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  „Revolution vs. Evolution” von Sythazen/Bianca Nunberger   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Entstehungsdatum: 12. Februar 2003
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Eine unverhoffte Autofahrt bringt neue Erkenntnisse.
Zeitpunkt:  erste Staffel - einige Monate nach 1x12 „Sandoval's Run”
Charaktere:  Hope, Fremder
 
Anmerkung der Autorin:  Über Feedback jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Auch gegen Kritik habe ich nichts, solange sie konstruktiv ist. Lest bitte auch meine anderen Stories, wenn euch diese hier gefallen hat.
 

 

REVOLUTION VS. EVOLUTION

Kapitel 14

 

Leandra hatte den einzigen Ort, den sie innerhalb des letzten halben Jahres als Heimat kennen und schätzen gelernt hatte, bereits seit vierundfünfzig Minuten verlassen und wanderte, das erste Mal seit ihrem Erwachen sich nun vollkommen allein fühlend, die staubige Straße entlang, in Richtung des, wie sie wusste, nur noch fünfzehn Meilen entfernt liegenden kleinen Dorfes. Sie musste einfach nur immer weiter geradeaus gehen, immer weiter der nur ab und zu in leichten Biegungen verlaufenden Straße folgen. Der mit schweren Wolken grau behangene Himmel bot auch nur wenig, an dem sie sich hätte orientieren können, jedoch schätzte sie den wohl bald hereinbrechenden Regen, da dieser nicht nur ihr etwas Erfrischung, sondern auch den um sie herum befindlichen Wiesen und Feldern neue Nahrung geben konnte, welche die dort wachsenden Pflanzen nach der letzten Trockenperiode auch dringend benötigten.

Innerhalb der letzten sechzehn Minuten waren immer mehr Autos an ihr vorüber gefahren. Größere und kleinere, wobei sie bei jedem an ihr vorüber brausenden Wagen ein seltsames Gefühl des Unwohlseins, um nicht zu sagen der Angst zu erfassen drohte. Etwas, das Leandra mehr als nur ein wenig beunruhigte, da sie solche Empfindungen bisher für überwunden gehalten hatte. Das letzte Mal, als sie solcherart empfunden hatte, war vor über einem halben Jahr gewesen, als sie noch geglaubt hatte, das Andrej ihr Böses tun wollte.

Abermals zuckte sie innerlich zusammen, sich ihre Ängste jedoch nicht nach außen hin anmerken lassend. Selbst jetzt nicht, wo sie vollkommen unbeobachtet war. Niemals irgendwelche Gefühle zeigen. Niemals anderen gegenüber zeigen, dass man sich vor etwas fürchtete, denn dies gab diesen nur Macht über einen und das war etwas, das sie unter keinen Umständen zulassen durfte.
Leandra spürte jedoch, dass es ihr nicht so einfach gelingen würde, sich der immer stärker in ihr aufsteigenden Angst zu widersetzen. Da sie es also nicht schaffte, ihr zu entkommen, gab es nur eine einzige Möglichkeit, mit diesem in ihrem Unterbewusstsein begraben geglaubten, nun allerdings wieder zum Vorschein kommenden Problem umzugehen. Sie musste sich dem Feind, den sie nicht entfliehen konnte, stellen und ihn auf ihre Weise bekämpfen und das konnte sie nur, wenn sie dem, was sie derart irritierte und bei der Durchführung der vor ihr liegenden Aufgaben störte, ins Auge blickte und lernte, damit umzugehen.

Leise aufseufzend blieb sie also stehen und ließ den Blick über ihre nächste Umgebung wandern.
Aus den schwarzblauen Wolkenbänken am Himmelszelt, welche nur noch diffuses Licht durchließen, fielen schwer die ersten großen Regentropfen.
Die grünen, mit Mais und anderem Getreide bestellten Felder rings um sie herum, durch welche die Landstraße führte, der sie die ganze Zeit über gefolgt war, waren in den herrschenden Lichtverhältnissen kaum mehr voneinander unterscheidbar.
Ihrem ersten Gedankengang folgend, wollte sie sich instinktiv zwischen die bereits hoch stehenden Maisgewächse begeben, hielt dann jedoch abrupt wieder inne, da auch dies nur eine Flucht vor den an ihr vorüberrauschenden Fahrzeugen war. So ließ sie sich also, nach einem bedauernden Blick in das ihr Schutz und Ruhe verheißende Grün, dicht am Straßenrand mit überkreuz verschränkten Beinen auf den schmalen erdigen Streifen zwischen Feld- und Straßenbeginn nieder, sich in Gedanken bereits dem um sie herum herrschenden Leben öffnend, um aus diesem die nötige Ausdauer und Kraft zu schöpfen, die sie für das Vorhaben, sich ihren Ängsten zu stellen, unbedingt brauchte.

Langsam öffnete sich Leandra den um, über und unter ihr existierenden Lebensrhythmen und begann anschließend damit, sich diesen in ihrem Innersten anzugleichen. Sie spürte die tief in der Erde befindlichen Wurzeln der hinter ihr wachsenden Maispflanzen, spürte, wie sie sich noch tiefer in das dunkle Erdreich streckten, um auch wirklich genug Halt zu haben, bei den ab und an über sie hinweg fegenden Stürmen. Ebenso fühlte sie die wesentlich kleineren und auch schnelllebigeren Halme des Grases, auf welchem sie saß. Sie wusste, dass sie dieses zwar mit ihrem eigenen Körpergewicht zu Boden drückte, doch würde dieses sich spätestens nach dem nächsten Regen wieder aufgerichtet haben.
Ganz langsam ließ Leandra ihre Sinne von den einen tiefen Frieden ausstrahlenden natürlichen Abläufen, von den sich hinter ihr befindlichen Feldern und den unter ihr wachsenden Gräsern emporsteigen und sich dem eigentlichen Problem zuwenden, dem Grund, weshalb sie überhaupt hier saß und sich in den Frieden des sie Umgebenden geflüchtet hatte.

Noch ein letztes Mal atmete sie langsam und tief ein, um die Luft kurz darauf mit einem leisen Seufzer wieder auszustoßen und, sich gestärkt fühlend, die Augen zu öffnen und sie auf die vor ihr liegende Asphaltstraße zu richten, auf der gerade abermals ein großes - dieses Mal ein rotes - Auto an ihr vorüber brauste.
Den zuvor genommenen tiefen Atemzug in diesem Moment sichtlich bereuend, begann Leandra wegen der soeben in ihre Lungen gedrungenen Abgasstoffe und des zugehörigen Gestanks wild zu husten und zu würgen. Erst als sie sich wieder einigermaßen von der Übelkeit erregenden Attacke der ihre giftigen Stoffe durch die Autos in die Umwelt hinein blasenden Öl- und Benzinindustrie erholt hatte, schaffte sie es wieder, sich soweit zu sammeln, um ihr immer noch zutiefst mit den Pflanzen verbundenes Bewusstsein von diesen zu lösen und so dem Einfluss der über sie hinweg fegenden und in sie eindringenden Giftstoffe zu entziehen. Kaum dass sie sich wieder vollends auf sich selbst konzentrierte und die Natur um sie herum nur noch mit ihren menschlichen Sinnen wahrnahm, empfand sie die von den Autos ausgestoßenen Abgase nur noch als störenden, aber nicht mehr gar so aggressiven und Übelkeit erregenden Angriff auf sich selbst.

Resigniert musste Leandra erkennen, dass sie ihr Vorhaben, die stets unterschwellig in ihrem Inneren lauernde Angst zu bekämpfen, wohl falsch angegangen war. Es musste etwas anderes geben, das dagegen zu tun war. Auf die Art und Weise, wie sie es soeben versucht hatte, würde sie sich selbst nur mehr Schaden zufügen als Gutes, da sie, derart mit dem sie umgebenden Leben verbunden, nur noch mehr Gründe dafür fand, diese rollenden Blechmonster zu verabscheuen und zu fürchten.

Sie war derart tief in ihre Überlegungen verstrickt, dass sie des vor ihr haltenden Autos erst gewahr wurde, als dessen Fahrer bereits aus dem selben - einem von der Zeit ausgewaschen wirkenden dunkelblauen Kleinwagen - ausstieg und auf sie zu eilte. Ihren immer noch leicht von dem soeben überstandenen Hust- und Übelkeitsanfall verschwommenen Blick auf den dunkelhäutigen und glatzköpfigen Mann richtend, versuchte Leandra hastig aufzustehen, was ihr zwar gelang, aber nicht allzu elegant vonstatten ging.

„Kann ich Ihnen helfen, Miss?”, erkundigte sich der dunkelhäutige Mann bei der sich soeben vom Straßenrand erhebenden jungen weißblonden Frau, welche er zuerst für schwer verletzt gehalten hatte, da sie so still und regungslos am Straßenrand gesessen hatte. Ihm stand zwar nicht gerade viel Zeit zur Verfügung, jedoch konnte er nicht - so wie die meisten anderen Autofahrer es wohl getan hätten - an ihr vorüber fahren und einen möglicherweise hilfsbedürftigen Menschen einfach so seinem Schicksal überlassen. Fast schon automatisch wanderte sein Blick zurück auf die Straße und den sich links und rechts erstreckenden Grasrand entlang, um dort nach eventuell verräterischen Bremsspuren Ausschau zu halten, fand jedoch nichts, das ihm einen Hinweis auf eine derartige Ursache der Lage der jungen Frau verriet.

Zu seiner Erleichterung jedoch erhob sie sich bereits, als er aus dem Wagen ausstieg, um diesen herum eilte und auf sie zukam und schüttelte wie zur Verneinung seiner Frage leicht den Kopf.
„Sind Sie sicher? Ich kann Sie gerne mitnehmen. Es ist hier nicht gerade allzu viel los und ... Nun, es ist sicherer, wenn Sie nicht allein hier herumlaufen.”

Nachdenklich beobachtete er, wie die Frau sich ihm und dem Auto zögernd näherte, wobei sie besonders Letzteres über Gebühr im Auge zu behalten schien. Ein Umstand, der ihm bestätigte, dass es sich hier wohl doch um einen Autounfall oder ähnliches gehandelt haben musste.
„Wenn Sie verletzt sind, fahre ich Sie gerne in die nächstgelegene Klinik”, bot er ihr deshalb, mehr aus Konversations- als aus sonstigen Gründen, an, da er ja bereits selbst gesehen hatte, dass sie keinerlei - zumindest äußere - Verwundungen aufwies. Auch ihre Kleidung wirkte keineswegs zu sehr zerknittert oder zerrissen und es waren auch - bis auf einige wenige Grasflecken - keinerlei andere Verfärbungen daran zu erkennen, die auf eine akute Verwundung hinwiesen.

Eine Vermutung, welche die Frau ihm auch kurz darauf mit den Worten: „Ich bin nicht verletzt und ... Ja, danke, es wäre sehr freundlich, wenn Sie mich mitnehmen könnten”, bestätigte.

„Sehr gerne ... Wo wollen Sie denn hin?”, erkundigte er sich bei der sich nun langsam dem Auto Nähernden mit einem freundlichem Lächeln. „Ich fahre in Richtung Washington D.C.”, ließ er sie wissen, öffnete die Beifahrertür und hielt sie ihr auf.

Kurz zögernd, stieg sie dann doch noch ein und ließ sich auf dem mit Schafsfell überzogenen Beifahrersitz nieder. Nachdem auch er wieder in seinen Wagen gestiegen war, ließ er den Motor wieder anspringen - dabei sehr wohl das leichte Zusammenzucken seiner neuen Mitfahrerin bemerkend - und fuhr los in Richtung Stadt.

Wie erstarrt saß sie da und hielt ihre weit geöffneten blassblauen Augen fest auf die sich vor ihr erstreckende Straße gerichtet. Ihre schmalen Hände ballten sich zu zwei festen Fäusten, welche sie wie zum Schutz vor ihrem Körper verschränkt hielt. Dennoch konnte sie das Zittern, das sie erfasst hatte, nicht gänzlich unterdrücken, so dass ihr, zu ihrem Ärger und Bedauern, anzusehen war, was sie empfand.
Ihre bleichen Lippen fest zusammen gepresst haltend, atmete sie regelmäßig tief ein und aus, darauf bedacht, sich wieder zu entspannen und gegen die in ihr aufsteigende Panik anzukämpfen.
Es war doch vollkommen unsinnig, sich vor etwas zu fürchten, das nur ein Stück benzinbetriebenes Metall auf vier Rädern war. Es war vollkommen verrückt, sich deswegen Sorgen zu machen. Schließlich konnte dieser Wagen, in dem sie gerade saß, ihr nichts antun. Viel gefährlicher waren da die Menschen, die in solchen Gefährten saßen...
Es war vollkommen unsinnig, zu befürchten dass sie wieder verletzt werden könnte. Schließlich saß sie nun innerhalb des Autos und war nicht einfach so von der Brücke mitten auf einen viel befahrenen Highway gesprungen. Sie war viel stärker als noch vor einem halben Jahr, weitaus klüger und vor allem auch ihrer jetzigen Umwelt und den Menschen angepasster als es zum damaligem Zeitpunkt der Fall gewesen war. Heute wusste sie, dass das, was sie damals verletzt hatte, ein Auto war, dass sie selbst an dieser Verletzung durch ihren Sprung auf die Straße schuld gewesen war und dass das gelbe Fahrzeug kein Monster war, welches sie zu verschlingen gedachte. Fast schon breitete sich ein kleines zaghaftes Lächeln auf ihren leicht bebenden Lippen aus, als sie sich an ihre damalige Naivität zurückerinnerte. Das, worin sie hier nun saß, war ein einfacher Wagen, der - soweit sie es beurteilen konnte - nicht gerade zu besonderen Hochgeschwindigkeitsfahrten in der Lage zu sein schien. Jedenfalls soweit Andrej sie, was die verschiedenen Marken und Eigenheiten der Autos betraf, unterrichtet hatte.

Während er langsam losfuhr, warf er immer wieder einen neugierigen Blick auf seine neue Mitfahrerin. Normalerweise nahm er ja niemanden mit. Zuviel konnte geschehen, zuviel einem angehängt werden. Es waren einfach viel zu viele Probleme mit einer solchen - eigentlich menschenfreundlichen - Tat verbunden, als dass er sich bereitwillig darauf eingelassen hätte. Er war mehr ein Einzelgänger in allem, was er tat. Er mochte es nicht, wenn andere Menschen wussten, was genau er tat und wie er zu dem kam, was er besaß, oder auch nur an das Wissen, über das er verfügte. Genau das war es auch, was seine Arbeit derart erfolgreich hatte werden lassen und ihn in gewissen Kreisen zu einer viel gefragten Persönlichkeit machte. Ein Umstand, den er sehr zu schätzen wusste, da es doch seinem Ego schmeichelte, wenn man extra nach ihm und keinem anderen verlangte, um ein Problem zu lösen. So, wie es auch diesmal geschehen war.

Er war gerufen worden, um bei jemandem ein Problem zu lösen und die Verursacher auf seine eigene Art und Weise unschädlich zu machen. Manchmal sah er es als eine Art von Ungezieferjagd an. Ein Job, den nicht jeder gerne machte, der aber nichtsdestotrotz getan werden musste und den er, wie er meinte, bisher auch vorzüglich erledigt hatte. Dieser neue Auftrag war es auch, der ihn nach Washington D.C. trieb, was zugleich eine Gelegenheit für ihn bot, welche er schon länger hatte wahrnehmen wollen, dies aus Zeitgründen aber einfach nicht geschafft hatte. Aber nun konnte er, nachdem er seinen Auftrag erledigt hatte, sich auch einmal etwas Privatem zuwenden und vielleicht fand er sogar, wonach er suchte. Wünschen tat er es sich auf jeden Fall, da es, wie er meinte, mit zu seinem Leben gehörte und er endlich einfach herausfinden musste, was ihm schon etliche schlaflose Nächte bereitet hatte.

Wieder warf er einen kurzen Blick neben sich auf die deutlich verängstigte weißblonde Frau und verringerte daraufhin die Fahrgeschwindigkeit um ein Drittel, dabei die Reaktionen seiner Mitfahrerin beobachtend und zugleich ein Auge auf der immer noch kaum befahrenen Straße behaltend.
„Sie sollten sich lieber anschnallen”, empfahl er ihr schließlich nach kurzem Schweigen. Nicht nur weil es sicherer war und er sich ein wenig schuldig fühlte, weil er diesen Mangel an Sicherheit nicht früher entdeckt hatte, sondern auch, um die nun doch langsam unangenehm werdende Stille zu brechen und die verängstigte Frau etwas abzulenken.

Nur langsam tauchte sie aus den sie fest gepackt haltenden Visionen von dem, was vor einem halbem Jahr geschehen war, wieder auf. Leandra hatte überhaupt nicht richtig mitbekommen, wie schnell die Erinnerungen von den damaligen Ereignissen sie wieder im Griff hatten oder wie sehr diese sie immer noch beschäftigten. Sie ärgerte sich darüber, dass diese sie derart von ihren Pflichten abhielten und sie mit sinn- und zwecklosen Ängsten erfüllten. Erst die Stimme des neben ihr sitzenden und den Wagen lenkenden Mannes hatte sie wieder soweit aus ihren kreisenden Gedanken heraus gerissen, dass sie einen Blick auf ihre Umgebung zu werfen in der Lage war. Sicher, es gefiel ihr nicht gerade und sie hatte immer noch alle Mühe, ihre Ängste, die beim Anblick der an ihnen vorüber rasenden Autos immer wieder zu neuem Leben erstehen wollten, unter Kontrolle zu bringen, aber es gelang ihr, nicht in Panik zu geraten.
Eigentlich war ihr klar, daß Panik vollkommen unnötig war. Allerdings musste sie nun noch das, was ihr der Verstand und die Logik sagten, in Einklang mit dem bringen, was ihr ihre Gefühle und Erinnerungen stets aufs Neue vorzugaukeln versuchten.

„Bitte, Miss, Sie sollten sich anschnallen”, erklang die Stimme ihres Helfers plötzlich erneut, während er den Wagen plötzlich langsamer werden ließ und in Richtung Straßenrand lenkte, wo er schließlich so stehen blieb, dass die anderen an ihnen vorüber fahrenden Autos nicht behindert wurden.
„Ich meine das hier”, ließ er abermals verlauten und tippte mit einer Hand auf den Gurt, welchen er quer über seine Brust gespannt hatte, nachdem er wieder eingestiegen war. Etwas, das ihr erst jetzt wieder einfiel, als sie diesen erneut erblickte.

Langsam wandte Leandra den Kopf in Richtung des Fahrers.
„Anschnallen?”, fragte sie nicht wenig verwirrt und mit einem deutlich fragenden Ausdruck in ihrem angespannt bleichen Gesicht. Sie wusste nicht so recht, was das für einen Sinn haben sollte und was es mit diesem seltsamen Verhalten auf sich hatte, das der Mann plötzlich an den Tag legte. Mit angespannten Muskeln wartete sie darauf, was nun geschehen würde. Machte er auch nur eine einzige falsche Bewegung, wusste sie, wie sie zu reagieren hatte.

Verwirrt erkannte sie, dass der Wagen plötzlich langsamer wurde und schließlich wieder am Straßenrand hielt. Was sollte das bedeuten? Hatte sie vielleicht etwas falsch gemacht oder hätte sie auf etwas, das sie im Moment nicht zu begreifen in der Lage war, anders reagieren sollen? Er hatte sie etwas gefragt oder sie auf etwas hingewiesen. Soweit zumindest war alles klar. Doch ... Konnte sie es riskieren, ihre Unwissenheit dem, was er meinte, gegenüber preis zu geben? War es nicht viel zu gefährlich, wenn man zugab, etwas nicht zu wissen und sich somit dem anderen auslieferte? Aber war es nicht auch genauso riskant, einfach weiter zu schweigen und abzuwarten, was als nächstes geschah, oder wie es im Moment aussah, ihre ohnehin schon angespannten Nerven noch weiter zu strapazieren und dann womöglich in einer eigentlich überhaupt nicht bedrohlichen Situation falsch zu reagieren und sich somit nur noch mehr zu schaden? Von dem offensichtlichem Schaden für den anderen Menschen, der ihr, wie es aussah, nur helfen wollte, einmal ganz abgesehen. So entschied Leandra sich, das Risiko einzugehen, ihre Unwissenheit dem sie mit einem deutlich fragenden Blick musternden Mann gegenüber einzugestehen und erwiderte schließlich:
„Ich ... Ich verstehe nicht, was Sie meinen.”

„Soll das heißen, dass Sie sich noch nie zuvor angegurtet haben?”, fragte der Fahrer des Wagens mehr als nur ein wenig erstaunt nach und wandte seine Aufmerksamkeit nun vollends seiner Beifahrerin zu, woraufhin diese nur stumm nickte und seine Frage, so unglaublich dies auch war, bestätigte. „Wie ist das, bitte sehr, möglich?”

Leandra schwieg, biss sich unschlüssig, was sie weiter preisgeben sollte, auf die Lippen und grub ihre Finger nur noch fester in den dünnen Stoff ihrer Hose, um nicht etwas Unbedachtes zu tun oder zu zeigen.
„Ich ... Nun ja ... Ich bin noch ... Das ist das erste Mal, dass ich in einem solchem Fahrzeug sitze.”

„Wie geht denn in der heutigen Zeit so etwas?”, brachte er ungläubig hervor und sprach dann, als er merkte, wie unhöflich das war, sofort weiter, um seinen Fehler zu überspielen: „Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen, wie man sich anschnallt. Es - es dient der eigenen Sicherheit.” Die Worte ‚falls man einen Unfall hat’ verkniff er sich gerade eben noch, da er ihre Reaktionen vor und nach dem Einsteigen in seinen Wagen noch allzu deutlich in Erinnerung hatte und ebenso seine Gedanken zu deren möglichen Ursachen.
„Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen, wie man den Gurt benutzt”, bot er erneut an.

Stumm nickte sie, die Hände dabei noch fester in ihre Hose vergrabend und sich so weit wie möglich in den Sitz hinein drückend. Sie mochte es ganz und gar nicht, wenn ihr ein anderer derart nahe kam, und dieser würde ihr nun wohl noch näher kommen, als er es ohnehin bisher schon war.
„Also gut ... Dann zeigen Sie mir bitte, wie man sich - anschnallt.”

Mit einem freundlichen Lächeln nickte er, löste seinen eigenen Gurt, beugte sich zu der deutlich angespannt wirkenden Frau herüber, hielt einmal kurz inne, um ihr beruhigend zuzuzwinkern - und griff behutsam vorn um sie herum zu dem sich an der Beifahrertüre und neben dem Sitz befindenden Gurt, zog ihn nach vorn von der Frau weg in Richtung Ablage und Frontscheibe und zeigte ihr die im Sonnenlicht silbern aufblitzende Metallschnalle. „Hier, sehen Sie? Damit schließen Sie den Gurt hier”, er zog diesen nun noch weiter heraus, ließ ihn sich langsam um ihren verkrampft wirkenden Körper legen und ließ die Schließe in den diese und den Gurt haltenden Mechanismus an der anderen Sitzseite einklinken, „und lassen ihn hier einrasten.” Noch während er die letzten Worte aussprach, lehnte er sich auch wieder auf seine Seite hin zurück und schnallte sich selbst - darauf achtend, dass sei genau sehen konnte, was er tat und wie er es tat - an und startete erneut den Motor, welchen er, als er am Straßenrand gestoppt hatte, hatte ausgehen lassen.

Nur langsam entspannte Leandra sich wieder, ließ das soeben Gehörte und Gesehene Stück für Stück Revue passieren und das soeben Gelernte sich in ihrer Erinnerung für eine spätere Verwendungsmöglichkeit festsetzen.
„Danke ...”, murmelte sie schließlich und entspannte sich sogar etwas, da sie merkte, dass dieser ‚Gurt’ ihrem Körper einen gewissen Halt zu geben schien. Was ein Gefühl war, das ihr, so verrückt es auch erschien, eine Art Sicherheit zu geben begann. Nur nebenbei bekam sie während ihrer Überlegungen und neuen Erkenntnisse mit, dass der Wagen wieder losfuhr und nun auch etwas schneller als zuvor seinem Ziel entgegen raste. Einem Ziel, welches sie, bis auf den Namen der Stadt und das was sie dort zu erledigen hatte, nicht näher kannte. Ebenso wenig, wie sie den Mann kannte, der sie dorthin fuhr. So konzentrierte sie sich also darauf, diesen eingehender zu beobachten.

Als er den Blick seiner Beifahrerin auf sich ruhen spürte, dachte er sich anfangs nichts dabei, wurde dann aber, als sie ihn über mehrere Minuten hin weiter anblickte, doch etwas nervös. Eine Empfindung, welche er bisher eigentlich in Situationen wie dieser nicht kannte. So schnell gab es eigentlich nichts, das ihm einen flattrigen Magen bescheren konnte. Was war es nur, das ihn in Gegenwart dieser Person, die ihm derart hilflos erschien, derart anfocht? Normalerweise wurde er nur nervös, wenn er kurz vor einem unbekannten gefährlichen Einsatz stand. Als es ihm zu bunt wurde und sich sogar eine Gänsehaut auf seinen dunkelhäutigen Armen zu bilden begann, wurde es ihm eindeutig zu viel und er entschloss sich, darauf zu reagieren. Ohne den Blick von der nun dichter befahrenen Straße zu nehmen, erkundigte er sich: „Haben Sie eine Frage an mich?”

Leandras Augen weiteten sich für einen Sekundenbruchteil leicht, als sie merkte, dass er sie wohl in ihrem Vorhaben durchschaut hatte. Zumindest in dem, was sie hatte tun wollen, jedoch nicht gewagt hatte, da sie nicht wusste, ob sie damit vielleicht schon wieder einen Fehler beging. Andrej hatte sie vieles gelehrt, nur nicht, wie man sich anderen Menschen, die man nicht gerade eliminieren wollte, gegenüber verhielt. So brachte sie schließlich nur ein leichtes Nicken zustande und fügte leise hinzu: „Ja das habe ich”, als sie merkte, dass er ihre Kopfbewegung wohl nicht gesehen hatte.

„Na, dann nur zu ...”, ließ er sie wissen, dass er ihr, trotz seiner Konzentration auf den Straßenverkehr, durchaus zuhörte.
„Fragen Sie ruhig. Und keine Sorge, ich beiße schon nicht”, konnte er sich nicht verkneifen, mit einem breiten Grinsen hinzuzufügen.

„Wohin ... Ich meine, was wollen Sie in der Stadt?”, schaffte Leandra es schließlich, ihre Frage zu stellen, wobei sie sich verwirrt fragte, ob andere Menschen das wohl öfter taten - Ihresgleichen beißen. Auf jeden Fall würde sie in Zukunft, da sie mehr mit fremden Leuten zu tun haben würde, darauf achten müssen. Bisswunden waren nicht allzu angenehm, wie sie aus eigenen Erfahrungen wusste. Oder war dies eine Art von nach Aufmerksamkeit heischen, um sich so einer potentiellen Gefährtin gegenüber interessanter zu machen? Während sie auf die Antwort wartete, nahm sie sich vor, dies als nächstes zu fragen.

Kurz zögerte er, ehe er sich dazu entschloss, eine etwas offenherzigere Antwort zu geben, als das er dies selbst seinem Vorgesetzten gegenüber getan hatte, dem zufolge er sich in einem ‚unbezahltem Urlaub’ befand.
„Ich bin auf der Suche nach jemandem, und mein Weg führt mich zu allererst ins ‚Flat Planet’-Café, in welchem der, den ich suche, wahrscheinlich des Öfteren verkehrt.”

 

Ende von Kapitel 14

 

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