besonders gefällt? Dass es dabei keinerlei Rolle spielt, was mit Zo'or geschieht. Es ist in diesem Fall nämlich absolut unerheblich.” Wieder lachte er auf. „So, und nun denken Sie noch einmal darüber nach, bevor Sie erneut versuchen, mir ein Geschäft anzubieten.”

Der FBI-Agent presste die Lippen zusammen. Mehr als der missglückte Versuch ärgerte ihn seine eigene Einfältigkeit. Schon bei seinen Verhandlungen mit dem Anführer der Jaridian hatte er feststellen müssen, dass es sich bei ihnen keineswegs um tumbe Krieger handelte. Er hätte auch diesen hier nicht unterschätzen sollen. Sandoval beschloss, seinen Fehler mit Humor zu nehmen, auch wenn ihm dies einiges an Überwindung kostete. „Ich sehe schon, dies wird eine kurzweilige Nacht.” Sein Lächeln wirkte noch ein wenig konstruiert, aber Go'rik schien seine Bemühen zumindest zu bemerken, denn er brach in ein lautes Gelächter aus. „Ihr Menschen könnt ja richtig amüsant sein.”

Und du hast offensichtlich den Verstand verloren, dachte Sandoval und wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder Angst bekommen sollte. Denn was nützte ihm jede Anstrengung, einen neuen Plan zu entwickeln, wenn der Jaridian vor lauter Lachen den Halt verlor! „Mich würde noch eines interessieren: Was wollen Sie eigentlich mit Zo'or?” sagte er.

Go'rik hörte auf zu lachen und sah zu dem Menschen hinüber. „Ich glaube Ihnen gern, dass Sie das wissen möchten”, sagte er. „Ich befürchte nur, Sie werden sich noch eine Weile gedulden müssen.” Er richtete seinen Blick wieder nach vorn, während es erneut in seinen Mundwinkeln zuckte.

 

Ende von Kapitel 20

 

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