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  „Der Beschützer” von Taoynin   (Emailadresse siehe Autorenseite),   November 2016
Mission Erde/Earth: Final Conflict gehören Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Ronald Sandoval wird ein Taelonbeschützer.
Zeitpunkt:  recht bald nach der Ankunft der Taelons
Charaktere:  Ronald, DeeDee, Da'an
 

 

DER BESCHÜTZER

 

Ronald Sandoval schwitzte stark, als er das erste Mal das Büro des nordamerikanischen Companions betrat. Die gesamte obere Etage des Regierungsgebäudes hatte man dem Taelon zur Verfügung gestellt, damit er sowohl ungestört blieb als auch die Umgebung ganz nach seinen Bedürfnissen umgestalten konnte. Die Veränderungen waren noch dezent, aber sie wurden langsam aber stetig mehr. Die seltsamen Auswüchse an den Wänden, auch außerhalb der Gebäude, waren dabei am auffälligsten. Welchem Zweck sie dienten, war für den FBI-Agenten nicht ersichtlich, aber er brannte förmlich darauf, alles darüber zu erfahren.
„Ich grüße Sie, Ronald Sandoval”, sagte der Taelon und zeigte den Willkommensgruß seiner Art. Sandoval tat es ihm ein wenig unbeholfen gleich und erntete ein sanftes Lächeln.
„Ich grüße Sie ebenfalls, Da'an”, erwiderte er und räusperte sich.
Das Büro des Companion unterschied sich nicht von den anderen in dem Regierungsgebäude, außer dass es aufgeräumter war, und es standen Blumen auf dem Schreibtisch. Womit sich der Außerirdische wohl den ganzen Tag über beschäftigte? Ich werde aber nicht seine Sekretärin spielen, dachte Sandoval und unwillkürlich kräuselte sich seine Stirn.
Da'an bot ihm Platz an, und Sandoval setzte sich, wenn auch ungern. Er fühlte sich wie bei einem Bewerbungsgespräch, dabei hatte er den Posten bereits erhalten. Aus all den vielen hundert Bewerbern, die es in die letzte Runde geschafft hatten, hatte man ihn ausgewählt, weil er genau ihrem Anforderungsprofil entsprach und weil er allen Konkurrenten überlegen war. Es stand ihm zu, auf Augenhöhe mit dem Taelon zu kommunizieren.
„Ich hatte bisher noch nie einen Beschützer”, begann Da'an. „Es ist recht ungewohnt und ich weiß nicht genau, wie ich mich verhalten soll.” Seine Unsicherheit gab Sandoval die eigene Sicherheit zurück. „Wenn Sie erlauben, Da'an... Ich werde von nun an ihr unsichtbarer Schatten sein. Ich koordiniere ihre öffentlichen Termine und sorge für ausreichend Schutz. Jede Person, die sich Ihnen zukünftig nähert, wird von mir einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Sie werden in mir stets einen Gesprächspartner finden, der Sie über unsere Welt aufklären kann, sofern Sie dies wünschen. Ich werde für Sie da sein, Da'an, um Ihnen den Aufenthalt auf der Erde so angenehm wie möglich zu gestalten.” Der FBI-Agent war aufgestanden und sah dem Taelon fest in die Augen. „Sie können sich auf mich verlassen. Immer.”

* * *

„Wie war dein erster Tag mit Da'an?”, fragte Sandovals Ehefrau DeeDee aufgeregt, als er am Abend zu ihr nach Hause kam.
„Es war ganz okay”, erwiderte er, als wäre es nichts Besonderes, mit einem Außerirdischen zusammenzuarbeiten.
„Ganz okay?” DeeDee knuffte ihn. „Ich werde dich wahrscheinlich bald mehr im Fernsehen als zu Hause bewundern können. Du beschützt den nordamerikanischen Companion, Ronny! Du hast es geschafft!”
Der FBI-Agent versuchte noch immer, ruhig und würdevoll zu wirken, aber es gelang ihm nicht; seine Begeisterung musste sich Luft verschaffen. Während er sich rasch umzog, sprudelte es bereits aus ihm heraus. „Es war ... es ist phantastisch, DeeDee. Es übertrifft meine kühnsten Erwartungen ...”
„Ich habe uns zur Feier des Tages etwas Besonderes gekocht. Beeil dich, und dann erzählst du mir alles ganz genau.”
Und Sandoval hatte eine Menge zu erzählen. „Diese Technologie ist einfach gigantisch. Ich kann es kaum beschreiben. Es ist eine Sache, davon zu hören oder in den Medien darüber zu lesen oder sich Berichte anzusehen, aber es selbst zu sehen, anzufassen oder daran teilzuhaben ... das ist einfach unglaublich”, schwärmte er. Nach dem Essen machten sie es sich mit Kissen auf dem Boden bequem. DeeDee lag in seinem Arm und lauschten seinen Worten. „Ich werde sogar eines ihrer Shuttles testen dürfen”, erzählte er weiter.
„Ist das nicht zu gefährlich?”, fragte seine Frau und sah ihn erschrocken an. „Ich will das nicht, Ronny. Sie sollen sich einen anderen dafür suchen. Es kann so viel passieren ...”
Sandoval tätschelte beruhigend ihre Hand. „Keine Sorge, DeeDee. Es ist ja nicht so, dass ich mich morgen in so ein Ding hineinsetze und einfach losfliege. Ich werde natürlich vorher entsprechend ausgebildet. Allerdings dauert das noch eine Weile. Es gibt da eine Soldatin, Captain Marquette, sie überarbeitet gerade das Interface und die Steuerung. Sie ist quasi die Chefpilotin und wird später wohl meine Assistentin.”
„Ist sie hübsch?”, fragte DeeDee eifersüchtig.
Ronald lächelte und küsste sie dann zärtlich. „Wie kannst du nur annehmen, dass mich irgendeine andere Frau interessieren könnte, wenn ich die hübscheste und aufregendste Ehefrau der Welt habe.”
Sie knuffte ihn verlegen. „Du bist ein alter Schmeichler, Ronald Sandoval.”
„Ach, DeeDee”, seufzte er glücklich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, „ich spüre es ganz deutlich, jetzt kommt eine gute Zeit auf uns zu. Ich muss nicht länger in irgendeinem Büro versauern und langweilige Ermittlungen durchführen. An der Seite Da'ans werde ich die mächtigsten Leute der Erde kennenlernen ...”
„Ja”, hauchte sie. „Ich bin so stolz auf dich, Ronny.”

* * *

Die kommende Zeit wurde für Ronald Sandoval sowohl aufregend als auch sehr anstrengend. Wenn er Da'an nicht als Beschützer begleiten musste, kümmerte er sich um den Aufbau einer eigenen Sicherheitsgruppe. Er nahm an verschiedenen Seminaren teil und entwickelte selbst welche, um das zukünftige Sicherheitspersonal vor allem mit der Technologie der Taelons vertraut zu machen. Wenn er abends nach Hause kam, war er so erschöpft und müde, dass er gerade mal das Essen mit seiner Frau einnehmen konnte und danach sofort zu Bett ging. DeeDee hatte Verständnis und Geduld, auch wenn es nicht immer sehr leicht war. „Es wird alles bald besser”, versprach Ronald, wenn ihr Blick zu traurig wurde. „Halte nur noch ein bisschen durch. Bald ist mein Team so weit, dass ich nicht mehr ständig vor Ort sein muss. Dann kann ich mir frei nehmen und wir werden etwas Schönes unternehmen.” Und dann streichelte er ihr durch das Haar und küsste sie. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber ohne dich schaffe ich es nicht.”
Dann lächelte sie meist tapfer und sagte: „Ich wäre eine schlechte Ehefrau, würde ich dich nicht in allem unterstützen.”
Ihr Kummer belastete Ron und das bemerkte bald auch Da'an.
„Agent Sandoval”, sagte er mit seiner sanften Stimme, „ist alles in Ordnung?” Sie hatten gerade die neu errichtete Botschaft bezogen. Der Taelon saß auf seinem thronartigen Stuhl und öffnete hin und wieder einen Datenstrom, um Nachrichten aus aller Welt abzurufen. Sandoval hatte in dem großzügig bemessenen Raum eine kleine Ecke mit einem Schreibtisch und neuester Computertechnik. Die Grundprogramme waren allesamt irdischer Herkunft, aber fast immer durch Taelontechnologie aufgewertet oder verbessert. Als ihn Da'an ansprach, merkte er, dass er auf einen der Monitore gestarrt hatte. Wie lange er das schon tat, wusste er nicht, denn er hatte an seine Frau denken müssen. „Es gibt keinerlei Störungen. Die Systeme arbeiten einwandfrei”, antwortete er rasch, denn er nahm an, dass der Taelon einen Statusbericht erwartete.
„Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Sie wirken in letzter Zeit häufig abwesend.”
Sandoval sah ihn erschrocken an. Auch wenn Da'an freundlich klang, so konnte man seine Bemerkung doch als Rüge auffassen. „Verzeihen Sie, das wird nicht wieder vorkommen.”
„Ich wollte Sie nicht kritisieren, sondern mich nach Ihrem Befinden erkundigen. Ich bin noch nicht so geübt im Umgang mit den Menschen, dass ich sofort erkenne, wenn jemand meine Hilfe benötigt.”
„Hilfe?”, wiederholte er überrascht.
„Ich denke, es geht Ihnen nicht gut. Sie beklagen sich niemals, selbst wenn ich viel von Ihnen verlange. Auch wenn es im Sinne der Taelons ist, dass Sie weiterhin gute Arbeit leisten, so liegt mir doch persönlich etwas an Ihnen, und deshalb würde ich gern wissen, was Sie beschäftigt.”
Seine Freundlichkeit rührte Sandoval, und so tat er etwas, was er normalerweise nie zuließ, er öffnete sich. „Es ist meine Frau”, gestand er. „Ich habe sie in letzter Zeit sehr stark vernachlässigt. - Sie hat sich aber nicht beschwert”, fügte er rasch hinzu. „Sie steht voll und ganz hinter meiner Arbeit und unterstützt mich, wo sie nur kann ...”
Da'an hob die Hand in einer sanften Bewegung. „Agent Sandoval, es ist selbstverständlich völlig ausgeschlossen, dass Sie Ihre Frau vernachlässigen. Sie hätten mich sofort darauf aufmerksam machen müssen. Verzeihen Sie mir, dass es mir nicht selbst aufgefallen ist. Sie sollten sich für den Rest des Tages frei nehmen. Widmen Sie sich Ihrer Frau.”
Ronald fühlte sich unbehaglich. „Da'an, ich habe noch so viel zu tun. Ich werde mir frei nehmen, wenn sich die Gelegenheit ergibt ...”
„Gehen Sie. Das ist eine Anordnung.”
Sandoval blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Verwirrt und beeindruckt zugleich verließ er die Botschaft. Kaum war er außer Sicht, öffnete Da'an einen Datenstrom zum Gemeinwesen.
„Wie kommst du voraus?”, fragte der Synodenführer Qu'on.
„Ich habe festgestellt, dass mein Beschützer Ablenkung durch seine Frau widerfährt”, berichtete Da'an.
„Könnte sich das zu einem Problem entwickeln?”
„Ich bin mir nicht sicher.” Der nordamerikanische Companion verließ seinen Platz und wanderte nachdenklich auf und ab. „Es fällt mir schwer, eine Situation zu bewerten, die ich nicht kenne.”
„Wie wirst du in dieser Angelegenheit vorgehen?”, fragte Qu'on.
„Ich werde ihm zuallererst mehr Freizeit gewähren. Seine neue Tätigkeit hat ihn bisher sehr beansprucht. Seine Ehefrau muss sich daran erst noch gewöhnen. Dann wird sich die Angelegenheit mit der Zeit sicher entspannen.”
„Wieso hältst du dich mit diesem Menschen so lange auf?”, wollte ein anderes Synodenmitglied neugierig wissen. „Wäre es nicht effektiver, ihn auszutauschen?”
„Agent Sandoval zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Hingabe aus ...”
„Du solltest diese Hingabe nicht fehlinterpretieren”, unterbrach ihn ein anderer Taelon, der Jüngste in ihrem Kreis. „Wir wissen, dass die Menschen sehr begierig sind, Macht und Anerkennung zu erlangen. Wer sagt dir, dass nicht eben dieser hier genau danach strebt?”
Da'an zögerte mit seiner Antwort angesichts der Schärfe, die in der Stimme des jungen Taelons geklungen hatte. Machtstreben gab es auch in der Gemeinschaft der Companions, und er wollte seinem Konkurrenten keinen Grund liefern, gegen ihn vorgehen zu können. „Ich kenne tatsächlich die Ambitionen dieses Menschen nicht. Wenn es ihm nur um Ruhm und Macht geht, dann verbirgt er es sehr gut. Wir werden aber seine Spezies niemals verstehen, wenn wir keine Bereitschaft zeigen, sie näher kennenzulernen.” Die anderen Mitglieder der Synode sagten zwar nichts, aber er spürte ihre Zustimmung, bis auf den einen, der ihn bei jeder sich bietende Gelegenheit kritisierte.
„Was gedenkst du zu unternehmen, wenn sich die von dir vorgetragene Irritation nicht von selbst löst?”, fragte Qu'on schließlich.
„Wie alle Menschen ist auch Agent Sandoval sehr neugierig. Ich denke, dass ich etwas habe, das sein Interesse wecken könnte. Und wenn dem so ist, wird er gewiss seine Prioritäten neu setzen.”

* * *

Der gemeinsame Nachmittag hatte ihnen gutgetan. DeeDee konnte wieder lächeln, und auch Ronald war sichtbar entspannter. „Hätte ich geahnt, dass Da'an so ... so aufgeschlossen ist, dann hätte ich sicher schon früher um einen freien Tag gebeten”, sagte er.
„Du wolltest alles richtig machen”, nahm ihn seine Frau in Schutz. Jetzt, da die schwierige Zeit bald vergessen sein würde, fiel es ihr leicht, sich großzügig zu zeigen. „Geregelte Arbeitszeit, Familienleben ... so etwas kennen die Taelons nicht. Für sie ist es normal, dass du rund um die Uhr für sie zur Verfügung stehst. Dahinter steckt ja kein negativer Gedanke. Sie wollen dich weder ausbeuten noch schikanieren. Sie wussten es einfach nicht besser.”
„Da hast du vermutlich Recht.” Dass sein Ehrgeiz auch eine Rolle spielte, sprach er lieber nicht aus. Er wollte die Stimmung nicht kaputt machen. Endlich war DeeDee wieder zufrieden. „Ich werde zusehen, dass ich jetzt regelmäßig frei mache”, versprach er ihr. Er ahnte nicht, wie schnell er dieses Versprechen vergessen sollte.
Als er am nächsten Tag in der Botschaft erschien, informierte ihn Da'an über eine Planänderung. So etwas gefiel ihm ganz und gar nicht; er fühlte sich dann immer wie ein Drahtseilakrobat ohne sicheres Netz. Dennoch ließ er sich seinen Verdruss nicht anmerken. „Sie müssen mich früher darüber informieren, Da'an, damit ich entsprechende Vorkehrungen treffen kann”, ermahnte er den Taelon vorsichtig.
„Ihre Sorge ist unbegründet, Agent Sandoval. Wir besuchen eine Forschungsstation, die von Taelons und Menschen gemeinsam aufgebaut wurde. Die Leiterin dieser Einrichtung, Dr. Belman arbeitet an einem neuen Projekt, dass Sie sicher interessieren wird.”
„Was ist das für ein Projekt?”, fragte er sofort.
„Sie werden bald alles darüber erfahren”, erwiderte Da'an.
Die Forschungsstation befand sich in einem Seitenflügel einer großen Klinik. Die Taelons hatten das Gebäude zur Verfügung gestellt bekommen, um dort ihr Wissen mit den Menschen teilen zu können. Dr. Belman arbeitete in einem Labor, das mit modernstem Equipment ausgestattet war. Es gab auch Taelon-Technik, doch sie wirkte weniger präsent als andernorts.
„Da'an, welche Überraschung!”, rief die Ärztin. „Ich habe nicht so schnell mit Ihrem Erscheinen gerechnet.”
Der Taelon kam gleich zur Sache. „Welche Fortschritte konnten Sie nach meinem letzten Besuch hinsichtlich des CVIs machen?”, fragte er, und Sandoval horchte sofort auf. CVI?
Die ältere Frau trat an ein Computerterminal und rief eine Übersicht auf. Sie nannte verschiedene Zahlen und Messwerte, stellte Vergleiche an und sprach von Cortex cerebri, limbisches System und anderen medizinischen Begriffen. Da'an schien genau zu verstehen, was sie meinte, während der Agent eher ratlos danebenstand. Er konnte nur ahnen, um was es ging. Offensichtlich sprachen sie über einen Mikrochip, der ins Gehirn implantiert wurde. Es musste etwas Besonderes damit auf sich haben, wenn sich Da'an derart einbrachte.
„Hat die Synode bezüglich der Kooperation mit Doors International inzwischen eine Entscheidung getroffen?”, wechselte die Ärztin plötzlich das Thema. Der Milliardär Jonathan Doors gehörte zu den ersten Menschen, die in Kontakt mit den Taelons getreten waren. Obwohl man hätte meinen können, dass es sein Geld war, das ihn privilegierte, waren es tatsächlich seine Visionen und sein positives, zukunftsorientiertes Naturell, um ihn für die Außerirdischen interessant werden zu lassen.
„Ja”, sagte Da'an knapp.
Sandoval lächelte innerlich, als er den irritierten Ausdruck in Belmans Gesicht sah. Offensichtlich war sie noch nicht mit der mitunter sehr zurückhaltenden Art der Taelons vertraut. „Und?”, hakte die Ärztin nach. „Wird es eine Kooperation geben oder nicht?”
„Ja”, erwiderte der Companion. Manchmal dachte Ronald, dass sich der Taelon extra so verhielt, weil er es liebte, einen Menschen in den Wahnsinn zu treiben.
Dr. Belman war ihre Ungeduld anzumerken. „Da'an, es ist für meine Forschung sehr wichtig, dass ich weiß, ob ich auf die Unterstützung durch Doors rechnen kann oder nicht. Das Labor verursacht Kosten, die beglichen werden müssen. Der Klinikvorstand erwartet einen detaillierten Finanzierungsplan für die kommenden Jahre. Ohne Doors benötigen wir einen anderen Investor.”
„Ich verstehe”, sagte Da'an immer noch recht einsilbig. Dann entschied er sich doch zu etwas mehr Offenheit. „Es bedarf gewisser Vorbereitungen für den Abschluss unserer Partnerschaft. Unabhängig davon wird sich Mr. Doors aber schon bald mit Ihnen in Verbindung setzen. Er ist sehr an der Entwicklung des CVIs interessiert und wird möglicherweise in dieser Angelegenheit inspirierend sein.”
„Halten Sie das für eine gute Idee?”, fragte die Ärztin skeptisch. „Immerhin ist die CVI-Forschung noch ein Geheimprojekt. Doors könnte es im schlimmsten Fall sabotieren.”
Ronald Sandoval räusperte sich mutig. „Ich wüsste gern, was es mit diesem CVI auf sich hat”, sagte er, als sich die Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Da'an und die Dr. Belman wechselte einen kurzen Blick. Der Taelon signalisierte seine Zustimmung, und die Ärztin führte den Beschützer an den Überwachungscomputer. „Das CVI ist ein Cybervirus”, erklärte sie, „halb Mikrochip, halb Taelon-Mikrobe. Es ermöglicht einem, sämtliche Bereiche des Gehirns auszunutzen.”
„Ein Virus?”, wiederholte er skeptisch.
„Es erhöht die kognitiven Fähigkeiten ebenso wie das Kurz- und Langzeitgedächtnis”, setzte die Frau fort, ohne auf seine Frage einzugehen.
Man konnte sehen, wie es in Sandovals Kopf rotierte. „Für was wird es eingesetzt?”, fragte er nach einer Weile.
Jetzt mischte sich Da'an ein. Mit einer grazilen Bewegung fuhr seine Hand durch die Luft. „Es ist unser Geschenk”, erklärte er geheimnisvoll.
„Wie für jemanden wie mich?”
Der Taelon sagte nichts, aber sein Gesicht nahm einen sanften, beinahe liebevollen Ausdruck an.
„Sie sollten beachten, dass es auch Risiken gibt”, warf Dr. Belman ein. „Wir wissen noch nichts über die Langzeitwirkung des CVIs oder ob es Beeinträchtigungen gibt.”
„Sie brauchen mehr Testpersonen”, stellte Sandoval fest, ohne den Blick von Da'an zu nehmen, „und ich wäre doch sicher ein geeigneter Kandidat.”
Wieder wechselten Da'an und Dr. Belman kurze Blicke. „Bisher wurde es nur einmal implantiert”, sagte die Ärztin dann. „Es befindet sich noch immer im Experimentierstadium.”
„Und wer hat es erhalten?”
„Ein Straftäter namens James Pike”, klärte ihn Da'an auf.
„Er war damit einverstanden”, warf Dr. Belman rasch ein, so als befürchtete sie, man könne ihr ein fragwürdiges Verhalten vorwerfen. „Pike sitzt lebenslang. Er hatte nichts zu verlieren.”
„Halten Sie es für richtig, einem Serienkiller ein Implantat zu geben?”, wandte sich Sandoval stirnrunzelnd an den Taelon. Bei einem menschlichen Vorgesetzten hätte der vorwurfsvolle Ton in seiner Stimme bei den meisten von ihnen für eine Zurechtweisung gesorgt, aber er kannte Da'an inzwischen gut genug, um zu wissen, was er sich erlauben durfte und was nicht.
„Was befürchten Sie, Agent Sandoval?”, wollte der Außerirdische interessiert wissen.
„Nun, Pike könnte seine Fähigkeiten nutzen, um sein Umfeld zu manipulieren. Die Konsequenzen sind nicht abzusehen. Er könnte zu einer großen Gefahr werden, auch für Taelons.”
Da'an überlegte kurz. „Mr. Pike steht unter ständiger Kontrolle”, sagte er dann. „Er spricht sehr gut auf die Therapie an. Dennoch ist es nur eine Option, die vielleicht später einmal in einem größeren Rahmen Anwendung findet. In erster Linie denken wir, das CVI beim Sicherheitspersonal einzusetzen.”
„Ich gehöre auch zum Sicherheitspersonal”, sagte Sandoval. „Ich müsste eigentlich als Erster ein CVI erhalten. - Es würde meine Effektivität steigern”, fügte er in der Hoffnung hinzu, es könnte den Taelon positiv stimmen.
„Sie leisten sehr gute Arbeit, Agent Sandoval, auf allen Ebenen. Eine Steigerung Ihrer Leistung ist derzeit nicht erforderlich.”
„Aber Da'an”, protestierte der Beschützer enttäuscht.
„Das CVI ist nicht der einzige Grund, warum wir hier sind. Bitte lassen Sie sich zu Dr. Orino führen. Ich werde in Kürze zu Ihnen stoßen.”
Im Hinausgehen bekam er mit, wie Da'an zu der Ärztin sagte: „Konnten Sie das CVI bereits gemäß unseren Vorgaben anpassen?” - „Es ist genau so geschehen, wie es die Synode gewünscht hat.” Er fragte sich, was damit gemeint wurde. Was konnte man an einer genialen Erfindung wie dem CVI, das eine Revolution auf dem Gebiet der Medizin ebenso wie auf dem der Computertechnologie darstellte, noch verbessern?


„Sie müssen Da'ans Beschützer sein. Sandoval, nicht wahr?” Dr. Orino, ein dunkelhäutiger Mann mittleren Alters zeigte sich höflich, aber erfreut über seinen Besucher schien er nicht. „Ich nehme an, Da'an wird gleich ebenfalls erscheinen.”
Sandoval nickte und sah sich neugierig um. Das Labor bestand hauptsächlich aus vielen brutkastenähnliche Behältnissen mit seltsamen Wesen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. „Was ist das?”, fragte er überrascht.
„Bitte nichts anfassen!” sagte Dr. Oriono hektisch und drängte Sandoval grob zur Seite, als dieser näher an einen der Glaskästen herantreten wollte. „Sie reagieren sehr empfindlich auf Störungen.” Er strich beinahe zärtlich über den durchsichtigen Deckel und murmelte etwas, was so ähnlich wie „Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung” klang. Sandoval wandte sich kopfschüttelnd ab und vertraute darauf, dass ihn Da'an aufklären würde.
„Das hier ist ein Skrill”, sagte der Taelon, als er kurze Zeit später in dem Labor erschien, und deutete auf eines der Wesen, die sich in den Brutkästen befanden. Er gab dem Wissenschaftler ein Zeichen, eines von ihnen herauszuholen, was dieser nicht ohne entsprechenden Protest schließlich tat.
„Stammt es von Ihrer Heimatwelt?”
„Nein. Wir fanden diese Spezies auf unserer Reise. Es ist eine höchst bemerkenswerte Kreatur mit besonderen Eigenschaften. Es kann sich mit dem menschlichen zentralen Nervensystem verbinden und bei Gefahr eine energetische Ladung abgeben.”
„Eine energetische Ladung?”, wiederholte Sandoval verwirrt. „Was meinen Sie damit?”
„Dass Sie damit schießen können, wie mit einer Waffe”, sagte Dr. Orino, bevor der Taelon antworten konnte. „Es ist eine Art Energiewaffe, eine tödliche.” Er klang gleichzeitig stolz wie besorgt.
Sandoval hatte das Gefühl, auf den Arm genommen zu werden. Wollte sich Da'an einen Scherz mit ihm erlauben? Wie sollte ein so seltsames Ding, das wie ein Spielzeug aus einem Fantasyladen aussah, tödliche Energie abgeben? Er grinste schief und erntete dafür einen beleidigten Blick. Der Wissenschaftler hielt den Skrill beinahe wie ein Baby in den Händen. „Urteilen Sie nicht vorschnell, Mr. Sandoval. Sie kennen sein Potential noch nicht.” Vorsichtig legte er sich das Wesen auf den Unterarm, um zu demonstrieren, wie es gehalten wurde. „Er verbindet sich mit ihrem Nervensystem, so dass sie ihm befehlen können, zu schießen.” Dann hob er die geballte Faust und hielt sie direkt vor Sandovals Nase. Der Asiate schluckte.
„Um einen Skrill zu beherrschen, reicht der menschliche Geist nicht aus”, mischte sich jetzt Da'an ein. „Dazu ist eine Unterstützung notwendig ...”
„Das CVI”, entfuhr es Sandoval.
„Richtig.” Da'an nickte anerkennend. „Das CVI kontrolliert den Skrill und der Mensch kontrolliert das CVI.”

* * *

Ein einziger Gedanke beherrschte Ronald Sandoval: Er wollte das CVI und den Skrill. Zeitlebens hatte er darunter gelitten, dass er nicht besonders groß oder muskulös war. Schon als Kind hatte man ihn deshalb gehänselt. Es wurde endlich Zeit, dass diese herablassende Art, mit der man ihm gerne begegnete, aufhörte, dass man ihn endlich respektierte. Mit den Geschenken der Taelons würde ihm das auch gelingen, dessen war er sich sicher. Seiner Frau verriet er nichts davon. Ihr Verhältnis hatte sich gerade erst wieder stabilisiert, das wollte er nicht aufs Spiel setzen. Außerdem wusste er, dass sie dem CVI sehr skeptisch gegenüberstehen würde. Ganz wohl war ihm auch nicht bei dem Gedanken, dass man ihm etwas in sein Gehirn einpflanzen wollte, aber er vermied es, allzu sehr über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Was er durch den Eingriff gewann, war so immens viel, dass es jedes Risiko wettmachte. Wäre da nur nicht Da'an ...
„Ich könnte wesentlich effizienter arbeiten, hätte ich das CVI”, sagte Sandoval bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und sein Companion antwortete stets gleich: „Sie sind bereits effizient, Agent Sandoval.”
Der Agent geriet ins Grübeln. War er vielleicht doch zu unzulänglich? Da'an sagte nicht immer die Wahrheit oder besser gesagt: Er war ein Meister darin, ihr auszuweichen. Effizient zu sein konnte somit bedeuten, dass er in diesem Augenblick den Ansprüchen seines Herrn genügte. Aber würde es auch für die Zukunft reichen? Sandoval beschloss, es nicht darauf ankommen zu lassen. Mit jedem Tag, den die Taelons mehr auf der Erde verbrachten, lernten sie ihre Bewohner und ihre Fähigkeiten besser kennen. Irgendwann konnte Da'an den Entschluss fassen, sich einen anderen Beschützer zu nehmen - jemand, der vielleicht nicht verheiratet war, der mehr Zeit bei seinem Companion verbrachte, jemand, der einfach besser war. Das durfte er nicht zulassen.
„DeeDee, ich könnte meinen Job verlieren, wenn ich nicht bereit bin, Opfer zu bringen”, versuchte er seiner Frau zu erklären.
„Und wie lange soll das gehen? Wann, denkst du, wird Da'an deinen Wert erkennen?”, fragte sie zweifelnd.
„Es dauert sicher nicht lange.”
„Das sagst du schon seit Monaten.” Traurig sah sie ihn an. „Seit Monaten versprichst du mir, dass wir wieder ein ganz normales Leben führen werden. Aber das geschieht nicht. - Ach, Ron, bist du sicher, dass es all das wert ist? Wir haben uns nie viel aus Geld gemacht, wir waren auch so glücklich. Gewiss sind die Taelons faszinierend, aber sei doch mal ganz ehrlich: Was hast du durch ihre Anwesenheit bisher gewonnen? Wie bringt es dich weiter? Du bist nichts anderes als ein Leibwächter, ein Diener, ein Lakai ...”
Ihre Worte verletzten ihn, aber noch mehr schmerzte ihn die Gewissheit, dass sie nicht mehr an ihn glaubte. Verzweifelt suchte er nach den richtigen Worten. „DeeDee, ich wünsche mir nicht mehr, als dass du glücklich bist, das weißt du doch. Und wenn das bedeutet, dass ich nicht mehr länger für die Companions arbeiten soll, dann werde ich dort kündigen. Das verspreche ich dir. Nur gib mir eine allerletzte Chance. Gib mir die Zeit, Da'an zu überzeugen, dass er sich auf mich verlassen kann.”

Sandoval wusste, dass er ohne das CVI keine Chance hatte. Als Implantant würde man ihm mehr Verantwortung übereignen und ihm auch mehr Freiheiten gewähren. Er würde dann endlich mehr sein als nur Da'ans Leibwächter. Er würde aktiv in das Weltgeschehen eingreifen und dabei die Interessen der Taelons vertreten. Er würde Da'ans Attaché werden, seine rechte Hand. Also beschloss er, alles auf eine Karte zu setzen.
„Warum verweigern Sie mir das CVI?”, frage er den Companion geradeheraus.
„Weil es derzeit keine Notwendigkeit gibt, Sie zu implantieren. Ich bin sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit, Agent Sandoval”, erwiderte der Taelon in der für ihn so typischen ruhigen Art.
„Diesen Eindruck habe ich allerdings nicht. Ich glaube vielmehr, dass Sie mich nicht für geeignet halten. Sie wollen das CVI nicht an jemanden verschwenden, der es nicht wert ist.”
„Verschwenden?”, wiederholte Da'an verwundert.
„Geben Sie es ruhig zu. Ich entspreche nicht Ihren Erwartungen. Sie haben sich etwas anderes von mir erhofft.” Es schmerzte Sandoval, seine eigene Inkompetenz zugeben zu müssen. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, was er gerade aufs Spiel setzte. Er konnte alles verlieren. Er konnte Da'an verlieren. Er erinnerte sich an all die vielen Stunden, die er mit seinem Companion verbracht hatte, in denen sie miteinander geplaudert hatte, mal über belangloses Tagesgeschehen, mal über sehr aktuelle Ereignisse. Es gab so vieles, was für Da'an fremd war und er hatte ihm die Welt erklärt. Bisher hatte er immer angenommen, dass der Taelon diese Gespräche ebenso genoss wie er selbst, aber auch das war wohl nur ein Trugschluss.
„Also gut”, sagte er, und seine Gestalt straffte sich, „bringen wir es hinter uns. Entlassen Sie mich aus Ihren Diensten.”
Da lächelte der Außerirdische warmherzig. „Sie haben nichts zu befürchten, Agent Sandoval.”
Auf der einen Seite war er zutiefst erleichtert, auf der anderen ratlos. „Jedoch verweigern Sie mir das CVI”, sagte er. „Wieso?”
„Es ist nicht erforderlich.”
Dennoch begann Sandovals Beharrlichkeit Wirkung zu zeigen. Da'an besprach sich erneut mit der Synode. „Mein Beschützer bittet inständig um die Implantation des CVIs.”
„Und wie ist deine Meinung dazu?”
„Ich bin mir nicht sicher, ob es gute Entscheidung wäre. Bisher haben wir das CVI nur an wenigen Menschen getestet, so dass wir nicht mit Bestimmtheit sagen können, welche Auswirkungen es auf Dauer hat. Agent Sandoval verrichtet gute Arbeit. Ich sehe keinen Grund, seine Effizienz zu steigern.”
„Wir haben uns bereits entschlossen, die Menschen durch das CVI gefügiger zu machen, da unsere Analyse ergeben hat, wie unberechenbar sie sind”, meldete sich ein anderes Synodenmitglied. „Es gab niemals ein Zweifel an der Notwendigkeit seines Einsatzes, lediglich der Zeitpunkt war von uns nicht festgelegt worden. Wenn dein Beschützer darum bittet, solltest du seinem Wunsch nachkommen.”
„Was befürchtest du, könnte geschehen?”, fragte ein anderer.
„Es ist seine Einzigartigkeit, die unsere bisherige Zusammenarbeit erst so fruchtbar werden ließ. Das Implantat beeinflusst seine Psyche. Wer weiß, ob er anschließend noch derselbe ist.”
„Ein unsinniger Gedankengang”, ließ der Jüngste in ihrem Kreis jetzt verlauten. „Das CVI macht ihn leistungsstärker und loyaler als je zuvor. Sollte sich jedoch tatsächlich ein irreparabler Schaden ergeben, so wirst du ihn ganz einfach austauschen. Vergiss nicht, du bist nicht hier, um Freundschaften zu schließen.”
„Es obliegt deiner Entscheidung, ob du deinen Beschützer zu diesem Zeitpunkt implantieren lässt oder später, wenn es erforderlich ist”, sagte Qu'on abschließend.
Nach dem Gespräch mit der Synode verharrte Da'an noch eine Weile nachdenklich auf seinem Platz, bevor er Sandoval zu sich rief. „Ich habe der Synode Ihren drängenden Wunsch nach dem CVI mitgeteilt”, begann er bedächtig.
Sandoval war so angespannt, dass er kaum atmen konnte. „Und? Wurde eine Entscheidung getroffen?”
„Es wurde mir überlassen, darüber zu befinden.” Der Taelon erhob sich und trat vor seinen Beschützer. Er musterte ihn, so als versuchte er, etwas zu ergründen. „Ist Ihnen klar, dass mit der Implantation auch Risiken verbunden sind? Es könnte Ihr Leben verändern.”
Es wird mein Leben verändern, dachte der Agent euphorisch. „Bitte, Da'an, ich bin bereit die Konsequenzen zu tragen.” Er sah seinen Companion erwartungsvoll an, doch der ließ sich Zeit. Die Spannung stieg ins Unermessliche, bis er schließlich nickte. „Dann soll es so sein. Empfangen Sie unser Geschenk.”
„Ich danke Ihnen, Da'an. Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen.”
„Das werden wir sehen, Agent Sandoval.”

* * *

Wenige Tage später fand sich Sandoval auf einer Krankenhausliege wieder. Er war so aufgeregt, dass er Angst hatte, Dr. Belman könnte den Eingriff abbrechen, weil sie bei ihm einen Herzinfarkt befürchtete. Aber nichts dergleichen geschah. Das CVI wurde erfolgreich implantiert, und Sandovals neues Leben begann. DeeDee wusste von alldem nichts. Erst als sie den Skrill an seinem Arm entdeckte, ahnte sie, dass irgendetwas geschehen war. „Denkst du nicht, dass es langsam zu weit geht?”, fragte sie.
„Ich weiß nicht, was du hast”, erwiderte er kühl. „Ich erledige meine Arbeit und nutze die Hilfsmittel, die mir die Companions überlassen. Was ist daran auszusetzen?”
„Sie vereinnahmen dich völlig und du merkst es nicht einmal.”
Jetzt wurde er ungehalten. „Ich bin stolz, den Taelons dienen zu dürfen. Kannst du das nicht begreifen?”
„Und deine Ehe ist dir völlig egal?”
„Sie ist mir ganz gewiss nicht egal, aber du nutzt sie mittlerweile als Druckmittel. Wer war denn bei Da'an und hat um mehr Freizeit gebeten?”
„Freizeit?”, echote sie. „Vielleicht ist es dir entgangen, aber die Zeit der Sklaverei ist vorbei. Du bist ja kaum noch daheim. Es wundert mich, dass du nicht schon längst dein Bett in der Botschaft aufgeschlagen hast.”
„Vielleicht sollte ich das tatsächlich tun”, erwiderte er wütend, „dann bliebe mir wenigstens dein ewiges Gezanke erspart.”
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch es rührte ihn nicht. Im Gegenteil, es machte ihn nur noch wütender. „Du wolltest doch nie, dass ich etwas aus mir mache!”, warf er ihr vor. „Du wolltest den einfachen FBI-Agenten, der abends pünktlich nach Hause kommt und am Wochenende mit dir ins Grüne fährt. Von Anfang an hast du meine Arbeit bei den Companions torpediert, als du gemerkt hast, dass ich dort keine unbedeutende Rolle spiele, dass ich nicht einer von vielen bin.”
„Das ist nicht wahr!”, rief sie weinend.
Tief in seinem Inneren regte sich für einen kurzen Moment ein seltsames Gefühl von Reue, aber es war sehr schnell wieder vorbei.
„Ron, was ist nur mit dir los. Ich erkenne dich gar nicht mehr wieder. Du hast dich vollkommen verändert.”
Sandoval atmete tief durch. „Nein, ich war schon immer so, ich habe mir nur endlich befreit.” An diesem Abend schlief er auf dem Sofa. Während er dalag und an die Aufgaben des nächsten Tages dachte, drang ihr leises Weinen aus dem Schlafzimmer zu ihm. Es war ihr erster wirklicher Streit in ihrer Ehe. Du hast dich vollkommen verändert! Immer wieder hörte er ihre Stimme in seinem Kopf. Ja, dachte er, ich habe mich verändert. Zum allerersten Mal sehe ich wirklich klar. Ich lebe jetzt in einer völlig neuen Welt. DeeDee muss das endlich akzeptieren. „Sie wird sich schon beruhigen”, sagte er sich.
Aber DeeDee beruhigte sich nicht. Sein grobes Verhalten hatte sie zutiefst verletzt. So etwas kannte sie nicht an ihm. Er war stets immer so fürsorglich und zuvorkommend gewesen. Offensichtlich war ihm die Arbeit mit den Companions zu Kopf gestiegen. Zunächst zeigte sie ihm deshalb die kalte Schulter. In der Vergangenheit hatte das immer funktioniert, wenn sie etwas durchsetzen wollte. Ronald registrierte es, machte aber keine Anstalten, die Situation zu verändern. Im Grunde kam es ihm ganz gelegen, da er sich so ganz und gar auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Als sie begriff, dass sie auf diesem Weg nichts erreichen konnte, überdachte sie ihr Verhalten. Vielleicht hatte Ron mit seinen Vorwürfen gar nicht so unrecht, dass sie es am Ende selbst war, die ihn aus dem Haus trieb. Also versuchte sie eine neue Strategie. Sie bemühte sich, ihm zu gefallen. Sie präsentierte ihm ein gepflegtes Heim, zeigte sich in neuen Kleidern und überraschte ihn mit liebevollen Kleinigkeiten. Kein Wort mehr sagte sie gegen die Taelons. Wenn er spät am Abend nach Hause kam, warf sie es ihm nicht mehr vor.
Sandoval nahm es wohlwollend zur Kenntnis und schaffte es auch, sie freundlich in den Arm zu nehmen, aber insgeheim wusste er, dass sie den Ron, den sie in der Vergangenheit geliebt und geheiratet hatte, nicht zurückbekommen würde. Ein bisschen tat sie ihm leid. Könnte sie doch nur verstehen, wie wichtig seine Arbeit für die Companions war. Er wollte den Taelons dienen, er musste es einfach tun.
Als DeeDee begriff, dass die Taelons eine Übermacht für Ihre Ehe darstellten, der sie nichts entgegenzusetzen hatte, brach sie zusammen. Sie nahm Beruhigungsmittel und griff immer häufiger zur Flasche. Dem Haushalt ebenso wie ihrem Äußeren schenkte sie kaum noch Beachtung. Wenn Ronald sie zur Rede stellte, schrie sie ihn an: „Was willst du von mir? Es ist doch alles genau so, wie du es möchtest. Du kannst den ganzen Tag und meinetwegen auch die ganze Nacht bei diesen Aliens bleiben.”
„Du bist betrunken, DeeDee”, sagte er und nahm ihr die Flasche weg.
„Etwas anderes bleibt mir ja auch nicht übrig”, erwiderte sie leise und desillusioniert.
„Reiß dich gefälligst zusammen!”, ermahnte er sie. „Wie du überhaupt ausschaust? Denkst du, es ist angebracht, den ganzen Tag im Morgenmantel herumzulaufen?”
Seine strengen Worte brachten sie zur Besinnung, aber schon bald fand sie einen neuen Weg, ihm zuzusetzen. Diesmal holte sie sich Hilfe in Form von Unterstützung durch ihre Mutter und ihre Schwester. „Ronald ist ein Ungeheuer geworden, seitdem er für die Taelons arbeitet”, jammerte sie ihnen vor. „Es hat unsere Ehe kaputtgemacht. Ich sollte mich von ihm scheiden lassen. So hat es doch alles keinen Zweck mehr.”
Ronald hatte selbst schon über eine Trennung nachgedacht. DeeDee erschien ihm plötzlich in so vielen Dingen so unreif und kindisch. Sie begriff überhaupt nicht, wie wichtig ihm seine Arbeit war und welche Macht ihm mittlerweile zur Verfügung stand. Erst kürzlich noch war er in der Nacht, an einige unangenehme Gestalten geraten, die glaubten, ein leichtes Spiel mit ihm zu haben, die sich auf seine Kosten amüsieren und ihn ausrauben wollten. Doch er hatte sie eines Besseren belehrt. Er hatte sie nicht getötet. Nein. Er hatte sie nur die Macht eines Skrills spüren lassen und nun lagen sie im Krankenhaus. Niemand würde sich ungestraft mit ihn anlegen können, niemals wieder. Seiner Frau konnte er davon nicht erzählen. Es hätte sie erschreckt, und wahrscheinlich hätte sie ihm auch noch einen Vortrag darüber gehalten, wie man mit seinen Mitmenschen umzugehen hatte. Aber dass sie jetzt ihre Verwandtschaft gegen ihn aufhetzte, kratzte an seinem Ego. Wenn jemand die Scheidung einreichte, dann war gefälligst er das.
Als er ihnen gegenübertrat, war er fest entschlossen, sie seine ganze Souveränität und Autorität spüren zu lassen. Er hatte bei seiner Schwiegermutter nie einen leichten Stand gehabt. Er wusste, dass sie ihn ablehnte, weil er nicht ihren Ansprüchen genügte. Jetzt würde er sie eines Besseren belehren. Dann sah er jedoch in ihren Gesichtern die Bereitschaft, ihn zu bekämpfen, und änderte seine Taktik. „Ich bin wirklich froh, dass ihr hier seid”, sagte er und mimte den besorgten Ehemann. „DeeDee braucht ihre Familie jetzt mehr denn je zuvor.”
Sein Plan ging auf, er hatte ihnen den Wind aus den Segeln genommen. Sowohl Mutter als auch Schwester starrten ihn ebenso überrascht wie ratlos an. Sie waren auf Konfrontation gestimmt, auf Gegenwehr. „Ich weiß, sie hat Dinge über mich erzählt, die euch glauben lassen, ich wäre ein Ungeheuer”, sagte er, nachdem er sie zur Seite genommen hatte. „Es ist meine Schuld. Ich habe sie zu viel allein gelassen. Sie hat angefangen, Beruhigungsmittel zu schlucken und irgendwann verlor sie darüber die Kontrolle. Deshalb bin ich auch das Monster. Weil ich ihr die Pillen wegnehme.”
Sandoval spielte seine Rolle perfekt. DeeDees Familie glaubte ihm. Sie nahmen die völlig aufgelöste Frau für eine Weile mit zu sich, damit sie sich erholen konnte. Doch als sie nach ein paar Monaten wieder zu ihm zurückkehrte, fing alles von vorn an. „Warum tust du das, Ronald?”, fragte sie ihn nach einem erneuten Streit kraftlos. „Du hast mir versprochen, deinen Job zu kündigen, wenn es nicht besser wird. Es ist nicht besser geworden, sondern schlimmer. Du hast dich so verändert, du bist vollkommen kalt geworden. Es gibt keinen Grund mehr für mich zu leben.”
„Sag so etwas nie wieder!”, fuhr er sie mit einer Mischung aus Schrecken und Wut an. Wenn sich DeeDee das Leben nahm ... Es würde eine Untersuchung geben und er könnte unter Verdacht geraten. Dieses Risiko durfte er nicht eingehen. Und so traf er eine Entscheidung ...
Als Erstes nahm er ihr die Tabletten und den Alkohol weg. Dann führte er einige Telefonate. Das letzte galt Da'an. „Ich benötige einige Tage Urlaub.”
„Agent Sandoval”, sagte der Taelon mit einer deutlichen Mahnung in der Stimme, „kriegen Sie Ihr Privatleben in den Griff.”
„Das werde ich, Da'an”, versprach Sandoval.
Wenige Tage später hielt einen Krankenwagen vom medizinischen Dienst vor dem Haus. Als die Männer das Haus betraten, sah ihnen DeeDee ahnungslos entgegen. Seit Monaten war sie wieder etwas ausgeglichen. Ronald war die ganze Zeit über bei ihr im Haus gewesen. Auch wenn er nicht mehr die Herzlichkeit und Wärme ausstrahlte wie früher, so war doch in ihr neue Hoffnung aufgekeimt, es könne sich alles zum Guten wenden.
Einer der fremden Männer begann sie zu untersuchen und gab ihr dann eine Spritze und langsam dämmerte ihr, dass hier etwas in Gang gesetzt wurde, dass sich außerhalb ihrer Kontrolle befand. „Ronald, was hat das zu bedeuten? Wohin bringen mich diese Männer?”, fragte sie angstvoll.
„Keine Sorge”, versuchte er sie zu beruhigen. „Es ist alles in Ordnung. Du brauchst einfach nur Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Ich habe ein schönes Sanatorium für dich ausgesucht. Dort wird es dir an nichts fehlen.”
„Ronald, nein!”, schrie sie panisch und wehrte sich vehement gegen die Männer. „Das kannst du doch nicht machen! Ronny, nein! Neiiiin....”
Mit unbeweglichem Gesicht sah Ronald zu, wie seine Frau in einen Krankenstuhl gesetzt und angeschnallt wurde. Er folgte ihr und den Männern bis zur Tür, als man sie hinausbrachte und in den Krankenwagen schob. Ihr Schreien wurde leiser, kraftloser und verstummte schon bald. Dann fuhr der Wagen davon. Eine Weile blieb Sandoval in der Dunkelheit stehen und atmete tief durch. Kleine Schneeflocken rieselten vom Himmel und er erinnerte sich daran, dass Heiligabend war. Dann aktivierte er sein Global. „Da'an, ich stehe wieder zur Verfügung. Es wird keinerlei Störung mehr geben. Nie mehr ...”

 

ENDE

 

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