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  „Freundschaft” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2002
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Liam und Da'an machen eine überraschende Entdeckung. Auch Jemen wird mit etwas konfrontiert, womit sie nicht gerechnet hat.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, zwischen „Liebe deinen Feind” und „Die Agentin”
Charaktere:  Liam, Da'an, Jemen, Zo'or
 

 

FREUNDSCHAFT

Kapitel 16

 

Liam hielt die Luft an und versuchte, seine Wahrnehmungen zu ordnen. Als ihn der Energiewirbel packte und mitriss, blieb keine Zeit für irgendwelche Überlegungen. Aber jetzt, da das leuchtende Wabern und Wogen langsam nachließ und die Konturen einer fremden Umgebung an Schärfe gewannen, begriff er, dass sie durch eine Art Interdimensionsportal gegangen waren. Das Gefühl von Desorientierung war jedoch viel stärker ausgeprägt und ließ ihn schwanken. Jemand packte seinen Arm, und eine Stimme fragte besorgt: „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?”

Da'an.

Der Taelon stand an seiner Seite und betrachtete ihn prüfend.

Liam blinzelte ein paar Mal kräftig, bis sein Blick klarer wurde. „Ich denke schon”, murmelte er. Da'an ließ ihn los, und er machte ein paar vorsichtige Schritte, so, als müsste er sich davon überzeugen, dass ihm seine Beine auch wirklich gehorchten. „Ich bin nur ein bisschen benommen.” Neugierig musterte er die Umgebung. „Wo sind wir hier?” fragte er angespannt.

Der Taelon drehte sich langsam um die eigene Achse. „Das ist ein Labor”, sagte er zögernd. „Ma'els Labor.” Seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass ihn die Existenz dieses Ortes überraschte, und das ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Ma'el hatte weit mehr vor seinen Artgenossen verheimlicht, als von diesen angenommen worden war.

„Jetzt wird mir so manches klar”, sagte Da'an, während er sich umsah. Seine Hand fuhr an verschiedenen Stellen durch die Luft. Doch kein Datenstrom öffnete sich.

„Die Energie scheint abgeschaltet zu sein.”

„Ja. Ich werde versuchen, sie wieder zu aktivieren.” Da'an wandte sich einem seltsamen Gebilde zu, das wie ein Gitterwerk aus Schnüren und kleinen blauen Kugeln aussah. Es war in einen ebenso kunstvollen Rahmen eingefasst, der sich nach unten in dicke Streben verbreiterte und mit dem Boden verbunden war, beinahe wie ein Baum, der seine Wurzeln ins Erdreich gestoßen hatte. Interessiert kam Liam näher, doch der Taelon streckte sofort seinen Arm aus und hielt ihn zurück. „Sie sollten besser Abstand wahren. Es kommt vielleicht zu einigen Entladungen, bevor sich das Energieniveau stabilisiert.”

Gehorsam trat der junge Mann zurück und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Raum und den verschiedenen Konsolen. „Es ist mir unbegreiflich, dass Doors dieses Labor nicht entdeckt hat.”

„Vielleicht hat er es aber auch vor Ihnen verschwiegen”, meinte Da'an, während seine Finger vorsichtig über die kleinen Kugeln strichen, so als sei das Gitterwerk eine Art Musikinstrument, nur dass keine Musik zu hören war.

„Wir müssen uns auf einem anderen Deck befinden”, überlegte Liam. „Vermutlich tief unten im Schiff. Wäre das möglich?”

Da'an gab keine Antwort, konzentrierte sich allein auf die Kugeln, die jetzt in einem schwachen Licht pulsierten.

Liam fuhr fort mit seiner Untersuchung fort. „Hier ist ein Durchgang, Da'an. Vielleicht kann ich feststellen, wo genau im Schiff wir uns befinden.”

„Seien Sie vorsichtig”, ermahnte ihn der Taelon eher beiläufig. „Ich möchte Sie nachher nicht suchen müssen.” Er vertiefte sich wieder in die komplexen Energiemuster, die auf eine höchst raffinierte Art und Weise den Energiefluss blockierten. Ma'el, du stellst unsere Geduld und Ausdauer auf eine mehr als harte Probe, dachte er. Aber wenn du glaubst, dass wir uns geschlagen geben, dann hast du dich getäuscht. Dazu bedarf es schon mehr als nur ein paar simple Tricks. Du warst ein zu guter Lehrmeister. Erneut bearbeitete er die Matrix, als ihn ein überraschter Ruf Liams erreichte.

„Da'an! Das müssen Sie sich ansehen!”

„Was haben Sie entdeckt?” fragte der Taelon, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.

„Etwas, das eigentlich völlig unmöglich sein müsste.”

Das erweckte Da'ans Neugierde, so dass er seinem Beschützer folgte.

„Ist das real oder eine Simulation?” fragte Liam atemlos, als der Taelon an seine Seite trat. Sie befanden sich auf dem höchsten Punkt einer schmalen Rampe, die zu beiden Seiten sanft abfiel und das Labor kreisförmig umgab. Eine Balustrade säumte den Weg. Sie war aber mehr Zierwerk als notwendiger Schutz, wie Da'an erkannte, denn es ging nicht sehr tief hinunter. Was den jungen Mann so sehr überraschte, war die riesige Fläche virtuellen Glases, dem sie sich gegenüber befanden, und das, was sie dort zu sehen bekamen... Keine unterirdische Höhle, wie zu vermuten wäre. Auch kein Blick in die Tiefen des Ozeans. Es war der Weltraum - schwarz und riesig und irgendwie bedrohlich, empfand Liam.

„Es ist real”, erwiderte Da'an nicht weniger überrascht. „Wir befinden uns in einer Raumstation.”

„Aber auf welcher und wo?” Liam konnte kaum glauben, was er sah, und noch weniger verstehen. „Da! Sehen Sie!” Seine Hand deutete aufgeregt auf die rechte Ecke der riesigen Fensterfront. Dort wuchs ein bläulichweißer Schimmer zu rascher Größe heran. „Die Erde! Aber wie kann das sein? Diese Station hätte längst entdeckt sein müssen.”

„Nur, wenn sie sichtbar wäre”, erwiderte der Taelon und machte Anstalten, in das Labor zurückzukehren.

„Sichtbar?” echote Liam perplex. „Was meinen Sie damit?”

Da'an sah ihn mit unbeweglichem Gesicht an. Die Neugierde der Menschen... sie wirkte mitunter wirklich sehr störend. Allerdings konnte er Liams Aufregung verstehen. Es war nur eine natürliche Reaktion seiner Spezies, die gegenwärtige Situation richtig einzuschätzen, um sich sowohl auf das Kommende vorzubereiten als auch für eventuelle Gefahren gewappnet zu sein. Wenn es jedoch nach Da'an gegangen wäre, hätte er vorerst eine Antwort vermieden. Es war bereits unangenehm genug, dass sein junger Beschützer von der Existenz dieser Station wusste. Schadensbegrenzung war jetzt erforderlich. Und da sich Liam nicht mit irgendwelchen Ausflüchten hinhalten ließ, beschloss der Taelon, die gewünschten Informationen so kunstvoll zu verpacken, dass sie einerseits den jungen Mann zufrieden stellten, andererseits aber nichts Relevantes preisgeben. „Bevor wir seinerzeit die Interdimensionstechnologie entwickelten, befassten wir uns auch mit der Tachyonenerforschung”, begann er mit seiner Erläuterung. „Allerdings war dies ein Gebiet, das sich als außerordentlich schwierig erwies, so dass wir es nach einer Weile wieder aufgaben. Ein Nebeneffekt dieser Versuche war die Entstehung von Gravitationswellen, wie wir sie bisher nur bei der Kollision von Schwarzen Löchern messen konnten. Es gelang unseren Forschern, eine Kraftfeldvorrichtung zu entwickeln, um darin ein Gravitonfeld aufrechtzuerhalten. Wir haben diese Technik später für unsere Schutzschilde weiterentwickelt. Die Möglichkeit, die durch das Schutzschild erzeugte räumliche Verzerrung zu nutzen, um uns zukünftig vor den Sensoren der Jaridian zu tarnen, wurde jedoch nicht weiter verfolgt, weil zu diesem Zeitpunkt bereits erste vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Interdimensionstechnologie erzielt worden waren. Ma'el könnte durchaus auf der Basis der ersten wissenschaftlichen Befunde einen entsprechenden Tarnschild entwickelt haben. Zumindest spricht alles dafür.”

„Aber Ma'el befasste sich in erster Linie mit der Erforschung der Menschheit”, wandte Liam ein. „Um einen Tarnschild zu entwickeln, hätte er demnach die Unterstützung Ihrer Physiker benötigt.”

„Gewiss”, erwiderte Da'an, als sei dies eine selbstverständliche Schlussfolgerung. „Ihm stand ein größeres Kontingent an Wissenschaftlern zur Verfügung. Die Tatsache, dass wir es hier mit einem Tarnschild zutun haben, bedeutet lediglich, dass er vorhandene Möglichkeiten für sich genutzt hat, nicht aber, dass er gegen unsere Direktiven verstoßen hat. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse erfahren eine nur geringe Beachtung, wenn ihre Bedeutsamkeit nicht unmittelbar für unsere gegenwärtige Mission sichtbar ist.”

„Und wie lautet Ihre Mission?” hakte Liam sofort nach, in der Hoffnung, den Taelon zu einer unbedachten Antwort verleiten zu können. Doch sein Companion war nicht so einfach zu überrumpeln.

„Unsere Erfahrung und unser Wissen mit den Menschen zu teilen”, antwortete Da'an mit unbeweglichem Gesichtsausdruck, „und ein besseres Verständnis zu entwickeln, das für die Zukunft unserer beider Spezies nur von Vorteil sein kann.”

Nun, einen Versuch war's wert, dachte Liam und konzentrierte sich wieder auf das ursprüngliche Gespräch. „Wenn Ma'el so sehr darauf bedacht war, diese Raumstation geheimzuhalten, wieso konnten wir dann hierher gelangen?”

„Ich vermute, dass es eine Abtastung unserer DNA gab”, sagte Da'an. „Ma'els Wunsch war es, dass seine Manuskripte zu einer friedlichen Koexistenz zwischen Menschen und Taelons beitragen. Vermutlich haben wir den Auslösemechanismus des Portals in Gang gesetzt, als unsere beider Hände auf der Konsole lagen.”

„Demnach sollen seine Forschungsergebnisse von einem Taelon und von einem Menschen gefunden werden.”

„Ja, so scheint es.” Da'an wandte sich dem Labor zu. „Ich werde mich wieder unserem Energieproblem widmen. Es macht wenig Sinn, nach den Manuskripten zu suchen, bevor wir nicht eine Möglichkeit gefunden haben, diese Station wieder zu verlassen.”

Liam ließ ihn widerspruchslos gehen. Im Augenblick musste er sich mit dem begnügen, was er erfahren hatte. Vielleicht würde sich später eine Gelegenheit finden, weitere Antworten zu erhalten. Immerhin war es beruhigend zu wissen, dass der Transfer vom Schiff auf die Raumstation nicht von Da'an willkürlich ausgelöst worden war. Und angesichts der gegenwärtigen Situation schien sein Companion zudem gewillt, den vorangegangenen Disput zu vergessen. Vielleicht stand es um ihrer beider Freundschaft doch noch nicht so schlecht bestellt. Schon wieder etwas optimistischer wandte sich Liam der Fensterfront zu. Die Erde war nun als Halbkugel zu sehen, ein blauweiß schimmernder Edelstein in der Schwärze des Weltalls. Zum Greifen nah und zugleich unendlich weit weg.

 
* * *
 


Zo'or hatte Jemen ein ganzes Stück in die Schlucht hineingeführt, und sie war ihm stumm gefolgt. Sie war zu sehr in ihren Gedanken verfangen, um ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten als auf den nächsten Schritt. Selbst als er sie aufforderte, einen kaminartigen Aufstieg im Felsen hinaufzuklettern, gehorchte sie widerspruchslos und ohne ihr Tun in Frage zu stellen. Erst als sie den Rand der Schlucht erreichten und sie sich erschöpft auf den Boden niederließ, durchdrang etwas ihre tiefe Versunkenheit. Sie konnte es jedoch nicht zuordnen; es war ein mehr als diffuses Gefühl, dass etwas an ihrer Umgebung nicht stimmte, und sie war zu müde, um dem auf den Grund zu gehen. Zo'or hatte sich einige Schritte weit von ihr entfernt und schien sich zu orientieren. Nach einer Weile kehrte er zu ihr zurück und betrachtete sie, offensichtlich um ihre Erschöpfung einzuschätzen. „Geben Sie mir noch ein paar Minuten”, bat sie.

„Das hier ist nicht der geeignete Ort für eine Rast, Miss Tyler”, belehrte er sie. „Es ist erforderlich, dass wir weitergehen.”

„Weitergehen”, wiederholte sie langsam, so als müsste sie erst die Bedeutung dieses Wortes erfassen. Mühsam erhob sie sich und sah sich um. Als sie das langgestreckte Plateau sah, das zum Osten hin von den Sandsteinfelsen und dem dahinter liegenden Gebirge begrenzt wurde, während auf der anderen Seite die Schlucht, die sie zuvor entlang gegangen waren, parallel zu der Richtung verlief, die der Taelon jetzt anstrebte, erkannte sie plötzlich, was sie zuvor irritiert hatte. Es fuhr wie ein Adrenalinstoß durch ihren Körper und verdrängte jedes Gefühl von Schwäche und Benommenheit. „Zo'or!” Ihr scharfer Ruf ließ ihn innehalten. „Was soll das? Erst scheuchen Sie mich über den Berg, weil wir angeblich in der Schlucht sicherer sind ... und jetzt sind wir wieder hier oben.”

„Sie müssen es schon mir überlassen, den passenden Weg zu wählen”, antwortete er herablassend.

„Nur kann ich darin keinen Sinn erkennen”, sagte sie stirnrunzelnd und sah sich erneut um. „Einfacher können wir es den Jaridian wirklich nicht machen. Man kann uns meilenweit sehen. ”

„Es gibt genügend Spalten, die uns notfalls Schutz bieten.” Mit geradezu stoischer Ruhe sah er zu ihr hinüber.

Jemen suchte vergeblich nach der Logik in seinem Verhalten. Warum sich am Rande der Schlucht entlang bewegen, wenn es dort unten sicherer war? Es war auch kaum anzunehmen, dass sich die Kolonie hier oben auf dem Plateau befand. Und nach einer Abkürzung sah das auch nicht aus. Im Grunde gab es nur eine Erklärung ... Sie schloss hastig zu ihm auf. „Sie haben gar keine Ahnung, nicht wahr?” sagte sie herausfordernd. „Sie wissen überhaupt nicht, wo sich die Kolonie befindet.”

Zo'or sah sie starr an, und sie rechnete schon damit, dass er die Anschuldigung in seiner gewohnten arroganten Art weit von sich schob. „Sie sind sehr scharfsinnig”, sagte er plötzlich, „und vermutlich hat es wenig Sinn, Ihnen weiterhin etwas vorzumachen. Tatsächlich bin ich nie zuvor auf diesem Planeten gewesen. Ich kenne lediglich einige Kartographien ...”

Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet, und es war wie ein Schock. „Sie wissen es tatsächlich nicht”, sagte sie fassungslos und begriff, dass sie mit ihrer provokanten Aussage im Grunde nur eine Zusicherung erhoffte hatte, dass ihr Marsch bald ein Ende finden würde. Es war, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt. „Soll das etwa heißen, dass wir die ganze Zeit über völlig unsinnig durch die Gegend gelaufen sind?” brach es aus ihr heraus. Wut begann in ihr zu brodeln, die alsbald in heißen Zorn umschlug, je deutlicher ihr die Tragweite seines Geständnisses bewusst wurde. „Ich fasse es nicht!”

„Miss Tyler”, begann Zo'or mit energischer Stimme, doch sie schnitt ihm mit einer heftigen Handbewegung das Wort ab. „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Dass wir irgendwann zufällig über die Kolonie stolpern?” schrie sie ihn an.

Automatisch wich er einen Schritt zurück. „Es ist Ihr Vorschlag gewesen, die Kolonie aufzusuchen. Haben Sie das schon vergessen? Wir haben ja nicht einmal die Gewissheit, dass wir dort überhaupt Hilfe finden.”

Aber Jemen war nicht gewillt, ihm in irgendeiner Form Recht zu geben. Für sie gab es im Augenblick nur die eine Wahrheit - dass sie in eine mehr als aussichtslose Situation geraten war. An eine Umkehr war nicht zu denken. Sie wusste, dass ihre Kraft dazu nicht mehr ausreichte. Doch planlos weiterzugehen, war genauso sinnlos. „Bei unserer Auskunft musste ich eine Entscheidung treffen”, sagte sie mühsam beherrscht. „Entweder bleiben und damit den Jaridian ausgeliefert zu sein oder die Chance der Flucht zu ergreifen. Ich hätte mich doch niemals auf den Weg gemacht, wenn ich auch nur im Entferntesten geahnt hätte, dass Sie gar nicht wissen, wo sich die Kolonie befindet. - Dann war Ihre Idee, die Canyons aufzusuchen, wahrscheinlich auch nur aus der Luft gegriffen, um mich in Sicherheit zu wiegen.”

„Nein”, sagte Zo'or rasch. „Die Schluchten bieten tatsächlich einen Schutz vor den Sensoren der Jaridian. Das gehört zu den wenigen Informationen, die mir über Muruwi geläufig sind. Ebenso wie die mit Wasser gefüllt Frucht ... falls Sie mir vorwerfen wollen, dass ich Sie einem unbekannten Risiko ausgesetzt habe.” Was er tatsächlich noch über den Planeten wusste, konnte und wollte er ihr nicht offenbaren. Muruwi war innerhalb des Gemeinwesens ein Tabuthema, auf das er eher zufällig gestoßen war. Trotz größter Bemühungen war es ihm nicht gelungen, herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Eine Mauer des Schweigens war ihm begegnet, wann immer er eine vorsichtige Frage formulierte. Das Wissen schien sich vor allem auf die älteren Taelons zu beschränken, und die wussten sich sehr gut zu schützen. Was sie jedoch nicht gänzlich vor ihm verbergen konnten, war eine vage Emanation, die von Schuldgefühlen kündete. Und so, wie jedes Geheimnis dazu anregte, eigene Spekulationen anzustellen, hatte auch Zo'or für sich eine Erklärung gesucht.

„Verdammt, Sie haben mir die ganze Zeit über etwas vorgemacht!” rief Jemen, erneut von wilder Wut gepackt. „Es war Ihnen vollkommen gleichgültig, was aus mir wird, solange Sie Ihr erbärmliches Leben retten konnten.” Die Vorstellung, dass all die Strapazen vergeblich sein sollten, brachte sie fast um den Verstand.

Der Taelon starrte sie mit ausdruckslosem Gesicht an. Er fand nichts Verwerfliches daran, sie benutzt zu haben. Denn etwas anderes hatte sie seiner Meinung nach auch nicht getan. Auch sie hatte ihn benutzt, um ihr Leben zu retten. „Hätte ich nicht eine reelle Chance gesehen, die Kolonie zu finden, wäre ich Ihnen wohl kaum gefolgt ...”

„Nur mit dem Unterschied, dass es für Sie keine Rolle spielt, ob Sie ein paar Tage oder ein paar Wochen suchen müssen”, herrschte sie ihn an. „Aber wahrscheinlich war das von Ihnen von vornherein so geplant gewesen. Eine nützliche Unterstützung, auf die man gern zurückgreift und der man sich bei Bedarf ganz einfach entledigt. - Was sind Sie doch für ein verabscheuungswürdiges Wesen!” Ihr Gesicht verzog sich voller Verachtung. Schließlich wandte sie sich von ihm ab.

„Was haben Sie jetzt vor?” rief er ihr irritiert hinterher.

„Das weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall will ich einen möglichst großen Abstand zwischen uns bringen. Ich kann Ihre Gegenwart nicht länger ertragen.”

Zo'or spielte mit dem Gedanken, sie tatsächlich gehen zu lassen. Ihr derzeitiger Zorn machte sie alles andere als sehr umgänglich. Aber die Vorteile, die ihre Gegenwart mit sich brachten, waren nicht von der Hand zu weisen. Er benötigte Schutz und Beistand, um die Kolonie sicher zu erreichen. Während ihres bisherigen Marsches hatte sie sich als außerordentlich zäh erwiesen, eine Leistung, die er durchaus anerkannte. Damit entsprach sie zwar noch immer nicht den Anforderungen eines Beschützers, aber er hätte es auch durchaus schlechter treffen können. Ein weiterer Aspekt schien ihm ebenfalls sehr gewichtig. Tyler besaß offensichtlich eine gewisse Affinität hinsichtlich seiner Spezies. Sie hatte ihre persönliche Aversion ihm gegenüber zurückgestellt. Damit war sie für ihn formbar. Wenn er es nur geschickt genug anfing, würde sie in seinem Sinne handeln, ohne dass es ihr bewusst werden würde. Jetzt stellte sich nur die Frage, wie loyal sie tatsächlich war. Wenn es darum ging, die wahre Gesinnung zu verbergen, zeigten die Menschen eine außerordentliche Geschicklichkeit. Um sie zu entlarven, musste man meist zu sehr drastischen Maßnahmen greifen. Vielleicht sollte er Tyler einer Prüfung unterziehen, um sich in dieser Hinsicht Gewissheit zu verschaffen.

Zo'or stellte fest, dass sie sich bereits ein gutes Stück von ihm entfernt hatte und bald außer Rufweite sein würde. Es war ihr tatsächlich ernst damit, zukünftig getrennte Wege zu gehen. „Miss Tyler!” rief er ihr energisch hinterher. „Sie wissen genauso gut wie ich, dass Ihr Verhalten stur und unvernünftig ist. Ziellos in der Gegend herumzulaufen, bringt Ihnen gar nichts.”

„Doch”, gab sie giftig zurück, „es hilft mir, meine Wut abzureagieren, da ich mich ansonsten wohl auf Sie stürzen müsste.”

Da Logik hier offensichtlich versagte, versuchte er es auf eine andere Weise. „Wir haben nach wie vor noch die Chance, die Kolonie zu finden.”

„Viel Spaß bei der Suche!” rief sie, ohne sich umzudrehen.

„Es tut mir leid, dass ich Sie belogen habe.” Hatte er das wirklich gesagt? Wie kam er dazu, sich bei diesem primitiven Wesen zu entschuldigen!

„Nein. Es tut Ihnen ganz und gar nicht leid”, sagte Jemen heftig, blieb aber stehen.

Zo'or nutzte die Chance, sich ihr zu nähern. „Sie haben recht, es tut mir nicht leid”, gestand er, „denn ich kann keinen Fehler in meiner Handlungsweise sehen. Es war die einzig logische Konsequenz, denn die Wahrheit hätte Sie zur Umkehr bewogen oder sogar zum Aufgeben...”

„Aber ich hätte selbst entschieden ... wir hätten gemeinsam entscheiden können, ob ein Weitergehen sinnvoll wäre. Doch diese Option zogen Sie nicht einmal in Betracht.” Seine menschenverachtende Einstellung trieb ihr die Tränen in die Augen. „Was aus mir wird, lässt Sie völlig ungerührt. Ich bin für Sie nur interessant, solange sich daraus ein Vorteil für Sie bietet.”

„Ihr einziges Problem, Miss Tyler, besteht doch wohl nur darin, dass Sie Ihre Emotionen nicht in den Griff kriegen und mich dafür verantwortlich machen wollen”, sagte er energisch. „Wären Sie nur ein bisschen objektiver, würden Sie begreifen, dass ich mich der Situation angemessen verhalten habe.”

„Angemessen?” echote sie und kam ihm dabei so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „Das nennen Sie angemessen? - Wissen Sie was? Ich sollte mich vielleicht auch einmal angemessen verhalten und Sie den Jaridian ausliefern.”

„Das wagen Sie nicht”, zischte er. Aber in seinen Augen glomm Unsicherheit auf. In diesem Augenblick konnte er tatsächlich nicht abschätzen, ob sie dazu fähig wäre. „Als Companion-Beschützerin ist es Ihre Pflicht, alle Taelons zu schützen. Wollen Sie jetzt Ihr Wort brechen?”

„Ich kündige hiermit”, fauchte sie ihn an. „Fristlos!” Sie gab ihm keine Gelegenheit zu einer weiteren Erwiderung, sondern drehte sich um und marschierte los.

„Miss Tyler”, tönte es ungehalten hinter ihr her.

„Lassen Sie mich einfach in Ruhe!”

„Aber ...”

„Lassen - Sie - mich - in - Ruhe!” Diesmal war ihre Stimme so drohend, dass er überrascht schwieg und auch keine Anstalten machte, ihr zu folgen.

 
* * *
 


Sie suchte ein Versteck, irgendeinen Platz, an dem sie sich zurückziehen und in Ruhe über alles nachdenken konnte. Jetzt war sie viel zu aufgebracht und zu durcheinander, um einen klaren Gedanken zu fassen. Jemen lief über das Plateau, bis sie auf eine der Spalten stieß, die das ebenmäßige Gelände durchzogen. Bald fand sie eine Stelle, die ihr geeignet schien. Der Graben war nicht zu tief, und er besaß kleine sandige Ausbuchtungen. Sie wählte eine Stelle, die durch einen Vorsprung geschützt war. Dort würde sie Zo'or hoffentlich nicht finden, sollte er es tatsächlich wagen, ihr zu folgen. Erschöpft ließ sie sich nieder und umschlang ihre Knie. In den vergangenen Tagen hatte sie mehr als einmal mit dem Leben abgeschlossen, doch immer hatte sich das Blatt in letzter Sekunde gewendet, so als sei ihr ein anderes Schicksal zugedacht. Um letztendlich auf diesem Planeten zu sterben? Ständig schwankte sie zwischen Zuversicht und Entmutigung. Es gab nichts, an das sie sich halten konnte, kein Hoffnungsschimmer, an dem nicht auch der Schatten der Verzweiflung klebte. Was nur hatte sie getan, dass sie derart bestraft wurde? Trübsinnig starrte sie auf den fast dunkelroten Sand zu ihren Füssen. Und wenn sie nun doch den Rückweg versuchte? Mehr als scheitern konnte sie nicht. Vielleicht war ihre Misere entstanden, gerade weil sie das Portal verlassen hatten. Vielleicht war Hilfe längst unterwegs. Die Taelons würden wohl kaum jemanden ihrer Art so einfach im Stich lassen - noch dazu, wenn es sich um ihren Anführer handelte. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass Zo'or diese Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen hatte. Weil von vornherein feststand, dass ihm seine Artgenossen nicht helfen konnten ... oder wollten? Jemen hatte keine Ahnung, wie das Gemeinwesen funktionierte und wie hoch der Stellenwert eines Einzelnen innerhalb dieser Gemeinschaft war. Aber die Vorstellung, das Zo'or kaltblütig seinem Schicksal überlassen wurde, ließ sie erschaudern, und sie war froh, dass sich in dieser Hinsicht die Menschheit doch ein wenig von den Taelons unterschieden. Müde ließ sie sich gegen den Felsen sinken und schloss die Augen. Ein Geräusch ließ sie jedoch bald wieder hochschrecken.

„Miss Tyler?” Zo'or war nicht zu sehen, aber seine Stimme war unverkennbar. „Warum verstecken Sie sich vor mir?”


Jemen fuhr wie von einer Tarantel gestochen hoch und sah sich um. Der Taelon stand oberhalb des Felsens und starrte in beispielloser Verwunderung auf sie hinab. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!” stieß sie fassungslos hervor. „Nach allem, was vorgefallen ist, wagen Sie es tatsächlich, hier aufzutauchen?”

Er gab keine Antwort, aber seine Verwunderung wich einer gewissen Verwirrung.

„Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?” schrie sie ihn an. „Was wollen Sie noch von mir? Mir vielleicht beim Sterben zusehen?” Es klang ein wenig dramatisch, aber das war ihr nur recht so. Er sollte sehen, dass sie litt und mit ihren Kräften am Ende war. „Wenn Sie der Meinung sind, die Kolonie finden zu können ... bitte schön! Was hält Sie zurück? - Oder wollen Sie mir etwa weismachen, dass Sie es ohne meine Hilfe nicht schaffen? Sie sind doch die Intelligenzbestie, die auf uns primitive Menschen so verächtlich herabsieht. Kann es sein, dass Ihr überragender Intellekt doch nicht so toll ist?”

Zo'or wusste nicht, was ihn mehr aufbrachte - ihre unverschämten Anschuldigungen oder die Art, wie sie ihn anschrie. „Glauben Sie nur ja nicht, dass ich vergesse habe, wem ich meinen Aufenthalt auf diesem Planeten zu verdanken habe!” sagte er scharf.

„Wollen Sie das jetzt etwa mir in die Schuhe schieben?” rief sie verblüfft.

„Es ist eine Tatsache ...”

„Ich glaube es nicht!” Jemens entgeisterter Blick folgte ihm, als er zu ihr in die Spalte hinabstieg. „Wer hat denn hier sein Leben riskiert und Kincaid und seine Leute zum Versteck der Dark Blue geführt?”

Zo'or blieb in einem gebührender Abstand vor ihr stehen. „Halten Sie mich für so dumm, dass ich Ihr falsches Spiel nicht durchschaue? Es war sehr clever von Ihrer Widerstandsgruppe, Sie als Köder zu benutzen. Ihretwegen ließ ich mich dazu überreden, das Mutterschiff zu verlassen, obwohl ich dort vermutlich am sichersten gewesen wäre. Aber Ihr Plan, Miss Tyler, der geht leider nicht auf, denn jetzt sind Sie ebenfalls ein Opfer des Widerstandes geworden.”

„Ich habe mit den Dark Blue nichts zutun. Ich wusste weder von dem Portal noch dass man beabsichtigte, Sie nach Jaridia zu schicken ...”

„Das nehme ich Ihnen sogar ab”, erwiderte Zo'or mit einem wissenden Lächeln, das von einer Sekunde zu anderen von seinem Gesicht verschwand und einem finsteren Ausdruck wich. „Denn Sie beabsichtigten etwas ganz anders. Sie wollten mich töten!”

Jemen erbleichte, und einen Augenblick lang rang sie vergeblich nach den richtigen Worten, die unerhörte Anschuldigung von sich zu weisen, bis ihr bewusst wurde, dass es die Wahrheit war ... so wie er sie kannte. „Das war nicht ich”, verteidigte sie sich mit wachsender Verzweifelung. „Eine fremde Macht beherrschte meinen Geist und zwang mich dazu, Dinge zu tun, die mir zutiefst zuwider waren ...” Vergeblich suchte sie in seinem Gesicht nach etwas wie Verständnis, fand dort nur Ablehnung und Kälte. „Ma'els Botschaft ... sie war zu einem monströsem Ungeheuer verfremdet ... ich wusste nichts davon ... ich wusste nicht, dass sie in meinem Kopf war”, fuhr sie zusammenhanglos fort. „Als ich auf dem Mutterschiff war, haben Sie diese fremde Macht gespürt. Aber davon ist jetzt nichts mehr übrig. Da'an und Kincaid konnten sie unschädlich machen. Überzeugen Sie sich!” Sie streckte ihm beide Hände entgegen.

Zo'ors Augen weiteten sich vor Überraschung, und er fuhr jäh zurück. Nur allzu deutlich hatte er die Gewalttätigkeit jener Entität in Erinnerung. Auf eine Wiederholung dieser Erfahrung legte er keinen Wert. „Kommen Sie mir nicht zu nahe!” sagte er heftig, aber es klang eher furchtsam als drohend.

„Ich bin jetzt keine Gefahr mehr für Sie”, versicherte sie ihm.

Der Taelon beäugte sie gleichsam wachsam wie misstrauisch, während er vor ihr auf und abging. „Die Botschaft von der Sie gerade sprachen”, sagte er dann, und Neugierde zeigte sich jetzt ganz offen in seinem Antlitz, „Ma'els Botschaft - wie lautet sie?”

„Sie war an die Menschen gerichtet. Sie sollte uns auf Ihre Ankunft vorbereiten ...”

„Sha'bra”, unterbrach er sie mit einer unwilligen Geste. Auch ohne dass er sich erklärte, vermochte Jemen seine Gedanken zu erahnen. In seinen Augen konnte Ma'els Vorhaben nur scheitern, da er sich mit den primitiven Menschen eingelassen hatte. Sie sah aber auch seine Enttäuschung und fragte sich, welche Art Botschaft er sich erhofft hatte. Es musste etwas Wichtiges sein, etwas, dass die Taelons unbedingt brauchten. Jemen erinnerte sich nur ungern an den Zwischenfall in der Botschaft, als Da'an gegen ihren Willen einen mentalen Kontakt herbeizwang. Auch wenn es letztendlich eine schicksalhafte Fügung war ... seine Unerbittlichkeit hatte sie erschreckt. Als hätte sich ihr ein völlig anderer Taelon offenbart, der nichts mit der Freundlichkeit Da'ans gemeinsam hatte.

Zo'or riss sie aus ihrer Nachdenklichkeit, als er sagte: „Wie konnten Sie von dieser gewalttätigen Macht infiziert werden?” Es war nicht erkennbar, ob er aus Neugierde fragte oder ihre Geschichte insgeheim anzweifelte. Sein Gesichtsausdruck war neutral und bot keinerlei Hinweis auf seine Gedanken.

„Ma'el hat seine Botschaft seinerzeit an eine Gruppe von Menschen weitergegeben, und dazu gehören offensichtlich meine Vorfahren.”

„Demnach gibt es also noch weitere ...” Zo'or unterbrach sich und in seiner Miene zeigte sich plötzliche Beunruhigung.

„Es muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass all die Menschen, die Ma'els Botschaft in sich tragen, zu einer potentiellen Gefahr werden”, erwiderte Jemen. „Wichtig ist wohl die innere Stabilität und ... das man jemanden hat, der einem zur Seite steht.” Ihr Blick kehrte sich nach innen, und ein trauriges Lächeln zeigte sich in ihrem Gesicht. „Ohne Di'mags Hilfe ...”

„Di'mag”, schnaubte Zo'or verächtlich.

Jemen sah ihn jetzt wieder an, und ihre Augen verengten sich. „Di'mag hat mehr für mich getan als Sie sich vorstellen können”, sagte sie zornig. „Er half mir, das fremde Bewusstsein in mir zu kontrollieren. Als er starb, war ich ohne jeden Halt und richtete meinen Zorn gegen denjenigen, der seinen Tod zu verantworten hatte - gegen Sie!”

Einige Sekunden lang starrte der Taelon sie groß an. Dann schien er zu begreifen. „Ich bin nicht für seinen Tod verantwortlich”, sagte er sehr bestimmt.

„Sie haben ihn getötet”, klagte sie ihn an. „Sie konnten es nicht ertragen, dass er sich mit einem Menschen einließ, und deshalb musste er sterben.”

„Was Sie da reden, ist völliger Unsinn. Ich habe ihn nicht getötet.” Zo'or starrte sie an, als müsste er ernsthaft an ihrem Geisteszustand zweifeln.

„Oh ja, ich vergaß”, höhnte sie. „Ein Taelon würde niemals die Hand erheben gegen einen seiner Art. Das überlassen Sie lieber ihren treuergebenen Vasallen.”

„Ich weiß nicht, wie Sie auf diese absurde Idee gekommen sind”, sagte er barsch, „und unter anderen Umständen würde ich es nicht einmal für notwendig erachten, mich Ihnen gegenüber zu rechtfertigen. Aber wenn dies nun der Augenblick ist, gewisse Dinge richtig zu stellen, dann werde ich diese Gelegenheit nutzen. Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Ich habe nichts mit Di'mags Tod zutun!”

Jemens Gesicht verzerrte sich vor Zorn. Seine Unverfrorenheit, auch weiterhin den Mord an Di'mag zu leugnen, ließ sie jede Beherrschung verlieren. „Sie wollen die Dinge richtig stellen?” schrie sie ihn an. „Und haben nicht einmal den Mut, zu Ihren Taten zu stehen?”

„Wie kann ich etwas eingestehen, was ich nicht getan habe?”

„Di'mag war Ihnen ein Dorn im Auge, weil er sich nicht so einfach von Ihnen beherrschen ließ wie viele andere. Für ihn zählte nur seine Forschungsarbeit. Er hat es mir gegenüber nie eingestanden, aber ich spürte, dass Sie Druck auf ihn ausübten. Die Versuche mit den Implantaten - das war Ihre Anordnung. Und er konnte sich nicht weigern, weil Sie ihm ansonsten mit der Versetzung drohten. Als Sie jedoch erfuhren, dass er es gewagt hatte, mich zu seinem La'ha'shii zu machen, etwas, dass Sie als einen persönlichen Affront betrachteten, beschlossen Sie seinen Tod. Es war ein kaltblütiger, verabscheuungswürdiger Mord, Zo'or. Und dafür werden Sie eines Tages die Verantwortung übernehmen!”

„Ich muss mir Ihre Unverschämtheiten nicht länger gefallen lassen”, zischte Zo'or. Einmal mehr bedauerte er es, sich überhaupt auf diese Auseinandersetzung eingelassen zu haben. Er hatte sich schon halb zum Drehen gewandt, doch dann zögerte er. Tief in sich verspürte er den Drang, diesem primitiven Geschöpft die wahre Bedeutung des La'ha'shii zu erklären, damit ihr endlich bewusst wurde, welchem Irrtum sie verfangen war. „Di'mag konnte niemals eine derartige Verbindung eingehen, weil ...” Er unterbrach sich jäh, entsetzt darüber, dass er sich hatte so hinreißen lassen.

„Weil er es Ihnen versprochen hatte?” Jemen hatte ganz intuitiv ihre Frage formuliert. Aber an seiner Reaktion erkannte sie, dass sie entweder ins Schwarze getroffen hatte oder zumindest der Wahrheit sehr nahe gekommen war.

„Was hat Ihnen Di'mag erzählt?” fragte er fassungslos.

Die Versuchung, ihm etwas vorzulügen, war sehr groß. Aber in dem Augenblick, da ihr bewusst wurde, dass es in ihrer Macht lag, ihn zu demütigen und dass dieses Gefühl nur dem Wunsch nach Rache entsprang, empfand sie plötzlich Abscheu sich selbst gegenüber. „Gar nichts hat er mir erzählt”, sagte sie, und eine gewisse Verbitterung und Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit. Sie hatte sich von ihm abgewandt und starrte stumm auf den Felsen. „Ich weiß nicht einmal, was es wirklich bedeutet, ein La'ha'shii zu sein.” Sie drehte sich unvermittelt um und bekam gerade noch seine Erleichterung mit, bevor seine Miene ausdruckslos und starr wurde. „Und ich schätze, Sie werden es mir auch nicht erklären.”

 

Ende von Kapitel 16

 

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