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  „Freundschaft” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Handlung:  Jemen und Zo'or erreichen endlich die Schluchten, die sie vor den Jaridian schützen sollen, doch ihr anstrengender Marsch ist damit noch nicht zu Ende. Sandoval kann endlich die Situation zu seinem Vorteil ändern.
Zeitpunkt:  dritte Staffel, zwischen „Liebe deinen Feind” und „Die Agentin”
Charaktere:  Da'an, T'than, Liam Kincaid, Ronald Sandoval, Jemen Tyler, Go'rik, Ra'nun, Renee
 

 

FREUNDSCHAFT

Kapitel 14

 

Ra'nun befand sich noch an Bord des Transporters, als Go'rik von seiner Suchaktion zurückkehrte. Der Jaridian war darüber nicht sehr erfreut, denn er hätte ihn lieber bei den anderen in Sicherheit gewusst. Die Anwesenheit des Menschen machte ihn nervös. Nachdem, was er über diese Spezies wusste, handelte es sich um ziemlich unmoralische, selbstsüchtige und im höchsten Maße widersprüchliche Wesen, die nicht einmal davor zurückschreckten, ihre eigene Art zu jagen und zu töten. Go'rik gab im allgemeinen nicht viel auf das Gerede der anderen. Meist handelte es sich um übertriebene Geschichten, die nur die Sichtweise des jeweiligen Erzählers schilderten und selten mit der Wahrheit übereinstimmten, aber in den vergangenen Stunden hatte er mehr als einmal über den gefangenen Menschen nachgedacht und war zu der Schlussfolgerung gekommen, dass diese Spezies gefährlich war. Wie sonst ließe sich erklären, dass die Taelons, die stets andere Völker für ihren Kampf benutzten, derartig viel Zeit mit diesen Wesen verbrachten, ohne sie zu versklaven. Vielleicht hatten sie deren Gefährlichkeit ebenfalls erkannt und zögerten nun. Man sollte ein schlafendes Ungeheuer nicht wecken, bevor man nicht wusste, wie man es kontrollieren konnte. Noch waren die Menschen eine primitive Spezies und auf ihr eigenes Sonnensystem beschränkt. Doch was würde geschehen, wenn die natürlichen Grenzen kein Hindernis mehr für sie bedeuteten? Go'rik hatte die Taelons immer als die größte Plage des Universums gehalten. Doch nun fühlte er mit beklemmender Intensität, wie sich eine neue dunkle Bedrohung am Horizont aufbaute. Zwar war er jetzt nur noch ein Beobachter der Ereignisse, die sich fernab von diesem Planeten abspielten, ein Ausgestoßener, dessen Existenz für alle Zeiten aus den Annalen der Heimatwelt gestrichen war, so als hätte es ihn niemals gegeben, doch in seinen Adern floss nach wie vor das Blut der Jaridians. Es war noch immer sein Volk, und nie würde er aufhören, sich zu sorgen und auf eine bessere Zukunft zu hoffen.

„Bist du erfolgreich gewesen, Go'rik?”

Der Jaridian schreckte aus seinen Gedanken auf und stellte mit einer gewissen Bestürzung fest, dass er sich bereits seit einer geraumen Zeit im Eingangsbereich des Leitstandes befand, noch dazu ohne ein Wort des Grußes. „Verzeih mir, Ra'nun”, sagte er. „Meine Nachdenklichkeit ließ mich unhöflich werden.”

Ra'nun, der ihm den Rücken zugewandt hielt, hob kurz die Hand. „Du musst dich nicht entschuldigen. Berichte mir jetzt von der Suche.”

Go'riks Gestalt straffte sich. „Es war uns bisher nicht möglich, den Taelon und seine Begleitung ausfindig zu machen”, sagte er zögernd. Das eigene Versagen einzugestehen, fiel ihm schwer, obwohl er wusste, dass ihm der andere niemals einen Vorwurf machen würde. Ihnen stand nur veraltete Technik zur Verfügung. Ersatzteile gab es schon lange nicht mehr, so dass sie gezwungen waren, zu improvisieren, was die Effektivität zusätzlich schmälerte. Unter diesen Umständen jemanden suchen zu müssen, war ein reines Glücksspiel geworden. Doch der Krieger in ihm empfand es als Schande, keine Erfolge vorweisen zu können.

Die verhüllte Gestalt auf der anderen Seite des Raumes beugte sich etwas vor und veränderte die Einstellung der taktischen Überwachungseinheit an der Wand. „Dann sind sie bereits tiefer in das Gebirge vorgedrungen, und wir laufen Gefahr, sie zu verlieren, wenn sie erst einmal den Schutz der Schluchten aufgesucht haben. Verstärke deine Bemühungen, Go'rik.”

„Das werde ich”, versprach der Jaridian. Besorgnis zeigte sich jetzt in seinen Augen. Obwohl Ra'nun äußerlich völlig ruhig wirkte, wusste er, dass dies nur vorgetäuscht war. Unglaubliche Kräfte zerrten an dem schmalen Körper und trachteten danach, die Vorherrschaft zu erlangen, ein Martyrium, das niemals ein Ende fand und dem er nur seinen eigenen eisernen Willen entgegenzusetzen hatte. Go'rik spürte, wie sich in ihm etwas verkrampfte. Ansehen zu müssen, wie der Freund litt, ohne ihm wirklich helfen zu können ... Das Shaqarava in seinen Händen glühte auf. Doch auch dies versprach nur kurzzeitige Linderung. Niedergeschlagen senkte er den Kopf. „Diesmal werden wir ihn finden. Das verspreche ich dir. Und dann wird er dafür büßen, was sie euch angetan haben.” Seine Hände ballten sich zu Fäusten und erstickten das letzte Glühen. In der plötzlich eintretenden Stille war nur das leise Summen der Computer zu hören und ein gequälter Atemzug, bis ihm bewusst wurde, dass er es selbst war, der dieses Geräusch verursachte. Aus Furcht, Ra'nun könnte seinen Kummer bemerken, sagte er betont forsch: „Du solltest bald zu den anderen zurückkehren.”

„Das werde ich.”

„Gut.” Der Jaridian wandte sich zum Gehen.

„Go'rik?”

„Ja?”

„Ich spüre deinen Gedanken. Irgend etwas beschäftigt dich.”

Der Jaridian antwortete nicht sogleich.

„Sprich frei heraus”, ermunterte ihn Ra'nun. „Wir waren bisher immer offen zueinander. Es würde mich betrüben, wenn sich das jetzt ändern würde.”

„Das wird nicht geschehen”, versicherte Go'rik sofort. „Es ist nur ... ich ...” Er brach ab.

„Es behagt dir nicht, dass du mich zurücklassen musst, um den Taelon zu suchen”, sprach der Anführer die Gedanken des Jaridians aus. Er ließ sich in einem Sessel nieder. Nur ein leises Zittern in seine Stimme verriet seine Erschöpfung.

„Mir wäre es lieber, wenn wir diesen Menschen töten würden”, sagte Go'rik offen. Sein Blick ruhte auf Ra'nun, doch er unterdrückte das Verlangen, zu ihm hinzugehen. Ra'nuns Zustand, wie der seiner Artgenossen, war eine Tatsache, die sie akzeptieren mussten, denn es gab nichts, was ihre Qualen hätte beenden können, außer dem Tod. Doch Ra'nun beklagte sich nicht. Mit bewundernswerter Tapferkeit ertrug er sein Los. Jedes offen gezeigte Mitleid hätte ihm etwas von seiner Würde genommen. Er und seine Artgenossen hatten immer großen Wert darauf gelegt, die Jaridians als Krieger zu respektieren. Es war ihre Art, damit ihre Dankbarkeit auszudrücken.

Go'rik seufzte innerlich. Er hätte ihm gern begreiflich gemacht, dass es nichts an ihrer Freundschaft änderte, wenn er ihm gegenüber diese Schwäche sichtbar werden ließ. Es war kein Akt der Barmherzigkeit, sondern ein aufrichtiges Gefühl des gegenseitigen Achtens von dem Augenblick an, da sich ihre Schicksale miteinander untrennbar verwoben hatten.

Er verdrängte diese Gedanken und fuhr fort: „Wir haben seine Waffe außer Funktion gesetzt, aber wer weiß, wie lange das vorhält. Er könnte dir gefährlich werden.”

„Mache dir deshalb keine Sorgen. Ich halte mich von ihm fern. Außerdem habe ich Ke'rak als Schutz bei mir. Ihn zu töten, ohne seine wahren Absichten zu kennen, könnte sich als taktisch unklug erweisen.”

„Er ist ein Werkzeug der Companions, Ra'nun”, erwiderte der Jaridian, als müsste dies alles erklären.

„Doch warum ist er dann allein gekommen? Warum hat er keine Verstärkung mitgebracht?”

„Vielleicht ist er nur die Vorhut”, überlegte Go'rik.

„Das wäre denkbar. Vielleicht haben die Menschen einen Weg gefunden, das Portal in beide Richtungen zu öffnen. Du solltest es verschließen, damit wir keine weiteren unangenehmen Überraschungen erleben.”

Der Jaridian nickte. Erneut wandte er sich zum Gehen, doch ein weiteres Mal wurde er zurückgehalten. „Wenn dir der Gedanke, mich mit diesem Menschen auf dem Schiff zurückzulassen, solches Unbehagen bereitet, dann solltest du ihn vielleicht mitnehmen. Er könnte sich bei der Suche als nützlich erweisen.”

„Er wird die erstbeste Gelegenheit zur Flucht nutzen.”

„Wenn er uns zu Zo'or führt, kann uns das nur recht sein.”

Go'rik sah ihn nachdenklich an. Es würde die Suche sicher verkomplizieren, aber wenn es bedeutete, dass er eine potentielle Gefahr für Ra'nun aus dem Weg räumen konnte, dann nahm er diese Unannehmlichkeit gern auf sich. Wenn man es recht betrachtete, war es vielleicht sogar eine Fügung des Schicksals. Schließlich konnte in der weiten Einöde viel passieren. Ein falscher Tritt und man verschwand in einem dieser heimtückischen Sandlöcher. Oder man stürzte sich zu Tode ... Ein verschlagenes Glitzern trat in die dunkle Augen des Jaridians, als er sich auf dem Weg machte.

 
* * *
 

Seufzend starrte Jemen die zerklüftete Bergwand hinauf. Ein steiler Abbruch hatte sie und Zo'or zu einem Umweg gezwungen, so dass sie sich jetzt an einem weitaus beschwerlicheren Hang hochmühten. Die vorspringenden Sandsteinfelsen ließen den Bergkamm nicht mehr erkennen. „Wir haben es bald geschafft”, sagte Zo'or, der ihr Seufzen gehört hatte.

„Bald”, wiederholte Jemen missmutig. Entweder hatte der Taelon ein völlig anderes Zeitgefühl als sie oder dies war seine Art, sie bei Laune zu halten. „Wieso können Sie so gut klettern?”, wiederholte sie ihre Frage, auf die sie zuvor keine Antwort erhalten hatte, während sie sich zwischen zwei Felsen hocharbeitete, die er mühelos bewältigt hatte. „Als Energiewesen leben Sie in einer Umwelt, die körperliche Anstrengungen praktisch ausschließen. Eigentlich wäre zu erwarten, dass Ihnen der Aufstieg Schwierigkeiten bereitet.”

Zo'or ignorierte sie noch immer.

„Gibt es auf Ihrer Heimatwelt eigentlich Berge?”

Der Taelon blieb stehen und wandte sich ihr zu. „Miss Tyler, wir sind zwar beide auf diesem Planeten gestrandet, aber das macht uns nicht automatisch zu Freunden. Bitte verschonen Sie mich mit Ihren Fragen. Ich empfinde sie als lästig und unangebracht. Konzentrieren Sie sich besser auf den Weg.”

Jemen betrachtete ihn ungerührt. „Wir Menschen machen uns nun mal Gedanken. Das lenkt ab, vor allem, wenn sich der Weg als länger herausstellt als angegeben”, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.

Der Taelon musterte sie wie lästiges Insekt, das man nicht so einfach verscheuchen konnte. „Ja, wir haben auf Taelon Berge, wenngleich wir sie nicht als sportliche Herausforderung betrachten, wie es die Menschen tun. Unsere Entwicklung mag körperliche Anstrengung überflüssig machen, aber das lässt nicht automatisch die Schlussfolgerung zu, dass wir dazu nicht mehr in der Lage wären. Ich hoffe, dass Ihre Fragen damit ausreichend beantwortet sind.”

Jemen erwiderte seinen ungeduldigen Blick. „Oh, ein Lebensretter!” rief sie, als er sich anschickte, weiterzuklettern. „Die Frucht, die Sie mir gebracht haben”, erklärte sie, als er sie verständnislos anstarrte. Sie beugte sich über eine kleine Spalte im Boden. „Ich habe sie so genannt, weil sie ja einen Namen braucht. Auf der Erde werden neuentdeckte Pflanzen katalogisiert und sie bekommen ...”

„Fassen Sie sie nicht an!” Zo'ors Stimme klang scharf und warnend zugleich.

Jemens Hand zuckte zurück. „Was haben Sie denn? Ich wollte nur etwas trinken.”

Der Taelon stieg rasch zu ihr hinunter. „Sie sollten vermeiden, die Pflanzenteile zu berühren. Die Flüssigkeit in den Blättern ist stark ätzend und würde vermutlich großen Schaden bei Ihnen anrichten.” Seine Finger legten sich vorsichtig über die Frucht. Er hatte bestimmt nichts zu befürchten; vermutlich wollte er ihr nur die korrekte Handhabung zeigen. Er drehte die Frucht, ohne mit den Blättern in Berührung zu kommen und zog sie dann mit einem Ruck nach oben heraus. Wie eine Zecke, die man aus der Haut eines Tieres zog. Jemen schüttelte sich. Der Durst war ihr plötzlich vergangen. Sie legte die Frucht in ihre Jacke und verknotete die Ärmel. Dann folgte sie ihm schweigend.

„Zo'or, darf ich Ihnen eine Frage stellen?” sagte sie nach einer Weile.

„Sie werden sie vermutlich stellen, auch wenn ich nein sage”, entgegnete er und kletterte weiter. „Also ist es unerheblich, was ich Ihnen antworte.”

„Die Taelons haben ihr Äußeres dem Aussehen der Menschen angepasst, um keine allzu große Fremdheit aufkommen zu lassen, die einen Kontakt erschweren könnten. Ehrlich gesagt ... für mich sehen Sie noch immer wie Außerirdische aus.”

„Es lag uns nichts daran, die Menschen zu kopieren”, erwiderte Zo'or, während er sich durch einen schmalen Spalt zwängte. „Es hätte doch wohl eher zu Verwirrung geführt.”

„Und warum gerade dieses Aussehen?” fragte sie, während sie ihm hastig folgte.

Er war stehengeblieben. „Es hätte auch ein anderes sein können. Wir haben uns eben für dieses entschieden.” Es war offensichtlich, dass er nicht näher darauf eingehen wollte, aber Jemen dachte nicht daran, so einfach aufzugeben. Das Erscheinungsbild der Taelons hatte sie schon immer sehr interessiert. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie von ihm die Antwort darauf erhalten würde. Di'mag hatte sich ihr gegenüber immer sehr aufgeschlossen gezeigt, aber manche Fragen hatte auch er nicht ausreichend beantworten können. Er hatte sie dafür um Verständnis gebeten. Sein Status erlaubte es ihm nicht, gewisse Informationen preiszugeben. Aus Respekt vor ihm hatte sie sich damit abgefunden, auch wenn die Neugierde noch so groß war. Aber Zo'or war der Synodenführer. Er konnte selbst darüber entscheiden, was er preisgab und was nicht. Zudem war er sehr von sich eingenommen und betrachtete die Menschen als niedrige Spezies. Um seine Überlegenheit zu demonstrieren, würde er vielleicht doch das eine oder andere interessante Detail verraten, wenn sie es nur geschickt genug anging.

„Di'mag hat mir erzählt, dass die Taelons durch körperlichen Kontakt die Informationen der menschlichen Zelle entnommen haben ...”

„Ich frage mich, was Ihnen Di'mag sonst noch erzählt hat”, fiel ihr Zo'or ins Wort.

Jemen hielt seinem durchdringenden Blick stand. „Ich glaube, dass es zumindest ansatzweise eine Übereinstimmung geben muss, um die Zellinformationen umzusetzen. Vielleicht entspricht Ihr jetziges Aussehen dem ursprünglichen Erscheinungsbild der Taelons.”

„Es ist mir völlig gleichgültig, was Sie glauben oder nicht, Miss Tyler. Und meinetwegen können Sie weiter phantasievolle Spekulationen aufstellen. Mir ist bewusst, dass die Neugierde bei den Menschen sehr ausgeprägt ist. Aber ich denke nicht daran, diese Neugierde zu befriedigen.” Er drehte sich abrupt um und ging weiter.

Jemen folgte ihm nachdenklich. Vielleicht war ihre Theorie ja doch nicht so abwegig.

Der schmale Spalt verbreitete sich etwas, und Zo'or blieb erneut stehen. Sein Kopf bewegte sich nach rechts und dann nach links, so als wollte er sich orientieren oder die Umgebung sichern. Jemen stellte sich auf die Zehenspitzen, konnte aber trotzdem nichts erkennen, da der Taelon ein ganzes Stück größer war als sie. Schließlich legte sie ihm eine Hand auf die Schulter, um einen Blick zu erhaschen, was zur Folge hatte, dass er unwillig nach vorn trat und sie fast das Gleichgewicht verlor. Sie stolperte und riss sich bei dem Versuch, sich abzustützen, an der rauen Felswand die Hand auf. „Verdammt”, presste sie hervor und betrachtete wütend die Abschürfung. Als hätte sie nicht schon genug Blessuren davongetragen ... Unmutig schaute sie auf. Doch schon im nächsten Augenblick war der Schmerz unwichtig geworden. Zo'or hatte den Spalt verlassen und war ins Freie getreten. Statt sich einem neuen Abhang gegenüberzusehen, hatte sie plötzlich freie Sicht auf den Bergrücken. „Wir haben es geschafft”, rief sie mehr überrascht als erleichtert. Sie drängte sich an Zo'or vorbei, und während er noch prüfend den Himmel betrachtete und aufmerksam lauschte, hatte sie das letzte Stück überwunden und ein langgestrecktes, von tiefen Spalten durchzogenes Plateau erreicht. Dort blieb sie stehen. Atemlos. Überwältigt.

Die Schluchten, von denen Zo'or gesprochen hatte, waren schwindelerregende Einkerbungen in einer gigantischen Bergwelt. Rotbraune Klippen, die Hunderte von Metern fast senkrecht herabstürzten. Steinkolosse, die sich aneinander reihten und eine Folge von Hochplateaus bildeten, deren Dächer so gleichmäßig waren, als hätte jemand mit mathematischer Genauigkeit die Spitzen der Berge abgetragen. Und über allem lag ein rötlicher Schimmer, der dieser außerirdischen Landschaft eine atemberaubende Schönheit verlieh.

Vergessen war die Erschöpfung, die Schmerzen in Armen und Beinen. Staunend wie ein Kind stand sie einfach nur da und ließ den Blick schweifen. Sie kam sich plötzlich klein und unbedeutend vor. Und zugleich empfand sie auch so etwas wie Ehrfurcht. Zu sehen, was nie eines Menschenauge zuvor erblickt hatte. Beinahe fühlte sie sich wie ein Forscher, der an der Schwelle einer ihm unbekannten phantastischen Welt stand, die selbst seine kühnsten Träume übertraf.

Erst als Zo'or an ihre Seite trat, wachte sie aus ihrer Versunkenheit auf. Wind war aufgekommen und ließ sie frösteln. Plötzlich war sie froh, dass sie ihre Jacke die ganze Zeit über mitgeschleppt hatte. Rasch knotete sie die Ärmel auseinander und betrachtete unschlüssig den „Lebensretter”, den sie darin transportiert hatte. Die Frucht war zu groß, um sie in die Tasche zu stecken. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als sie zurückzulassen.

Zo'or hatte das Plateau überquert und gab ihr ein ungeduldiges Zeichen, ihm zu folgen. Jemen zog hastig die Jacke über und beeilte sich, zu ihm aufzuschließen. „Und nun?” fragte sie ein wenig ratlos. „Wie geht es jetzt weiter?”

Das Plateau, auf dem sie sich befanden, bildete eine Art Brücke zwischen dem Gebirge im Süden und den Bergen im Norden. Doch gleichzeitig schien hier ihr Weg zu Ende zu sein, denn es gab keine sichtbare Möglichkeit, hinabzusteigen. Wenn sie dem Plateau folgten - und dabei spielte es keine Rolle, ob es in nördlicher oder südlicher Richtung war -, würde sie das nur von den Schluchten wegführen. Es schien, als ob das Plateau einzig und allein dazu bestimmt war, einen - wenn auch unvergleichlichen - Blick ins Canyonland zu gewähren.

„Wir müssen in die Schlucht hinunter”, erwiderte der Taelon. „Nur dort sind wir vor den Jaridians sicher.”

Jemen tastete sich vorsichtig an den Abgrund heran und warf einen Blick in die Tiefe. Vorspringende Klippen verwehrten ihr die Sicht auf den Boden. Aber trotzdem ließ sich erahnen, dass es sehr steil hinabging. „Und wie, wenn ich fragen darf?” sagte sie mit wachsender Nervosität.

Zo'or streckte die Hand aus und deutete auf eine frei einsehbare Steilwand zu seiner Rechten. Auf dem ersten Blick sah die Wand aus, als hätte jemand schwarze Linien auf die roten Felsen gemalt. Erst bei einem genaueren Hinsehen erkannte man schmale Vorsprünge, die gerade so breit waren, dass eine Person sie beschreiten konnte.

„Sie sind verrückt, Zo'or”, entfuhr es ihr. „Das schaffen wir niemals. Wir haben keine Seile, um uns abzusichern. Ein falscher Schritt ... und wir stürzen ab.”

Zo'or musterte sie und wandte sich dann wieder der Steilwand zu. „Miss Tyler”, sagte er dann erstaunlich ruhig. „Sie haben es bis auf diesen Bergrücken geschafft, und ich muss zugeben, dass Sie sich dabei weitaus weniger ungeschickt angestellt haben, als ich befürchtete. Sie werden auch diese Herausforderung bewältigen, wenn Sie nur genügend Selbstvertrauen besitzen.”

„Sie haben gut reden”, sagte sie, wütend werdend. „Sie sind aus Energie. Sie haben keine Knochen, die zerschmettert werden, wenn Sie abstürzen ...”

„Sie befinden sich im Irrtum, wenn Sie annehmen, dass ich einen Absturz aus dieser Höhe überleben würde”, erwiderte er und sah sie erneut an. Diesmal war der Blick aus seinen blauen Augen fixierend. „Wenn Sie sich nur ein wenig umsichtig verhalten und darauf achten, wohin Sie Ihre Füße setzen, wird Ihnen nichts passieren. Bleiben Sie nur dicht hinter mir.”

„Aber warum müssen wir uns ausgerechnet den gefährlichsten aller Wege aussuchen?”, begehrte sie auf. „Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben.”

„Es gibt keine andere.”

„Dann klettern wir eben nicht in die Schlucht. Oder ist dort unten die Kolonie?”

„Nur dort können uns die Jaridian nicht lokalisieren. Die mineralischen Einschlüsse im Gestein stören die Sensoren. Sie werden es nicht wagen, mit dem Shuttle hineinzufliegen. Aber wenn wir weiter unsere Zeit mit sinnlosen Diskussionen vergeuden, wird es nicht mehr notwendig sein, hinabzuklettern, weil sie uns dann nämlich gefunden haben. Selbst Ihr begrenzter menschlicher Intellekt dürfte das begreifen. - Und nun kommen Sie!”

„Es ist zu gefährlich, Zo'or”, sagte sie und schüttelte den Kopf. „Wir haben nichts dabei gewonnen, wenn wir ein derartiges Risiko eingehen. - Verdammt, warum sind Sie so ein sturer Dickkopf?”, rief sie wütend, als er ihren Einwand ignorierte und einfach weiterging. „Sie könnten ruhig mal auf mich hören. Auch wenn ich nur ein Mensch bin ...”

„Vielleicht ein anderes Mal, Miss Tyler!” rief er.

Zornig starrte sie ihm nach. Warum ließ sie sich das überhaupt von ihm gefallen! Niemand zwang sie, bei seinem irrsinnigen Vorhaben mitzumachen. Einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, einfach zurückzubleiben. Doch gleichzeitig wusste sie, dass ihn dies nicht zu einer Umkehr bewegen würde, und ohne seine Hilfe konnte sie die Kolonie nicht finden.

„Das kann nicht gut gehen”, murmelte sie vor sich hin, als sie sich langsam in Bewegung setzte. Ihr Blick fiel auf die Schluchten. Sie war keine Forscherin, und es war auch nicht ihre Aufgabe, diese neue Welt zu entdecken. Die faszinierende Schönheit war nur eine Illusion und verbarg die tödliche Gefahr, die sie für sie bedeutete. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, die Kolonie zu suchen. Sie wussten ja nicht einmal, ob es dort Überlebende gab und ob sie ihr helfen konnten.

Es war wie ein Traum, ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab, sondern nur die unerbittliche Konsequenz, sich dem zu stellen, was auch immer sie erwartete. „Warten Sie wenigstens auf mich, Zo'or!”

 
* * *
 

Sandoval lief in der kleinen Zelle auf und ab. Er verspürte ein dringendes menschliches Bedürfnis, aber der Gedanke, sein eigenes Gefängnis zu beschmutzen, ohne zu wissen, wie lange er es noch darin aushalten musste, war ihm zuwider. Also unterdrückte er den Drang und hoffte darauf, dass ihn die Jaridians nicht völlig vergaßen. Sein rechter Arm war noch immer völlig gefühllos. Es machte ihn zornig. Was nützte ihm eine so machtvolle Waffe, wenn sie so leicht auszuschalten war. Verdrossen nahm er seine Wanderung wieder auf und bedachte seine missliche Lage, in die er sich selbst gebracht hatte und die ihn nun zur Untätigkeit verdammte. Ohne zu wissen, was auf ihn zukam, konnte er seine weitere Vorgehensweise nicht planen. Er hing förmlich in der Luft. „Verdammt!” fluchte er leise.

Herannahende Schritte ließen ihn aufhorchen. Erwartungsvoll trat er vor das Kraftfeld und erblickte eine Gestalt, die sich ihm selbstbewusst näherte und in der er alsbald jenen Jaridian wiedererkannte, der ihm den Arm gelähmt hatte. Unwillkürlich versteifte er sich.

„Sie haben sich angeboten, uns bei der Suche nach dem Taelon zu helfen”, begann der Jaridian ohne Umschweife.

Also haben sie ihn noch nicht gefunden, dachte Sandoval, während er sein Gegenüber mit ausdruckslosem Gesicht musterte. Entweder waren Zo'or und seine Begleitung niemals auf diesem Planeten angekommen oder aber sie hielten sich gut versteckt. Die dritte Möglichkeit, dass Jemen Tyler den Taelon getötet haben könnte, schob er beiseite. Aus einem unerklärbaren Gefühl heraus war er überzeugt, dass er Zo'ors Ableben spüren müsste. Außerdem erschien es ihm unlogisch, dass Tyler derartig unvernünftig handelte. Selbst wenn sie ein persönliches Motiv hätte, liefe sie Gefahr, dass die Jaridians auf sie Jagd machten, um sich an ihr für die verlorene Beute zu rächen.

Das Kraftfeld erlosch, ohne dass der Jaridian auch nur einen Finger bewegt hatte. Sandoval trat aus der Zelle und folgte ihm, während er sich aufmerksam umschaute. Er vermutete, dass dieser Bereich des Schiffes einem sehr strengen Sicherheitsprotokoll unterstand und dass die Aktivierung des Kraftfeldes von der Brücke aus erfolgte. Das würde auch erklären, warum der Jaridian keine Waffe auf ihn gerichtet hielt. Erst als sie das Schiff verließen, zog er sie hervor und bedeutete Sandoval, voranzugehen.

Der FBI-Agent trat ins Freie und hob rasch die Hand, um sie schützend vor die Augen zu halten. Nach dem Dämmerlicht im Schiffsinneren blendete ihn das grelle Tageslicht und nahm ihm die Sicht. Der Jaridian stieß ihn an und deutete auf ein Shuttle, das abseits stand. „Dort hinüber.”

Sandoval gehorchte zögernd. Während der Jaridian die Shuttle-Luke öffnete, nutzte er die Gelegenheit, sich zu erleichtern. „Gab es irgendwelche Fußspuren?” fragte er, als er den neugierigen Blick des Kriegers bemerkte.

„Nein. Der Wind hat alles verwischt.” Go'rik trat von der Rampe weg, hielt aber nach wie vor die Waffe auf ihn gerichtet.

„Wo haben Sie mit Ihrer Suche begonnen?” fragte Sandoval weiter.

„Am Portal. Dann haben wir sie auf den Krater ausgeweitet und den südlichen Teil des Gebirges mit eingeschlossen.”

„Und es gibt keinerlei Hinweise, in welche Richtung sie gegangen sein könnten?”

Der Jaridian starrte ihn an. Seine Mundwinkel hatten sich verächtlich verzogen. „Stünden wir sonst hier?” Mit einer ungeduldigen Handbewegung deutete er auf das Shuttle. „Steigen Sie ein.”

Sandoval ordnete unbeholfen seine Kleidung und verfluchte erneut seinen gelähmten Arm. Langsam stieg er die Rampe empor und sah sich in dem Gefährt um. Außer der eigentliche Pilotenkanzel gab es nur noch eine kleine leere Ladefläche im Einstiegsbereich, die offensichtlich zum Transport von Materialien genutzt wurde. In den rückwärtigen Teil des Shuttles hatte er keine Einsicht. Alles war sehr beengt. Sandovals Gedanken rasten. Er hatte wahrscheinlich nur diese einzige Chance. Es musste ihm jetzt und hier gelingen, den Jaridian zu überwältigen.

„Setzen Sie sich!” befahl Go'rik hinter ihm.

Sandoval tat so, als gehorchte er, während sich seine Sinne ganz auf den entscheidenden Moment richtete. In dem Augenblick, als Go'rik die Ladefläche betrat und sich hinter ihn stellte, fuhr er herum und schlug mit aller Kraft auf das Handgelenk des Jaridian. Die Wucht seines Hiebes allein hätte wohl kaum ausgereicht, aber er hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Go'riks Finger öffneten sich reflexartig und ließen den Handphaser fallen. Sandoval rempelte ihn mit der Schulter an, bückte sich nach der Waffe und riss sie hoch. „Denken Sie nicht einmal daran, mich anzugreifen”, schrie er. „Ich würde Sie ohne zu zögern töten.”

Go'rik bleckte die Zähne, und ein dunkles Grollen entrann seiner Kehle. Verblüffung zeigte sich in seinem Gesicht, weil es dem Menschen tatsächlich gelungen war, ihn zu überrumpeln.

„Zurück! Gehen Sie zurück!” Sandoval wusste nicht einmal, ob die Waffe entsichert war. Es mochte im Augenblick sogar bedeutungslos sein, solange er nur überzeugend genug wirkte, dass er tatsächlich schießen würde.

„Das ist also Ihre Art der Kooperation”, zischte der Jaridian, während er sich langsam aus seiner Angriffshaltung aufrichtete. Seine Gestalt straffte sich. Mit einer geradezu erstaunlichen Selbstdisziplin gelang es ihm, die auflodernde Wut zu unterdrücken.

„Ich habe die Fäden nur gern selbst in der Hand”, gab Sandoval unbeeindruckt zurück.

Mit dieser irdischen Redewendung konnte Go'rik zwar nichts anfangen, zumal seinem Übersetzer entsprechende linguistischen Parameter nie einprogrammiert worden waren, aber an der Situation gab es wenig misszuverstehen. „Ich würde eher sagen, dass Sie Angst um Ihr Leben haben.”

Der FBI-Agent ignorierte die unterschwellige Provokation und ließ ihn weiter zurücktreten, um den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern. „Nehmen Sie die Hände hoch und halten sie über dem Kopf”, befahl er. Dann trat er an die Rampe. „Und nun gehen Sie nach vorn und setzen sich.”

„Sobald ich den Antrieb gestartet habe, bin ich automatisch mit unserer Leitzentrale verbunden”, sagte Go'rik. „Vor jedem Flug muss ich einen Bestätigungscode eingeben, ohne den ich keine Freigabe erhalte. Wie wollen Sie sicherstellen, dass ich meine Leute nicht einfach warne?”

„Ganz einfach. Weil dazu gar keine Veranlassung besteht.”

„Glauben Sie nur ja nicht, dass mich die Tatsache, dass Sie eine Waffe auf mich richten, in irgendeiner Weise beeindruckt. Mein Leben ist bedeutungslos. Ich werde nicht zögern, es zu opfern, wenn es die Situation erfordert.”

„Soviel Heroismus verlange ich gar nicht von Ihnen. Sie sollen lediglich das Shuttle fliegen, damit wir unsere Suche nach Zo'or endlich aufnehmen können.”

Go'rik wirkte irritiert. Abschätzend starrte er Sandoval an, so als suchte er nach einem Hinweis, der ihm Aufschluss über dessen Absichten geben könnte. Schließlich folgte er seiner Aufforderung und ließ sich in dem schmalen Sitz nieder. „Sie sollten sich besser auch setzen”, sagte er, als er den Antrieb aktivierte.

Sandoval war auf der Hut. Dies war noch einmal ein kritischer Augenblick. Um zu seinem Sitz zu kommen, musste er nah an dem Jaridian vorbei, und das bot viele Möglichkeiten, ihn kampfunfähig zu machen. Er trat hinter den Krieger und drückte ihm den Lauf des Handphasers an die Schläfe, während er über dessen Schulter einen raschen Blick auf die Instrumentenkonsole warf. Er wurde aus den Zeichen und blinkenden Flächen nicht schlau, aber sein Instinkt sagte ihm, dass sich das Shuttle in einer Art Alarmbereitschaft befand und sich abrupt in Bewegung setzen konnte. Zumindest wäre das eine Taktik, die er an angewendet hätte, um seinen Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Setzen Sie sich auf Ihre Hände!” befahl er.

Der Jaridian sah ihn verblüfft an. „Und wie soll ich das Shuttle fliegen?”

„Los, machen Sie schon!” Als Go'rik gehorchte, schob sich Sandoval rasch auf den Sitz. „Lektion Nr. 1”, sagte er dann mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck. „Unterschätzen Sie mich niemals.”

Der Jaridian warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Dann zog er langsam die Hände hervor und rieb sie scheinbar nervös an den Schenkeln.

„Keine Tricks!” warnte ihn Sandoval, der ihn argwöhnisch beobachtete. „Und nun starten Sie!”

„Und wohin soll ich fliegen?”

„Richtung Norden.”

„Richtung Norden”, wiederholte Go'rik und warf einen heimlichen Blick auf seine Handinnenflächen, doch das verräterische Glühen war schon wieder verschwunden. Schließlich beugte er sich vor und aktivierte den Antrieb.

 
* * *
 

„Liam, wo zum Teufel haben Sie eigentlich die ganze Zeit über gesteckt? Und warum reagieren Sie nicht auf meine Anrufe?” Eine sichtlich aufgebrachte Renée funkelte ihm vom Bildschirm seines Globals entgegen.

Liam bereute in diesem Augenblick beinahe, dass er seinen neuen Kommunikator aktiviert hatte. Er befand sich gerade auf dem Weg zur Kantine. Er wollte eine Kleinigkeit essen und dann eines der Gastquartiere des Mutterschiffs benutzen, um in Da'ans Nähe zu sein, sollte sich dieser zu einer kurzfristigen Entscheidung durchringen. „Tut mir leid”, sagte er. „Ich habe mein persönliches Global abgegeben und vergessen, das neue Gerät für eingehende Nachrichten freizuschalten.”

„Global abgegeben?” wiederholte Renée und zog die Augenbrauen in die Höhe.

„Das ist eine lange Geschichte ...”

„Dann stimmt also das Gerücht, dass Zo'or entführt wurde?”

„Mehr oder weniger. Er wurde zwar entführt, aber es ging den Attentätern nicht darum, Lösegeld zu erpressen oder um sonst irgendeinen Druck auf die Synode auszuüben.”

„Was dann?”

„Es klingt vielleicht ein bisschen seltsam, aber ... Zo'or war als eine Art Willkommensgeschenk für die Jaridian gedacht.” Liam gab ihr rasch eine kurze Zusammenfassung der vorangegangenen Ereignisse.

Renée brauchte eine Weile, um alles auf die Reihe zu kriegen. Liam Kincaid hatte sie noch nie belogen, aber für einen kurzen Augenblick zog sie eine Lüge in Betracht, denn die Geschichte, die er ihr präsentierte, klang ziemlich phantastisch. „Und es ist ausgeschlossen, dass Zo'or selbst hinter seiner Entführung steckt und sie nur inszeniert hat, um eine Großoffensive gegen den Widerstand zu starten?” fragte sie skeptisch.

Liam blinzelte ein wenig überrascht. An diese Möglichkeit hatte er überhaupt nicht gedacht. Auch jetzt sträubte sich alles in ihm, an ein Komplott zu glauben, obwohl es einiges gab, was ihn im Nachhinein stutzig machte. Sandovals Verhalten zum Beispiel oder Tylers Verschwinden. „Die Synode hätte seinem Plan kaum zugestimmt”, sagte er und verdrängte die aufkeimenden Zweifel. „Sie mögen die Aktivitäten des Widerstandes als hinderlich und störend ansehen, aber keineswegs als wirklich bedrohlich, die eine solche Vorgehensweise rechtfertigen würde. Und wäre er ohne ihr Wissen vorgegangen, dann hätte er auch um das Risiko gewusst, dass seine Aktion möglicherweise nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Wenn Zo'or etwas plant, dann ist das immer gut durchdacht. Ihm reichten schon weniger triftige Gründe, um gegen den Widerstand vorzugehen. Warum sollte er auf einmal seine Taktik ändern?”

Renée hätte ihm gut und gerne einige Argumente aufzählen können, tat es aber dann doch nicht, weil sie sich nichts davon versprach. Liam erschien ihr ziemlich überzeugt, und vielleicht stimmte seine Geschichte ja doch. „Nun ja”, sagte sie schließlich, „wenn wir ihn auf diese Weise loswerden, dann wäre das wirklich mal eine gute Nachricht. Aber vermutlich haben die Taelons bereits ein Rettungsteam losgeschickt.”

„Ich habe mit Da'an gesprochen. Die Synode berät sich derzeit noch über eine mögliche Rettungsmission. Aber so wie es aussieht, halten sie es für zu riskant.”

„Um so besser”, sagte Renée. Die Kälte in ihrer Stimme erzeugte in Liam ein befremdliches Gefühl. Auch er verabscheute Zo'ors Handlungen, seine Verbrechen gegen die Menschheit, aber darüber hinaus achtete er jedes Leben. Wenn sie anfingen, jede Menschlichkeit angesichts der Taelons zu verlieren, was sollte dann aus ihnen werden? Wurden sie dann nicht ebenso zu solchen gefühllosen Wesen?

Renée bemerkte die Veränderung in seiner Mimik, konnte sich aber darauf keinen Reim machen. Im Moment verspürte sie auch wenig Lust und noch weniger Geduld, die Antworten aus ihm hervorzulocken. In vielen Dingen war er einfach zu emotionell. Betont optimistisch sagte sie: „Nun ...die Synode wird sicher bald einen neuen Anführer wählen. Hoffen wir, dass es diesmal Da'an sein wird, der das Zepter in die Hand nimmt.”

„Wenn es mal so einfach wäre”, sagte er abwesend. Renée musterte ihn jetzt noch gründlicher, und schließlich glaubte sie den Grund für seine plötzliche Verschlossenheit zu erkennen.

„Ich weiß, dass Ihr Vertrauensverhältnis zu Da'an in letzter Zeit ziemlich gelitten hat”, sagte sie. „Aber er ist und bleibt unser stärkster Verbündeter.”

Liam starrte sie einen Augenblick verständnislos an, bis ihm bewusst wurde, dass sie keinerlei Ahnung hatte von einer möglichen neuen Gefahr in Gestalt des Kriegsministers. Doch wie sollte sie auch. Wie die meisten Menschen hatte sie nur wenig Kontakt mit den Taelons. Das Ausmaß dessen, was die Außerirdischen auf der Erde anrichteten, wurde ihr mehr oder weniger erst dann bewusst, wenn es zu irgendwelche Zwischenfällen kam. In ihren Augen war Zo'or das eigentliche Übel, das getilgt werden musste, und nun - da er gewissermaßen aus dem Weg geräumt war - hielt sie zumindest dieses Problem für gelöst. Er konnte ihr daraus kaum einen Vorwurf machen. Schließlich hatte er selbst Schwierigkeiten, die nebulösen Machenschaften der Taelons zu durchschauen. Unbewusst seufzte er auf.

„Hören Sie, Liam, lassen Sie uns das Gespräch später fortsetzen”, sagte Renée plötzlich. „Sie sehen erschöpft aus.”

Er nickte langsam. Tatsächlich fühlte er sich mit einem Male völlig kraftlos und ausgelaugt. Jetzt sehnte er sich nur noch nach einem kleinen Imbiss, einer heißen Dusche und einem Bett. „Weswegen wollten Sie mich eigentlich sprechen?” fragte er.

Renée zögerte. „Das eilt nicht. Außerdem ist es etwas, das ich nicht unbedingt über ein Global mit Ihnen besprechen möchte.”

Das erweckte Liams Neugierde. Er sah sich um. Doch der Korridor, in dem er sich befand, war leer. Es war einer der Seitengänge, die wenig benutzt wurden. „Sprechen Sie nur. Ich bin allein”, sagte er und versuchte, etwas munterer zu wirken.

„Also gut.” Sie atmete durch. „Erinnern Sie sich an die Artefakte, die von Ma'els Schiff gestohlen wurden und nach denen Sie Ausschau halten sollten?”

„Tut mir leid. Ich bin noch nicht dazu gekommen ...”

„Schon gut”, fiel sie ihm ins Wort. „Eine weitere Suche ist meines Erachtens nach nicht mehr notwendig. - Liam, ich glaube, die Artefakte sind nur ein Vorwand gewesen, um uns zu beschäftigen.”

„Und wie kommen Sie darauf?” fragte er erstaunt.

„Doors hat das gesamte Team bis auf eine Wache vom Schiff abgezogen. Offensichtlich benötigt er sie anderweitig.”

„Ich verstehe nicht ganz.”

„Ich habe herausgefunden, dass er vor der peruanischen Küste den Meeresboden absucht. Offensichtlich ist er da auf etwas gestoßen, das er unter allen Umständen geheim halten will.”

„Und Sie haben keine Ahnung, um was es sich dabei handeln könnte?”

„Nein, aber es muss sich um etwas Bedeutungsvolles handeln, wenn er den Kreis der Beteiligten so klein hält und nicht einmal mich einweiht”, meinte Renée.

Liam rieb sich nachdenklich das Kinn. „Sie sollten dranbleiben. Ich kann Sie dabei nicht unterstützen, weil Da'an meine Hilfe bei der Suche nach Zo'or benötigt.” Ihm kam eine Idee. „Sie sagten, Doors hat das gesamte Team von Ma'els Schiff abgezogen?”

„Ja.”

„Dann sollte ich vielleicht die Gelegenheit nutzen und mich dort mal ein bisschen umsehen.”

Sie sah ihn alles andere als erfreut an. „Ist das nicht ein bisschen zu riskant? Sie wissen doch, dass Ihnen Jonathan nicht traut. Wenn Sie erwischt werden, stecken Sie in ernsthafte Schwierigkeiten. Mir wird es da kaum möglich sein, Ihnen zu helfen.”

Liam presste die Lippen zusammen. Nur allzu deutlich war ihm Doors Ablehnung in Erinnerung. „Er hat mir von Anfang an misstraut”, sagte er beinahe anklagend. „Ihm gefiel es schon nicht, dass ich überhaupt von Ma'els Schiff wusste. Es war erstaunlich genug, dass ihm mein Wort genügte, dass ich dieses Geheimnis wahren würde. Aber es hat ihn nicht davon abgehalten, mir keinen weiteren Zutritt zu dem Schiff zu gestatten.” Unverhohlener Ärger schwang jetzt in seiner Stimme mit. „Renée ...” Sein Blick richtete sich eindringlich auf die blonde Frau. „Ma'els Datenbank könnte von unschätzbarem Wert für uns sein. Wenn Doors an diese Informationen herangekommen wäre, dann wüssten Sie doch sicherlich davon und hätten mich darüber in Kenntnis gesetzt, nicht wahr? Sie hätten es mir gesagt.”

Renée strich sich das Haar aus der Stirn.

„Sie hätten es mir doch gesagt, oder?”

„Es gibt keinen Anlass, meine Integrität in Frage zu stellen, Liam. Wenn ich entsprechende Informationen besäße, wüssten Sie davon.”

Er trotzte ihrem verärgerten Blick. „Das sollte kein Angriff gegen Sie sein, Renée. Ich muss nur sicher sein, auf welcher Seite Sie stehen.”

„Auf der Seite der Menschheit”, gab sie kühl zurück.

„Das behauptet Doors auch. Und trotzdem verhindert er, dass ich mir Ma'els Schiff ansehe.”

„Weil er befürchtet, dass Sie durch Ihre Freundschaft zu Da'an verleitet werden könnten, Informationen weiterzugeben.”

„Wie dem auch sei”, Liam schien fest entschlossen, seinen Plan umzusetzen. „Ich werde kaum eine bessere Gelegenheit finden.”

Es war Renée anzusehen, dass sie von seinem Vorhaben alles andere als begeistert war, und wahrscheinlich bereute sie bereits, ihm überhaupt davon erzählt zu haben. „Ich schätze, ich werde Sie nicht davon abhalten können”, sagte sie ernst. „Aber dann versprechen Sie mir wenigstens, vorsichtig zu sein, Liam.”

Er grinste beinahe jungenhaft. „Bin ich das nicht immer, Renée?”

„Die Art, wie Sie das sagen, gefällt mir gar nicht”, murmelte sie, lächelte dann aber ebenfalls. „Viel Glück, Liam.”

Er beendete die Verbindung und schob das Global in die Tasche. Ein weiteres Mal vergewisserte er sich, dass niemand etwas von dem Gespräch mitbekommen hatte, bevor er sich auf dem Weg machte.
Die Gestalt, die sich im Schatten des Korridorbogens verbarg, bemerkte er nicht.

 
* * *
 

Vorsichtig tastete sich Jemen den schmalen Pfad entlang, immer eine Hand an der Felswand. Der Boden unter ihren Füßen war mit einer dicken roten Sandschicht und abgesplittertem Felsgestein bedeckt, die ein Vorwärtskommen zusätzlich erschwerten. Ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass es neben ihr Hunderte von Metern senkrecht in die Tiefe ging. Ein unsicherer Schritt nur ... einmal nur ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten ... und sie würde in den Tod stürzen. Zo'or dagegen bewegte sich so gelassen, als sei es für ihn nur ein Spaziergang. Selbst wenn er sich nach ihr umdrehte und auf sie wartete, bemerkte man keinerlei Unsicherheit an ihm. Wie beneidenswert, wenn man keine Höhenangst kannte.

Jemen atmete tief durch. Kalter Schweiß lief ihr den Rücken hinunter. Mit jedem Schritt verkrampfte sie sich mehr. Irgendwann würde sie vor Angst wie gelähmt sein, wenn es ihr nicht gelang, die aufkommende Panik in den Griff zu bekommen. Nur ja nicht zum Abgrund schauen, befahl sie sich selbst. Sieh auf deine Füße ... Sieh auf den Weg ... Das ist ein guter Weg. Er ist gleichmäßig und wird dir überhaupt keine Probleme machen. Es gibt also keinen Grund, nervös zu werden ...

Für eine Weile schaffte sie es tatsächlich, sich allein auf ihre Schritte zu konzentrieren. Aber die menschliche Phantasie neigt leider allzu oft dazu, in Augenblicken wie diesen Schwierigkeiten geradezu heraufzubeschwören, und so drängten sich ihr bald Bilder von tiefen Spalten auf, die ihren Weg kreuzten, einem Pfad, der ins Nichts führte oder einfach vor einer steilen Wand endete, abschüssiges Gelände, das ein Weiterkommen unmöglich machen würde ...

Jemen seufzte schwer. Sie musste sich irgendwie ablenken, ihren Geist beschäftigen, bevor sie tatsächlich paranoid wurde. Ihr Blick richtete sich auf Zo'or. In der trostlosen Einöde war er das einzige Lebewesen, an das sie sich halten konnte. Und obwohl es ihr seltsam anmutete, hatte seine Gegenwart doch etwas Tröstliches an sich. „Darf ich Sie etwas fragen, Zo'or?”

Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Es schien, als wollte er gerade wieder mit einem Vortrag über die unmöglichen menschlichen Verhaltensweisen beginnen. Doch dann überlegte er es sich anders. „Nein”, sagte kurz und bündig.

Jemen bekam seine Antwort gar nicht bewusst mit; sie war mit ihren Gedanken bei der Frage, die sie ihm stellen wollte. „Alle Taelons sind doch über das Gemeinwesen miteinander verbunden. Da müssten Sie doch wissen, ob es in der Kolonie noch Überlebende gibt.”

Zo'or verharrte kurz. „Ihr Menschen habt eine seltsame Auffassung vom Gemeinwesen”, sagte er.

Sie schaute auf und begegnete seinem Blick. „Wenn ich mit meinen Ansichten über das Gemeinwesen falsch liege, dann doch noch nur, weil ich zuwenig darüber weiß”, verteidigte sie sich. „Warum erklären Sie es mir nicht?”

„Selbst wenn ich dazu bereit wäre, würden Sie es nicht verstehen. Um die Struktur des Gemeinwesen begreifen zu können, müssten Sie wie ein Taelon denken und fühlen. Können Sie das, Miss Tyler?” Er wartete keine Antwort ab, sondern setzte seinen Weg fort.

Jemen starrte ihm missmutig hinterher. „Warum zeigen Sie sich eigentlich immer so widerspenstig, wenn ich etwas wissen will? Ich verlange doch nicht von Ihnen die Offenlegung taelonischer Geheimnisse. Eine einfache Erklärung würde mir vollauf genügen. Aber vielleicht wissen Sie mehr, als Sie mir verraten wollen.”

„Aus welchem Grund sollte ich Ihnen solch wichtige Informationen vorenthalten?” entgegnete er. „Wüsste ich mit Bestimmtheit, dass die Kolonie ausgestorben ist, würde ich mir kaum die Mühe machen, sie aufzusuchen. Tatsächlich aber weiß ich nicht, ob es dort Hilfe für uns gibt.”

Seine Erklärung klang plausibel, aber entsprach sie auch der Wahrheit? Vielleicht seiner Art von Wahrheit. Vorerst musste sie sich wohl damit begnügen, auch wenn es ein Gefühl von Unzufriedenheit aufkommen ließ. Wenn sie nur wüsste, was in ihm vorging ... Wenn er sich nur ein wenig aufgeschlossener zeigte ... es würde die Situation für sie erträglicher machen. Aber so war sie allein mit ihren Gedanken ... und mit ihrer Furcht.

Zo'or war stehen geblieben und hatte sich nach Jemen umgedreht. Er sah, wie sie sich mit den Rücken an die Felswand presste und mit den Fingern in dem rauen Gestein nach Halt suchte. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Er betrachtete sie prüfend, um den Grund für ihr seltsames Verhalten herauszufinden, erkannte aber bald, dass er sich allein auf Mutmaßungen beschränken musste. Furcht schloss er aus seinen Überlegungen aus. Wenn ein Ort furchteinflößend war, dann war es doch naheliegend, dass man ihn umgehend hinter sich ließ. Körperliche Erschöpfung war eine Möglichkeit, die schon eher zutreffen konnte. Ihm war schon seit einer geraumen Zeit aufgefallen, dass sie angestrengter atmete. Aber bisher hatte sie ihn stets darauf hingewiesen, wenn sie eine Pause benötigte. Er musste auch in Betracht ziehen, dass sie seine Antwort über das Gemeinwesen als unzureichend empfand und nun mit Trotz reagierte, was selbstverständlich ein sehr törichtes Verhalten war. Zo'or unterbrach an diesem Punkt seinen Gedankengang, als ihm bewusst wurde, dass er eine Entscheidung treffen musste. Nach wie vor befanden sie sich in der ungünstigen Lage, von den Jaridian entdeckt werden zu können. Er konnte und durfte eine weitere Verzögerung nicht länger hinnehmen. „Miss Tyler”, setzte er an. Doch dann sprach er nicht weiter. Wenn sie tatsächlich erschöpft war, konnte sie ein zu scharfer Befehl dazu verleiten, zu hastig und unkontrolliert weiterzugehen. Das Schicksal der Frau hatte für ihn keinerlei Bedeutung, aber zu diesem Zeitpunkt hielt er ihren Tod für einen taktischen Fehler. Die Menschen waren in seinen Augen zwar eine primitive Spezies, aber der eine oder andere Aspekt in ihrem Wesen mochte sich durchaus als vorteilhaft herausstellen. Ihre gegenwärtige Situation erforderte unkonventionelle Methoden, selbst wenn es seiner eigenen Philosophie widersprach. In einem deutlich freundlicheren Tonfall sagte er: „Miss Tyler, wir haben diese Schlucht bald überquert. Dort vorn verbreitert sich der Weg. Ich habe einen Überhang gesichtet, der uns vorübergehend Schutz und auch ausreichend Platz bietet.”

Langsam setzte sich Jemen in Bewegung. Ihre Schritte waren unsicher. Mehr als einmal suchten ihre Hände an der Felswand nach Halt, wenn unter ihren Füßen ein Stein nachgab. Als sie den Überhang erreicht hatte, sank sie sogleich erleichtert zu Boden. Zo'or betrachtete ihr bleiches Gesicht. „Ruhen Sie sich jetzt aus”, sagte er.

Jemen nickte und schloss dann erschöpft die Augen. Sie hatte das Gefühl, als würde mit der Anspannung, unter der sie gestanden hatte, auch ihre ganze Kraft entschwinden. Tatsächlich war ihr körperliches Befinden wohl eher eine Folge der fehlenden Nahrung. Zwar verspürte sie nach wie vor keinerlei Hungergefühl, und darüber war sie ganz froh, aber wenn sie nicht bald ihr Ziel erreichten, würde sie an körperlicher Auszehrung sterben. Sie rollte sich auf die Seite, zog die Beine an und versuchte an nichts zu denken und wenigstens für eine kurze Zeit die Gefahr zu vergessen.

Während sie ruhte, blieb Zo'or nicht untätig. Er suchte die Umgebung ab. Auf der anderen Seite des kleinen Plateaus, auf dem sie sich befanden, gab es einen weiteren Sims, doch er befand ihn in zweierlei Hinsicht als ungeeignet: zu einem war er viel schmaler als der vorherige und zum anderen war er nur über ein kurzes Stück einsehbar. Zo'or entschloss sich, ihn erst dann einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, wenn sich ihm keine andere Alternative bot. Auch die Steilwand schied nach einiger Überlegung aus. Sie bot zu wenig Halt, um daran hochzuklettern. Zudem war es fraglich, ob sie auf einen der höhergelegenen Sims besser vorankamen. So wandte er sich dem Abgrund zu. Zwischen der großen Schlucht, an deren Rand sie sich entlangbewegt hatten, und dem nächsten natürlichen Einschnitt gab es einen langgezogenen Grat, der auf der einen Seite steil abfiel und auf der anderen ein zerklüftetes Gefälle aus zerborstenen Felsen und Geröllfeldern aufwies. Zudem schien die Schlucht nicht sehr tief, da er von seinem Standpunkt aus sogar die Talsohle erkennen konnte. Wenn sie einen günstigen Einstieg fanden, würde es ihnen sicher möglich sein, hinabzuklettern. Allerdings erwies sich das als ein wenig schwierig. Zwischen dem schmalen Bergrücken und dem Überhang, auf dem sie sich befanden, klaffte ein unüberwindbarer Einschnitt.

Zo'or betrachtete einmal mehr das Gelände, auf der Suche nach einem möglichen Weg. Schließlich bemerkte er unterhalb des Plateaus in gut zwei Meter Tiefe einen weiteren Überhang aus wuchtigen Kalksteinblöcken. Er setzte sich auf den Rand der Klippe und ließ sich dann fallen. Gut möglich, dass er sich, was die Höhe anbelangte, verschätzt hatte. Vielleicht war ihm auch bei der Berechnung seines Sprunges ein Fehler unterlaufen. Auf jeden Fall konnte er seinen Schwung nicht auffangen. Seine Hände griffen ins Leere...

 

Ende von Kapitel 14

 

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