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  „Die andere Seite” von Sythazen/Bianca Nunberger   (Emailadresse siehe Autorenseite),   September 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Earth: Final Conflict gehört Tribune Entertainment Co., Lost Script Prod. Inc., Atlantis Films und VOX. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Commander William Boone, ein treuer Companionbeschützer, hat einen kleinen Portalunfall.
Zeitpunkt:  zweite Staffel - einige Monate nach 1x22
Charaktere:  Commander William Boone, ein Portal-Sicherheitsbeamter, mehrere Polizisten
 
Anmerkung der Autorin:  Über Feedback jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Auch gegen Kritik habe ich nichts, solange sie konstruktiv ist. Lest bitte auch meine anderen Stories, wenn euch diese hier gefällt. Es ist mein erster Ausflug in die Welt der E:FC-FF und ich kann nur sagen: Es hat mich voll erwischt.
 

 

DIE ANDERE SEITE

Kapitel 5

 

Commander William Boone schüttelte benommen den Kopf, als die Energie des ihn transportierenden Portals nachließ und er aus dem - von Portal zu Portal gebildeten Interdimensionskorridor - heraustrat. An seinem gewählten Bestimmungsort angekommen, wollte er sich sogleich aufmachen, um seinen Bericht seinen Befehlen entsprechend abzugeben, doch zunächst musste er die hell vor seinen schmerzenden Augen tanzenden Lichter wieder loswerden. Deutlich benommen streckte er eine Hand aus, um sich an einer der Wände des Mutterschiffs abzustützen. Er griff jedoch zu seiner nicht geringen Verwunderung ins Leere und wäre daraufhin beinahe gestolpert, hätte ihm nicht ein neben ihm aus dem Portal getretener Mann stützend unter die Arme gegriffen und ihn so vor einem peinlichen Sturz bewahrt.

Einen leisen Dank murmelnd, richtete er sich wieder auf und rieb sich über die Augen. Nur langsam klärten sich die vor ihm hin und her tanzenden Lichtpunkte und Blitze auf und ergaben ein zusammenhängendes Bild, was ihn jedoch nur noch mehr verwirrte. Er befand sich nicht auf dem Mutterschiff, sondern inmitten einer Stadt. Mit Hilfe seines C.V.I versuchte er die letzten Ereignisse zu rekonstruieren, doch auch die durch sein Implantat verstärkten Erinnerungen gaben ihm keinen Aufschluss über den Grund dieses so unerwarteten Ortswechsels. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass, nachdem er Augur, Lilli, Dr. Park und den Rest der Widerständler - allen voran ihren Anführer Jonathan Doors - eliminiert hatte, er sich zur Berichterstattung auf dem Mutterschiff hatte melden sollen. Ja, jetzt erinnerte er sich wieder ... er hatte die Portalkoordinaten eingegeben, die ihm sein Companion per Global übermittelt hatte.

Wieder ging er die vor seinem inneren Auge ablaufenden Bilder Sequenz für Sequenz durch und glaubte schließlich den Grund für den Fehltransport erkannt zu haben. Er konnte wieder das anfangs leise und später, kurz vor seinem Transport, immer lauter gewordene Summen des aktivierten Portals hören. Dieser Augur musste wohl so eine Art Sicherung eingebaut haben, oder etwas ähnliches ... ja er war sich ziemlich sicher, dass, wenn er jetzt versuchen würde, wieder mit dem Portalsystem in das Hauptquartier des von ihm ausgelöschten Widerstands zurückzukehren, es ihm nicht gelingen würde. Es musste sich wohl um eine Art Selbstzerstörungssequenz gehandelt haben. Das würde zumindest auch die immer noch vor seinen Augen tanzenden Lichter erklären. Die Explosion musste sich wohl im selben Moment wie sein Transport ereignet haben. Er konnte von Glück reden, dass er noch lebte und nicht, wie von dem Verräter offenbar vorgesehen, mitexplodiert, sondern statt dessen nur an einen falschen Ort transportiert worden war. Doch dieser Trick war wohl auch der letzte gewesen, den Augur angewandt hatte, denn er - William Boone und loyaler Protektor der Companions - hatte den Computerspezialisten und den ganzen kläglichen Rest dieser Verräterbande endgültig ausgelöscht.

„Kann ich Ihnen helfen, Mister?”, erkundigte sich plötzlich eine leicht besorgt klingende Stimme dicht neben ihm, und Boone erinnerte sich daran, dass er wohl mitten im Weg stand und wohl auch keinen besonders guten Eindruck gemacht hatte, als er derart aus dem Portal gestolpert gekommen war. Jetzt erst registrierte er auch die ihn immer noch stützende Hand, welche ihm nun an seinem rechten Arm festhielt. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich auch noch ziemlich wacklig auf den Beinen, und er hatte große Mühe, auf dem wie wild unter seinen Füßen schwankenden Boden einigermaßen gerade stehen zu bleiben.

„Soll ich einen Arzt rufen, Sir?”, blieb der Mann hartnäckig, an seiner Seite stehen bleibend und ihn immer noch festhaltend.

Nur allmählich klärte sich sein verschwommener Blick wieder und Boone vermochte sein Gegenüber endlich genauer erkennen. Es handelte sich um einen der Portalbeamten, die für eine sichere An- und Abreise vor den Portalen verantwortlich waren und sich um die möglicherweise verwirrt oder verunsichert auftauchenden Reisenden zu kümmern hatten. Diese Beamten waren dafür zuständig, dass der Reiseverkehr im Allgemeinen problemlos vonstatten ging und dass die Leute die Sicherheitsvorkehrungen einhielten, wie z. B. dass kein körperlicher Kontakt zwischen zwei Reisenden entstehen durfte. Nun ja, er musste wohl einen äußerst verwirrten Eindruck gemacht haben, wenn der Mann gleich nach einem Arzt schicken wollte.

Abwehrend schüttelte Commander Boone den Kopf und entzog sich freundlich, aber nichts desto trotz konsequent dem Griff des Sicherheitsbeamten. „Nein, danke - es geht mir gut”, versicherte er dem besorgten Mann mit betont ausdrucksloser Stimme und sah sich nun - nachdem sich seine Augen wieder erholt hatten - genauer in seiner Umgebung um.

Er befand sich dem in der Nähe des Portals angebrachten Hinweisschild zufolge in New York und somit - in seiner alten Heimatstadt. Kurz blitzten einige durch sein C.V.I verstärkte Bilder vor seinem inneren Auge auf, als er an einer ihm bekannten Straßenecke in der Nähe immer noch den selben Hotdog-Verkäufer sah, der auch schon vor zwei Jahren hier seinen Stand innegehabt hatte. ‚Kathy hat dieses Zeug geliebt ...’ blitzte es kurz in seinem Geist auf, und er sah sich, zusammen mit seiner verstorbenen Frau, an den Würstchenstand schlendern, eine Hand dabei in der Hosentasche steckend und mit dem einen Tag zuvor gekauften Ehering spielend ... ‚An diesem Tag habe ich ihr einen Antrag gemacht.’ Abermals konnte er ihr vor Freude strahlendes Gesicht sehen, als er mitten auf dem Bürgersteig vor ihr auf die Knie gegangen war, ihr den Ring entgegengestreckt hatte und sie gebeten hatte, ihn zu ehelichen. Seufzend schüttelte er die Erinnerungen ab und schob sie wieder in die hintersten Winkel seines Verstandes zurück. Dafür hatte er jetzt wahrlich keine Zeit. Er musste unbedingt auf das Mutterschiff und dort den bereits von ihm erwarteten Bericht abgeben.


Einige Male tief durchatmend, richtete er sich schließlich wieder gerade auf und trat einige Schritte von dem Portal und dem ihm besorgt nachblickenden Sicherheitsbeamten fort, wobei er sich sehr anstrengen musste, nicht zu schwanken. Wäre sein C.V.I nicht, so würde er sicherlich schon halb ohnmächtig am Boden liegen, so benommen und regelrecht zerschlagen fühlte er sich. Doch dank des Cyber-Virus-Implantats in seinem Kopf, das halb lebendige Taelonmikrobe und halb Computerchip war, schaffte er es, seine körperlichen Beschwerden beiseite zu schieben und sich wieder auf das Wesentliche, nämlich seine Pflicht den Taelons gegenüber, zu konzentrieren.

Seine Sehkraft hatte sich zwar immer noch nicht wieder vollständig regeneriert - was Boone auf die doch ungewöhnlich heftige Portalreise zurückschob - doch reichte sie nun wieder aus, um per Global den Grund seiner Verspätung mitzuteilen. Mit der rechten Hand zog er das kleine Gerät aus seiner Jackentasche und öffnete es. Dann gab er seine Identifizierungsnummer ein und wählte seinen Companion an. Zu seiner nicht geringen Verwirrung kam er jedoch nicht durch und sein ID-Code wurde als ungültig angezeigt. Er wiederholte den Vorgang, aber als auch der nächste und übernächste Versuch scheiterte, schloss er vollkommen und mehr als nur etwas ratlos sein Global wieder.

Dann plötzlich fielen ihm die Koordinaten wieder ein, die er ja zum Zwecke seiner direkten Portalreise auf das Mutterschiff erhalten hatte, und ohne auf die empörten Rufe um ihn herum weiter zu achten, schob er sich einfach durch die auf ihre Abreise wartenden Menschen nach vorne durch, ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, ob einer von denen es vielleicht auch eilig haben könnte. Wieder vorne am Portal angekommen, zückte er seinen Ausweis und hielt ihm dem selben Sicherheitsbeamten, welcher ihm bei seiner kürzlich erfolgten Ankunft stützend unter die Arme gegriffen hatte, mit den Worten: „Das ist ein Einzeltransport, bitte halten Sie die Menschen von dem Portal fern, bis ich abgereist bin!”, seine Papiere vor die Nase.

Erneut, wie schon einmal an diesem Tag, in einem Portal stehend, gab er die Koordinaten in das Display ein und aktivierte gleichzeitig den Ghostmode, der seine Spur hinter ihm verwischen und sein Reiseziel für andere unkenntlich machen sollte. Nachdem er die Startsequenz eingegeben hatte, wartete er darauf, dass das Interdimensionsportal ihn endlich zu seinem Bestimmungsort transportierte, doch nach zwei ereignislos vergangenen Minuten, in welchen sich nicht das Geringste rührte, versuchte er es erneut. Dieses Mal mit seinem persönlichen ID-Code, den er als Companion - Protektor berechtigt war zu nutzen, doch auch dieser brachte ihn nicht fort. Im Gegenteil - laut den über das Display laufenden Informationen existierte seine Berechtigung überhaupt nicht. Nun doch langsam ungeduldig werdend und in Gedanken seine letzten Handlungen immer und immer wieder durchspielend, kam er auf keinen triftigen Grund, warum das Portal sich einfach nicht aktivieren wollte und seine Codes nicht nur nicht annahm, sondern sogar als ungültig wieder zurückwies.

Ein verhaltenes Räuspern hinter ihm ließ ihn von dem Portaldisplay aufblicken und einen ziemlich nervös wirkenden Sicherheitsbeamten entdecken, der einige Schritte von ihm entfernt stand und sich offenbar schon einige Zeit bemüht hatte, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Gab es in letzter Zeit eine Störung bei den Portalen?”, erkundigte er sich sogleich, ohne abzuwarten, was der Mann wohl von ihm wissen wollte.

„Was? Oh, ähm, nein - natürlich nicht, Sir”. Zögernd näherte er sich dem ihm gegenüber als Companionbeschützer ausgewiesenen Mann. „Aber wenn ich irgendwie behilflich sein kann?” Seine Hauptsorge galt eher den immer ungeduldiger hinter ihm wartenden Menschen als dem offenbar nicht ganz gesunden Mann vor ihm.

„Hm, es gab also keinerlei Störungen ...” Ungläubig schüttelte Boone den Kopf. „Als was würden Sie denn meine Ankunft hier bezeichnen? Ich hatte ein völlig anderes Ziel als New York eingeplant, und der Transport war auch nicht besonders angenehm ...”

Nun doch erheblich besorgter als zuvor blieb der Sicherheitsbeamte überrascht stehen und versuchte einen vorsichtigen Blick auf das Portaldisplay zu erhaschen, was ihm jedoch nicht so recht gelang. Stattdessen schloss der für die Taelons arbeitende Mann das Display und wandte sich ihm nun vollends zu - und seine nächsten Worte ließen ihn vor Schreck erblassen.

„Ich empfehle, dieses Portal aufgrund von noch nicht festgestellten Sicherheitsmängeln vorübergehend so lange zu schließen, bis eine sichere Reise durch die Techniker wieder garantiert werden kann.” Damit wandte Boone sich von dem deutlich erschütterten Mann ab, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil daran zu denken, dass er diesem mit seinen letzten Worten um seinen Job gebracht hatte. Denn jede Fehlfunktion und jedes Problem des Portals wurde den zuständigen Sicherheitsbeamten angelastet.

Doch solche Kleinigkeiten spielten für Commander William Boone keine Rolle. Das Einzige, was zählte, war, dass, wenn bekannt würde, dass Portalreisen nicht sicher wären, das den Taelons schaden könnte, und dies musste um jeden Preis verhindert werden. Gleichgültig, ob ein einzelner Mann darunter zu leiden hatte oder nicht. Er ging durch die Menge, über die Straße, an dem Hotdogstand vorbei und folgte, immer tiefer in das um ihn herum pulsierende New Yorker Stadtleben eintauchend, der breiten Straße seinem Büro entgegen. Dort würde er mit Sicherheit endlich Kontakt zum Mutterschiff und zu seinem Schutzbefohlenen aufnehmen können.


Nach etwa zehn Minuten und drei Häuserecken weiter hatte Boone endlich sein Ziel erreicht. Mit schnellen, ausgreifenden Schritten eilte er die Stufen zu dem Polizeipräsidium hinauf, in welchem er nicht nur einige Jahre gearbeitet hatte, sondern, in seinem früheren Leben, bevor er entdeckte, dass die Companions für ihn das Wichtigste waren, auch viele Freunde gehabt hatte. Ausgerechnet hier befand sich auch sein neues, von den Taelons extra für ihn eingerichtetes Büro, welches er jedoch in den letzten vergangenen eineinhalb Jahren kaum genutzt hatte. Zu viele andere Aufgaben und Verpflichtungen hatten ihn außerhalb dieser vier Wände für seinen Companion tätig werden lassen - nicht zuletzt seine Undercovermission im nun endgültig zerstörten Widerstand.

Während er auf dem oberen Treppenabsatz ankam und sich der großen, verglasten Eingangstüre des Präsidiums näherte, durchspielte er mit Hilfe seines CVIs mehrere verschiedene Szenarien, in welchen sich eventuell eine neue Gruppe von Aufständischen bilden könnte. Doch bei keinem der vor seinem inneren Auge ablaufenden Simulationen konnten diese so mächtig und gefährlich werden, wie es die Widerstandsgruppe unter Jonathan Doors gewesen war.

Tief in Gedanken versunken durchschritt er schließlich den Eingang des Polizeireviers, seiner näheren Umgebung und dem alltäglichen Lärm einer gut funktionierenden Dienststelle weiter keine Beachtung schenkend. An einigen Tischen wurden Formulare ausgefüllt, ein oder zwei der älteren Beamten gebrauchten zu diesem Zwecke sogar noch ihre antiquierten Schreibmaschinen, aber die meisten nutzten die üblichen Computerterminals, um ihren schreiberischen Pflichten nachzukommen. An anderen Tischen wurden Telefonanrufe entgegengenommen und die geübt beruhigenden Stimmen der Telefonistinnen, welche die verschiedensten Meldungen und Notrufe beantworteten und, falls nötig, an einzelne sich im Außendienst befindliche Streifenpolizisten weiterleiteten, nahm er nur als verbales Hintergrundrauschen wahr.

Zu sehr beschäftigten ihn die Überlegungen, die er im Hinblick auf weitere eventuell existierende, kleinere Splittergruppen der Widerständler anstellte. Diese mochten zwar keine so große Bedrohung darstellen wie die Gruppierung um Doors es eine Zeitlang durchaus getan hatte. Doch galt es jeden einzelnen aufkeimenden Funken solcher fehlgeleiteten und in ihrer Weitsicht beschränkten Menschengruppen aufzuspüren und auf die eine oder andere Weise aufzulösen. Nichts, was den Taelons missfiel, durfte von Bestand bleiben. Nichts, was seinen Companion diskreditieren könnte, durfte weiter existieren. Es war seine Aufgabe, nein, seine heilige Pflicht, solche störenden Elemente der Gesellschaft aufzuspüren und zur Zufriedenheit seiner Führer zu eliminieren.

Kurz sann er über das Wort Führer nach und darüber, was es in einigen weniger entwickelten und durch die fehlende Anwesenheit eines Taelon - Protektorates unterstützten Ländern noch heute bedeutete. Doch fiel ihm in seinem menschlichen, doch recht beschränkten Sprachgebrauch kein anderer Begriff ein, der die Rolle der Taelons und insbesondere die seines Companions, welchem er die Ehre hatte dienen zu dürfen, besser beschrieb als dieser. Denn nichts anderes taten die Taelons, als die Menschheit auf eine neue Existenzebene und zu neuen Erkenntnissen zu führen und sie auf ihrem schwierigen Weg der Evolution ein ganzes Stück weiter voran zu bringen, als sie von Natur aus in den nächsten Jahrtausenden, oder gar Jahrmillionen gekommen wären.

Die in ihrer Gesamtheit gesehenen nur geringen Opfer, welche bei einem solch universellen Prozess manchmal zu beklagen waren, akzeptierte er als ein zwar trauriges, aber nicht zu umgehendes Übel, das einigen wenigen widerfuhr. Es machte ihn unglaublich stolz, dass sein Companion zu jenen gehörte, die nur solche Elemente der Gesellschaft zu ihren Experimenten und Bemühungen zur Vervollkommnung der Menschheit benutzten, welche ohnehin entbehrlich waren. Wozu auch, oder ganz besonders, eben jene verirrten Menschen zählten, die sich gegen die Taelons erklärten. Diejenigen, die nicht bereit waren, sich belehren zu lassen, die nicht klug genug waren, ihre Irrtümer und Verfehlungen gegenüber den Companions öffentlich einzugestehen ... Diese speziellen Individuen erhielten im Zuge der wissenschaftlichen Bemühungen der Taelons eine besondere Rolle, die sie zum Wohlergehen der gesamtem Menschheit einzunehmen hatten. Dass dies von Seiten dieser Individuen alles andere als freiwillig geschah, störte Boone nicht besonders. Sie hatten ihre Chance bekommen und sie vertan. Mehr gab es da nicht zu sagen.

Doch das galt für die gesamte Menschheit. Für ihn persönlich bedeutete seine Arbeit für die Taelons und ganz speziell für seinen ihn auf seinem Weg führenden und anleitenden Companion, dass er nach dem tragischem Tod seiner Frau wieder ein Ziel hatte, für das es sich zu kämpfen und zu sterben lohnte.


Seine Überlegungen wurden abrupt unterbrochen, denn nicht alles in seiner ehemaligen Dienststelle lief so ruhig und reibungslos ab, wie das Berichteschreiben oder der eher monoton ablaufende Telefondienst. Nur wenige Momente, nachdem er den Haupteingang passiert hatte, brach hinter ihm ein kleiner Tumult aus, und er konzentrierte schlagartig alle seine Sinne auf den Grund dieser gerade zu diesem Zeitpunkt höchst unwillkommenen Störung.

Einige Polizisten brachten eben zwei offenbar unter starkem Alkohol- oder Drogeneinfluss stehende Jugendliche herein, die sich gegen ihre Festnahme mehr als nur ein wenig zur Wehr setzten. Die vier Polizisten, welche die beiden aufgeputscht wirkenden jungen Männer in ihre Dienststelle gebracht hatten, konnten sie kaum unter Kontrolle halten, derartig heftig widersetzten sie sich ihrer Verhaftung. Das laute Stimmengewirr der arbeitenden Beamten um ihn herum verstummte für kurze Zeit, als sich alle den sich wie wild gebärdenden Neuankömmlingen zuwandten.

Plötzlich gelang es einem der Junkies sich aus Griff des ihn rechts festhaltenden Polizisten zu befreien. Doch statt zu versuchen, nun auch seinen anderen Arm freizubekommen, ließ er sich nach vorne, gegen den überraschten Beamten, fallen, griff zu und zog ihm den Revolver aus dem Holster.

„Achtung, er hat meine Waffe!”, schrie der derart überrumpelte Polizist und griff gleichzeitig mit den Händen nach der geladenen Pistole, um sie dem wie verrückt lachenden jungen Mann wieder abzujagen - was ihm jedoch nicht gelang, stattdessen traf ihn die eigene Waffe so unglücklich am Kopf, dass er benommen einige Schritte zurücktaumelte.

Der zweite ebenfalls mit den beiden Jugendlichen hereingekommene Beamte reagierte sofort und stieß den zweiten, alles mit glasigem Blick beobachtenden Gefangenen beiseite, außer Reichweite des ersten und dirigierte ihn gleichzeitig in die Arme zweier weiterer Polizisten, welche den jungen Mann in Empfang nahmen und augenblicklich - nachdem sie ihm Handschellen angelegt hatten - in das hinter ihnen befindliche Büro sperrten. Dann zog derselbe Beamte, der den zweiten unter Drogen Stehenden gerade losgeworden war, ebenfalls seine Waffe, wich einige Schritte zurück und zielte, diese mit beiden Händen haltend, auf den Kopf des immer noch wie verrückt lachenden und mit seiner Pistole wild in der Luft herumfuchtelnden Mannes und schrie diesen mit zwar blassem Gesicht, doch fester Stimme an: „Los, Bürschchen, lass die Knarre fallen, oder ich werde dich auf der Stelle erschießen!”

Der Angesprochene schien jedoch nicht einmal im Traum daran zu denken, seine gerade erst gewonnene Knarre wieder fallen zu lassen. Ganz im Gegenteil - mit vor Begeisterung schriller Stimme drohte er jeden, der es wagte, sich zu bewegen, sofort zu töten. In seinem drogenumnebelten Hirn war kein Platz übrig für Vernunft oder für die Tatsache, dass er sich hier inmitten von zwei Dutzend zu allem bereiten Polizisten befand. Seinen einzigen Vorteil, den er besaß, auch weidlich nutzend, zielte er abwechselnd auf den entwaffneten und immer noch nur wenige Schritte von ihm entfernt stehenden Polizisten und auf die sich im Polizeirevier befindliche Menschenmenge. Der einzige Grund, warum keiner der vier - aus unterschiedlicher Entfernung - nun ihrerseits auf den jungen Mann zielenden Beamten noch nicht Gebrauch von ihren Schusswaffen gemacht hatten, oder sich einer der direkt in seiner Nähe stehenden auf ihn geworfen hatte, war seine absolute Unberechenbarkeit.

„Komm schon, Junge, das bringt doch nichts. Leg die Waffe weg und lass uns drüber reden!”, versuchte es der überrumpelte, ältere Beamte mit betont freundlicher, beschwichtigender Stimme und hielt seine leeren Hände für jeden offen sichtbar weit von seinem kräftig gebauten Körper gestreckt, während er einen vorsichtigen Schritt näher an den sich im Drogenrausch Befindlichen herantrat.

Die Anwesenden hielten zuerst vor Spannung den Atem an, schrieen dann jedoch entsetzt auf, als der sich im Besitz der gestohlenen Waffe Befindliche kurz zögerte, sich dann zu den ihn beobachtenden oder bedrohenden Menschen im Polizeirevier hin umdrehte und abdrückte.


Kurz hatte Commander William Boone überlegt, ob er sich einfach umdrehen und weiter in Richtung seines Büros eilen sollte. Was ging es ihn an, wenn die ihn umgebenden Menschen zu inkompetent waren, um zwei Drogenjunkies im Zaum zu halten? Er hatte bereits zwei Schritte getan, als ihm ein anderer Gedanke kam. Was würden die Menschen von den Companions halten, wenn sich in der Nähe eines ihrer Protektoren etwas Derartiges ereignen konnte? Die Antwort auf diese Frage gefiel ihm ganz und gar nicht, denn es durfte nichts geben, was auch nur einen Hauch von Kritik an den Taelons hervorrufen könnte. Also entschloss er sich, zu handeln.

Er drehte sich wieder zu den beiden Unruhestiftern um und sah gerade noch, wie einer der beiden Drogenabhängigen mit einer Waffe herumfuchtelte, während der überrumpelte Polizist offenbar gerade vergeblich versuchte, auf den völlig ausgeflippten Jugendlichen einzureden und ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Doch weder ihm noch dem ebenfalls nun mit seiner Waffe auf ihn zielenden Beamten gelang es, die brenzlige Lage wieder zu entschärfen. Boone wusste nur zu gut, dass er jetzt handeln musste, wenn er größeres Unheil noch verhindern wollte.

Schnell überdachte er mit Hilfe seines CVIs die verschiedensten Möglichkeiten, die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen, kam schlussendlich jedoch nur auf eine einzige Lösung, die für alle Beteiligten sicher wäre - ein gezielter Schuss mit seinem Skrill, und die Sache wäre erledigt. Er hatte den Arm in genau dem Augenblick gehoben, als der sich offenbar immer weiter in seinen Rausch hineinsteigernde Jugendliche sich herumdrehte und die Waffe auf die Menschen im Polizeipräsidium richtete.

Mit einem gezielten Gedanken erweckte er den Skrill, der sich nach seiner Implantation mit ihm verschmolzen hatte und den er durch sein CVI zu kontrollieren in der Lage war, aus dem Dämmerzustand, in welchem er diese von den Taelons zu einer Waffe geformte Lebensform meistens hielt und befahl ihm, seine sich rasch aufstauende Energie auf denjenigen loszulassen, der in diesem Augenblick eine Bedrohung darstellte.

Im gleichen Moment erblickte der Junkie ihn, richtete die Pistole auf ihn und schoss.

 

Ende von Kapitel 5

 

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