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  „Die andere Seite” von Sythazen/Bianca Nunberger   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Oktober 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Aisling O'Saoirse wird auf dem Mutterschiff verhört.
Zeitpunkt:  zweite Staffel - einige Monate nach 1x22 The Joining
Charaktere:  Aisling O'Saoirse, Da'an, mehrere Freiwillige
 
Anmerkung der Autorin:  Über Feedback jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Auch gegen Kritik habe ich nichts, solange sie konstruktiv ist. Lest bitte auch meine anderen Stories, wenn euch diese hier gefällt. Es ist mein erster Ausflug in die Welt der E:FC-FF und ich kann nur sagen: Es hat mich voll erwischt.
 
Achtung! Dieser Teil enthält Szenen, die sich mit Folter beschäftigen!
 

 

DIE ANDERE SEITE

Kapitel 7

 

Unkontrolliert zitternd lag Aisling O'Saoirse - vollkommen entkleidet - auf dem schmalen, blau schimmernden Tisch. Nur das für sie nicht sichtbare Energiefeld verhinderte, dass ihr Körper derart vor Schmerzen zuckte, dass sie von eben jenem Lager fiel, auf welchem man sie vor - sie wusste nicht mehr wie langer Zeit - fixiert hatte. Nur langsam ließen die durch ihren Körper jagenden Muskelkrämpfe nach und sie bekam wieder etwas mehr Luft in ihre vom Schreien zerschundenen Lungen. So sehr sie sich anfangs auch vorgenommen hatte, dass kein Laut über ihre fest verschlossenen Lippen dringen sollte, so schnell musste sie sich selbst gegenüber eingestehen, wie närrisch ein solches Vorhaben war. Irgendwann, als die durch das nun friedlich über ihr ruhende Energiefeld geleiteten Impulse an Kraft immer mehr zunahmen und immer aufs neue und immer noch schlimmere Schmerzen in ihrem bebenden Körper verursachten, hatte sie aufgegeben und ihre Angst, ihre Qualen und ihre Verzweiflung laut hinaus geschrieen.

Sie hatte die kurzen Pausen, die man ihr zwischen den Befragungen zur angeblichen Erholung gönnte, schon fast mehr zu fürchten begonnen als die Verhöre selbst. Denn diese kurzen Zeitspannen waren es, die sie zur Ruhe kommen ließen. Die sie über ihre aussichtslos erscheinende Situation nachdenken ließen und über die Versprechungen, die man ihr vor jeder dieser kurzen Ruhephasen gemacht hatte.

Zu Beginn der Befragungen hatte sie sich geweigert, ihnen überhaupt zuzuhören. Später dann, als es einfach nur noch darum ging, voller Angst auf den nächsten Schlag des dicht über ihrem Körper befindlichen Energiefeldes zu warten, hatte sie sich zu wünschen begonnen, dass sie wenigstens die Möglichkeit einer Wahl gehabt hätte, sich für ihre Mitarbeit zu entscheiden. Doch diese Freiheit besaß sie nicht. Hatte sie nie besessen und würde sie auch wohl - so wie es jetzt um sie stand - auch nie kennen lernen können.

Hätte sie gewusst, wo sich der Widerstand befand, so hätte sie es gesagt. Hätte sie Komplizen besessen, so hätte sie deren Namen preisgegeben. Hätte sie auch nur einen einzigen Namen eines Widerständlers oder einer Kontaktperson gekannt, so wäre sie jetzt - laut den ihr gegebenen Versprechungen - frei. Doch sie wusste nichts dergleichen. Hatte niemals Kontakt zum Widerstand oder dessen Sympathisanten gehabt. Sie verachtete diese sogar noch weitaus mehr als viele derer, die sie verhörten. Schließlich war es die alleinige Schuld dieser gegen die Taelons operierenden Fanatiker, dass ihre leiblichen Eltern für sie gestorben waren. Sie würde jeden Menschen, der für den Widerstand arbeitete oder der auch nur im Verdacht stand, für diesen tätig zu sein, mit Freuden zur Strecke bringen oder den Taelons übergeben.

Je mehr ihre Schmerzen nachließen, desto weiter schweiften ihre Gedanken ab und Aisling O'Saoirse versank zusehends in einen Dämmerzustand, der sie halb wachend, halb schlafend von ihrer für sie auf immer verlorenen Familie träumen ließ. Von dem Heim, das sie sich gemeinsam geschaffen hatten, und von der Pflicht, die man sie zu erfüllen hatte schwören lassen.

Wieder war ein Verhör beendet worden. Wie jedes Mal zuvor auch ohne irgendwelche erzielten Fortschritte. Weder die Befragte noch die Fragensteller waren ihren jeweiligen Zielen auch nur einen Schritt näher gekommen. Sie konnte nicht auf etwas antworten, von dem sie nicht wusste, um was es dabei überhaupt ging. Sie wusste nicht einmal mehr genau, wie die letzte an sie gerichtete Frage gelautet hatte. Das Denken selbst fiel ihr einfach immer schwerer mit jedem weiterem durch ihren Körper geschickten Nervenschock ... Doch jetzt, in diesem Augenblick, in eben diesem Moment, in welchem sie hier lag und froh war um jeden neuen Atemzug, der ihre Lungen mit frischem Sauerstoff füllte, war es ihr auch vollkommen gleichgültig, was sie vorher alles getan oder sich vorgestellt hatte.

Nur vage erinnerte sie sich, dass sie in den früheren, dieser hier vorangegangenen Pausen immer an etwas Bestimmtes gedacht oder davon geträumt hatte. Doch selbst dieser eine Gedankenfetzen löste sich, noch während sie nach ihm zu greifen versuchte, in nichts auf. Sie spürte, wie sie fiel, und kämpfte dagegen an, gab jedoch nach wenigen Augenblicken auf.

Der Raum in dem sie lag, bestand wie alles, was sie von den Taelons bisher kennen gelernt hatte, aus ineinander fließenden blauen und violetten Farbtönen. Sowohl die Wände als auch die Decke, der Boden und die aus der Wand heraus ragende Liege, auf der man sie gefesselt hatte, waren in ihrer Farbenpracht und Lebendigkeit wunderschön anzusehen. Trotz ihrer derzeitig schlechten Lage versank sie in den sich ihr bietenden Anblick des sie umgebenden, aus lebenden Materialien erbauten Schiffes. Sie spürte die Lebensenergie, welche durch jede Pore und jede Faser der sich stets farblich verändernden Wände floss. Noch tiefer blickte sie, ließ sich einfach treiben, zu müde und zu kraftlos, um etwas anderes tun zu können, bis sie noch viel weiter in die lebendige Struktur des Mutterschiffes hinein sehen konnte. Schon fast glaubte sie, einzelne kleine weiße und strahlendhell leuchtende Kugeln erkennen zu können, die wie Perlen an einer Kette ihren vorbestimmten Wegen folgten. So wie Blut durch ihre Adern rann, durchflossen sie die einzelnen Zellen des Mutterschiffes und versorgten es mit der zum Überleben notwendigen Grundenergie.

Als sich nähernde Schritte das abermalige Ende ihrer Ruhephase und den neuerlichen Beginn eines weiteren, sinn- und zwecklosen Verhöres ankündigten, stockte ihr unweigerlich vor wie wild in ihr aufbrechender Furcht der Atem. Bebend zwang sie sich, erneut tief und ruhig durchzuatmen und den für sie lebensnotwendigen Sauerstoff in ihre Lungen zu ziehen, ehe sich der Selbige bei ihrem ersten Schmerzensschrei wieder verflüchtigen würde.

Vorsichtig drehte sie den Kopf ein wenig nach links, und mit vor Angst geweiteten Augen starrte sie auf den sich gerade öffnenden Eingang ihrer kleinen Zelle. Mit einem aus tiefstem Herzen kommenden Seufzer, der in den Ohren anderer Zuhörer wohl eher wie ein Stöhnen klingen mochte, entwich ihr die unweigerlich angehaltene Luft und ein ermattetes, doch nichts desto trotz hoffnungsvolles Lächeln umspielte ihre zitternden Lippen. Zutiefst empfundene Erleichterung ließ ihre allein schon von der Vorahnung neuer auf sie zukommender Schmerzen verkrampften Muskeln wieder erschlaffen und am liebsten hätte sie vor Freude beim Anblick desjenigen, der nun durch den sich allmählich vor ihm öffnenden Spalt geschritten kam, geweint.

 

Normalerweise vermied er es, auf Methoden zurückgreifen zu müssen, die sein Kind Zo'or nur allzu gerne und nach seiner eigenen Meinung allzu häufig gegen die Menschen anwandte. Auch wenn er kurz zuvor selbst befohlen hatte, dass man mit allen nötigen Mitteln herausfinden sollte, was die Betrügerin mit ihrer fehlgeschlagenen Aktion zu bezwecken gehofft hatte, so wollte er, kurz nachdem er von seiner Shuttlepilotin, Captain Lili Marquette, an Bord des Mutterschiffes gebracht worden war, seinen Befehl zwar nicht rückgängig machen, ihn jedoch ein wenig abmildern, da er nur zu genau wusste, wie gründlich einige der enthusiastischeren Freiwilligen sein konnten.

Doch die Synodenmitglieder befürchteten allesamt, dass der geplante Anschlag auf ihn persönlich, den Synodenführer, gerichtet sein könnte und verlangten deshalb übereinstimmend und ihn in dieser speziellen Frage somit überstimmend, dass härtere Maßnahmen erforderlich seien, um seinen Schutz auch garantiert gewährleisten zu können. Die ansonsten von ihm zumindest nach außen hin gepflegte Politik der Menschenfreundlichkeit würde wegen eines einzelnen Individuums gewiss keinen Schaden nehmen. So lautete jedenfalls die Meinung der Synode. Was ihn dabei jedoch am meisten bewegte und womit er niemals gerechnet hätte und was der ausschlaggebende Grund für seine schlussendliche Einwilligung in die vorgeschlagenen Methoden wurde, war die durch das Gemeinwesen offenkundig gewordene Sorge Zo'ors, dass seinem Elter etwas geschehen könnte.

Kaum dass er die Verhörzelle betreten hatte, fiel sein Blick auf die unter dem Energienetz gefangene Frau, die sich als Anwärterin auf den seit Boones Tod freigewordenen Beschützerposten getarnt hatte, um so in seine Nähe zu gelangen. Zu welchem Zweck genau sie dies getan hatte, war trotz intensivster Verhöre der Freiwilligen und der überrumpelten echten Bewerberin nicht aus ihr heraus zu bekommen gewesen.

Auf der einen Seite bewunderte er ihren starken Überlebenswillen, doch auf der anderen Seite wiederum brachte es ihn gegen sie auf. Einige ihrer Augen und Ohren innerhalb der Menschengesellschaften, die sie schon kurz nach ihrer ursprünglichen Ankunft auf dem gesamten Planeten verteilt hatten, berichteten ihnen von einem unmittelbar bevorstehenden Terroranschlag, der auf eine Taeloneinrichtung gezielt sein sollte. Auf welche genau, oder ob ein bestimmter Taelon dabei im Visier der Terroristen stand, konnten sie jedoch - trotz akribischster Nachforschungen - nicht herausfinden.

Entschlossen richtete er seinen Blick auf die vollkommen entkleidet vor ihm liegende Person. Er wusste nicht, wieso die Freiwilligen das, besonders bei den weiblichen Gefangenen, immer wieder taten, doch vermutete er, das dies etwas war, das mit den seltsamen Vorstellungen der Menschen von Anstand und Moral zu zusammenhing. Commander Boone hatte ihn einmal etwas in dieser Richtung erklärt, als er bei einem ihrer Ausflüge zufällig eine Werbeausstrahlung von ‚Taelonmode’ zu sehen bekommen hatte. Da'an hatte bis zu diesem Augenblick nicht gewusst, dass Implantanten zu derart heftigen Lachanfällen in der Lage waren. Wieder ein Punkt mehr auf der sich ständig erweiternden Liste der Fähigkeiten, die ein normal funktionierendes CVI eigentlich unterdrückt haben sollte. Doch Dr. Julianne Belman hatte ausdrücklich verneint, dass etwas mit Commander Boones CVI nicht in Ordnung sei und da sie die einzig führende Koryphäe auf dem Gebiet der Mensch-Taelon-Technologie darstellte und maßgeblich an der Entwicklung des Cyber-Virus-Implantates beteiligt gewesen war, hatte er keinen Grund gehabt, an ihren Worten zu zweifeln. Allein Dr. Julianne Belman war es zu verdanken, dass die CVI sich derart perfekt an die menschlichen Gehirne anpassen konnten. Sicher hätten sie mit der Führung von Mit'gai, der Dr. Julianne Belman in ihren Forschungen anleitete, das Cyber-Virus-Implantat noch schneller fertig stellen können, nur wären dann wesentlich mehr Menschen bei den Implantationen ums Leben gekommen.

Ein lautes Stöhnen vor ihm ließ Da'an seine Gedanken aus der nur ein paar Jahre zurückliegenden Vergangenheit wieder in die Gegenwart zurücklenken und sich auf die direkt vor ihm befindliche Aufgabe konzentrieren. Er würde schon erfahren, was die Freiwilligen vergeblich versucht hatten herauszufinden. Er kannte Mittel und Wege, die diesen einfachen Menschen nicht zur Verfügung standen, um an die von ihm gewünschten Informationen zu gelangen. Entschlossen konzentrierte er seinen stets forschenden Blick auf die vor ihm liegende junge Frau. Die ihn, so unglaublich es auch war, mit einem Lächeln in ihrem von Schmerzen gezeichneten Gesicht begrüßte.

 

Ein zutiefst empfundenes Gefühl von Erleichterung durchströmte ihren Körper und ihr Geist klärte sich wieder. Mit einem Mal kehrten auch ihre Erinnerungen wieder zurück und sie war sich im Klaren darüber, warum sie hierher geschickt worden war. Aufgeregt und voll freudiger Erwartung beobachtete Aisling, wie Da'an sich ihr langsam und offenbar tief in Gedanken versunken näherte. Alle Furcht, aller Schmerz und alle zuvor empfundene Verzweiflung schwanden dahin, wie Schnee in der Sonne schmelzen würde, und waren schließlich vergangen. Endlich war es soweit, und sie konnte die ihr aufgetragene Aufgabe erfüllen. Aisling musste unwillkürlich lächeln, als sie daran dachte, dass sie schon bald wieder mit ihrer Familie vereint sein würde und nichts und niemand sie jemals wieder voneinander würde trennen können. Wieder glaubte sie das ernste und dennoch Ruhe ausstrahlende Gesicht ihres Vaters zu sehen und die Tränen, die in den Augen ihrer Mutter glänzten, als sie ein letztes Mal voneinander Abschied nahmen - jeder im vollen Bewusstsein, dass es kein Zurück mehr gab und sie für die Zukunft ihres einzigen Kindes ... für ihre, Aislings Zukunft, nur eines tun konnten - sie weit fort zu schicken und nicht zurück blicken zu lassen auf das, was hinter ihr lag.

Aisling hatte nicht bemerkt, dass sie zu weinen begonnen hatte, bis eine sanfte, fast schon zögernd zu nennende Berührung einige ihrer Tränen von ihrer Wange strich. Verwundert blinzelte sie, was nur weitere Tränen ihr Gesicht hinab laufen ließen. „Warum?”, wollte sie fragen, doch sie brachte nur ein heiseres Flüstern zustande. ‚Warum bist du nicht schon eher gekommen?’, beendete sie ihren Satz in Gedanken, nicht fähig, noch weitere Worte durch ihren rauen, von den vielen Schmerzensschreien wunden Hals zu zwängen.

Sie wusste nicht, ob er ihre Frage verstanden hatte. Sie selbst war sich nicht einmal sicher, ob das von ihr gekrächzte Wort überhaupt jemand hätte verstehen können, und so sammelte sie erneut ihre Kräfte, um ihre Frage zu wiederholen, als sie verwirrt innehielt und den vor ihr stehenden Taelon stumm beobachtete. Sie sah den Kummer in seinen Augen, tief begraben unter anderen, derzeit wichtiger erscheinenden Emotionen. Sie sah die Trauer um einen verlorenen Freund, die er vor allen, auch oder vor allem vor sich selbst zu verbergen suchte. Doch nie vergessen ... niemals vergessen ... Und in seinen - für die meisten Menschen kaum wahrnehmbaren - durch seine Körpersprache übermittelten Emotionen, die ihr entgegenschlugen, konnte sie erkennen, dass er trotz seiner ureigensten Gegenwehr immer noch in tiefer Trauer war. „Was ... wer ...”, versuchte sie erneut zu sprechen ... ‚Was ist geschehen Da'an, wem gilt deine Trauer?’, doch wieder schaffte sie es nicht, mehr als die ersten Silben über ihre Lippen zu zwingen.

Es war zum Verzweifeln. Wie sollte sie ihm sagen, was sie vorhatte, ihm die Möglichkeit geben, sich zu verabschieden ... wie sollte sie ihn darauf vorbereiten, sein vorher bestimmtes Schicksal zu erfüllen und dass das, was sie gezwungen sein würde zu tun, am Ende zu ihrer aller Besten wäre? Sie wollte doch so sehr, dass Da'an begriff, dass sie - hätte sie eine freie Wahl gehabt - niemals jemandem würde Schaden zufügen wollen. Er musste einfach verstehen, dass ihrer beider Ende für alle Zurückbleibenden einen Neubeginn, ja sogar eine zweite Chance verhieß, alles zum Besseren zu wenden.

Sie sah, wie er seine Hand - auf welcher immer noch das Nass ihrer Tränen seine Fingerspitzen benetzte - ausstreckte und sie erneut berühren wollte. Sie sah seinen zutiefst konzentrierten Blick und wusste im selben Augenblick, dass es zu spät war. Sie würde ihn nicht mehr auf das sie beide erwartende Schicksal vorbereiten können. Sie würde handeln müssen ... in genau dem Augenblick, in welchem seine Hand durch das sie festhaltende Energienetz dringen und sie ein zweites Mal berühren würde. Jetzt, wo sie darauf vorbereitet war, wo sie wieder wusste, was ihre Pflicht und ihre Aufgabe war, blieb ihr keine andere Wahl, als zu handeln. Er musste sie nur kurz berühren, ihr einen Augenblick so nahe kommen, dass sie ihre Hand ausstrecken und die seine ergreifen konnte, so dass sie ihre Fingernägel in seine Haut bohren und das Gift freisetzen würde, das ihrer beider Schicksal endgültig besiegelte. Sie spannte sich an, bereit, jederzeit zuzupacken ...

... Nur kurz schweiften ihre Gedanken ab ... die Zeit schien sich zu verlangsamen ... Früher hatte es eine andere, bessere Lösung gegeben. Einen zweiten Weg, den sie hätte beschreiten können. Doch nun .. nun gab es nichts mehr, das die Zukunft zu ändern vermochte ... nichts mehr außer dieser einen, letzten Chance. Die jedoch weder sie noch er würde auskosten können.

... als sie plötzlich seine Stimme hörte. Überrascht riss sie die Augen wieder weit auf ... sah seinen forschenden Blick auf ihrem Körper und ihrem Gesicht ruhen ... sah, wie er seine Hand, gerade mal einige Millimeter außerhalb ihrer Reichweite, scheinbar abwartend verharren ließ und auf eine Antwort wartete ... eine, die sie ihm nicht geben konnte, so gerne sie es auch getan hätte.

 

Minuten verstrichen, während er so vor der Gefangenen stand und sie eingehend betrachtete. Sie war - nach menschlichen Maßstäben beurteilt - wunderschön. Ihr schlanker Körper, die roten Haare und besonders die mal graugrün, mal strahlendblau leuchtenden Augen besaßen einen Zauber, dem sich auch Da'an nicht entziehen konnte. Während er so dastand und sie beobachtete, begann sie leise zu weinen. Glitzernde Tränen sammelten sich zuerst in ihren großen Augen und liefen dann ihr schweißfeuchtes, blasses Gesicht herab, wo sie an den Stellen, auf der sie auf den Verhörtisch fielen, von den lebendigen und sich nach den Wünschen der Taelons formenden Schiffstrukturen absorbiert wurden. So wie alles andere, das bei den nicht selten stattfindenden Verhören auf dem Mutterschiff schlussendlich vom Mutterschiff selbst aufgenommen, in wieder zu nutzende Energie umgewandelt und am Ende entsorgt werden konnte. Nichts blieb übrig, das irgendwelche Rückschlüsse oder Beweise auf die in manchen Fällen notwendige Brutalität der Freiwilligen und noch viel mehr der einem Companion dienenden Implantanten schließen ließ. Keine Beweise, die ihnen in irgendeiner Form einmal würden Schaden zufügen können.

Da'an wusste von den Verhören, die nicht selten mit Folter und Schlimmerem angegangen wurden. Auch wusste er von den Experimenten, deren größtenteils menschenverachtende Praktiken auf dem Mutterschiff selbst durchgeführt wurden. Aus dem einzigen Grund, dass keiner von den meist nicht gerade freiwilligen Teilnehmern und der Art der durchgeführten Studien erfuhr und die Menschen so gegen sie aufbringen könnte. Da'an wusste all dies ... doch sah er keinen Grund, etwas an den Gegebenheiten zu ändern. Schon seit vielen Jahrtausenden waren sie derartig vorgegangen, wenn es galt, einen neuen Planeten für ihre Zwecke gefügig zu machen und deren Bewohner zum Nutzen des Gemeinwesens zu erforschen und zu manipulieren. Genau dies war die Aufgabe der Diplomaten - die zu nutzende Spezies soweit wie möglich von ihnen abhängig zu machen ... sei es durch ihre Technologie, ihre Medizin oder mit anderen Hilfsmitteln, mit denen man eine Spezies an sich binden konnte. Am Ende zählte nur, das die Zivilisation sich so tief in ihr Netz versponnen hatte, dass es kein Entrinnen und keine Existenz außerhalb eben dieses Netzes mehr geben konnte.

Wieder fiel sein Blick auf die glitzernden Tränen und langsam streckte er eine Hand aus und berührte zögernd ihr von den Verhören deutlich gezeichnetes Gesicht. In Gedanken versunken betrachtete er das feuchte, auf seinen Fingerspitzen befindliche Nass. Es erstaunte ihn immer wieder aufs neue, wie Wesen, die zu solch emotionalen Ausbrüchen neigten, es geschafft hatten, sich nicht schon viele Jahrhunderte vor dem Eintreffen der Taelons auf ihrer Welt gegenseitig auszulöschen. Wieder kehrten seine Gedanken, wie schon so oft in den letzten drei Monaten, zu Commander William Boone zurück und dazu, was dieser wohl zu seinen Überlegungen gesagt hätte. Fast glaubte Da'an, die Stimme seines verstorbenen Beschützers und ... ja, und Freundes hören zu können:
‚Da'an’, würde er wohl sagen, ‚wir Menschen sind vielleicht zu großer Grausamkeit fähig und wir führen nicht selten Krieg gegeneinander’,
- was ein Konzept war, das der Taelon ganz und gar nicht verstehen konnte. Sicher führten auch sie ihre Kriege und würden sie auch in Zukunft noch führen, aber niemals gegen die eigene Spezies. Doch weiter klang Boones Stimme in seinen Ohren und in seinem Geist wider ...
‚doch wenn es etwas gibt, das uns Menschen über alle Maßen auszeichnet, dann ist es unser ureigenster Überlebenswille.’

Da'ans noch immer tief in seinem Innersten schmerzenden Erinnerungen an William Boone wurden schlagartig unterbrochen, als die vermeintliche - nach Meinung der Synode - Attentäterin versuchte zu sprechen, was er jedoch nicht verstehen konnte. Zu undeutlich waren ihre nur leise geflüsterten Worte. Seinen Kopf neigend, suchte er nach Zeichen für ihre Bereitschaft, endlich zu kooperieren. Vielleicht würde sein ursprünglicher Plan, mehr ... nein nicht mehr, sondern alles von ihr zu erfahren, doch nicht nötig werden. Es wäre ihm nur recht so. Da'an beschloss, ihr eine letzte Möglichkeit zu geben, sich zu erklären: „Ich bitte Sie, sagen Sie mir, was Ihr Plan war und wo sich die anderen vom Widerstand aufhalten, und ich verspreche Ihnen, dass Sie nicht weiter zu leiden haben.”

Als statt einer Antwort wieder nur ein unverständliches Krächzen kam, versuchte er es erneut: „Sehen Sie, ich möchte nicht einmal wissen, wo sich Jonathan Doors aufhält. Im Moment jedenfalls nicht.” Kurz zögerte er und sprach dann sanft und mit nur einem Hauch von Neugier weiter, so ruhig und beschwichtigend wie er nur konnte: „Ich möchte nur verstehen, warum Sie das alles taten und was Sie damit bezwecken wollten. Hatten Sie wirklich vor, mir zu schaden?”

Wieder war Schweigen die einzige Antwort, die er erhielt. Mit etwas schärferer Stimme fügte er nun noch hinzu: „Verstehen Sie denn nicht, dass ich Sie nicht verletzen möchte? Aber ich werde erfahren, was ich wissen will, auf die eine oder andere Weise, und Sie können mir glauben, dass es für Sie weitaus unangenehmer als bisher werden wird, wenn ich mich dazu entschließe, meine Methode anzuwenden.”
Mit anschließend wieder etwas ruhiger gesprochenen Worten versuchte er die vorangegangene Drohung ein wenig abzumildern, während er seine Hand bereits ausstreckte, um das geplante Sharing einzuleiten. Etwas, das ganz sicher nicht auf viel Gegenliebe stoßen würde und deshalb für die Frau weitaus schlimmer würde als jedes Verhör eines Implantanten. Denn Da'an würde jede Empfindung, jede Erinnerung aus ihrem Gedächtnis hervorziehen und sie nach Hinweisen durchsuchen. Er bezweifelte stark, ob am Ende noch genug Verstand übrig bliebe, der die menschliche Hülle dieser Frau am Leben erhalten konnte. Sich innerlich bereits auf das Sharing und das gewaltsame Eindringen in ihren Geist vorbereitend, näherte sich seine Hand immer weiter dem sie trennenden Energiefeld. „Sie müssten doch wissen, dass es nichts gibt, das ein Mensch gegen einen Taelon ...”

Mitten im Satz brach er ab ...
Ein von zutiefst empfundenem Unglauben und Entsetzen erfüllter Schrei hallte durchs Gemeinwesen. Dann spürte auch er es ... einer von ihnen war gegangen ... war auf brutalste Weise mit einer für sie alle schockierenden Plötzlichkeit von ihnen getrennt worden und auf die nächste Ebene übergewechselt. Taumelnd stolperte der Synodenführer von der Frau zurück ... sie war in diesem Moment vergessen, als ihn die letzte Schockwelle des sterbenden Taelons traf.

 

Ende von Kapitel 7

 

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